Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Raub
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 17. Dezember 1997 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision ist aufgrund der Sachrüge nur zum Strafausspruch erfolgreich.
Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte Ö. am Vormittag des 23. Dezember 1996 gemeinsam mit den Mitangeklagten At. und H. ein Juweliergeschäft in M.. Ö. war unbewaffnet, At. und H. führten einen Gastrommelrevolver und eine Gaspistole mit sich, deren konkrete Einsatzmöglichkeit Ö. nicht bekannt war. Nach der Tatabrede sollte unter keinen Umständen geschossen werden. Nach Betreten des Juweliergeschäfts sicherte Ö. den vorderen Bereich des Geschäftslokals. At. veranlaßte zwei in einem angrenzenden Raum angetroffene Zeuginnen, sich auf den Boden zu legen, und fesselte sie mit Handschellen. Eine Zeugin erlitt einen Nervenzusammenbruch. H. setzte seine Gaspistole an den Kopf eines weiteren Zeugen und drohte diesem, er werde ihn vor den Augen seiner anwesenden beiden Kinder im Alter von zweieinhalb und sechs Jahren erschießen. Daraufhin ließ sich der Zeuge ebenfalls fesseln. Als die Täter sich dem geöffneten Safe zuwandten, wurden sie durch einen Kunden gestört, der das Geschäft betrat, den Überfall bemerkte und das Ladenlokal sofort wieder verließ. Daraufhin brachen sie die Tat ab und flohen. Ö. griff spätestens zu diesem Zeitpunkt in einen Trauringständer und steckte vier Paar Trauringe im Gesamtwert von DM 1.500,– ein.
1. Die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer die Verletzung des § 338 Nr. 1 StPO geltend macht und die Besetzung des Gerichts unter zwei Gesichtspunkten beanstandet, dringt nicht durch. Ihr liegt folgender prozessualer Sachverhalt zugrunde:
Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 23. Oktober 1997, teilte der Vorsitzende die Besetzung des Gerichts mit. Auf Antrag von Rechtsanwalt W., der zusammen mit Rechtsanwalt Di. den Mitangeklagten A. verteidigte, wurde die Hauptverhandlung zur Prüfung der Besetzung unterbrochen und am 29. Oktober 1997 fortgesetzt. An diesem Tag verlas Rechtsanwalt Di. mehrere Besetzungsrügen. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt We., gab hierzu eine Stellungnahme ab und schloß sich dem Antrag von Rechtsanwalt Di. insoweit an, als gerügt wurde, daß die Kammer trotz Vorliegens eines Umfangverfahrens nicht mit drei Berufsrichtern besetzt sei. Am dritten Hauptverhandlungstag, dem 10. November 1997, verlas Rechtsanwalt W. für den Mitangeklagten A. einen weiteren Einwand gegen die Besetzung der Kammer – die Strafkammer sei mit insgesamt vier Berufsrichtern überbesetzt –, denen sich Rechtsanwalt We. für den Angeklagten anschloß. Die Besetzungseinwände und die Anschlußerklärung des Rechtsanwalts We. erfolgten, ebenso wie die Ablehnung der Anträge durch das Gericht, noch vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache.
a) Der Beschwerdeführer rügt zunächst ohne Erfolg, daß die Strafkammer unter Verstoß gegen § 76 Abs. 2 GVG in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern besetzt gewesen ist.
§ 338 Nr. 1 StPO ist nicht verletzt. Die Vorschrift sichert das Recht auf den gesetzlichen Richter. Sie greift u. a. dann ein, wenn ausdrückliche Regelungen über die Gerichtsbesetzung verletzt sind. Hierzu gehört auch § 76 Abs. 2 GVG. Eine Verletzung dieser Norm kann die Revision begründen, wenn die Kammer zu Unrecht die Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern für die Hauptverhandlung beschlossen hat und die Rüge nicht gemäß § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 222 b StPO ausgeschlossen ist. Dies gilt aber nur dann, wenn die Strafkammer ihren weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale Umfang und Schwierigkeit der Sache in unvertretbarer Weise und damit objektiv willkürlich überschritten hat. Bei Anwendung dieser Kriterien hält die Entscheidung der Strafkammer revisionsrechtlicher Prüfung noch stand.
