Leitsatz (amtlich)
Die Bewilligung zur Gewinnung von Bodenschätzen nach § 8 BBergG umfaßt – ohne die Übertragung weiterer Befugnisse, insbesondere in Form der Grundabtretung – grundsätzlich nicht das Recht, den Eigentümern der Feldgrundstücke (oder dinglich Nutzungsberechtigten) eine dem Gewinnungsberechtigten nachteilige Benutzung der Grundstücksoberfläche (hier: Verlegung einer Ölfernleitung) zu verbieten.
Normenkette
BBergG § 8; BGB § 1004
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Inhaber einer ihm unter dem 14. Mai 1991 vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit erteilten Bewilligung zum Abbau von Kiessanden für die Herstellung von Betonzuschlagstoffen innerhalb des Feldes „Kiessandgrube N.”. Über den östlichen Teil des Feldes, in dem nach dem gegenwärtigen Planungsstand vom Jahr 2013 an mit einer Kiesgewinnung zu rechnen ist, verlegte die Beklagte 1996 in 1 m Tiefe, jedoch oberhalb des Kiesvorkommens, eine Ölfernleitung. Entsprechende beschränkte persönliche Dienstbarkeiten hatten ihr die Eigentümer der Feldgrundstücke bestellt. Der Kläger begehrt mit der Behauptung, durch die Ölleitung würden unter dieser für Sicherheitspfeiler sowie in dem von ihr abgeschnittenen Teil des Bewilligungsfeldes Kiessandmengen von 1,8 Mio. t blockiert, die Beseitigung der Anlage. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht verneint einen auf § 8 Abs. 2 BBergG i.V.m. § 1004 BGB gestützten Beseitigungsanspruch des Klägers. Nach seiner Ansicht kommt eine entsprechende Anwendung der für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf das Recht aus der bergrechtlichen Bewilligung nur dann in Betracht, wenn die Substanz der in der Bewilligung bezeichneten Bodenschätze beeinträchtigt wird. Das Gewinnungsrecht des Bergbauberechtigten gemäß § 8 BBergG umfasse aber weder die Abbaubarkeit des Bodenschatzes noch eine Inanspruchnahme der Grundstücksoberfläche. Hierfür enthalte das Bundesberggesetz vielmehr eine Spezialregelung in Form des Grundabtretungsverfahrens (§§ 77 ff.), die Abwehrrechten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch vorgehe und die notwendige Abwägung zwischen den Belangen des Bergwerksunternehmers und den Interessen des Grundstückseigentümers gewährleiste. Einen allgemeinen gesetzlichen Vorrang der Rohstoffgewinnung kenne das Bundesberggesetz nicht.
II.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung stand.
1. Als Rechtsgrundlage für das Beseitigungsverlangen des Klägers kommt, wie das Berufungsgericht richtig sieht, nur § 8 Abs. 2 BBergG in Frage. Danach sind auf das Recht aus der Bewilligung, soweit das Bundesberggesetz nichts anderes bestimmt, die für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden. Das Gesetz behandelt somit die durch die Bewilligung nach § 8 Abs. 1 BBergG begründete Rechtsstellung, die im Kern das Recht umfaßt, die im Bewilligungsbescheid bezeichneten bergfreien Bodenschätze aufzusuchen, zu gewinnen und sich anzueignen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1), als absolutes Recht. Wird dieses Recht in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, kann entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB der Gewinnungsberechtigte von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung fordern. Das gilt hier auch zugunsten des Klägers, ungeachtet dessen, daß die von seinem Gewinnungsrecht umfaßten hochwertigen Kiese und Sande seit dem Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen vom 15. April 1996 (BGBl. I S. 602) auch im Beitrittsgebiet nicht mehr zu den bergfreien Mineralien gehören (§ 1; s. näher Philipp/Kolonko, NJW 1996, 2694 ff.), da die bis zum 23. April 1996 erteilten Bergbauberechtigungen gemäß § 2 Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes von der Rechtsänderung unberührt bleiben. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind diese Bestimmungen nicht zu beanstanden (BVerfG ZfB 138 [1997], 283, 287 ff.).
