Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsfähigkeit von Scheingewinnen im Wertpapierhandel. Einlagensicherung und Anlegerentschädigung
Leitsatz (amtlich)
Scheingewinne, die von einem der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen zugeordneten Institut in Kontoauszügen oder Saldenbestätigungen ausgewiesen werden, sind nicht entschädigungsfähig ("Phoenix").
Normenkette
EAEG § 1 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 26. Zivilsenats des KG in Berlin vom 6.1.2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Zahlungsklage i.H.v. 324,18 EUR nebst Zinsen zurückgewiesen hat. Das Urteil wird insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 4 des LG Berlin vom 1.10.2008 wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 324,18 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.7.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel des Klägers werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 95 % und die Beklagte zu 5 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger beteiligte sich im September 1999 mit einem Anlagebetrag von 38.461,54 DM zzgl. eines 4 %igen Agios i.H.v. 1.538,46 DM an dem Phoenix Managed Account (im Folgenden: Beteiligung), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nr. 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen ferner in Nr. 5.2 vor, dass der Kunde zum Ende eines jeden Monats eine Übersicht über die Entwicklung und den Wert seiner Beteiligung erhalten sollte, und bestimmten in Nr. 5.3, dass der Kunde auf Verlangen ein Doppel der Übersicht zum Zwecke des Einverständnisses an die P. GmbH zurückzusenden hatte.
Rz. 3
Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sog. Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1.1.1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unterstellt. Spätestens seit jenem Jahr legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielt auch der Kläger in den Jahren 2000 bis 2004 Auszahlungen über insgesamt 19.304,88 EUR.
Rz. 4
Dem Kläger wurden ab Oktober 1999 monatliche Kontoauszüge übermittelt. Unter anderem wiesen die mit Schreiben vom 19.10.2004 übersandte "Saldenbestätigung" zum 31.8.2004 einen Kontostand von 9.799,01 EUR und der - dem Kläger zuletzt zugegangene - Kontoauszug zum 28.2.2005 einen Kontostand von 7.571,76 EUR auf, obwohl tatsächlich keine Gewinne erwirtschaftet worden waren und der Wert der Beteiligung des Klägers - was zwischen den Parteien unstreitig ist - zum 30.9.2004 auf Null gesunken war. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15.3.2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1.7.2005 wurde über das Vermögen der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
Rz. 5
Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten auf der Grundlage des letzten Kontoauszuges und nach Abzug des Selbstbehalts von 10 % eine Entschädigungsleistung von 6.814,58 EUR nebst Zinsen. Er macht geltend, dem Kontoauszug komme die Wirkung eines abstrakten Schuldanerkenntnisses zu. Hilfsweise stützt er die Klageforderung auf die Saldenbestätigung zum 31.8.2004, wobei er insoweit eine im September 2004 erfolgte Auszahlung von 2.500 EUR in Abzug bringt. Weiter hilfsweise begehrt er so gestellt zu werden, als wenn er die Beteiligung nicht gezeichnet hätte, und beansprucht Zahlung der Differenz zwischen der Beteiligungssumme einschließlich Agio abzgl. Ausschüttungen, mithin 1.146,80 EUR, hilfsweise hierzu den Differenzbetrag der Beteiligungssumme ohne Agio abzgl. Ausschüttungen, mithin 360,20 EUR.