aa) Gemäß § 76 Abs. 1 GVG ist eine große Strafkammer in der Hauptverhandlung grundsätzlich mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Diese Besetzung gilt ausnahmslos für die Schwurgerichtskammer nach § 74 Abs. 2 GVG. Für die übrigen großen Strafkammern hat das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) für die Zeit vom 1. März 1993 bis zum 28. Februar 1998 in § 76 Abs. 2 GVG für die Hauptverhandlung die Möglichkeit einer verringerten Besetzung vorgesehen. Die Regelung gilt nach dem 3. Verjährungsgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3223) nunmehr bis zum 31. Dezember 2000. Sie bestimmt, daß die große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt, daß sie in der Hauptverhandlung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt ist, wenn nicht nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint. Somit ist die Besetzung mit zwei Berufsrichtern die Regel, diejenige mit drei Berufsrichtern die Ausnahme, wodurch der Grundsatz des § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG für den genannten Zeitraum umgekehrt wird (vgl. Kissel, GVG 2. Aufl. § 76 Rdn. 3; ders. NJW 1993, 489, 491).
bb) Die Entscheidung über die in der Hauptverhandlung reduzierte Besetzung ist im erstinstanzlichen Verfahren nicht selbständig mit Rechtsmitteln anfechtbar (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4; Mayr in KK 3. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4; Siegismund/Wickern, wistra 1993, 136, 139). § 76 Abs. 2 GVG stellt aber eine ausdrückliche Regelung über die Gerichtsbesetzung dar (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 338 Rdn. 12; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. § 338 Rdn. 6), so daß ein Verstoß gegen diese Norm unter den Voraussetzungen des § 338 Nr. 1 StPO die Revision grundsätzlich zu begründen vermag, wenn die Strafkammer zu Unrecht die reduzierte Besetzung angeordnet hat. Inwieweit der Beschluß der Strafkammer, die Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern durchzuführen, einer revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (dagegen etwa Rieß in Löwe/Rosenberg, GVG Anhang 24. Aufl. § 76 Rdn. 52 unter Hinweis auf den Grundgedanken des § 269 StPO), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
Der Revisibilität der Entscheidung nach § 76 Abs. 2 GVG im Falle der Anordnung einer Zweierbesetzung steht der enge Zusammenhang zwischen der Bestimmung der Besetzung in der Hauptverhandlung und der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht entgegen. Der Beschluß über die Gerichtsbesetzung ist kein Teil des Eröffnungsbeschlusses, der an dessen Unanfechtbarkeit für den Angeklagten (§ 210 Abs. 1 StPO) teilnimmt, und kann auch nicht, wie der Beschwerdeführer meint, im Falle seiner Fehlerhaftigkeit ein zur Einstellung des Verfahrens führendes Verfahrenshindernis begründen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 76 Abs. 2 GVG, der bestimmt, daß die Besetzungsentscheidung „bei” der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen ist. Die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung, die sich an Umfang und Schwierigkeit der Sache orientiert, läßt sich auch inhaltlich von derjenigen über die Eröffnung des Hauptverfahrens trennen, für die der hinreichende Tatverdacht maßgebend ist, vgl. § 203 StPO. Es besteht insofern eine den gemäß § 207 Abs. 4 StPO zu treffenden Entscheidungen über die Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung vergleichbare Lage. Die zeitliche Verknüpfung der Entscheidung über die Besetzung in der Hauptverhandlung mit derjenigen über die Eröffnung des Hauptverfahrens dient vor allem dazu sicherzustellen, daß der gesetzliche Richter für das gesamte Hauptverfahren bereits bei dessen Beginn bestimmt ist (vgl. Siegismund/Wickern, wistra 1993, 136, 139).
cc) Die Rüge ist nicht gemäß § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 StPO i. V. m. § 222 b StPO präkludiert, da der Beschwerdeführer sie in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhoben hat. Die genannten Präklusionsvorschriften gelten bei dem Einwand der Unterbesetzung der Strafkammer mit Berufsrichtern entsprechend (vgl. Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 2. Aufl. § 76 GVG Rdn. 6; Rieß in Löwe/Rosenberg, GVG Anhang 24. Aufl. § 76 Rdn. 52; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 333).