2. Durch die Verlegung der Ölleitung wird das Kiesgewinnungsrecht des Klägers indessen nicht unzulässig beeinträchtigt.
a) Soweit allerdings das Berufungsgericht vorab einen Abwehranspruch des Klägers von einem Eingriff in die Substanz der von der Bewilligung erfaßten Bodenschätze abhängig macht, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Das Berufungsgericht zieht aus seiner Prämisse auch selbst keine Folgerungen und weist insbesondere die Klage nicht schon deswegen ab, weil die Ölfernleitung unstreitig außerhalb der dem Gewinnungsrecht des Klägers unterliegenden Kiesschichten verläuft. Eine nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrbare Beeinträchtigung des Eigentums oder anderer wie Eigentum geschützter Rechte oder Rechtsgüter setzt eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz oder des Substrats eines Rechts nicht notwendig voraus. Dafür kann vielmehr auch eine bloße Behinderung im Besitz oder der Nutzung ohne jegliche körperliche Einwirkung auf die Sache genügen (vgl. etwa Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 1999, § 1004 Rn. 33 m.w.N.). Dann ist aber kein Grund ersichtlich, für die hier in Rede stehende bergrechtliche Bewilligung, die im übrigen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Rechtam Bodenschatz verleiht, sondern lediglich auf dessenAneignung (statt aller Boldt/Weller, BBergG, § 8 Rn. 13), anders zu entscheiden.
b) Hingegen gewährt die Bewilligung allein – ohne die Übertragung weiterer Befugnisse, insbesondere in Form der Grundabtretung (§§ 77 ff. BBergG) – dem Bergbauunternehmer weder das Recht, die Grundstücksoberfläche selbst für eigene Zwecke in Anspruch zu nehmen, noch auch nur die Berechtigung, den Eigentümern der Feldgrundstücke, von denen die Beklagte hier ihre Rechtsstellung ableitet, eine ihm nachteilige Benutzung der Oberfläche zu verbieten; die besondere Problematik der Errichtung öffentlicher Verkehrsanlagen (§ 124 BBergG) spielt hier keine Rolle.
Das war bereits Standpunkt der Verwaltungspraxis zum früheren – insofern im wesentlichen inhaltsgleichen – Preußischen Allgemeinen Berggesetz (Rekursbescheid des Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe vom 13. August 1892, ZfB 34 [1893], 538 zum Bau einer Privatbahn) und ist – soweit ersichtlich – einhellige Anschauung der Rechtsprechung in vergleichbaren Konfliktfällen (vgl. RGZ 38, 329, 332 ff. zum Abbau von Grundeigentümerbodenschätzen; BVerwGE 28, 131, 138 f. zur Erweiterung einer Erdölraffinerie; VG Koblenz ZfB 132 [1991], 209, 210 ff. zur Verlegung einer Regenwasserkanalisation; s. auch BVerwGE 106, 290, 293 und BVerwG ZfB 139 [1998], 140, 144 f. = NVwZ-RR 1999, 162, 164; jeweils zur Planung einer Autobahntrasse).
aa) Das Bundesberggesetz trennt in deutschrechtlicher Tradition die in § 3 Abs. 3 genannten (bergfreien) Bodenschätze vom Grundeigentum. Auf sie erstreckt sich nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG das Eigentum an einem Grundstück nicht. Ausschließlich berechtigt, solche Mineralien zu gewinnen und das Eigentum an ihnen zu erwerben, ist der durch eine Bewilligung nach § 8 Abs. 1 BBergG (oder durch Verleihung des Bergwerkseigentums, § 9 Abs. 1 BBergG) Begünstigte. Der Oberflächeneigentümer muß deshalb untertägige bergbauliche Maßnahmen dulden, soweit nicht – was hier nicht zu entscheiden ist – ausnahmsweise die verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für das Grundstückseigentum entgegensteht (Art. 14 Abs. 1 GG; vgl. dazu BVerwGE 81, 329, 335, 339 ff.; Gaentzsch, DVBl. 1993, 527, 529 ff.; Hoppe, DVBl. 1993, 221 ff.; Hüffer, Festschrift für Niederländer, S. 267, 269 ff.; H. Schulte, NVwZ 1989, 1138 ff.). Zum Ausgleich ist der Bergwerksbesitzer verpflichtet, dem Oberflächeneigentümer für Bergschäden Ersatz zu leisten (§§ 114 ff. BBergG; BGHZ 27, 149, 155; 50, 180, 190; 53, 226, 233 f.; 63, 234, 237).
