Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilung der Frage, ob eine Überpfändung vorliegt
Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Überpfändung vorliegt, kommt es nicht auf die dem Vollstreckungstitel zugrunde liegende materielle Forderung, sondern auf die durch ihn ausgewiesene Forderung an.
Über die Voraussetzungen einer Schadensersatzpflicht des Vollstreckungsgläubigers gegenüber dem Schuldner.
Normenkette
ZPO § 803; BGB §§ 823, 826
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 25. März 1954 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Durch Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 20. Februar 1931 (Proz. Nr. 2720/1930) sind der Kläger und der Kaufmann S… in H… gesamtschuldnerisch verurteilt worden, an die D… Bank und Diskontgesellschaft, Filiale H…, zum Ersatz des Schadens aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung 80.000 sfr nebst 8 % Zinsen seit dem 12. September 1930 zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig und durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Januar 1932 (13 Z 3011/31) für vollstreckbar erklärt worden.
Auf Grund dieser Urteile ist die N… Bank und frühere D… Bank und Diskontgesellschaft, Filiale H…, Ende November 1949 mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger vorgegangen. Abgesehen von einer Möbelpfändung im Werte von 2.850 DM brachte sie eine Reihe von Anspruchsvorpfändungen aus. Bei diesen handelte es sich vor allem um ein vorläufiges Zahlungsverbot an die C… – Betriebsgesellschaft-mbH, in L…-T… & Co. wegen Gehaltsanspruch bis zur Höhe von 50.000 DM und um ein weiteres Zahlungsverbot an diese Betriebsgesellschaft in Höhe von 200.000 DM. Weiter vorläufige Zahlungsverbote in Höhe von je 200.000 DM richteten sich an die S…- und A…kasse L…, an die H…bank L…, an die D…-Werke M… & Co., an die Firma K… & D…, an Ha…bank H…, an die L…bank H…, an die Ho…bank und an die Firma Wilhelm T…, Zigarettenfabrik, in H…-R…. Um eine Taschenpfändung abzuwenden, zahlte der Kläger an den Gerichtsvollzieher 2000 DM.
Mit Erinnerung vom 1. Dezember 1949 beanstandete der Kläger beim Amtsgericht in Hamburg die vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen, indem er geltend machte, bei dem Titel des Bezirksgerichts Zürich handle es sich um einen Devisenwert, über den nicht ohne Genehmigung der Militärregierung verfügt werden könne; das Urteil habe an die L…bank abgeliefert werden müssen; überdies, könne aus dem auf Schweizer Franken lautenden Titel nicht auf Deutsche Mark vollstreckt werden.
Am 3. Dezember 1949 erteilte die L…bank der N… Bank in H… die Genehmigung für die Vollstreckung aus dem Züricher Urteil.
Es kam unter den Parteien zu Vergleichsverhandlungen. Sie vereinbarten am 19. Dezember 1949, daß ein Schiedsgericht über die Meinungsverschiedenheiten entscheiden solle, die in Bezug auf das Züricher Urteil und das Vollstreckungsurteil entstanden seien. Zur Sicherung der N… Bank wegen ihrer Ansprüche aus diesen Urteilen übertrug der Kläger seine Ansprüche gegen die C…-Betriebs-GmbH auf Gewinn, Auseinandersetzungsguthaben und alle sonstigen Ausschüttungen auf den Notar Dr. J… in H… als Treuhänder beider Parteien. Die N…Bank hob die ausgebrachten Vollstreckungsmaßnahmen danach auf.
Vor dem vereinbarten Schiedsgericht begehrte der Kläger die Feststellung, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Züricher Urteil und dem deutschen Vollstreckungsurteil unzulässig sei. Der Schiedsspruch vom 30. November 1949 stellte fest, daß die weitere Zwangsvollstreckung aus diesen Urteilen in Höhe des 8.788,13 DM übersteigenden Betrages unzulässig sei, und wies im übrigen die Klage ab.