Zwar erscheint die direkte Anwendung des § 222 b StPO, der den Fall einer Mitteilung der Gerichtsbesetzung nach § 222 a StPO betrifft, fraglich. Denn soweit in § 222 a StPO eine solche Mitteilung angeordnet ist, betrifft dies nach dem Sinn und Zweck der Regelung vorrangig die Benennung der zur Mitwirkung berufenen konkreten Personen, nicht aber die Frage des Umfangs der Kammerbesetzung. Über diesen wird durch Kammerbeschluß bei der Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden, die Entscheidung ist den Verfahrensbeteiligten bekanntzumachen. Eine gesonderte, durch den Vorsitzenden veranlaßte Mitteilung gemäß § 222 a StPO über die Anzahl der in der Hauptverhandlung mitwirkenden Richter ist dann nicht mehr erforderlich.
§ 222 b StPO gilt aber jedenfalls entsprechend. Diese Regelung ist zwar als Präklusionsvorschrift eng auszulegen. Der Normzweck und die Interessenlage erfassen jedoch auch die hier gegebene Fallkonstellation. Die §§ 222 a, 222 b StPO sollen zum Zwecke der Prozeßökonomie dazu beitragen, den unnützen Aufwand und die erhebliche Verfahrensverzögerung zu vermeiden, die entstehen, wenn das Revisionsgericht wegen eines in aller Regel nur auf einem Irrtum beruhenden Besetzungsfehlers ein Urteil aufheben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückverweisen muß (vgl. BT-Drucks. 8/1844 S. 31; Schlüchter in SK-StPO § 222 a Rdn. 1; Treier in KK 3. Aufl. § 222 a Rdn. 1). Dieser Gedanke gilt gleichermaßen für die Bestimmung der konkreten Richterpersonen wie für die Festlegung des Umfangs der Besetzung in der Hauptverhandlung. Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 2 GVG gleicht insoweit einem organisatorischen Besetzungsmangel, wie er von den §§ 222 a, 222 b StPO erfaßt wird.
Die Strafkammer ist zur Abänderung ihres Beschlusses jedoch nur befugt, wenn dieser nach der zum Zeitpunkt seiner Fassung bestehenden Sach- und Rechtslage fehlerhaft war. Ansonsten läge es in der Hand der Verfahrensbeteiligten, durch ein entsprechendes Verhalten noch während des Hauptverfahrens Einfluß auf den gesetzlichen Richter zu nehmen. Später eingetretene Änderungen bezüglich des Umfangs oder der Schwierigkeit der Sache sind deshalb auch im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen.
dd) Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 2 GVG begründet die Revision allerdings nur dann, wenn die Entscheidung der Strafkammer objektiv willkürlich ist (vgl. Rieß in Löwe/Rosenberg, GVG Anhang 24. Aufl. § 76 Rdn. 52; Mayr in KK 3. Aufl. § 76 GVG Rdn. 5; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 2. Aufl. § 76 GVG Rdn. 6; Schlothauer, StV 1993, 147, 150; Kissel, GVG 2. Aufl. § 76 Rdn. 5), weil sie den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschreitet. Dies ist hier nicht der Fall.
