Leitsatz (amtlich)
Ist ein nichteheliches Kind dadurch ehelich geworden, daß sich derjenige, dessen Vaterschaft zuvor durch Anerkennung festgestellt worden ist, mit der Mutter des Kindes verheiratet hat, so setzt die Geltendmachung der Nichtehelichkeit des Kindes durch den Vater voraus, daß er seine Anerkennung unter Beachtung der Jahresfrist des § 1600h Abs. 1 erfolgreich angefochten hat. Eine Möglichkeit, statt dessen die Ehelichkeit entsprechend §§ 1593, 1594 Abs. 1 binnen zwei Jahren anzufechten, besteht nicht.
Normenkette
BGB §§ 1593, 1594 Abs. 1, §§ 1599, 1600h, 1719
Verfahrensgang
AG Gelsenkirchen |
OLG Hamm |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Juni 1993 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte wurde am 26. Februar 1990 nichtehelich geboren. Der Kläger erkannte am 15. Mai 1990 zu öffentlicher Urkunde des dazu ermächtigten Urkundsbeamten des Jugendamtes an, der Vater der Beklagten zu sein. Dieser Anerkennung stimmte das Jugendamt als gesetzlicher Vertreter der Beklagten noch am gleichen Tage in gesetzlicher Form zu. Am 20. Juli 1990 schloß der Kläger mit der Mutter der Beklagten (fortan: Kindesmutter) die Ehe, wodurch die Beklagte kraft Gesetzes eheliches Kind wurde. Seit dem Frühjahr 1992 ist das Scheidungsverfahren zwischen dem Kläger und der Kindesmutter anhängig.
Der Kläger begehrt mit der am 7. Mai 1992 beim Amtsgericht eingereichten, nicht zugestellten Klage die Feststellung, daß die Beklagte kein eheliches Kind des Klägers ist.
Er macht geltend, die Anerkennung sei unrichtig gewesen, denn er habe – was unstreitig ist – die Kindesmutter erst kennengelernt, als sie sich schon im siebenten Schwangerschaftsmonat befunden habe.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1992 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger die Vaterschaftsanerkennung nicht binnen der gesetzlichen Jahresfrist angefochten habe.
Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben (das Berufungsurteil ist in FamRZ 1994, 123 veröffentlicht). Mit der zugelassenen Revision verfolgt er das Ziel weiter, die Nichtehelichkeit der Beklagten festzustellen. Die Beklagte und die Kindesmutter, die ihr gemäß § 66 ZPO beigetreten ist, verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, das Begehren des Klägers könne zwar in eine Anfechtung der Anerkennung seiner Vaterschaft zur Beklagten vom 15. Mai 1990 umgedeutet werden. Doch führe das nicht zum Erfolg, weil er die für diese Anfechtungsklage (gemäß §§ 1600f Abs. 1, 1600g Abs. 1, 1600 1 Abs. 1 BGB) geltende Jahresfrist des § 1600h Abs. 1 BGB versäumt habe; diese Frist habe bereits mit der Anerkennung zu laufen begonnen, weil der Kläger von Anfang an gewußt habe, nicht der biologische Vater der Beklagten zu sein. Die Anfechtungsfrist sei daher bereits am 15. Mai 1991 abgelaufen. Für eine Ausdehnung dieser Frist auf zwei Jahre in Analogie zu § 1594 Abs. 1 BGB fehle ein rechtfertigender Grund. Zweifelhaft sei schon, ob insoweit eine Regelungslücke bestehe, weil der Gesetzgeber die Anfechtungsfrist für den Mann im Interesse einer möglichst baldigen Klärung der Vaterschaft bewußt relativ kurz bemessen habe. Jedenfalls bestehe aber keine vergleichbare Interessenlage mit dem Fall der Ehelichkeitsanfechtung, wenn wie hier die Beteiligten von vornherein darüber einig gewesen seien, daß keine biologische Vaterschaft vorliege und die Kindesmutter daher durch eine Anfechtungsklage auch nicht in den Verdacht gebracht werden könne, die Ehe gebrochen zu haben. Ein zureichender Grund für die Gewährung der längeren Überlegungsfrist – etwa Unterhaltsfragen – bestehe auch im übrigen nicht.