Im gegenwärtigen Rechtsstreit verlangt der Kläger nunmehr von der Beklagten, – früheren N… Bank, – Schadensersatz mit der Begründung, daß die Vollstreckungsmaßnahmen unberechtigt gewesen seien und ihm hieraus ein beträchtlicher Schaden entstanden sei. Er hat u.a. geltend gemacht, die Zwangsvollstreckung habe, da das Vermögen der D… Bank und Diskontogesellschaft, Filiale H…, der Urteilsgläubigerin, gemäß der Verordnung der britischen Militärregierung Nr. 133 beschlagnahmt gewesen sei und unter der Kontrolle eines Treuhänders gestanden habe, nur im Namen und in Vollmacht des Custodian auf Grund einer auf ihn lautenden Vollstreckungsklausel mit Genehmigung der L…bank betrieben werden dürfen. Daß ohne die gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen vollstreckt worden sei, begründe die Schadensersatzpflicht der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB. Da die Vorpfändungen von vornherein ungerechtfertigt gewesen seien, ergebe sich die Schadensersatzpflicht der Beklagten – unabhängig von einem Verschulden auch aus § 845 ZPO. Die Beklagte habe ferner gegen das Verbot der Überpfändung verstoßen. Die Zwangsvollstreckung sei in ein Vermögen von ca. 2 Mill. DM durchgeführt worden, allein der gepfändete Gesellschaftsanteil bei der Spielbank in T… habe, wie der Beklagten bekannt gewesen sei bei nomineller Beteiligung des Klägers zum Betrage von 237.000 DM einen vielfach höheren Wert gehabt. Dabei habe sich nach den Feststellungen des Schiedsgerichts die Forderung aus dem früheren Schuldtitel nach der Währungsreform auf nicht mehr als – 13.400,29 DM belaufen. Der Kläger hat endlich die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auch nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig geworden. Ihr sei die Vollstreckungsmöglichkeit durch den Kaufmann H… nachgewiesen worden, der mit dem Kläger verfeindet sei und sich seine Vernichtung zum Ziel gesetzt habe; er habe mit ihr vereinbart, daß er und sein Anwalt der nachmalige Prozeßbevollmächtigte der Beklagten, an dem Erlös aus der Zwangsvollstreckung mit namhaften Erfolgsprovisionen beteiligt sein sollten; es seien auch 10.000 DM gezahlt worden. Die Beklagte habe die Schädigungsabsicht des H…gekannt und sich von ihm dazu mißbrauchen lassen, aus den alten Titeln, von denen sie nicht einmal mehr eine Ausfertigung gehabt habe, wegen einer Forderung, die auf keinem Konto des Klägers oder des S… mehr als offenstehend verzeichnet gewesen sei, zum Schaden des Klägers ohne vorherige Androhung zu vollstrecken.
Was den Schaden betrifft, der ihm nach seiner Behauptung entstanden ist, so hat der Kläger vorgebracht, er habe nach der Vorpfändung in seinen Gesellschaftsanteil an der C…-Betriebsgesellschaft-mbH in L…-T… & Co. seine Stellung als vorläufiger Geschäftsführer aufgeben müssen und damit das Gehalt eingebüßt, das im Jahr 38.000 DM betragen habe. Da er zur Vermeidung weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Gewinnansprüche aus seinem Kommanditanteil an der Gesellschaft an den Notar Dr. J… habe abtreten müssen, sei es ihm unmöglich geworden, sich, wie beabsichtigt, an der Gründung der Spielbank in Li… mit einem Betrage von 500.000 DM zu beteiligen, zu dessen Aufbringung ein durch den Kommanditanteil zu sichernder Kredit habe aufgenommen werden sollen. Infolgedessen sei ihm bereits ein Gewinn von 149.000 DM entgangen. Der volle Umfang des weiteren Schadens lasse sich nicht übersehen.
Der Kläger hat einen Schadensteilbetrag von 50.000 DM eingeklagt und um die Feststellung gebeten, daß die Beklagte ihm den gesamten Schaden zu ersetzen habe, der ihm daraus entstanden sei, daß sie am 30. November 1949 die Zwangsvollstreckung aus den genannten Urteilen wegen eines angeblichen Anspruchs von rund 200.000 DM in Vermögenswerte des Klägers in Höhe von 2.254.850 DM betrieben habe, obwohl ihr wegen der Forderung aus dem Züricher Urteil einschließlich der bis zum 29. November 1949 aufgelaufenen Zinsen und Kosten lediglich ein Anspruch in Höhe von 13.400,29 DM zugestanden habe.
