Verfahrensgang

LG Karlsruhe

 

Gründe

I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 2. Februar 1987 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

Der Angeklagte hatte Anfang 1986, ohne es zu wissen, in seinem Pkw 1,5 kg Heroin von der Türkei durch die Bundesrepublik und die DDR nach Berlin geschafft. Das Betäubungsmittel war von einem anderen Türken, T, in dem Pkw versteckt worden. In Berlin von T mit dem Rauschgift konfrontiert, erklärte sich der Angeklagte schließlich bereit, das Heroin zu verkaufen und 100.000 DM an T zu zahlen. Weil der Angeklagte mit dem Verkauf Schwierigkeiten hatte und nur einen Teil der vereinbarten Summe zahlte, wurde er bei einem erneuten Aufenthalt in der Türkei von T ultimativ zur Zahlung aufgefordert. Daraufhin besorgte sich der Angeklagte zu seinem Schutz eine Pistole Beretta 7,65 mm mit Magazin und sechs Patronen. In der Folgezeit - noch immer in der Türkei - einigte sich der Angeklagte mit T, ein weiteres Kilogramm Heroin zu übernehmen und für dieses und das früher nach Berlin gebrachte Rauschgift insgesamt noch 100.000 DM an T zu bezahlen. Der Angeklagte erhielt das Heroin (1,2 kg) und versteckte es unterwegs, noch vor der bulgarischen Grenze, in seinem Pkw. Auch die erwähnte Pistole samt Munition hatte er bei sich. Er hatte "ursprünglich nicht vorgehabt, diese Waffe mit nach Deutschland zu bringen, traute sich aber, nachdem das Heroin schon versteckt war, nicht mehr, die Waffe herauszunehmen. Er fuhr nun unmittelbar darauf mit dem Heroin und der Waffe, die rein zufällig noch in seinem Besitz war, nach Berlin. Dort baute er das Heroin aus dem Versteck wieder aus und versteckte es ebenso wie die Pistole und die Munition im Keller seines Anwesens" (UA S. 14).

Die Fahrt hatte wiederum durch die Bundesrepublik und die DDR geführt.

In der Folgezeit betrieb der Angeklagte den Verkauf des Rauschgifts in Süddeutschland. Dabei wurde er am 4. November 1986 festgenommen.

Am 2. Februar 1987 erließ das Amtsgericht Berlin - Tiergarten gegen den Angeklagten einen Strafbefehl mit der Beschuldigung, "am 6. November 1986 entgegen den Alliierten Verboten eine Schußwaffe und Munition besessen und nicht abgeliefert zu haben, indem Sie in ihrer Wohnung ... in Berlin 62 eine Pistole Typ Beretta, Kal. 7,65 mm, Nr. 32271 sowie ein Magazin mit sechs Patronen Kal. 7,65 mm aufbewahrten."

Es handelte sich um die Waffe, die der Angeklagte zusammen mit dem Heroin bei seiner zweiten Schmuggelfahrt aus der Türkei mitgebracht hatte. Der Strafbefehl wurde am 17. Februar 1987 rechtskräftig.

Das Landgericht hat aus der im Strafbefehl erkannten Strafe von 180 Tagessätzen und der wegen des Betäubungsmittelverbrechens verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 55 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Das anhängige Verfahren - wie von der Verteidigung beantragt - im Hinblick auf diesen Strafbefehl wegen Strafklageverbrauchs einzustellen, hat das Landgericht abgelehnt, weil sich die Waffe "nur zufällig, ohne jeden äußeren oder inneren Zusammenhang damit im Pkw des Angeklagten Y beim Transport der 1,2 kg Heroin von der Türkei nach Berlin befunden hat und auch sonst zu keiner Zeit der Anbahnung oder Durchführung von Heroingeschäften dienen sollte" (UA S. 27).

II. Mit der Revision macht der Angeklagte erneut das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs geltend. Die Rüge hat Erfolg.

