Leitsatz (amtlich)
Der Repräsentant einer ausländischen Bank kann im eigenen Namen für deren Kunden Anlageberatung betreiben.
Zum Beginn der Verjährung eines deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen „Churnings”.
Normenkette
KWG § 53a; BGB §§ 675, 826, 852
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 16 U 191/97) |
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/21 O 83/97) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main – 16. Zivilsenat – vom 25. Juni 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten abgetretene Ansprüche ihres Ehemanns A. K. geltend.
Die Beklagte zu 1 ist ein Unternehmen der M.-L.-Gruppe und war für diese von 1986 bis 1994 als Servicegesellschaft und Repräsentanz in Deutschland tätig. Der Beklagte zu 2 war damals bei ihr beschäftigt.
Der Zedent nahm um die Jahreswende 1988/89 Kontakt mit der seinerzeitigen Stuttgarter Niederlassung der Beklagten zu 1 auf und eröffnete im Januar 1989 über diese bei M. L., P., F. & S. Inc., New York (im folgenden MLPF&S), ein Konto, um Anlagengeschäfte zu tätigen. Dabei war der Beklagte zu 2 sein Ansprechpartner. Nach Schließung der Stuttgarter Filiale wurde der Zedent seit Februar 1991 von der Münchener Niederlassung der Beklagten zu 1 betreut. Sein Konto wurde unter geänderter Nummer weitergeführt. Über dieses Konto wurden zahlreiche Anlagengeschäfte getätigt. Unter anderem erwarb der Beklagte zu 2 in der Zeit von September 1989 bis zur Schließung des Kontos für den Zedenten 11.000 Stück Aktien der kanadischen Firma C. und 500 Stück Aktien der Firma L. G. Das Konto wurde am 11. Juli 1994 geschlossen; die vorgenannten Aktien wurden an den Zedenten ausgeliefert. Bereits mit Schreiben vom 10. November 1993 hatte die Beklagte zu 1 dem Zedenten mitgeteilt, daß sein Konto nicht mehr den Mindestanforderungen der M.-L.-Gruppe entspreche.
Die Klägerin hat vorgetragen, auf das Konto seien aus dem Vermögen des Zedenten Anlagen in Höhe von 591.616,90 DM geleistet worden. Diesen Leistungen habe bei Schließung des Kontos lediglich der Wert der vorbezeichneten Aktien von rund 16.100 DM gegenübergestanden. Der gesamte Rest sei verloren. Die Anlagengeschäfte seien in der Weise bewirkt worden, daß der Beklagte zu 2 den Zedenten angerufen und ihm entsprechende Empfehlungen erteilt habe, denen der Zedent vertraut habe. Es seien sehr hohe Umsätze getätigt worden, die allein das Ziel gehabt hätten, durch die hiermit verbundenen Provisionseinnahmen das Konto des Zedenten auszuplündern. Dies begründe gegen die Beklagten den Vorwurf des „Churnings”. Außer dem Anlageschaden von 591.616,90 DM sei des weiteren ein Zinsschaden in Höhe von 271.694,90 DM bis zum 31. Dezember 1996 entstanden.
Die Klägerin hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 863.311,84 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen, Zug um Zug gegen Übertragung der vorbezeichneten Aktien.
Die Beklagten haben bestritten, zu dem Zedenten in unmittelbaren vertraglichen Beziehungen gestanden zu haben. Sie sind ferner dem Vorwurf des „Churnings” entgegengetreten und haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Zedenten gegen die Beklagte zu 1 scheitere daran, daß zwischen beiden keine vertraglichen Beziehungen bestanden hätten. Die hierfür gegebene Begründung ist indessen – wie die Revision mit Recht rügt – nicht tragfähig.
