Leitsatz (amtlich)

1. Keine Handelndenhaftung nach Aufhebung eines notariellen Verschmelzungsvertrages. Eine persönliche Haftung gem. § 179 BGB ist gegeben, wenn der Vertragspartner nicht mit einer der beiden bestehenden Gesellschaften, sondern mit einer davon verschiedenen GmbH hat abschließen wollen.

2. Wer nach einem notariellen Verschmelzungsvertrag bereits unter der Firma der neuen GmbH Geschäfte abschließt, haftet selbst dann nicht persönlich gem. § 11 II GmbHG, wenn der Verschmelzungsvertrag anschließend aufgehoben wird. Vertragspartner ist nämlich als wahrer Geschäftsinhaber die GmbH geworden, die die andere Gesellschaft aufnehmen sollte.

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 27.09.1984)

LG Augsburg (Entscheidung vom 25.08.1983)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 27. September 1984 aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten zu 2 wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Augsburg vom 25. August 1983 abgeändert, soweit es ihn betrifft. Die gegen ihn gerichtete Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Hälfte der bisher entstandenen Gerichtskosten aller drei Instanzen, sämtliche außergerichtliche Kosten des Beklagten zu 2 und die Hälfte ihrer eigenen bisher entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die restlichen Kosten der Revisionsinstanz - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin hatte durch Vertrag vom 22. Oktober 1981 gegen eine D. Stoffe GmbH wegen der Vermittlung von Geschäftsräumen eine Provisionsforderung von 64.400,00 DM erworben. Nachdem die Schuldnerin zahlungsunfähig geworden war, kam es am 28. Mai 1982 in Gegenwart des Beklagten zu 2 zu einer von der Beklagten zu 1 unterzeichneten Vereinbarung, in der es unter anderem heißt:

"... Die Firma D. & S. übernimmt die Verbindlichkeit der Firma D. aus der Vereinbarung vom 22.10.1981.

... Sie verpflichtet sich, den der Firma H. + G. (= Klägerin) danach zustehenden Gesamtbetrag ab 01.06.1982 in aufeinanderfolgenden Monatsraten von mindestens 3.000,00 DM zu bezahlen ..."

Da Raten in der Folgezeit nur vorübergehend gezahlt wurden, erhob die Klägerin wegen der offen gebliebenen Restbeträge mit Zinsen und Nebenkosten zunächst Klage gegen die (im Vertrage abgekürzt bezeichnete) D. & S. Modestoffe GmbH, stellte dann jedoch die Klage auf die beiden Beklagten um, als sie erfuhr, daß eine GmbH mit dieser Firma im Handelsregister nicht eingetragen war.

Die Beklagten waren Gesellschafter der inzwischen liquidierten D. Stoffe GmbH, aber auch der von ihnen weiter betriebenen D. Stoffe GmbH und der S. Modestoffe GmbH. Sie hatten sich einige Wochen vor Abschluß des Vertrages vom 28. Mai 1982 entschlossen, diese beiden Gesellschaften derart miteinander zu verschmelzen, daß das Vermögen der S. Modestoffe GmbH auf die D. Stoffe GmbH übergehen und diese Gesellschaft unter der Firma "D. & S. Modestoffe GmbH" allein weitergeführt werden sollte. In der Folgezeit sind die Beklagten im Geschäftsverkehr bereits unter dieser neuen Firma aufgetreten, obwohl die Verschmelzung im Handelsregister niemals eingetragen worden ist. Der Verschmelzungsvertrag ist am 27. August 1982 wieder aufgehoben worden.

Die Klägerin meint, sich gemäß § 11 GmbHG oder § 179 BGB an die Beklagten halten zu können, weil die D. & S. Modestoffe GmbH, die ihr Vertragspartner habe sein sollen, weder im Handelsregister eingetragen gewesen noch überhaupt existent geworden sei.

Der Beklagte zu 2 bestreitet, als Vertreter jener Gesellschaft aufgetreten zu sein. Beide Beklagten vertreten die Ansicht, daß ihre persönliche Haftung nicht in Betracht komme, weil aus dem Vertrag vom 28. Mai 1982 die (nur falsch bezeichnete) D. Stoffe GmbH verpflichtet sei.