Der das Hauptverfahren eröffnenden Strafkammer steht bei der Entscheidung nach § 76 Abs. 2 GVG kein Ermessen zu (vgl. BT-Drucks. 12/1217 S. 47). Die reduzierte Besetzung ist zu beschließen, wenn nicht eine der in § 76 Abs. 2 GVG geregelten Ausnahmen vorliegt. Jedoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach die Dreierbesetzung zu beschließen ist, wenn dies nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache notwendig „erscheint”, daß die Kammer bei der Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügt, der es gestattet, die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. Rieß in Löwe/Rosenberg, GVG Anhang 24. Aufl. § 76 Rdn. 47, 52). Bei der Bewertung des Umfangs der Sache ist ein quantitativer Maßstab anzulegen. Bedeutsam sind dabei etwa die Zahl der Angeklagten und Verteidiger, die Zahl der Delikte und notwendiger Dolmetscher, die Zahl der Zeugen und anderer Beweismittel, die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die zu erwartende Dauer der Hauptverhandlung (vgl. Kissel, GVG 2. Aufl. § 76 Rdn. 4). Die überdurchschnittliche Schwierigkeit der Sache kann sich etwa aus der Notwendigkeit umfangreicher Sachverständigengutachten, zu erwartenden Beweisschwierigkeiten oder der rechtlichen oder tatsächlichen Kompliziertheit z. B. in Wirtschaftsstrafsachen ergeben (vgl. Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 2. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4).
Bei der Prüfung dieser Kriterien und der Ausübung des Beurteilungsspielraums ist zu bedenken, daß der Gesetzgeber zu Recht davon ausgeht, daß sich die Besetzung einer großen Strafkammer mit drei Berufsrichtern bewährt hat (vgl. BT-Drucks. 12/1217, S. 46 ff.). Der Strafkammer steht die Strafgewalt in der gesamten Breite zu, über die das Strafrecht verfügt. Mit der Möglichkeit z. B. der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sind die weitestgehenden Entscheidungen im Bereich des Strafrechts in ihre Zuständigkeit gelegt. Zudem ist das Verfahren vor der Strafkammer die einzige Tatsacheninstanz. Vor diesem Hintergrund kommt der Qualität der Entscheidungen eine große Bedeutung zu. Deren Sicherung ist durch das Kollegialitätsprinzip in besonderer Weise gewährleistet. Die Mitwirkung mehrerer Berufsrichter ermöglicht es, die Aufgaben in der Hauptverhandlung sachgerecht zu verteilen, den Tatsachenstoff intensiver und von mehreren Seiten zu würdigen und Rechtsfragen grundsätzlich besser als nur unter Beteiligung von Laienrichtern zu lösen. Der Gesetzgeber war sich deshalb der Gefahren, die sich bei einer Minderung der Mitgliederzahl des Kollegiums ergeben können, bewußt, glaubte aber, sie im Hinblick auf die durch den Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz in den neuen Bundesländern verursachte besondere Lage für einen vorübergehenden Zeitraum in Kauf nehmen zu können (vgl. BT-Drucks. 12/1217 S. 47; Rieß, AnwBl 1993, 51). Dementsprechend spricht vieles dafür, bei der Anordnung einer Zweierbesetzung eine gewisse Zurückhaltung zu üben, wenn zweifelhaft ist, ob Umfang oder Schwierigkeit der Sache die Bestimmung einer Dreierbesetzung notwendig erscheinen läßt. Jedenfalls wäre es sachfremd und damit objektiv willkürlich, etwa aus Gründen der Personaleinsparung o. ä. eine reduzierte Besetzung zu beschließen. Die Justizverwaltung hat deshalb sicherzustellen, daß umfangreiche oder schwierige Verfahren mit drei Berufsrichtern durchgeführt werden können.