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, daß die Führung des hier in Rede stehenden Kundenkontos nicht der Beklagten zu 1, sondern der MLPF&S als der dafür zuständigen Gesellschaft der M.-L.-Gruppe obgelegen hatte. Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß dies in den Kontoeröffnungsunterlagen und im weiteren Schriftwechsel hinreichend klargestellt worden sei, beruht auf einer rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts. Die Beklagte zu 1 war insoweit lediglich Repräsentantin der MLPF&S im Sinne des § 53 a KWG gewesen. Eine Repräsentanz übt als eine in der Bundesrepublik Deutschland belegene Vertretung einer Bank mit Sitz in einem anderen Land selbst keine bankgeschäftliche Tätigkeit aus. Eine Tätigkeit als Repräsentant liegt nach ständiger Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen, die auch die Billigung des Bundesgerichtshofs gefunden hat, dann vor, wenn sich eine Stelle auf die Werbung für eine ausländische Bank und die Kontaktpflege mit ihr beschränkt, rechtsgeschäftliche Willenserklärungen jedoch nicht im Namen der Bank abgibt und nicht als Stellvertreter für sie entgegennimmt sowie Kundenanträge lediglich als Bote an die Bank weiterleitet (BGH, Urteil vom 13. Juli 1987 - II ZR 188/86 = BGHR KWG § 53 a Repräsentanz 1).
2. Diese beschränkte Zuständigkeit gilt indessen nur für die eigentlichen Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG. Die Anlageberatung, um die es hier geht, ist jedoch kein solches Bankgeschäft. Es ist daher einer Gesellschaft, welche die Tätigkeit einer Repräsentanz ausübt, grundsätzlich nicht untersagt, zusätzlich Anlageberatung zu betreiben (vgl. zu dieser Unterscheidung: Marwede WuB I G 1.-1.95). Dies bedeutete, daß es der Beklagten zu 1 nicht von vornherein verwehrt war, die Betreuung des Kundenkontos und die damit verbundene Beratung des Zedenten auf der Grundlage eines unmittelbar mit ihm zustande gekommenen Auftrages oder Geschäftsbesorgungsvertrages durchzuführen.
3. Nach dem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin kommt in Betracht, daß ein derartiger Vertrag zwischen dem Zedenten und der Beklagten zu 1 zustande gekommen ist.
a) Zwar hat die Beklagte zu 1 Merkblätter und sonstige Dokumente vorgelegt, aus denen sich ergeben soll, daß sie auch ihre Beratungsleistungen jeweils im Auftrag der kontoführenden Bank erbringe. Die Klägerin hat jedoch stets bestritten, daß der Zedent diese Unterlagen erhalten habe oder in sonstiger Weise aufgeklärt worden sei. Das Berufungsgericht hat hierüber keine Feststellungen getroffen; deswegen kann für das Revisionsverfahren eine derartige Aufklärung nicht unterstellt werden.
b) Andererseits hatte die Beklagte zu 1 unstreitig das Konto des Zedenten betreut. Diesen Begriff hat die Beklagte zu 1 in ihrem Schreiben an den Zedenten vom 1. Februar 1991 selbst verwendet und zugleich auf die „erfolgreiche Geschäftsbeziehung” zwischen ihr und dem Zedenten hingewiesen. Außerdem hatte sie hervorgehoben, daß der Beklagte zu 2 dem Zedenten für dessen Beratung zur Verfügung stehe. Diese Erklärung konnte vom Empfängerhorizont des Zedenten mangels entgegengesetzter Anhaltspunkte in dem Sinne verstanden werden, daß die betreffenden Betreuungs- und Beratungsleistungen von der Beklagten zu 1 selbst – nämlich durch den Beklagten zu 2 als ihren Vertreter – erbracht wurden, also nicht etwa Leistungen der kontoführenden Bank waren.
c) In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, daß der Zedent am 15. Dezember 1989 der Beklagten zu 1 eine „begrenzte Vollmacht”, betreffend ein Konto bei der M. L. Suisse S.A., erteilt hatte. Jenes Konto ist zwar unstreitig mit dem hier in Rede stehenden nicht identisch; auch hat die Beklagte zu 1) vorgetragen, die Vollmachterteilung sei ausschließlich auf Veranlassung der M. L. Suisse S.A. erfolgt. Immerhin deutet die Erteilung einer solchen Vollmacht trotz deren Abstraktheit auf das Bestehen eines zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses zwischen der Beklagten zu 1 und dem Zedenten hin.
d) Noch deutlicher geht dies aus dem vorprozessualen Anwaltsschreiben der Beklagten zu 1 vom 27. November 1996 hervor, wo die Tätigkeit beider Beklagten für den Zedenten wie folgt beschrieben wird:
„Die M. L. GmbH (sc. die Beklagte zu 1) oder Herr Mü. (der Beklagte zu 2) haben entsprechend der Geschäftspolitik innerhalb des M. L. Konzerns niemals Handlungsvollmacht oder andere Rechtsmacht für Wertpapiergeschäfte eingeräumt bekommen, und sie haben niemals selbständig Geschäfte für Rechnung des Herrn K. (des Zedenten) veranlaßt oder eigenmächtig zu Lasten seines Kontos bei der MLPFS gehandelt. Wie bei M. L. üblich, wurde jedes einzelne Wertpapiergeschäft mit seinen Chancen und Risiken mit Ihrem Mandanten telefonisch besprochen. Erst nachdem Ihr Mandant sich für ein bestimmtes Geschäft entschieden und die Ausführung dieses Geschäfts telefonisch angeordnet hatte, wurde seine Order von Herrn Mü. bzw. der M. L. GmbH zur Ausführung an die MLPFS weitergeleitet.
Als das Konto in Stuttgart betreut wurde und hohe Umsätze getätigt wurden, haben Ihr Mandant und Herr Mü., der damals nur wenige Privatkunden betreute, pro Woche mindestens zwei- bis dreimal telefoniert, bisweilen auch mehrmals täglich.”
Dies deutet darauf hin, daß die Beklagte zu 1 nach ihrem eigenen Verständnis – unbeschadet ihrer Stellung als bloße Repräsentantin und trotz ihrer fehlenden Vollmacht – durch den Beklagten zu 2 intensive Beratungsleistungen an den Zedenten erbracht hat. Solange die Beklagten nicht eindeutig und unmißverständlich klarstellten, daß sie diese Leistungen nicht im eigenen Namen der Beklagten zu 1, sondern für die jeweils zuständige Partnergesellschaft der M.-L.-Gruppe erbringen wollten, gilt insoweit zu ihren Lasten der Rechtsgedanke des § 164 Abs. 2 BGB. Durch den Abruf und die Entgegennahme dieser Leistungen seitens des Zedenten konnte danach ein entsprechender Auftrag unmittelbar mit der Beklagten zu 1 zustande kommen, der als – insoweit – reines Inlandsgeschäft dem deutschen Recht und der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte unterfiel.
4. Welche Pflichten die Beklagte zu 1 aus diesem Verhältnis im einzelnen getroffen haben, kann beim derzeitigen Sach- und Streitstand dahingestellt bleiben. Insbesondere kommt es derzeit nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 für einen wirtschaftlichen Erfolg ihrer Beratungstätigkeiten einzustehen hatte. Es genügt vielmehr die Feststellung, daß die Beklagte zu 1 jedenfalls vertraglich verpflichtet war, Schädigungen des Zedenten durch „Churning” (s. dazu im folgenden II) zu unterlassen. Ein gleichwohl praktiziertes „Churning” vermochte deshalb nicht nur deliktische, sondern daneben auch vertragliche Schadensersatzansprüche (aus positiver Vertragsverletzung des vorstehend beschriebenen Geschäftsbesorgungsvertrages oder Auftrages) zu begründen. Diese letzteren Ansprüche hätten dann nicht der kurzen Verjährungsfrist des § 852 BGB, sondern der normalen 30jährigen Verjährung des § 195 BGB unterlegen (vgl. in diesem Zuammenhang auch Senatsurteil vom 11. März 1999 - III ZR 292/97 = NJW 1999, 1540).
II.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht ferner, daß die etwaigen auf „Churning” gestützten deliktischen Schadensersatzansprüche gegen beide Beklagten verjährt seien.