Die Beklagte hat eine Schadensersatzpflicht bestritten. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe schon einmal sein Vermögen verschoben gehabt, um es der Vollstreckung aus den in Rede stehenden Urteilen zu entziehen; er sei ihr aus den Augen gekommen und erst durch H… wieder in ihr Blickfeld gerückt worden. Ein überraschendes Vorgehen sei erforderlich gewesen, um zu verhindern, daß er sein Vermögen wieder verberge. Ihn wirtschaftlich zu vernichten, habe ihr ferngestanden; auch H… habe hieran kein Interesse gehabt; jedenfalls habe sie ein solches Motiv des H… nicht gekannt. Mit ihm sei vereinbart worden, daß er die Kosten des Rechtsstreits übernehmen und im Falle erfolgreicher Zwangsvollstreckung das Geld zuzüglich einer Entschädigung für Arbeitsaufwand und Risiko zurückerhalten solle. Die Forderung gegen den Kläger sei allerdings auf einen Erinnerungsposten abgeschrieben gewesen; hierbei habe es sich aber nur um eine interne Maßnahme gehandelt, die das Rechtsverhältnis der Parteien nicht berühre. Die Beklagte hat der Auffassung des Klägers widersprochen, daß sie eine unzulässige Überpfändung vorgenommen habe, und die Richtigkeit der vom Kläger angegebenen Werte bestritten. Sie ist auch dem Vorwurf entgegengetreten, daß es ihr zum Verschulden gereiche, von dem Bestehen ihrer Forderung in einer Höhe ausgegangen zu sein, wie sie umgerechnet der Urteilssumme in Schweizer Franken entsprochen habe; der Kläger selbst habe in der von ihm eingelegten Erinnerung gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Auffassung vertreten, daß sich seine Schuld in dieser Währung bestimme.
Das Landgericht hat, nachdem es die zunächst erhobene Einrede des Schiedsvertrages durch Zwischenurteil als unbegründet verworfen hatte, die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers ist zurückgewiesen worden.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die N… Bank in H… ist berechtigte Inhaberin der von der D… Bank und Diskontogesellschaft, Filiale H…, erwirkten Schuldtitel und Gläubigerin der Urteilsforderung gegen den Kläger gewesen. Sie unterstand gemäß der am 15. April 1949 in Kraft getretenen abgeänderten Verordnung Nr. 133 der britischen Militärregierung (Brit. ABl. S. 1074) dem Verwalter, der auf Grund der seit dem 1. April 1948 vorher in Geltung gewesenen Verordnung Nr. 133 (Brit. Abl. S. 710) als Custodian für sie ernannt worden war. Während dem Custodian nach der früheren Verordnung die Geschäftsführung und Verwaltung der Bank oblag, hatte der Verwalter nach der abgeänderten Verordnung das Vermögen der Bank zu beaufsichtigen und zu verwalten, pfleglich zu behandeln, unversehrt zu erhalten und zu beschützen. Daraus ergibt sich aber nicht, daß nur der Verwalter Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger hätte ergreifen können und daß es hierzu der vorherigen Erteilung einer auf seinen Namen lautenden vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels bedurft hätte. Die Unterstellung der Beklagten unter den Verwalter bedeutete weder, daß die Beklagte aufhörte, Urteilsgläubigerin zu sein, noch auch, daß sämtliche geschäftlichen Angelegenheiten der Bank und unter ihnen auch die Weiterverfolgung der gegen den Kläger bestehenden Ansprüche fortan nur noch von dem Verwalter persönlich hätten bearbeitet werden dürfen. Soweit er nicht bestimmte Angelegenheiten an sich zog, blieben vielmehr – nicht anders bei einem Wechsel des Vorstandes – die Sachbearbeiter und Bevollmächtigten der beklagten Bank befugt, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben unter der Aufsicht des Verwalters tätig zu sein und für die Beklagte zu handeln. Der Kläger hatte nicht vorgetragen, was darauf hinweisen könnte, daß sich der Verwalter die Bearbeitung der Vollstreckungssache gegen den Kläger persönlich vorbehalten hätte. Abgesehen davon können Vorpfändungen nach § 845 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausgebracht werden, ohne daß bereits eine vollstreckbare Ausfertigung überhaupt erteilt und die Schuldtitel zugestellt sind. Auch für den Rechtsnachfolger des im Urteil bezeichneten Gläubigers braucht eine vollstreckbare Ausfertigung nicht schon erteilt und mit den die Rechtsnachfolge erweisenden Urkunden (§ 750 ZPO) zugestellt zu sein (Stein-Jonas-Schönke ZPO 17. Aufl. § 845 Erläut. I 1; Baumbach ZPO 23. Aufl. § 845 Anm. 1 B; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 6. Aufl. S. 959; RGZ 71, 179 [182]). Für die Vorpfändungen bedurfte es vorliegend daher keineswegs der vorherigen Erteilung und Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung auf den Namen des Verwalters. Es kann infolgedessen keine Rede davon sein, daß die Beklagte durch Vornahme der Vorpfändungen ohne derartige Vollstreckungsklausel gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen und ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt hätte.
Ob ein solcher Verstoß insoweit vorliegt, als die Beklagte Möbel des Klägers hat pfänden lassen, kann offenbleiben, da mangels jeglicher Darlegungen nicht ersichtlich ist, inwiefern dem Kläger durch diese Möbelpfändung, die von der Beklagten nach Abschluß des Abkommens vom 19. Dezember 1949 unstreitig wider aufgehoben worden ist, ein Schaden entstanden sein könnte.
Ohne daß eine vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitel erteilt zu sein braucht, setzen Vorpfändungen freilich voraus, daß der zugrunde liegende Schuldtitel an sich vollstreckbar ist. Da das Vollstreckungsurteil des Amtsgerichts in Hamburg vom 5. Januar 1932 nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist, konnte aus ihm verbunden mit dem Züricher Urteil nur dann vollstreckt werden, wenn es rechtskräftig geworden war. Die Rechtskraft des Urteils stand aber für den Zeitpunkt der Vorpfändungen außer Zweifel. Denn gleichviel ob und wann es zugestellt worden war, war es spätestens mit Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung vom 5. Januar 1932 rechtskräftig geworden (§ 516 ZPO).
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Schuldtitel ein Devisenwert im Sinne des Gesetzes Nr. 53 der Militärregierung gewesen sind und nicht ohne Genehmigung der Landeszentralbank aus ihnen hätte vollstreckt werden können. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt das Gesetz Nr. 53 auf besatzungsrechtlichen und währungspolitischen Gebiet und bezweckt nicht den Schutz der Schuldner. Ein etwaiger Verstoß gegen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 53 konnte eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger daher nicht begründen.
3. Aus dem Gesichtspunkt verbotener Überpfändung läßt sich der Schadensersatzanspruch des Klägers gleichfalls nicht ableiten. Nach § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO darf die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Diese Regelung stellt sich zwar als eine Schutzbestimmung dar, deren Verletzung eine Schadensersatzpflicht des Gläubigers nach § 823 Abs. 2 BGB nach sich ziehen kann (RGZ 143, 123; HRR 27, 424). Sie gilt auch für die Zwangsvollstreckung in Forderungen und sonstige Vermögensrechte.
Bei dem Sachverhalt, wie er im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist, ist eine Schadensersatzpflicht der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt aber nicht begründet. Es fehlt nicht nur, wie das Berufungsgericht hervorhebt, am Verschulden der Beklagten, sondern es kann schon objektiv eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot der Überpfändung nicht als vorliegend erachtet werden.