Im vorliegenden Fall spricht insbesondere die Anzahl von ursprünglich acht Angeklagten, zehn Verteidigern, neunzehn Anklagevorwürfen und mehr als siebzig in der Anklageschrift benannten Zeugen deutlich für das Vorliegen eines in Dreierbesetzung zu verhandelnden Umfangverfahrens. Die Entscheidung der Kammer, die Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern durchzuführen, erscheint deshalb rechtlich bedenklich. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles ist die Auffassung der Strafkammer, bei einer wertenden Gesamtbeurteilung der Einzelfallkriterien hätten der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache die Hinzuziehung eines dritten Berufsrichters nicht geboten, jedoch noch nicht als unvertretbar und damit objektiv willkürlich anzusehen. So hat die Kammer ihre Entscheidung u. a. damit begründet, der Umfang des Anklagevorwurfs werde durch die in der Hauptverhandlung feststellungsbedürftigen äußeren und inneren Tatumstände der angeklagten Delikte deutlich relativiert. Drei Angeklagte hätten umfangreiche Geständnisse, zwei Angeklagte hätten Teilgeständnisse abgelegt, ein weiterer Angeklagter habe eine Einlassung zum Anklagevorwurf angekündigt. So sei die Annahme einer Reduktion der ins Auge gefaßten Sitzungstage nicht ganz fernliegend gewesen. Besondere Schwierigkeiten in verfahrens- oder sachlichrechtlicher Hinsicht hätten sich nicht gezeigt. Damit hat sich die Kammer in noch hinzunehmender Weise an sachgerechten Kriterien orientiert. Hinzu kommt, daß es eine feststehende Rechtsprechung zu § 76 Abs. 2 GVG zum Zeitpunkt der Entscheidung über die reduzierte Besetzung nicht gab.
ee) Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Die Besetzungsentscheidung ist von Amts wegen zu treffen. Rechtliches Gehör ist dem Beschwerdeführer bereits dadurch gewährt worden, daß ihm gemäß § 201 StPO die Anklageschrift mitgeteilt worden ist. Eines ausdrücklichen Hinweises darüber, daß die Kammer erwägt, die Besetzungsreduktion anzuordnen, bedarf es nicht, da es sich um eine bei der Eröffnungsentscheidung allgemein vorzunehmende Prüfung handelt, auf die sich der Angeschuldigte auch ohne besonderen Hinweis einstellen muß (vgl. Rieß in Löwe/Rosenberg, GVG Anhang 24. Aufl. § 76 Rdn. 46 a; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4; a. A. Kissel, GVG 2. Aufl. § 76 Rdn. 5; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 2. Aufl. § 76 GVG Rdn. 5; Schlothauer, StV 1993, 147, 148). Im übrigen wäre das rechtliche Gehör jedenfalls deshalb nachgeholt, weil der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die Besetzung erhoben und die Strafkammer hierüber in der Sache entschieden hat.
b) Die Revision macht daneben erfolglos geltend, die Strafkammer sei nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts mit vier Berufsrichtern überbesetzt. Diese Rüge dringt schon deshalb nicht durch, weil sie in der Hauptverhandlung nicht Gegenstand eines nach § 222 b StPO zulässigen Besetzungseinwands gewesen ist. Nach § 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO sind alle Beanstandungen gegen die Gerichtsbesetzung gleichzeitig vorzubringen. Daran fehlt es.
Durch die Abgabe einer Stellungnahme zu der Besetzungsrüge der Mitverteidiger und den Anschluß an eine der von diesen am 26. Oktober 1997 erhobenen Besetzungsrügen hat Rechtsanwalt We. Beanstandungen im Sinne von § 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO vorgebracht. Sein Recht, Besetzungseinwände vorzubringen, war damit verbraucht. Die am 10. November erhobene weitere Rüge war deshalb präkludiert.
Nichts anderes ergibt sich daraus, daß die nachgeschobene Besetzungsrüge noch vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache angebracht wurde. Das Nachschieben von Tatsachen oder eines Einwandes gegen die Besetzung ist ebenfalls dann unzulässig, wenn die Vernehmung des Angeklagten zur Sache noch nicht begonnen hat (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner 43. Aufl. § 222 b StPO Rdn. 7; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 222 b Rdn. 18). Unerheblich ist auch, daß der nachgeschobene Besetzungseinwand erhoben wurde, bevor über die Besetzungsrügen vom 29. Oktober 1997 entschieden wurde. Darauf, ob es tatsächlich zu einer Verfahrensverzögerung gekommen ist, kommt es nicht an.
Entgegen der Auffassung der Revision macht es keinen Unterschied, ob die Besetzung des Gerichts vor oder erst zu Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist. Die rechtlichen Folgen dieser unterschiedlichen Fallgestaltungen sind in § 222 a StPO geregelt; sie haben auf die Konzentrationsmaxime des § 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO keinen Einfluß.