Die Einfuhr des Heroins zum Zwecke des Verkaufs und die dann folgenden Vertriebsbemühungen sind eine prozessuale Tat. Eine Tat im Sinne von § 264 StPO sind - andererseits - die Einfuhr der Waffe und deren Besitz (vgl. BGH NStZ 1984, 171). Daß in Berlin besondere, vom Waffengesetz abweichende waffenrechtliche Bestimmungen gelten, ändert hieran nichts. Weniger die genaue Ausgestaltung des verletzten sachlich-rechtlichen Straftatbestands ist für die prozessuale Tatidentität entscheidend als vielmehr die Einheit des Lebenssachverhalts. Unerheblich ist hierbei, daß im Strafbefehl nur der Besitz der Waffe erwähnt wird. Ihre Einfuhr und die fortwährende Ausübung der tatsächlichen Gewalt bildeten zunächst im Bundesgebiet einen einheitlichen Lebensvorgang. Er wurde nicht dadurch beendet, daß die Waffe durch die DDR nach Berlin geschafft wurde und der Strafbefehl nur den Vorwurf des unerlaubten Besitzes nennt, zumal auch nach Berliner Recht die Einfuhr von Waffen - jedenfalls in das Gebiet von Berlin - strafbar ist [Art. I und II des Gesetzes Nr. 43 der Alliierten Kontrollbehörde - Kontrollrat - vom 20. Dezember 1946 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1947 S. 2) in Verbindung mit der BK/0 (74) 7 vom 9. Juli 1974 (GVBl für Berlin S. 1646)].

Ob die Strafklage verbraucht ist, hängt also davon ab, in welchem Verhältnis das dem Waffenrecht unterfallende Verhalten des Angeklagten zu dem vom Betäubungsmittelstrafrecht erfaßten Verhalten steht. Nach Auffassung des Senats bilden die Einfuhr der Waffe und die Einfuhr des Rauschgifts, beides beim selben Grenzübertritt im selben Pkw verborgen, eine verfahrensrechtliche Tat (vgl. BGH NStZ 1982, 512). Hieran ändert nichts, daß der Angeklagte die Waffe nicht für Zwecke des Betäubungsmittelhandels einsetzen wollte. Er schmuggelte sie - genau wie das Heroin - bewußt über die Grenze; das genügt. Die heimliche Einfuhr verschiedener Gegenstände im selben Fahrzeug beim selben Grenzübertritt wird in der Regel eine verfahrensrechtliche Tat bilden, ohne daß es auf die den einzelnen Gegenständen für später zugedachte Bestimmung ankommt.

Treffen aber Waffen- und Betäubungsmitteldelikt (jedenfalls) bei der Einfuhr zusammen, so bilden sie insgesamt eine Tat. Sie ist durch den Strafbefehl vom 2. Februar 1987 abgerügt. Neue Anklage und neue Verurteilung sind nicht zulässig; das Verfahren muß eingestellt werden. Die Einstellung umfaßt auch das Verhalten des Angeklagten nach der ersten (unbewußten) Einfuhr von Heroin; das Landgericht nimmt insoweit rechtsfehlerfrei Fortsetzungszusammenhang zwischen jenem Tun des Angeklagten und seinem späteren Verhalten an, insbesondere deshalb, weil der zweite Handel dem Abschluß des noch nicht zu Ende geführten ersten Geschäfts dienen sollte.

Die im Ergebnis unbefriedigende Einstellung des Verfahrens hätte unschwer vermieden werden können. Die Durchsuchung vom 6. November 1986 in Berlin, bei der die Waffe gefunden wurde, erfolgte aufgrund der Festnahme des Angeklagten in Ettlingen am 4. November 1986 und sollte dem Auffinden von Beweismitteln zum Vorwurf des Betäubungsmittelverbrechens dienen. Schon beträchtliche Zeit vor Erlaß des Strafbefehls waren der Staatsanwaltschaft Berlin die Rauschgiftgeschäfte des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft Karlsruhe der Waffenbesitz des Angeklagten bekannt. Insbesondere kannten beide Staatsanwaltschaften die vom Angeklagten geschilderte gemeinsame Einfuhr von Waffe und Heroin.

Das unterscheidet diesen Fall auch - ungeachtet aller sonstigen, bedeutsamen Besonderheiten - wesentlich von der Situation, die den Entscheidungen BGHSt 29, 288 und BVerfGE 56, 22 (vgl. auch OLG Hamm MDR 1986, 253) zugrunde lag, welche der Generalbundesanwalt für seine Auffassung, die Strafklage sei nicht verbraucht, in Anspruch nimmt. Dort waren die Taten, um deren spätere Aburteilungen es ging, zur Zeit der ersten Entscheidung noch nicht bekannt (BVerfG aa0 S. 37: " ... gelungen war, sich der Verfolgung zu entziehen").

III. Das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs trat zwar mit der Rechtskraft des Strafbefehls ein, doch erscheint es im Hinblick auf sämtliche hier zu berücksichtigende Umstände geboten, den Angeklagten nur für die Untersuchungshaft zu entschädigen, die er nach Verkündung des angefochtenen Urteils verbüßt hat, in dem über die Frage des Strafklageverbrauchs auf Einwand der Verteidigung ausdrücklich entschieden wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992951

NJW 1989, 726

wistra 1989, 66

StV 1989, 48

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