Das Landgericht hat beide Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin 68.193,90 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision, die die Klägerin zurückzuweisen beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das Berufungsgericht hat die Beklagten (gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG oder § 179 Abs. 1 BGB) verurteilt, weil sie am 28. Mai 1982 für eine in Wirklichkeit nicht bestehende Gesellschaft, die D. & S. Modestoffe GmbH, gehandelt hätten und für die Klägerin kein Anlaß bestanden habe, entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung nicht eine Firma D. & S. für ihre Vertragspartnerin zu halten.

Diese Ausführungen sind gegenüber beiden Beklagten aus Rechtsgründen nicht haltbar.

1.

Den Vertrag vom 28. Mai 1982 hat die Beklagte zu 1 unterzeichnet. Sie war Geschäftsführerin der D. Stoffe GmbH. Aus den Umständen ergibt sich zweifelsfrei, daß sie diese und keine andere Gesellschaft verpflichten wollte. Sie ist zwar unter der Firma "D. & S." aufgetreten. Das erklärt sich aber aus der unstreitigen Tatsache, daß einige Wochen vorher die D. Stoffe GmbH und die S. Modestoffe GmbH, beides Gesellschaften der Beklagten, einen notariellen Verschmelzungsvertrag abgeschlossen hatten, nach dem das Vermögen der S. Modestoffe GmbH auf die D. Stoffe GmbH übertragen und diese mit der Firma "D. & S. Modestoffe GmbH", die Geschäfte allein weiterführen sollte. Die D. Stoffe GmbH wäre daher, wäre die Verschmelzung ("durch Aufnahme" - § 19 Abs. 1 Nr. 1 KapErhG) ins Handelsregister eingetragen worden, als Gesellschaft existent geblieben, sie wäre nur umfirmiert worden. Das haben die Beklagten durch sofortige Verwendung des neuen Firmennamens vorweggenommen. Der Wille der Beklagten zu 1 kann nach alledem, wie der (neue) Firmenname zeigt, nur darauf gerichtet gewesen sein, diejenige GmbH zu verpflichten, die korrekterweise noch mit "D. Stoffe GmbH" hätte bezeichnet werden müssen.

Das muß allerdings, wenn ein Vertrag mit der D. Stoffe GmbH zustandegekommen sein soll, von der Klägerin ebenso verstanden worden sein. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist das anzunehmen. Denn insofern gilt die allgemeine Auslegungsregel, daß im Zweifel, wer im Rechtsverkehr mit einem Handelsgeschäft Verträge schließt, mit dem tatsächlichen Inhaber des Geschäfts abschließen will, auch wenn dieser falsch bezeichnet wird. Daß das so ist, zeigt sich deutlich bei ungestörtem Geschäftsverlauf: Kein Kaufmann würde, wenn für ihn nicht besondere Umstände bei Vertragsschluß eine Rolle gespielt haben, daran denken, auf die Fehlbezeichnung Wert zu legen und sich nicht an den wahren Geschäftsinhaber zu halten, und diesem könnte schwerlich gestattet sein, seine Verpflichtung aus einem solchen Vertrage zu leugnen und sich darauf zu berufen, seine Firma sei falsch angegeben (vgl. für ähnliche Fälle BGHZ 62, 216, 220 f.; 64, 11, 14). Nach dem objektiven Inhalt der Erklärungen vom 28. Mai 1982 ist daher ein Vertrag zwischen der Klägerin und der (damals tatsächlich existierenden) D. Stoffe GmbH zustandegekommen. Eine Haftung der Beklagten zu 1, die diese GmbH wirksam vertreten konnte, kommt daher unter diesen Umständen nicht in Betracht.

Die Vertragsauslegung würde ein anderes Ergebnis haben, wenn Tatsachen feststünden, aus denen sich ergibt, daß die Klägerin die Vorstellung gehabt und vielleicht auch Wert darauf gelegt hätte, daß mit der "D. & S. GmbH" ein ganz anderes Unternehmen der Beklagten, nicht aber die D. Stoffe GmbH, die Haftung für ihre Provisionsansprüche übernehme. Insoweit hat aber das Berufungsgericht nichts festgestellt. Sein Urteil kann daher gegenüber der Beklagten zu 1 nicht bestehen bleiben.