Für die Frage, ob die Zwangsvollstreckung weiter ausgedehnt worden ist, als es die Befriedigung des Gläubigers erfordert, ist auf den Vollstreckungstitel abzustellen, der die Grundlage der Zwangsvollstreckung bildet. Wenn auch die Zwangsvollstreckung wie alles Verfahrensrecht der Verwirklichung des materiellen Rechts zu dienen bestimmt ist, so ist sie nach herrschender Auffassung doch von dem materiellen Untergrunde gelöst und unabhängig von dem Bestehen des materiell-rechtlichen Anspruchs (Stein-Jonas-Schönke a.a.O. Bem. II 2 vor § 704; Rosenberg a.a.O. S. 829 f.). Das Verbot einer Überpfändung kann danach nur so verstanden werden, daß die Vollstreckung nicht weiter ausgedehnt werden darf, als es zur Beitreibung der Summe erforderlich ist, die der Vollstreckungstitel bezeichnet. Vorliegend lautete der Vollstreckungstitel auf 80.000 sfr mit 8 % Zinsen seit dem 12. September 1930 und Kosten. Wenn die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel nach dem derzeitigen Umrechnungskurs in Höhe von 200.000 DM betrieb, so war das also verfahrensrechtlich nicht unzulässig. Auf Grund eingehender Untersuchung der materiell-rechtlichen Grundlagen der Schuld des Klägers und der Einwendungen, die er gegen sie erhob, ist das von den Parteien vereinbarte Schiedsgericht in Anbetracht des schweizerischen Schuldbeitreibungsrechts, des deutschen Rechts über die Zwangsvollstreckung aus ausländischen Urteilen und des deutschen Geldschuldenrechts, des deutschen und schweizerischen Rechts der Verjährung sowie schließlich des Rechts der deutschen Währungsreform allerdings zu dem Ergebnis gelangt, daß mit materieller Berechtigung gegen den Kläger nur noch eine Forderung von 13.400,29 DM geltend gemacht werden konnte (einschließlich der Zinsen bis zum 7. Oktober 1950, dem Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht, soweit diese noch nicht verjährt waren). Solange dieser Schiedsspruch aber nicht ergangen und der Kläger auch nicht anderweitig mit den Rechtsbehelfen des Zwangsvollstreckungsrechts der Zwangsvollstreckung wegen Wegfalls der materiellen Berechtigung mit Erfolg entgegengetreten war, konnte die Zwangsvollstreckung aus den vorliegenden Titeln in der Höhe von 200.000 DM nicht als verfahrensrechtlich unzulässig gelten.
Selbst wenn man aber auch davon ausgehen wollte, daß es für die Frage der Überpfändung auf die Befriedigung des Gläubigers wegen seines materiellen Anspruchs ankomme und die Beklagte ihre Befriedigung aus den Vollstreckungstiteln nur in der Höhe hätte suchen dürfen, wie ihr das Schiedsgericht hernach eine materielle Berechtigung zuerkannt hat, würde eine Überpfändung doch erst vorliegen, wenn von den Vollstreckungsmaßnahmen mehr Vermögenswerte ergriffen worden wären, als es erforderlich war, um die künftige Befriedigung der Beklagten zu sichern.
Von einer Überpfändung kann nicht schon darum die Rede sein, weil die Beklagte, die durch die Zahlung des Klägers in Höhe von 2000 DM und die Pfändung von Möbeln im Wert von 2.850 DM nur erst wegen eines Teiles ihrer Ansprüche aus den Schuldtiteln gegen den Kläger eine Deckung erlangt hat, vorläufige Zahlungsverbote einer größeren Anzahl von vermeintlichen Drittschuldnern hat zustellen lassen. Maßgebend ist, welche in Wirklichkeit bestehenden Vermögenswerte des Kläger hierdurch betroffen worden sind. Sollte der Kläger mit seiner Angabe, daß die Zwangsvollstreckung in ein Vermögen von ca. 2 Mill. DM durchgeführt worden sei, ernstlich habe behaupten sollen, daß ihm durch die Vorpfändungen Vermögenswerte dieses Umfangs mit Beschlag belegt worden seien, so hat er es bei dem Bestreiten der Beklagten doch an jeglichem Beweisantritt dafür fehlen lassen, inwieweit die vorläufigen Zahlungsverbote tatsächlich vorhandene Rechtsansprüche ergriffen haben. Unstreitig ist freilich, daß der Kläger als Kommanditist an der C…-Betriebsgesellschaft in L…-T… beteiligt gewesen ist. Daß außer den Rechten, die ihm dort zustanden, irgendwie nennenswerte wirtschaftliche Werte von den Vorpfändungen betroffen worden sind, hat das Berufungsgericht ersichtlich nicht als erwiesen angesehen. Nach seiner im Revisionsverfahren nicht angreifbaren Würdigung ist die Möglichkeit nicht abzuweisen, daß alle vorgepfändeten Forderungen nicht existent waren oder daß ihnen doch Einwendungen der Drittschuldner oder anderer Gläubiger entgegenstanden und sie daher dem Zugriff der Beklagten nicht unterlagen.
