Leitsatz (amtlich)
§ 265 Abs. 3 StPO räumt dem Gericht kein Ermessen ein, die Hauptverhandlung lediglich zu unterbrechen; bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist die Verhandlung auszusetzen.
Normenkette
StPO § 265 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 29.11.2001) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 29. November 2001, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten S. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Er hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zum Mord in drei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, daß seine Schuld besonders schwer ist. Den Angeklagten B. hat es ebenfalls wegen Anstiftung zum Mord in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
Die Schwurgerichtskammer ging dabei von folgenden Feststellungen aus:
Der Angeklagte S. lebte zusammen mit seiner Ehefrau … und dem gemeinsamen Kind …, seiner Schwiegermutter K. L. sowie U. L., der Ehefrau seines Schwagers Kl. L., auf dem Bo. …, einem Aussiedlergehöft zwischen den Bad Kreuznacher Ortsteilen … und …. Eigentümerin dieses Gehöfts war K. L.. Wegen mehrfacher außerehelicher Beziehungen des Angeklagten S. kam es zu erheblichen Spannungen zwischen ihm, seiner Ehefrau und seiner Schwiegermutter. Letztere eröffnete ihm in der ersten Septemberhälfte des Jahres 2000, daß sich seine Ehefrau von ihm scheiden lassen wolle und er den Bo. verlassen müsse. Da er in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten war und darüberhinaus seine Position auf dem Hof erhalten wollte, fasste er den Entschluß, seine Ehefrau und seine Schwiegermutter töten zu lassen, als mutmaßliche Mitwisserin seiner Motivlage sollte auch U. L. beseitigt werden. Nach seiner Vorstellung war das die einzige Möglichkeit, den sich anbahnenden sozialen Absturz zu vermeiden. Als alleiniger gesetzlicher Vertreter seines Sohnes …, der die Hälfte des Hofes und des beträchtlichen Vermögens erben würde, ging er davon aus, zumindest auf überschaubare Zeit auf dem Hof bleiben zu können. Da er die Tat nicht selbst begehen, aber auch nicht die künftigen Täter suchen und beauftragen wollte, wandte er sich an den Angeklagten B.. Es gelang ihm, diesen durch die Androhung, dessen Schwarzgeschäfte den Finanzbehörden zu offenbaren, für die Tat zu gewinnen. Der Angeklagte B. wandte sich an den ihm bekannten polnischen Maurer J. J. und – mit großer Wahrscheinlichkeit – auch an dessen Bruder M. J., möglicherweise auch an eine dritte, namentlich nicht bekannte, Person. Die erklärten sich bereit, gegen Zahlung einer hohen Geldsumme die drei Frauen auf dem Bo. zu einem noch vom Auftraggeber zu bestimmenden Zeitpunkt zu töten. Für diese Zusage erhielten sie als Anzahlung einen Geldbetrag in nicht bekannter Höhe, den der Angeklagte S. zur Verfügung gestellt hatte. Dieser traf dann Vorkehrungen, um zu vermeiden, daß ein Tatverdacht auf ihn fallen könnte. Anschließend teilte er dem Angeklagten B. mit, die Tat sollte am 21. oder 22. September 2000 ausgeführt werden. Dieser verständigte sich daraufhin mit J. J. und erteilte ihm definitiv den Mordauftrag. Am Freitag, den 22. September 2000 zwischen 6.00 und 6.30 Uhr betraten dann die Täter, die mit einem oder mehreren Schlag- und Hackwerkzeugen sowie einem Messer mit einer ca. 20 cm langen, geriffelten Klinge bewaffnet waren, die Wohnung von U. L.. Sie versetzten der am Küchentisch sitzenden oder stehenden Frau massive Schläge auf den Hinterkopf; als diese benommen zu Boden sank, schnitt ihr J. J. mit dem Messer die Kehle durch. Die Täter verließen dann die Wohnung und lauerten … Sp. auf. Als diese aus ihrem Haus kam, wurde sie von hinten niedergeschlagen. Auch ihr schnitt J. J. die Kehle durch. Die Täter betraten anschließend das Haupthaus und gelangten unbemerkt in das Schlafzimmer von K. L.. Der schlafenden Frau schlugen sie den Schädel ein, J. J. schnitt auch ihr die Kehle durch. Die Täter verließen danach den Bo. und flüchteten nach Polen. Ob sich der Angeklagte S. während der Tatausführung auf dem Bo. aufhielt oder ob er vor Beginn der Tatausführung den Hof schon verlassen hatte, konnte die Schwurgerichtskammer nicht klären.
Das Landgericht wertete die Taten der Angeklagten jeweils als ein Verbrechen der Anstiftung zum Mord in drei Fällen. Der Angeklagte S. habe im Wege der Kettenanstiftung beim Angeklagten B. den Entschluß hervorgerufen, die Haupttäter, die heimtückisch und aus Habgier gehandelt hätten, zu drei Tötungshandlungen zu bestimmen.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts stützen.