Allerdings ist der Sachverhalt in dieser Hinsicht noch nicht genügend geklärt. Die Klägerin hatte behauptet, daß ihr die Existenz der D. Stoffe GmbH und der S. Modestoffe GmbH bekannt gewesen sei; von der D. & S. GmbH habe sie weder gewußt, daß diese nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei, noch sei ihr etwas von der eingeleiteten Verschmelzung bekannt gewesen - alles habe sie erst später über ihren Prozeßbevollmächtigten erfahren. Diese Behauptungen könnten dahin verstanden werden, daß die Klägerin nicht mit einer der beiden ihr bekannten Gesellschaften, sondern mit einer davon verschiedenen GmbH habe abschließen wollen, und ihre Erklärungen auch von der Beklagten zu 1 in diesem Sinne zu verstehen gewesen sei. Zum Umfang der Kenntnisse der Klägerin und dem Inhalt der Verhandlungen am 28. Mai 1982 hat die Klägerin Beweis durch das Zeugnis des Rechtsanwalts van St. angeboten (Schriftsatz v. 20.06.1984, S. 4/5). Damit dieser Beweis erhoben und der Sachverhalt unter jenen Gesichtspunkten tatrichterlich gewürdigt werden kann, muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird zu berücksichtigen haben, daß die Beklagten jenen Behauptungen entgegengetreten und unter anderem mit dem Antrag, den Geschäftsführer der Klägerin Dr. ... als Partei zu vernehmen, vorgetragen haben, dieser habe laufend ihre, der Beklagten Geschäftsräume besucht und dort stets die neuesten Informationen, insbesondere auch über die Firmenzusammenlegung, erhalten; diese habe er stets dahin kommentiert, ihm sei es weitgehend egal, wer seine Rechnungen bezahle (Schriftsatz v. 29.11.1983, S. 4/5).

2.

Danach ist die Haftung der Beklagten zu 1 gemäß § 179 BGB beim gegenwärtigen Prozeßstand nicht auszuschließen, weil zunächst noch geprüft werden muß, ob die Klägerin nach Lage der Dinge von einer vermeintlich existierenden, tatsächlich aber nicht vorhandenen anderweiten Firma D. & S. ausgegangen ist und ausgehen durfte. Eine Haftung des Beklagten zu 2 hat die Klägerin dagegen nicht schlüssig dargetan. Ein Anspruch aus § 11 Abs. 2 GmbHG kommt von vornherein nicht in Betracht, weil durch den hier vorliegenden Verschmelzungsvertrag keine neue (im Handelsregister nicht eingetragene) GmbH gegründet worden ist. Eine Haftung nach § 179 BGB für eine nicht existente GmbH scheidet aus, weil es dazu nicht genügt, daß der Beklagte zu 2, am 28. Mai 1982 neben der Beklagten zu 1 über das abzuschließende Vertragswerk mitverhandelt hat. Nach jener Vorschrift haftet nur, wer als Vertreter aufgetreten ist. Das war bei der Beklagten zu 1 der Fall. Dagegen enthält der Vortrag der Klägerin keine Tatsachen, daß es beim Beklagten zu 2 ebenso gewesen wäre; er hat den Vertrag nicht mit unterschrieben und war auch nicht Geschäftsführer der D. Stoffe GmbH.

Das angefochtene Urteil muß daher auch aufgehoben werden, soweit es den Beklagten zu 2 betrifft. Die gegen ihn gerichtete Klage ist abzuweisen, da die Ausführungen der Klägerin keinen Anlaß geben, die Sache in diesem Punkte zurückzuverweisen. Die Klägerin hat zwar noch behauptet, die Beklagten seien "Wirtschaftshasardeure, die aus durchsichtigen Gründen mit der Zielsetzung der Undurchsichtigkeit ein Netz von Gewerbebetrieben geflochten" hätten. Dieser Vortrag ist aber nicht derart mit Tatsachen belegt, daß hieraus ein schlüssiger Anspruch - etwa aus § 826 BGB oder aus sonstigem Rechtsgrund - hergeleitet werden könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018853

NJW 1986, 1493

NJW 1986, 1493 (amtl. Leitsatz)

NJW-RR 1986, 115-116 (Volltext mit red. LS)

GmbHR 1986, 225-226 (Volltext mit amtl. LS)

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge