Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 19.03.2007) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 19. März 2007 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
- sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen (Fälle 1 und 2),
- sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (Fall 3) und
- sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Beischlaf zwischen Verwandten in zwei Fällen (Fälle 4 und 5)
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, sowie im Übrigen freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte seine leibliche Tochter I. im Alter von 13 bis 15 Jahren in fünf Fällen in deren Kinderzimmer aufgesucht und missbraucht. Im Fall 1 und 2 hat er sie als Dreizehnjährige an Brust und Scheide gestreichelt, wobei er sie im Fall 2 zusätzlich veranlasst hat, sein Glied bis zum Samenerguss zu manipulieren. Im Fall 3 hat er sie im Alter von nunmehr 15 Jahren dazu gebracht, an ihm den Oralverkehr bis zum Samenerguss vorzunehmen. In den Fällen 4 und 5 hat er mit ihr den Geschlechtsverkehr ausgeübt, wobei er sich im Fall 4 auf die damals 14-jährige Geschädigte legte und im Fall 5 sich die nunmehr 15-Jährige auf ihn setzen musste.
Rz. 3
2. Die Beweiswürdigung der Jugendkammer weist keinen Rechtsfehler auf. Die Beweislage ist dadurch gekennzeichnet, dass der Angeklagte drei Fälle des Missbrauchs seiner Tochter eingestanden hat, die den sexuellen Handlungen der Urteilsfälle 2, 4 und 5 entsprechen und diese im Kern übereinstimmend mit der Nebenklägerin schildern. Er hat sie lediglich in einen Zeitraum verlagert, in dem diese bereits 16 Jahre alt war. Abweichungen ergeben sich auch zum Randgeschehen (Verwendung eines Kondoms, Bereitwilligkeit des Mädchens). Damit hat der Angeklagte ein strafbares Verhalten eingestanden, das einen Schuldspruch gerechtfertigt hätte, wie er in den Fällen 3 bis 5 erfolgt ist, ohne dass es unbedingt einer Vernehmung der Geschädigten bedurft hätte.
Rz. 4
Der Angeklagte hat durch seine Aussage zugleich bestätigt, dass die belastenden Angaben der geschädigten Zeugin jedenfalls insoweit zutreffend sind. Angesichts dieser Beweislage, bei der es nicht mehr darum geht, ob die Geschädigte überhaupt Opfer von Missbrauchshandlungen geworden ist und ob der Angeklagte der Täter war, sondern nur noch um deren zeitliche Einordnung, das Vorliegen zweier weiterer Vorfälle und um Einzelheiten des Randgeschehens, genügen die – freilich gelegentlich etwas knappen – Darlegungen in den Urteilsgründen den zu stellenden Anforderungen. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:
Rz. 5
a) Das Landgericht hat die trotz der geistigen Behinderung grundsätzlich gegebene Aussagetüchtigkeit der Geschädigten nach sachverständiger Beratung bejaht und ihre Angaben in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen als erlebnisorientiert bewertet, wobei die Aussage vor Polizei, Sachverständigem und Gericht durch Konstanz, logische Konsistenz und sachgerechte Darstellung ohne Neigung zu Dramatisierung geprägt sei. Die Ausführungen hierzu sind zwar sehr zusammengefasst, aber im Hinblick auf die aufgezeigte Beweislage ausreichend. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17. Juli 2007 eine den Grundsätzen von BGHSt 45, 164 ff. entsprechende Darlegung der Alternativhypothesen vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass auch nach diesem Urteil nicht alle denkbaren, sondern nur die realistischen Erklärungsmöglichkeiten zu diskutieren (aaO S. 168) und im Urteil allein die wesentlichen Aspekte darzulegen sind (aaO S. 182). Im Übrigen hat der 1. Strafsenat seine Entscheidung nachträglich dahin klargestellt, dass die dort genannten methodischen Grundprinzipien lediglich den derzeitigen wissenschaftlichen Standard beschreiben, dass aber aussagepsychologische Gutachten nicht einheitlich dieser Prüfstrategie folgen müssen, vielmehr weiterhin der Grundsatz gelte, dass es dem Sachverständigen überlassen bleiben müsse, in welcher Art und Weise er dem Gericht sein Gutachten unterbreite (BGH NStZ 2001, 45). Im Übrigen sind diese Kriterien an Hand einer – hier nicht gegebenen – Fallkonstellation entwickelt worden, in der zu prüfen war, ob ein Missbrauch überhaupt stattgefunden hat und ob der Angeklagte wirklich der Täter war.
Rz. 6
b) Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass die Jugendkammer bei der zeitlichen Einordnung der Taten von den Angaben der Geschädigten ausgegangen ist. Dabei durfte das Landgericht berücksichtigen, dass ihre Aussagen insbesondere zum Beginn der Übergriffe in drei unterschiedlichen Vernehmungssituationen, nämlich bei der Polizei, beim psychologischen Sachverständigen und vor Gericht, konstant waren, während die von den Zeugen B. und Br. berichteten abweichenden Zeitangaben nur auf Bekundungen vom Hörensagen beruhten.
Rz. 7
c) Auch eine suggestive Beeinflussung der Aussage der Nebenklägerin ist ohne Rechtsfehler ausgeschlossen worden. Da der Angeklagte – wie dargelegt – die drei schwerwiegendsten Vorwürfe im Kern eingestanden hat, käme eine Suggestion nur noch im Hinblick auf die zeitliche Einordnung, Aspekte des Randgeschehens und die zwei nicht eingestandenen Fälle in Betracht. Dies ist bereits aus sich heraus wenig wahrscheinlich und im Übrigen von der Jugendkammer trotz des bei der Zeugin B. vorhandenen Engagements zur Aufklärung fehlerfrei verneint worden.
Unterschriften
Tolksdorf, Miebach, Winkler, von Lienen Becker
Fundstellen
Haufe-Index 2553371 |
NStZ 2008, 116 |