Eine vom Kläger aus der entsprechenden Anwendung des § 1593 BGB hergeleitete Ehelichkeitsanfechtungsklage hat das Oberlandesgericht für nicht statthaft angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle an der gesetzlichen Voraussetzung, daß das Kind während der Ehe seiner Eltern geboren wurde und aus diesem Grunde gemäß § 1591 BGB eheliches Kind sei. Ein solcher Fall sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Durch die Ehelichkeitsanfechtungsklage werde nicht nur die sich aus der ehelichen Geburt herleitende Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes der Kindesmutter beseitigt, sondern in erster Linie die Abstammung des Kindes geklärt. Dagegen sei für die Legitimation eines nichtehelichen Kindes bereits gesetzliche Voraussetzung gemäß § 1600a BGB, daß die Vaterschaft des die Kindesmutter heiratenden Mannes zu dem nichtehelichen Kinde rechtswirksam festgestellt worden sei, nämlich entweder durch ein gerichtliches Verfahren oder wie hier durch die förmliche Anerkennung. Das hierdurch entstandene Kindschaftsverhältnis könne nur durch die Anfechtungsklage gemäß § 1600l BGB beseitigt werden; eine gesonderte Anfechtung der gemäß § 1719 BGB eingetretenen Legitimationswirkung sei im Gesetz (jedenfalls seit der Aufhebung des früheren § 1721 BGB durch das am 1. Juli 1970 in Kraft getretene Nichtehelichengesetz) nicht mehr vorgesehen und gäbe auch keinen Sinn, weil dadurch die Klärung der Abstammung des Kindes nicht herbeigeführt werden könne.
2. Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß der Kläger die Anerkennung der Vaterschaft wegen Fristablaufs nicht mehr anfechten kann; ein solches Ziel verfolge der Kläger auch nicht, sondern er wolle mit der ausdrücklich auf eine entsprechende Anwendung des § 1593 BGB gestützten Klage erreichen, daß die Beklagte den Status eines ehelichen Kindes rückwirkend wieder verliere. Die Revision hält den vom Berufungsgericht aus den unterschiedlichen Klagearten – Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes gemäß § 1599 Abs. 1 BGB einerseits und Anfechtung der Anerkennung gemäß § 1600l Abs. 1 BGB andererseits – gezogenen Schluß nicht für zwingend. Sie macht geltend, der Kläger werde nicht gemäß § 1591 BGB lediglich als Vater der Beklagten vermutet, sondern aufgrund der Anerkennung stehe fest, daß er der Vater des Kindes sei. Klageziel sei nicht die Beseitigung der Vermutung des § 1591 BGB, sondern der Kläger möchte geklärt wissen, daß die Beklagte nicht sein eheliches Kind sei. Das könne er nur mit der Ehelichkeitsanfechtungsklage erreichen, bei der die richterliche Gestaltung bewirke, daß die aus dem Statusverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten rückwirkend erlöschen und zugleich diejenigen aus der Rechtsstellung eines nichtehelichen Kindes aufleben. Die entsprechende Anwendung des § 1593 BGB sei auch aufgrund der Interessenlage geboten; denn dem Kläger müsse die Möglichkeit eröffnet werden, die gegen ihn gerichteten Unterhaltsansprüche zu reduzieren. Als nichteheliches Kind habe die Beklagte nur noch Anspruch auf den Regelunterhalt. Auch die Kindesmutter könne Unterhalt gemäß § 1570 BGB nur bei Pflege eines gemeinschaftlichen Kindes, nicht jedoch bei Betreuung eines nichtehelichen Kindes beanspruchen.
3. Diese Erwägungen rechtfertigen das Klagebegehren nicht. Sie gehen zu Unrecht davon aus, daß jedem Manne, dem gegenüber ein Kind die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes besitzt, die Möglichkeit gegeben werden müsse, durch eine Anfechtungsklage nach §§ 1593, 1594 BGB diese Rechtsstellung des Kindes zu beseitigen. Der Gesetzgeber hat indessen bewußt danach unterschieden, auf welche Weise das Kind die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt hat. Die Ehelichkeitsanfechtungsklage setzt danach voraus, daß dem Kinde diese Rechtsstellung allein dadurch zugekommen ist, daß es während der Ehe oder innerhalb von 302 Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren wurde (§ 1593 BGB). Es handelt sich demnach um Fälle, in denen der gesetzlich als Vater vermutete Ehemann der Kindesmutter weder Anlaß noch Gelegenheit hatte, die Frage der biologischen Abstammung des Kindes gerichtlich prüfen zu lassen oder sie selbst zu prüfen und sich dazu rechtlich relevant in der Form der Anerkennung zu äußern. Es ist in solchen Fällen auch sachlich gerechtfertigt, im Hinblick auf die Belastungen, denen eine bestehende Ehe durch die Erhebung einer die Vaterschaft zum Kind verneinenden Anfechtungsklage ausgesetzt werden kann, die Frist zur Anfechtung anders – nämlich länger – zu bemessen als in einem Fall wie dem vorliegenden.
Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß das Kind – die Beklagte – nichtehelich geboren wurde. Es hat die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erst dadurch erlangt, daß der Kläger die Kindesmutter geheiratet hat (§ 1719 BGB), nachdem zuvor seine Vaterschaft zu diesem Kind mit Wirkung für und gegen alle bereits festgestellt worden war (§ 1600a Satz 1 BGB). Die Anerkennung steht dabei einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft (§ 1600n BGB) gleich. In beiden Fällen einer Legitimation durch nachfolgende Ehe war die Frage der biologischen Abstammung des Kindes somit bereits Gegenstand einer Prüfung. Der Mann, der auf ein förmliches Verfahren von sich aus verzichtet und durch Anerkennung der Vaterschaft weitere Feststellungen entbehrlich macht, steht rechtlich nicht besser als derjenige, dessen Vaterschaft in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Anerkennung wider besseres Wissen erfolgte (vgl. die Nachweise bei Staudinger/Göppinger BGB 12. Aufl. § 1600f Rdn. 24). Stets setzt die spätere Geltendmachung der Nichtehelichkeit voraus, daß die die Legitimation begründende Rechtshandlung beseitigt wird: eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung muß im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 580, 581, 641i ZPO) rechtskräftig aufgehoben werden, eine Anerkennung hingegen durch wirksame Anfechtung nach den §§ 1600f – 1600m BGB (vgl. BGHZ 81, 353, 354; Soergel/Gaul BGB 12. Aufl. § 1593 Rdn. 13, 14; MünchKomm/Mutschler BGB 3. Aufl. § 1593 Rdn. 9, 11; Staudinger/Göppinger aaO § 1719 Rdn. 50, 51; RGRK/Böckermann BGB § 1593 Rdn. 6; Odersky Nichtehelichengesetz Art. 1 Nr. 26 A III 2, S. 387), also auch binnen der dafür vorgeschriebenen Jahresfrist nach § 1600h Abs. 1 BGB. Daneben noch die Möglichkeit einer Ehelichkeitsanfechtungsklage nach den §§ 1593, 1594 BGB zu eröffnen, wäre nach alledem überflüssig (vgl. aus den Gesetzesmaterialien BT Drucks. V/2370 § . 71 zu § 1721).
Auch die Interessenlage gebietet es nicht, das dem Kläger vom Gesetz für diesen Fall eröffnete Anfechtungsrecht (§ 1600g BGB) um eine Anfechtungsmöglichkeit entsprechend den §§ 1593, 1594 BGB mit der dafür geltenden Zweijahresfrist zu erweitern. Die Revision übersieht, daß einem im wesentlichen unterhaltsrechtlich bestimmten Interesse des Klägers an der Beseitigung der Rechtsstellung der Beklagten als sein eheliches Kind sowohl die Belange der Rechtssicherheit als auch die des Kindes an der Rechtsbeständigkeit der Anerkennung und der damit verbundenen Klärung seiner verwandtschaftlichen Zugehörigkeit gegenüberstehen. Beide Belange erscheinen mindestens in gleichem Maße schutzwürdig wie das Interesse des Klägers (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1984 – IVb ZR 86/82 – FamRZ 1985, 271; Soergel/Gaul aaO § 1600h Rdn. 1). Danach ist es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt, dem Kläger nach Ablauf der Jahresfrist des § 1600h Abs. 1 BGB und dem damit verbundenen Erlöschen des dort vorgesehenen Anfechtungsrechtes noch den Weg der Anfechtungsbefugnis über § 1594 BGB freizuhalten.
Fundstellen
Haufe-Index 609888 |
NJW 1995, 594 |