Verkörperten hiernach aber nur die Rechte des Klägers gegenüber der C…-Betriebsgesellschaft einen Wert, aus dem sich die Beklagte wegen der nicht schon durch die Zahlung der 2.000 DM und die Möbelpfändung gedeckten Ansprüche aus den Schuldtiteln mit Erfolg befriedigen konnte, so stellt sich die Frage nach dem Vorliegen einer Überpfändung dahin, ob es über den nach § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO zulässigen Rahmen hinausging, daß die Beklagte diese Rechte des Klägers durch die Verpfändungen mit Beschlag belegte. Nach den Angaben des Klägers haben diese Rechte einen Wert gehabt, der über den der Beklagten materiell zustehenden Betrag erheblich hinausging. Das Berufungsgericht hat sich nicht darüber ausgesprochen, ob seine Angaben zutreffen. Dies kann auch dahingestellt bleiben. Denn auch wenn seine Angaben zugrunde gelegt werden, konnte es der Beklagten nicht verwehrt sein, wegen ihrer Forderungen gegen den Kläger die Vorpfändungen in seine Rechte bei der C…-Betriebsgesellschaft auszubringen. Sie bestanden zwar einerseits in den Gehaltsansprüchen des Klägers, andererseits in seinem Kommanditanteil an der Gesellschaft. Gehaltsansprüche kamen aber nur in Betracht, solange der Kläger als vorläufiger Geschäftsführer weiterhin bei der Gesellschaft tätig war. Bei der naheliegenden Möglichkeit, daß er, – wie es tatsächlich ja auch geschehen ist, – als Geschäftsführer ausschied, hatten sie daher nur einen fragwürdigen wert. Die Beklagte brauchte sich daher nicht auf die Vorpfändung dieser Gehaltsansprüche zu beschränken, sondern durfte sehr wohl auch den Kommanditanteil an der Gesellschaft durch Vorpfändung erfassen. Mochte sein Wert die Forderung der Beklagten auch wesentlich übersteigen, so konnte er einer Vorpfändung doch nur in seiner Gesamtheit unterworfen werden. Eine Überpfändung lag hierin nicht.
4. Wer aus einem Vollstreckungstitel die Zwangsvollstreckung betreibt, obwohl der dem Titel zugrunde liegende materielle Anspruch nicht mehr besteht, ist dem Vollstreckungsschuldner nicht nur aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Herausgabe dessen verpflichtet, was er über die materielle Berechtigung hinaus aus der Zwangsvollstreckung erlangt, sondern kann ihm auch nach den Bestimmungen über die Haftung aus unerlaubter Handlung zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, der ihm durch die materiell-rechtliche nicht gerechtfertigte Zwangsvollstreckung entstanden ist (RGZ 55, 187 [194]). Freilich besteht Meinungsverschiedenheit darüber, ob eine Schadensersatzpflicht in einem derartigen Falle nur aus § 826 BGB hergeleitet werden kann (so Rosenberg a.a.O. S. 831; Pagenstecher, Rechtskraft, S. 375 f und Gruch, 50, 300; Emmerich, Pfandrechtskonkurrenzen, S. 451) oder ob auch die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB zur Begründung der Schadensersatzpflicht genügt, ja ob nicht auch da eine Schadensersatzpflicht nach den Grundsätzen der Haftung aus unerlaubter Handlung anzunehmen ist, wo, wie bei Forderungpfändungen, zweifelhaft sein kann, ob durch die Zwangsvollstreckung eines der nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte verletzt worden ist (Fischer-Fischerhof, Die Schadensersatzpflicht des Vollstreckungsgläubigers bei ungerechtfertigter Zwangsvollstreckung, 1934 S. 87 ff; OLG Hamburg HansRGZ Abt. B 1928, 347). Einer näheren Stellungnahme hierzu bedarf es hier nicht. Denn auch nach der am weitesten gehenden Auffassung setzt die Schadensersatzpflicht voraus, daß der Vollstreckungsgläubiger bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung in einer Weise gehandelt hat, die mindestens den Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit begründet. Daß es den verfassungsmäßig berufenen Vertretern der Beklagten als Fahrlässigkeit anzurechnen wäre, die Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungstiteln in Höhe von 200.000 DM statt nur in einer dem Schiedsspruch entsprechenden geringeren Höhe betrieben zu haben, hat das Berufungsgericht jedoch ohne Rechtsirrtum verneint. Ob die Verpflichtung des Klägers, laut dem Züricher Urteil und dem deutschen Vollstreckungsurteil 80.000 sfr mit Zinsen und Kosten zu zahlen, durch die Reform der deutschen Währung berührt worden war, ließ sich nicht ohne schwierige rechtliche Untersuchungen beurteilen. Auch wenn den verfassungsmäßig berufenen Vertretern der Beklagten Zweifel gekommen sein mögen oder hätten kommen müssen, brauchten sie derartige Untersuchungen nicht schon anstellen zu lassen, bevor sie die hier vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen. Sie konnten die Klärung der zweifelhaften Frage durchaus einer gerichtlichen Entscheidung überlassen, die der Kläger auf Vollstreckungsgegenklage herbeizuführen mochte. Das gilt zumal angesichts der Tatsache, daß sich der Kläger seiner Zahlungspflicht jahrelang entzogen hatte und daß es, abgesehen von der Möbelpfändung und der Empfangnahme der vom Kläger an den Gerichtsvollzieher gezahlten 2.000 DM, die zur Deckung selbst eines 10: 1 umgestellten Forderungsbetrages bei weitem nicht ausreichten, vorläufige Zahlungsverbote waren, die die Beklagte ausbrachte, Maßnahmen, durch die sie sich in schnellem Zugreifen nur erst die Möglichkeit einer künftigen Befriedigung durch Zwangsvollstreckung zu sichern suchte.
Wenn der Kläger aus der Vorpfändung seiner Beteiligungsrechte an der C…-Betriebsgesellschaft Schaden erlitten hat, so ist überdies nicht ersichtlich, inwiefern es hierfür ursächlich gewesen sein könnte, daß die Vorpfändung auf einen höheren Betrag gestellt worden ist, als das Schiedsgericht später die materielle Berechtigung der Beklagten anerkannt hat. Denn jede Zwangsvollstreckung in den Gesellschaftsanteil bewirkte nach dem Vorbringen des Klägers gemäß den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages das sofortige Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Die Höhe der Vorpfändung spielte daher keine Rolle.
5. Daß sich die Beklagte im Hinblick auf die weiteren Umstände ihres Vorgehens gegen den Kläger nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig gemacht hätte, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Nach seinen Feststellungen war Beweggrund ihres Handelns nicht, dem Kläger Schaden zuzufügen, sondern ihren rechtskräftigen Titel zu realisieren, der materiell keineswegs unrichtig gewesen und nur durch außerhalb des Urteils liegende Umstände zu einem Teil der Höhe nach berührt worden ist. Daß sie die Forderung in ihren Büchern abgeschrieben habe, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, sei nur ein aus steuerlichen Gründen erfolgter Buchungs- und bilanztechnischer Vorgang gewesen und lasse keine Rückschlüsse auf den Willen der Beklagten zu, die Forderung geltend zu machen oder nicht. Das Motiv ihres Handelns sei selbst dann nicht unlauter gewesen, wenn sie die vom Kläger behaupteten Motive des Kaufmanns H… gekannt hätte. Die Sittenwidrigkeit lasse sich auch nicht daraus herleiten, daß die Beklagte gewisse geldliche Vereinbarungen mit H… getroffen habe. Hierfür sei das Bestreben der Beklagten maßgebend gewesen, möglichst ohne weiteres finanzielles Risiko und ohne Vergrößerung des Schadens durch fruchtlose Zwangsvollstreckung zu versuchen, ihr Geld zu bekommen, nachdem es der Kläger verstanden habe, 18 Jahre lang die Realisierung zu verhindern.