1. Unter dem Begriff „Churning” im engeren, hier in Betracht kommenden Sinne versteht man den durch das Interesse des Kunden nicht gerechtfertigten häufigen Umschlag eines Anlagekontos, durch den der Broker oder der Vermittler oder beide sich zu Lasten der Gewinnchancen des Kunden Provisionseinnahmen verschaffen (BGH, Urteil vom 25. November 1994 - XI ZR 45/91 = NJW 1995, 1225, 1226 m.w.N.). Nach deutschem Deliktsrecht kann „Churning” den Tatbestand einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB erfüllen und somit einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2 nach dieser Bestimmung und gegen die Beklagte zu 1 nach § 831 BGB begründen.
2. Dies hat einerseits zwar die Folge, daß für den deliktischen Schadensersatzanspruch die kurze Verjährung des § 852 BGB gilt. Andererseits beginnt die Verjährung erst, wenn der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, daß diese Kenntnis bei dem Zedenten am 6. Dezember 1993, bei Abfassung seines auf diesen Tag datierten Schreibens, vorhanden gewesen sei. Wie die Revision zutreffend ausführt, reicht es für die erforderliche Kenntnis des Geschädigten in einem Falle, in dem er Opfer eines „Churnings” geworden ist, nicht aus, daß er seinen Vermögensverlust, die große Zahl der getätigten Geschäfte und die deswegen belasteten Provisionen kennt. Hinzukommen muß vielmehr seine Kenntnis, daß die Häufung der Kontrakte nicht seinen Interessen, sondern ausschließlich dem Provisionsinteresse des anderen Teils diente. Er muß also wissen, daß sich in seinen Vermögensverlusten nicht etwa nur das mit Börsen- und Börsentermingeschäften generell verbundene Risiko verwirklicht hat; vielmehr muß es sich ihm aus seiner Sicht als Laie aufdrängen, daß der aufgetretene Schaden auf einem fehlerhaften, allein durch eigenes Provisionsinteresse geleiteten Verhalten des anderen Teils beruht. Indizien hierfür können – je nach den Umständen des Einzelfalls – auch die Kontobewegungen sein, die dem Geschädigten auch Anlaß geben können, über deren Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des „Churnings” sachverständigen Rat einzuholen; ein schematischer Rückschluß auf ein „Churning” allein aufgrund der Kontobewegungen und Provisonsbelastungen ist indessen nicht gerechtfertigt. Im Schreiben des Zedenten vom 6. Dezember 1993 heißt es wörtlich: „Ich bitte Sie, weiterhin mein Konto bei Ihnen aufrechtzuerhalten, in der Hoffnung, noch mal ein positives Ergebnis zu erzielen.” Daraus ist zu entnehmen, daß damals das Vertrauen des Zedenten in beide Beklagten noch ungebrochen war. Dies bedeutete, daß der Zedent gerade keine Kenntnis davon hatte, Opfer einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung seitens der Beklagten geworden zu sein. Ebensowenig ist erkennbar, daß dem Zedenten oder der Klägerin vor dem für die Verjährung des Deliktsanspruchs maßgeblichen Zeitpunkt (27. Februar 1994; drei Jahre vor Einreichung der Klageschrift) greifbare Anhaltspunkte für ein „Churning” bewußt geworden sind.
III.
Das Berufungsurteil kann daher insgesamt, d.h. soweit es die Haftung beider Beklagten betrifft, keinen Bestand haben. Dabei bedarf es derzeit keiner Klärung, ob eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2 auch unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs aus Verschulden bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) in Betracht kommt.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.09.1999 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538771 |
BB 1999, 2321 |
DB 2000, 271 |
NJW 2000, 1108 |
BGHR |
IWB 1999, 1119 |
NJW-RR 2000, 51 |
EWiR 2000, 187 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 2249 |
WuB 2000, 153 |
WuB 2000, 181 |
ZIP 1999, 1838 |
MDR 1999, 1518 |
VersR 2000, 1375 |
VuR 2000, 72 |
ZBB 1999, 389 |