Rz. 6
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision ist zu einem geringen Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Zahlungsklage des Klägers i.H.v. 324,18 EUR nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Insoweit ist der Klage stattzugeben.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (KG, Urt. v. 6.1.2010 - 26 U 240/08, juris) im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Entschädigungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EAEG zu. Es bestehe keine Verbindlichkeit der P. GmbH aus einem Wertpapiergeschäft i.S.d. § 1 Abs. 4 EAEG in der - hier anzuwendenden - seit dem 1.7.2002 geltenden Fassung. In der Übersendung der ein Guthaben ausweisenden Kontoauszüge liege kein abstraktes Schuldanerkenntnis der P. GmbH. Zudem könne ein aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis abgeleiteter Zahlungsanspruch des Klägers gegen die P. GmbH auch keinen Anspruch gegen die Beklagte begründen, weil es sich dabei gerade nicht um eine Verbindlichkeit aus einem Wertpapiergeschäft handele. Soweit dem Kläger gegen die P. GmbH wegen der vertragswidrigen Nichtausführung von Wertpapiergeschäften bzw. der vertragswidrigen Verwendung des Anlagebetrages ein Schadensersatzanspruch zustehe, falle dieser ebenfalls nicht unter § 1 Abs. 4 EAEG. Als entschädigungsberechtigter Hauptanspruch könne lediglich ein Anspruch auf Auszahlung tatsächlich vorhandener Guthaben oder Herausgabe von für den Anleger verwahrter Wertpapiere angesehen werden; der Wert der Beteiligung des Klägers sei jedoch bei Eintritt des Entschädigungsfalles auf Null gesunken. Dagegen würden Schadensersatz-, Rückabwicklungs- oder Bereicherungsansprüche, die nur im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis stünden, von § 1 Abs. 4 EAEG nicht erfasst. Schließlich könne der Kläger auch nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre die P. GmbH bis zur Feststellung des Entschädigungsfalles ihren vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen; in diesem Fall wären die monatlichen Verwaltungsgebühren von 0,5 % in Abzug zu bringen, die sich bei der Laufzeit der Anlage von mehr als fünf Jahren auf über 30 % des Anlagebetrages summiert hätten.
II.
Rz. 10
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch des Klägers aus §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EAEG i.H.v. 324,18 EUR nebst Zinsen verneint.
Rz. 11
1. Die P. GmbH, ein u.a. mit Finanzkommissionsgeschäften befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung zugeordnetes Institut (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EAEG). Den Eintritt des Entschädigungsfalles hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gem. §§ 1 Abs. 5, 5 Abs. 1 EAEG festgestellt.
Rz. 12
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH ggü. dem Kläger aus Wertpapiergeschäften.
Rz. 13
a) Zwischen dem Kläger und der P. GmbH ist, wie auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht, ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich um Finanzkommissionsgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG (ebenso BVerwGE 116, 198, 200 ff. = WM 2002, 1919, 1921 f. zu dem gleichlautenden § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG) und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3 EAEG.
Rz. 14
b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH ggü. dem Kläger aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.
Rz. 15
aa) Maßgebend ist insoweit § 1 Abs. 4 EAEG in der Fassung des Gesetzes vom 21.6.2002 (BGBl. I, 2010). Der gesetzliche Entschädigungsanspruch nach § 3 EAEG entsteht erst im Entschädigungsfall und nicht bereits im Zeitpunkt der Kapitalanlage. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 EAEG setzt der Anspruch auf Entschädigung den Entschädigungsfall voraus. Gemäß § 4 Abs. 3 EAEG ist für die Berechnung der Höhe des Entschädigungsanspruchs der Zeitpunkt des Eintritts des Entschädigungsfalles zugrunde zu legen. Für die Prüfung der Voraussetzungen des Entschädigungsfalles und des Umfangs des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs kommt es daher - wovon auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - auf die Sach- und Rechtslage bei Eintritt des Entschädigungsfalles an. Die Anwendung des § 1 Abs. 4 EAEG a.F. würde vorliegend allerdings zu keinem abweichenden Ergebnis führen (s. unten zu II 2b bb (1) (c)).
Rz. 16
bb) Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Soweit nach § 1 Abs. 4 Satz 2 EAEG hierzu auch Ansprüche von Anlegern auf Herausgabe von Instrumenten gehören, dessen Eigentümer diese sind und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten oder verwahrt werden, ist diese Vorschrift vorliegend nicht einschlägig, weil die P. GmbH keine solchen Instrumente, d.h. Finanzinstrumente i.S.d. § 1 Abs. 11 KWG, für den Kläger gehalten oder verwahrt hat. Insbesondere ist die Beteiligung des Klägers selbst kein solches Finanzinstrument.
Rz. 17
(1) Entgegen der Revision schuldete die P. GmbH dem Kläger aus Wertpapiergeschäften nicht 7.571,76 EUR. Der von der P. GmbH übersandte Kontoauszug vom 28.2.2005, der einen entsprechenden Betrag auswies, begründete keinen Anspruch des Klägers gegen die P. GmbH aus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis.
Rz. 18
(a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der von der Revision angeführten Rechtsprechung des BGH, nach der sich die Gutschrift auf einem Girokonto als abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis einer Bank ggü. dem Kunden darstellt (BGH, Urt. v. 25.1.1988 - II ZR 320/87, BGHZ 103, 143, 146; v. 11.10.1988 - XI ZR 67/88, BGHZ 105, 263, 269; v. 16.4.1991 - XI ZR 68/90, WM 1991, 1152; v. 21.1.1999 - I ZR 158/96, WM 1999, 864, 866). Der Kunde erwirbt mit der Gutschrift danach einen unmittelbaren Anspruch auf Auszahlung des Betrages. Ein zwischen dem Kläger und der P. GmbH geschlossener Girovertrag fehlt hier jedoch. Auf andere Rechtsbeziehungen lassen sich die vorgenannten Grundsätze, die insb. dem Bedürfnis erhöhter Rechtssicherheit im bargeldlosen Zahlungsverkehr dienen, nicht ohne Weiteres übertragen (BGH, Urt. v. 7.12.2004 - XI ZR 361/03, BGHZ 161, 273, 278 f. m.w.N.).
Rz. 19
(b) Ein Anspruch des Klägers aus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der P. GmbH lässt sich auch nicht mit Hilfe anderer Erwägungen bejahen. Ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis i.S.d. §§ 780, 781 BGB liegt vor, wenn der Versprechende oder Anerkennende eine selbständige, von den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen losgelöste Verpflichtung übernimmt (vgl. nur BGH, Urt. v. 7.12.2004 - XI ZR 361/03, BGHZ 161, 273, 279 m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände, insb. ihres Anlasses und ihres Zwecks sowie der Interessenlage beider Seiten, durch Auslegung zu ermitteln (BGH, a.a.O.).
Rz. 20
Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis zu Recht verneint. Der Kläger konnte die Übersendung des ein Guthaben von 7.571,76 EUR ausweisenden Kontoauszugs vom 28.2.2005 nicht als Übernahme einer selbständigen Zahlungsverpflichtung durch die P. GmbH verstehen. Der Kontoauszug lässt bereits nach seinem Inhalt nicht hinreichend erkennen, dass die P. GmbH darin erklären wollte, den genannten Betrag dem Kläger auf jeden Fall auch ohne nachvollziehbare Abrechnung der zugrunde liegenden Wertpapiergeschäfte zu schulden. Vielmehr erschöpft sich die Aussagekraft des Kontoauszugs in der schlichten Information über den aktuellen Saldo und stellt eine bloße Wissenserklärung dar, mit welcher der Kunde von den Buchungen auf seinem Konto unterrichtet wird.