Die Revision macht demgegenüber geltend, es sei ein Verfahrensverstoß, daß das Berufungsgericht angenommen habe, der Kläger habe die Vollstreckung aus dem Züricher Urteil 18 Jahre lang zu vereiteln gewußt. nach seinem unwidersprochenen Vortrag sei er seit 1940 Inhaber der bedeutenden Hamburger Firma D…-Werke GmbH, die bei der Beklagten zeitweise ein Konto unterhalten habe. Der Ausspruch, daß er sich einer Vollstreckung bewußt entzogen habe, sei gerade einem Hamburger Gläubiger gegenüber mit dieser Sachlage nicht vereinbar.
Die Rüge kann keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung mit Recht darauf abgestellt, wie sich die Sachlage der Beklagten bei Einleitung ihrer Vollstreckungsmaßnahmen darstellte. Wie es in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, ist nicht bewiesen, daß sie damals von einer Inhaberschaft des Klägers bei der genannten Firma etwas gewußt hat. Ersichtlich ist das Berufungsgericht von der als glaubhaft angesehenen Behauptung der Beklagten ausgegangen, daß ihr der Kläger aus den Augen gekommen sei, nachdem sie die Vollstreckungstitel erwirkt und der Kläger sich damals dem Zugriff entzogen habe. 18 Jahre lang, so hat das Berufungsgericht an anderer Stelle seiner Entscheidungsgründe hervorgehoben, hat der Kläger nicht die geringsten Anstalten getroffen, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Danach konnte das Berufungsgericht aber ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß die Beklagte den Kläger als einen Schuldner ansehen konnte, der es verstanden hatte, ihr 18 Jahre lang das ihr zustehende Geld vorzuenthalten. Daß der Anspruch aus den Urteilen verwirkt gewesen sei, hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.
Unbegründet ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht gewürdigt, daß es die Beklagte unterlassen habe zu prüfen, ob der große Umfang ihrer Maßnahmen geboten gewesen sei. Bei Erörterung der Frage einer Überpfändung hatte das Berufungsgericht bereits betont, daß in aller Regel der Gläubiger bei Ausbringung von Vorpfändungen in die vermuteten Vermögenswerte seines Schuldners von vornherein nicht wisse, welche der angeblichen Forderungen tatsächlich und in welcher Höhe sie bestehen und ob ihnen nicht Einwendungen der Drittschuldner oder anderer Gläubiger entgegenstehen; auch hier habe die Möglichkeit bestanden, daß alle Forderungen sich als nicht existent oder nicht dem Zugriff der Beklagten unterliegend herausstellten. Diese Ausführungen lassen erkennen, daß das Berufungsgericht sehr wohl erwogen hat, ob der Beklagten wegen des Umfangs ihrer Vorpfändungen ein Vorwurf gemacht werden kann. Es hat dies ohne Rechtsirrtum verneint. Bei Untersuchung des Bestehens einer Schadensersatzpflicht aus § 826 BGB brauchte es hierauf nicht nochmals ausdrücklich zurückzukommen.
6. Wenn § 845 Abs. 2 ZPO der Vorpfändung die Wirkung eines Arrestes beilegt, sofern die Pfändung der Forderung innerhalb 3 Wochen nachfolgt, so hat es das Berufungsgericht doch nicht für angängig gehalten, hieraus zu folgern, daß die Haftungsbestimmung des § 945 ZPO auf den Fall der Vorpfändung ausgedehnt werden könne (vgl. hierzu Weimar JR 1934 Bd. I, 179; Rosenberg a.a.O. S. 958, OLG 9, 39; 35, 132). Die Frage braucht hier nicht untersucht zu werden. Denn selbst wenn die Anwendbarkeit des § 945 ZPO bejaht werden müßte, würde der Schadensersatzanspruch des Klägers doch schon daran scheitern, daß die Vorpfändungen nicht von Anfang an ungerechtfertigt gewesen sind. Sie sind auf Grund eines Urteils ausgebracht worden, das rechtskräftig und vollstreckbar gewesen ist und dessen Vollstreckbarkeit so lange bestand, wie sei nicht durch gerichtlichen Spruch beseitigt wurde. Ein solcher Spruch ist, dazu auch nur in beschränkter Höhe, erst mit der Entscheidung des Schiedsgerichts vom 30. November 1950 ergangen.
Die Revision ist hiernach unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 609606 |
JR 1956, 185 |
JZ 1956, 248 |