Schließlich kann sich der Beschwerdeführer auch nicht darauf berufen, daß ihm bei Erhebung der ersten Besetzungsrüge der Grund für die zweite Beanstandung noch nicht bekannt gewesen sei. Nach dem Präklusionszeitpunkt können nur noch solche Besetzungsfehler gerügt werden, die zuvor objektiv nicht erkennbar waren, d. h. einem sorgfältigen Prozeßbeobachter, der von der Möglichkeit der Einsichtnahme in die Besetzungsunterlagen Gebrauch gemacht hätte, verborgen geblieben wären (vgl. BGH NJW 1997, 403, 404 m.w.Nachw.). Da sich der Präsidiumsbeschluß, auf den die zweite Besetzungsrüge gestützt wird, bereits im Zeitpunkt der Erhebung der ersten Besetzungsrüge in den Besetzungsunterlagen befand, hätte diese Rüge schon zusammen mit der ersten Beanstandung erhoben werden können.
2. Die durch die Sachrüge veranlaßte Überprüfung des Urteils hat – mit einer Ausnahme, vgl. unten 3. – einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch ergeben, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im einzelnen dargelegt hat.
3. Der Strafausspruch hat jedoch keinen Bestand. Die Neugestaltung des § 250 StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 nötigt zu seiner Aufhebung.
Zutreffend hat das Landgericht die im Zeitpunkt des Urteils gültige Fassung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB angewendet und rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines minder schweren Falles verneint. Es hat dabei neben einer Vielzahl anderer Gesichtspunkte, die das Tatgeschehen prägten, berücksichtigt, daß eine konkrete Gefährdung der Opfer durch den Waffeneinsatz, der sich allerdings gegen mehrere Personen richtete, vermieden werden sollte (UA S. 26).
Nach der Gesetzesänderung, die gemäß § 354 a StPO vom Revisionsgericht zu beachten ist, hätte sich der Angeklagte nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StGB n.F. schuldig gemacht, da er selbst unbewaffnet war und ihm die konkrete Einsatzmöglichkeit der von den Mittätern mitgeführten Gaswaffen nicht bekannt war. Diese Strafvorschrift sieht bei gleicher Obergrenze von 15 Jahren nun eine Mindeststrafe von drei Jahren anstelle von fünf Jahren vor. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers sollte diese Norm Anwendung finden, wenn ein objektiv nicht gefährliches Tatmittel eingesetzt wird, das nach seiner Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall nicht geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (vgl. BGH Beschl. vom 17. Juni 1998 - 2 StR 167/98 - NJW 1998, 2915, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; BGH NStZ 1998, 567, 568).
Zwar hat die Strafkammer gerade dem für den Gesetzgeber bedeutsamen Umstand, daß die besondere Gefährlichkeit bei dem konkreten Waffeneinsatz fehlte, besondere Bedeutung beigemessen und sie dazu veranlaßt, die Tat als im Vergleich zu anderen Raubüberfällen als „weit unterdurchschnittlich” anzusehen. Da sie jedoch ausdrücklich nur eine Strafe für schuldangemessen gehalten hat, die sich deutlich an der unteren Strafgrenze orientiert, kann der Senat nicht sicher ausschließen, daß das Landgericht bei Anwendung des neuen Rechts möglicherweise auf eine noch niedrigere Strafe erkannt hätte. Über die Strafe ist deshalb erneut zu befinden. Die der Strafzumessung zugrunde liegenden Feststellungen sind von der Gesetzesänderung nicht berührt und können bestehen bleiben.
Der Angeklagte ist nicht dadurch beschwert, daß das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 239 a Abs. 1 StGB (Mindeststrafe fünf Jahre) nicht geprüft hat (vgl. BGHR StGB § 239 a I Sichbemächtigen 1). Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, die daraus für ein erhöhtes Unrecht sprechenden Umstände im Rahmen der Neubemessung der Strafe zu berücksichtigen.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Blauth, Miebach, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540557 |
NStZ-RR 1999, 212 |