Rz. 21
Eine weitergehende Rechtswirkung des Auszugs hätte auch der beiderseitigen Interessenlage nicht entsprochen. Für die P. GmbH bestand keine Veranlassung, über den sich aus dem Beteiligungsvertrag ergebenden Gewinnbeteiligungsanspruch hinaus eine selbständige Zahlungsverpflichtung zu übernehmen. Die Interessen des Klägers waren durch die ihm zustehenden Informationsrechte nach Nr. 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den Anspruch auf Ergebnisbeteiligung nach Nr. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die ggf. hinzutretenden Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaftslegung nach § 384 Abs. 2 Halbs. 2 Fall 1 HGB bzw. §§ 675 Abs. 1, 666 BGB sowie auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten gem. § 384 Abs. 2 Halbs. 2 Fall 2 HGB bzw. §§ 675 Abs. 1, 667 Fall 2 BGB gewahrt. Entgegen der Revision ergibt sich aus der Regelung in Nr. 5.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach auf Verlangen der P. GmbH vom Kunden ein Doppel der Kontoübersicht zum Zwecke des Einverständnisses zu unterschreiben und an die P. GmbH zurückzusenden war, nichts anderes; eine solche Einverständniserklärung zielte - insb. auch im Zusammenspiel mit dem Kündigungsrecht der P. GmbH nach Nr. 12.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ungeachtet der Frage der rechtlichen Wirksamkeit - offensichtlich nur auf eine Entlastung der P. GmbH im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages.
Rz. 22
(c) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch des Klägers auf der Grundlage des Kontoauszugs vom 28.2.2005 auch deshalb zu Recht verneint, weil dieser - unstreitig - Scheingewinne ausgewiesen hat und es sich bei dem vermeintlichen Anspruch des Klägers auf Auszahlung solcher Gewinne bzw. aus einem auf einer solchen Grundlage abgegebenen abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis nicht um eine Verbindlichkeit der P. GmbH aus Wertpapiergeschäften i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG handelt.
Rz. 23
Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften, wie bereits erwähnt, Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Scheingewinne werden davon schon dem Wortlaut nach nicht erfasst.
Rz. 24
Diese Einschränkung des Schutzbereichs entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30.6.2002 geltenden Fassung des § 1 Abs. 4 EAEG sollen in den Schutzbereich der Norm nur solche Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus Beratungsfehlern (BT-Drucks. 13/10188, 16). Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 (BGBl. I, 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des Normtextes beseitigt werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift unberührt gelassen, insb. nicht erweitert haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen aus Beratungsfehlern im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden nur solche Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im Falle der Unterschlagung oder Untreue - die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. Dreymann/Schnatmeyer, Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, 2000, S. 67 f.; Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl., § 23a Rz. 5; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 25 Rz. 109). Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes. Erst recht wird der vermeintliche Anspruch auf die Auszahlung von Scheingewinnen nicht geschützt.
Rz. 25
Eine solche Eingrenzung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.3.1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG 1997 Nr. L 84, 22). Dieser bestimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Einen Anspruch des Anlegers auf Auszahlung von Scheingewinnen will die Richtlinie - wie auch ihr Erwägungsgrund 8 unterstreicht - nicht gewähren. Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht angezeigt.
Rz. 26
(2) Aus den vorstehenden Gründen kann der Kläger seinen Entschädigungsanspruch auch nicht auf den Kontoauszug vom 31.8.2004 stützen.
Rz. 27
(3) Dem Kläger steht aber gegen die P. GmbH ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm eingezahlten Gelder zu.
Rz. 28
(a) Wie oben unter II 2b bb (1) (c) dargelegt worden ist, schützt § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Hierzu gehört auch der Anspruch auf Rückzahlung der Gelder, die der Anleger dem Institut im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften überlassen und die dieses vertragswidrig verwendet hat. Der Rückzahlungsanspruch hat seine Grundlage in §§ 675 Abs. 1, 667 Fall 1 BGB. Er stellt für die P. GmbH eine Verbindlichkeit aus Wertpapiergeschäften i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG dar, wie sich bereits dem Wortlaut dieser Vorschrift entnehmen lässt. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt - wie dargelegt - gerade auch den Schutz des Anlegers vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder vereiteln.
Rz. 29
(b) Entgegen der Revisionserwiderung kann die Beklagte den Kläger nicht auf den Wert seiner Beteiligung verweisen. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Beteiligung herauszugeben wäre. Dazu müsste sie ein Instrument i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 2 EAEG sein. Der Begriff des Instruments entspricht demjenigen des Finanzinstruments in § 1 Abs. 11 KWG. Um ein solches handelt es sich bei der Beteiligung des Klägers nicht. Vielmehr sammelte die P. GmbH die Kundengelder auf einem Treuhandkonto und trat bei der Abwicklung der Finanzkommissionsgeschäfte - soweit solche getätigt wurden - im Außenverhältnis zum Broker im eigenen Namen auf.
