Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere Brandstiftung
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 21. September 2000, soweit es den Angeklagten B. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen. Ihm war nach der Anklage zur Last gelegt, gemeinsam mit dem Mitangeklagten Mehmet Vecdi C. das Gemüsegeschäft dessen Onkels, des weiteren Mitangeklagten Mehmet C., das in einem Wohnhaus lag, in dem sich zur Tatzeit mehrere Personen aufhielten, in Brand gesetzt zu haben. Der Onkel soll zu dieser Tat angestiftet haben. Das Landgericht hat den Mitangeklagten Mehmet Vecdi C. wegen schwerer Brandstiftung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, den Angeklagten und den Onkel des Mitangeklagten hat es freigesprochen. Es ist dabei im wesentlichen aufgrund der seiner Ansicht nach nicht zu widerlegenden Einlassung des Mitangeklagten von folgendem Tatgeschehen ausgegangen:
An dem Tatabend haben der Angeklagte und seine Frau den Mitangeklagten besucht, nach drei Uhr morgens trennte man sich in der Nähe des Gemüsegeschäftes. Der Mitangeklagte ist dann zu dem Geschäft gegangen, hat in Selbstmordabsicht Benzin ausgeschüttet, sich nach ca. zehn Minuten mit weiterem Benzin übergossen und den Brennstoff sodann angezündet. Durch die Explosion wurde er aus dem Laden nach draußen geschleudert. Dort löschte der gerade dort zufällig anwesende Angeklagte mit Handschuhen, die möglicherweise ebenfalls durch die Explosion aus dem Geschäft herausgeschleudert wurden, den Mitangeklagten. Kurze Zeit danach nahm die Ehefrau des Angeklagten die beiden Schwerverletzten in ihr Fahrzeug auf und übergab sie später herbeigerufenen Rettungssanitätern.
Die gegen den Freispruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt wird, hat Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an, weil schon die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt.
II.
Die dem Freispruch zugrundeliegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand: Die Strafkammer hat sich mit den Einlassungen des Angeklagten nicht in der erforderlichen Weise befaßt (1), sie hat einige ihn möglicherweise belastende Umstände überhaupt nicht (2), andere nicht umfassend erörtert (3) und einen fehlerhaften Prüfungsmaßstab angelegt (4).
1. Die Kammer mußte im Rahmen der Beweiswürdigung die Einlassungen des Angeklagten mitteilen und sich mit ihnen auseinandersetzen.
Das Urteil erwähnt unter der Überschrift „Die Ermittlungsansätze”, daß der Angeklagte bei der Verkündung des Haftbefehls angegeben habe, daß er nicht wisse, wer die Tat begangen habe, er nur zufällig an dem Laden vorbeigekommen sei und den Mitangeklagten nur kenne, weil ihn jeder dort kenne. Er habe seinen Wagen vor der Türe abgestellt, weil man dort nicht durchfahren könne. Im weiteren Verlauf des Verfahrens habe er bei der Haftprüfung sich gleichartig geäußert, in der Hauptverhandlung habe er geschwiegen. Wie die „gleichartige” Äußerung ausgesehen hat, teilt das Urteil nicht mit. In der Beweiswürdigung kommen die Einlassungen des Angeklagten nicht vor. Eine Auseinandersetzung schon mit der mitgeteilten Aussage war aber unverzichtbar, weil diese in mehreren Punkten nicht in Einklang mit der Einlassung des Mitangeklagten (Besuch des Angeklagten und seiner Ehefrau bei ihm; der Angeklagte habe ihm das Leben gerettet) zu bringen ist, die der Tatrichter für nicht widerlegt hält und seinem Urteil zugrundelegt.
2. Bei der Beweiswürdigung gänzlich unberücksichtigt gelassen hat das Landgericht weitere im Urteil an anderer Stelle erwähnte Umstände, die mit der als unwiderlegbar angesehenen Einlassung des Mitangeklagten nicht bzw. nicht ohne weiteres zu vereinbaren sind und deshalb zu einer Erörterung drängten: der von dem Angeklagten genannte Abstellort seines Fahrzeuges und die – damit nicht vereinbar – vom Tatort wegführenden Blutspuren; die Wahrnehmungen der Zeugen, die unmittelbar nach der Explosion auf die Straße vor dem Gemüselokal blickten und dort keine Personen sahen; die fehlenden Brandverletzungen an den Händen des Angeklagten; die unterschiedliche Schwere der Brandverletzungen bei dem Angeklagten und dem Mitangeklagten.
3. Die Strafkammer hat sich in dem mit „Beweiswürdigung” überschriebenen Abschnitt der Urteilsgründe nur mit wenigen, den Angeklagten möglicherweise belastenden Umständen auseinandergesetzt und zudem ihren Beweiswert nicht umfassend geprüft.
Daß die Verletzungen des Angeklagten nach Auffassung des Landgerichts nicht den Schluß zulassen, daß er in irgendeiner Weise an der Tat des Mitangeklagten mitgewirkt hätte, hätte näherer Erörterung bedurft. Aus dem mitgeteilten Verletzungsbild und dem Schluß des Sachverständigen, daß der Angeklagte sehr nahe an der Hitzequelle gewesen sei, kann auch gefolgert werden, daß sich der Angeklagte zur Zeit der Explosion in dem Geschäft aufgehalten hat.
Der Tatrichter verkennt, daß das Verhalten der Ehefrau gegenüber den Rettungssanitätern hätte verwertet werden können, obwohl sie in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, weil es sich bei ihrem Zusammentreffen mit den Sanitätern nicht um eine Vernehmungssituation gehandelt hat (vgl. BGH NStZ 1992, 247; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 252 Rdn. 8).
Auch mit dem Umstand, daß auf dem Fluchtweg Handschuhe gefunden worden sind, die aus dem Gemüsegeschäft, möglicherweise dessen hinterem Teil, stammen und die der Angeklagte getragen haben muß, wie sich aus den Spuren des Angeklagten an den Innenseiten der Handschuhe ergibt, hat sich das Landgericht nur unzulänglich auseinandergesetzt. Die Schlußfolgerung der Kammer, daß sie der Angeklagte zum Löschen des Mitangeklagten gebraucht haben könnte, nachdem sie durch die Wucht der Explosion aus dem Geschäft geflogen waren und dort von dem Angeklagten vorgefunden wurden, ist zwar rein denktheoretisch nicht ausgeschlossen. Dieser – eher fernliegenden – Möglichkeit kann aber schon die vom Landgericht als wahr unterstellte Behauptung entgegenstehen, daß es sich bei den Handschuhen um solche gehandelt hat, die (üblicherweise) zum Transport von Kisten benutzt werden. Da solche Handschuhe im Lagerraum aufbewahrt zu werden pflegen und nicht im Verkaufsraum, hätte es nahe gelegen, daß das Gericht auch eine solche Möglichkeit geprüft hätte.
4. Das Landgericht hat sich bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, einzelne Belastungsindizien zu erörtern und sie auf ihren Beweiswert zu prüfen. Das genügt nicht, denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133). Im übrigen läßt die Auffassung des Tatrichters, daß es bei mehreren Erklärungsmöglichkeiten nicht zulässig sei, nur die zu Lasten des Angeklagten wirkende Deutung zu wählen, eine Verkennung des Zweifelssatzes besorgen. Dieser Grundsatz ist nicht auf einzelne Beweiselemente, sondern erst bei der abschließenden Gewinnung der Überzeugung auf Grund der genannten Beweissituation anzuwenden (vgl. BGH NStZ 1999, 205, 206; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 20).
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Pfister, Becker
Fundstellen