bb) Im übrigen verbleibt es prinzipiell bei der in § 903 Satz 1 BGB normierten Befugnis des Grundstückseigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren. Dazu gehört vor allem die Nutzung der Grundstücksoberfläche. Kann der Abbau des Bodenschatzes nicht ohne gleichzeitige Inanspruchnahme der Erdoberfläche betrieben werden, wie es bei einer Gewinnung im Tagebau augenfällig ist, muß sich der Unternehmer zusätzliche Rechte einräumen lassen, sei es durch freihändigen Grundstückserwerb oder durch Vereinbarung eines Nutzungsverhältnisses mit dem Eigentümer, sei es zwangsweise in Form der bergrechtlichen Grundabtretung (§§ 77 ff. BBergG), auf die er nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 BBergG grundsätzlich einen Anspruch hat (vgl. Boldt/Weller, § 8 Rn. 18 f., vor § 77 Rn. 1, § 77 Rn. 5; Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 77 Rn. 1 f.). Nach § 77 Abs. 1 BBergG kann eine Grundabtretung durchgeführt werden, soweit für die Errichtung oder Führung eines Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebes einschließlich der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BBergG bezeichneten Tätigkeiten, zu denen die Aufsuchung und Gewinnung von bergfreien Mineralien gehört, die Benutzung eines Grundstücks notwendig ist. Hierbei können unter anderem das Eigentum und der Besitz an Grundstücken oder persönliche Rechte, die zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen, entzogen, übertragen, geändert, belastet oder sonst beschränkt werden (§ 78 BBergG). Unter den Voraussetzungen der §§ 107 ff. BBergG sind ferner Baubeschränkungen zu Lasten des Grundstückseigentümers zulässig, um die Durchführung bergbaulicher Maßnahmen nicht durch neue bauliche Anlagen zu erschweren; das hat vor allem für den Abbau im großflächigen Tagebau Bedeutung (Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 8/1315 S. 136). Bereits die Existenz dieser Institute belegt, daß die aus ihnen folgenden einzelnen Begünstigungen des Bergbauberechtigten nicht schon Bestandteil der ihm nach § 8 BBergG erteilten Abbaubewilligung sein können und daß es darum auch auf eine Priorität der Rechtsausübung grundsätzlich nicht ankommt. Insofern liegt es anders als bei einem Zusammenstoß von – jeweils für sich gesehen zulässigem – Grundeigentümer-Abbau und Bergbau auf verliehenes Mineral an demselben Ort des Grubenfeldes, der nach dem Senatsurteil vom 12. Oktober 2000 (III ZR 242/98 – für BGHZ bestimmt) durch Anerkennung des zeitlichen Vorrangs zu lösen ist. Die beiden genannten Regelungen des Bundesberggesetzes greifen darüber hinaus tief – enteignend – in das Eigentum an Grundstücken ein und dürfen daher nicht ohne Entschädigung erfolgen (§§ 84 ff., 109 BBergG; vgl. BVerwGE 40, 258, 264 ff.; Senatsurteil vom 18. Oktober 1979 – III ZR 68/70 – ZfB 121 [1980], 316, 317 f.). Mit seiner Klage begehrt der Kläger jedoch letztlich eine Baubeschränkung ohne jeden Geldausgleich.
c) Bei dieser Sachlage hält sich die angegriffene Verlegung der Ölfernleitung seitens der Beklagten im Rahmen der den Grundstückseigentümern trotz Abspaltung des Kiesgewinnungsrechts verbliebenen Eigentumsfreiheit. Die dem Kläger hieraus möglicherweise drohenden Nachteile, weil nunmehr die Voraussetzungen einer Grundabtretung entfallen sein könnten oder sich der von ihm zu zahlende Entschädigungsbetrag unzumutbar erhöht, muß er deswegen hinnehmen. Als Gewinnungsberechtigter durfte er im Hinblick auf die gesetzlichen Beschränkungen seines Abbaurechts von vornherein nicht darauf vertrauen, die von seinem Recht umfaßten Bodenschätze auch im gesamten Feld fördern zu können. Anders läge es mit Rücksicht auf die Gebote von Treu und Glauben (§§ 242, 226 BGB) allenfalls dann, wenn die Beklagte kein sachliches Interesse an der gewählten Streckenführung über das Bewilligungsfeld des Klägers hätte. Dafür besteht aber kein Anhalt.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Beurteilung bestehen entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht nicht. Richtig ist, daß das Abbaurecht des bergrechtlich Berechtigten als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG geschützt ist (BVerfGE 77, 130, 136). Auf der anderen Seite gilt dasselbe ebenso für das Grundstückseigentum. Im Kollisionsfall Inhalt und Schranken beider Rechte zu bestimmen, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 GG Aufgabe des Gesetzgebers, dem dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt. Diese Grenzen sind hier auch unter Berücksichtigung der von der Revision hervorgehobenen Notwendigkeit effektiven Grundrechtsschutzes oder des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht überschritten.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Kapsa, Dörr, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.11.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 505651 |
BGHZ |
BGHZ, 98 |
BGHR 2001, 94 |
BGHR |
BauR 2001, 1086 |
NJW-RR 2001, 451 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 512 |
ZAP 2001, 64 |
ZfIR 2001, 289 |
AgrarR 2001, 315 |
DÖV 2001, 303 |
NJ 2001, 315 |
RdE 2001, 113 |
VR 2001, 430 |
ZfBR 2001, 499 |
ZfB 2001, 227 |
DVBl. 2001, 368 |
NotBZ 2001, 24 |
UPR 2001, 185 |
GuG 2001, 185 |