Rz. 30
(c) Der Rückzahlungsanspruch des Klägers beträgt 324,18 EUR. Als Anlagegelder i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG kann nur der gezahlte Nettobetrag von 38.461,54 DM (= 19.665,08 EUR) angesehen werden, weil nur diese Summe von der P. GmbH für die Wertpapiergeschäfte verwendet werden sollte. Das Agio sollte dagegen den Verwaltungsaufwand der P. GmbH abdecken und kann vom Kläger allenfalls als Schadensersatz wegen von vornherein beabsichtigter Nichtdurchführung der Vermögensanlage herausverlangt werden. Dieser Anspruch wird vom Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz indes nicht geschützt. Unter Berücksichtigung der Auszahlungen (19.304,88 EUR) beträgt der Rückzahlungsanspruch des Klägers gegen die P. GmbH 360,20 EUR, so dass sich der Entschädigungsanspruch gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EAEG auf 324,18 EUR beläuft.
Rz. 31
Soweit die P. GmbH einen (geringen) Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften angelegt hat, kommt zwar eine Einbeziehung des sich daraus ergebenden - dem Kläger anteilig zuzurechnenden - Saldos aus tatsächlich erzielten Gewinnen und Verlusten bei der Berechnung des Rückzahlungsanspruchs in Betracht. Insoweit fehlt es aber vorliegend an einem substantiierten Vorbringen der Parteien, obwohl hierzu in den Tatsacheninstanzen im Hinblick darauf Anlass bestanden hat, dass der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch höchst hilfsweise auch auf die Differenz zwischen dem gezahlten Nettobetrag und den ihm zugeflossenen Auszahlungen gestützt hat.
Rz. 32
(d) Es kann offen bleiben, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die Beklagte dem Entschädigungsanspruch die nach dem Vertrag geschuldeten Verwaltungsgebühren entgegenhalten kann. Nach § 4 Abs. 1 EAEG sind bei Höhe und Umfang des Entschädigungsanspruchs des Anlegers zwar etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu berücksichtigen. Weder die P. GmbH noch die Beklagte haben aber den vermeintlichen Vergütungsanspruch substantiiert dargelegt, obwohl dies - wie im vorstehenden Absatz dargelegt - in den Tatsacheninstanzen angezeigt gewesen wäre. Aufgrund dessen kann auch dahinstehen, ob dem Kläger gegen einen solchen Anspruch wegen der von Anfang an beabsichtigten Nichtdurchführung der Kommissionsgeschäfte eine rechtsvernichtende oder rechtshindernde Einrede zustehen würde.
III.
Rz. 33
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht auch einen Zahlungsanspruch des Klägers i.H.v. 324,18 EUR nebst Zinsen verneint hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage erweist sich im Umfang der Aufhebung als begründet, so dass unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung von 324,18 EUR nebst Zinsen zu verurteilen und die weitergehende Klage abzuweisen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2659827 |
BGHZ 2011, 327 |
BB 2010, 2969 |
BB 2011, 321 |
DB 2011, 350 |
NJW 2011, 677 |
NJW 2011, 8 |
NWB 2010, 3865 |
EBE/BGH 2011 |
EWiR 2011, 147 |
NZG 2011, 355 |
WM 2011, 257 |
WuB 2012, 519 |
ZIP 2011, 269 |
DZWir 2011, 158 |
MDR 2011, 376 |
NZI 2011, 7 |
VersR 2011, 805 |
VuR 2011, 178 |
BKR 2011, 212 |
GWR 2011, 87 |
NWB direkt 2010, 1231 |
ZBB 2011, 164 |
ZGS 2011, 5 |
AnwaltSpiegel 2010, 14 |