Das Rechtsmittel des Angeklagten B. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, die Revision des Angeklagten S. ist unbegründet.
A) Revision des Angeklagten B.:
I. Die Tatidentität (§ 264 StPO) von angeklagter und abgeurteilter Tat ist gewahrt.
Die zugelassene Anklage legte dem Angeklagten B. ein Vergehen nach § 138 Abs. 1 Nr. 8 StGB zur Last. Ihm wurde vorgeworfen, von dem Angeklagten S. erfahren zu haben, daß dieser polnische Arbeiter für die Durchführung eines Raubes bei seiner Schwiegermutter suche und ihm auf seine Bitte die polnische Telefonnummer eines gewissen „K.” vermittelt zu haben. Der Angeklagte B. sei von der Ernsthaftigkeit des Vorhabens ausgegangen und habe mehrfach auf Anweisung des Angeklagten S. … die Arbeiter des Bo. unter dem Vorwand der erfundenen Geschichte über „dubiose Hundekäufer” vom Hof ferngehalten. Obwohl er mit einem Überfall auf K. L. gerechnet habe, habe er die Tat nicht angezeigt. Am Tatmorgen sei er zunächst gemeinsam mit einem tatunbeteiligten Zeugen und anschließend nochmals allein zum Bo. gefahren, von wo aus er um 7.45 Uhr mit dem Angeklagten S. telefoniert habe.
Demgegenüber hat das Landgericht als dem Angeklagten B. nachgewiesenes Tatgeschehen festgestellt, daß er sich aufgrund der Drohungen des Angeklagten S., ihn wegen seiner Schwarzgeschäfte bei den Finanzbehörden anzuzeigen, bereit erklärte, Täter für die Ausführung des vom Angeklagten S. geplanten Mordes an den drei Frauen zu suchen. Nach den Urteilsfeststellungen setzte der Angeklagte B. seine Zusage auch in die Tat um, kaufte ein eigenes Mobiltelefon für den als Haupttäter gewonnenen polnischen Arbeiter, um mit diesem ständig und unauffällig in Verbindung bleiben zu können. Ferner hielt er die beim Umbau des Bo. teils illegal beschäftigten Arbeiter mehrfach vom Hof fern, indem er eine vom Angeklagten S. erfundene Geschichte verbreitete. Auf dessen Anweisung erteilte er den Tätern den definitiven Mordauftrag für Donnerstag, den 21. September oder Freitag, den 22. September 2000. Täglich telefonierte er mit dem polnischen Haupttäter, der montags kurzfristig nach Polen abgereist war und am Donnerstagnachmittag zurückkehrte. Am 21. September 2000 besprach er mit den Tätern in deren Wohnung die für den nächsten Morgen angesetzte Tat. Am Tatmorgen fuhr er zweimal zum Bo., um die Tatausführung zu überprüfen. Um 7.44 Uhr rief er den polnischen Haupttäter an und erfuhr, daß alles nach Plan verlaufen war. Um 7.47 Uhr teilte er dem Angeklagten S. telefonisch mit, daß alle drei Frauen tot seien.
Nach diesen Urteilsfeststellungen weicht das Tatgeschehen zwar nicht unerheblich vom angeklagten Sachverhalt ab, jedoch betrifft es noch dieselbe Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO wie die Anklage.
Anklage und Urteil beschreiben das Kerngeschehen im wesentlichen gleich. Bereits die Anklage geht davon aus, daß der Angeklagte S. sich anderer Täter bedienen wollte, da er sich selbst zur Tatausführung nicht in der Lage sah. Aus diesem Grund (und nicht etwa nur zur Begehung eines Raubes) schaltete er – auch nach der Anklage – den Angeklagten B. ein, um entsprechende Täter zu finden. Erwähnt ist bereits auch die Gewinnung der Polen als ausführende Täter sowie seine Bemühungen, am Tattag eventuell störende Zeugen vom Bo. fernzuhalten. Auch die Tatausführung als solche wird in Anklage und Urteil nahezu identisch geschildert. Die Nichtanzeige eines Verbrechens nach § 138 StGB und das Verbrechen selbst betreffen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 32, 215, 219; BGH NStZ 1993, 50 f.; NStZ-RR 1998, 204) grundsätzlich denselben geschichtlichen Vorgang und damit dieselbe Tat im Sinne des § 264 StPO. Dem liegt zugrunde, daß sowohl der Täter der nicht angezeigten Tat als auch derjenige, dessen Verhalten nur den Tatbestand des § 138 StGB erfüllt, in gleicher Weise von dem Plan zur Begehung der Tat Kenntnis haben, diesen aber nicht anzeigen und so die Tat fördern (vgl. BGH NStZ 1993, 50). Daß der Anklage eine andere rechtliche Bewertung des geplanten Überfalls und des nicht angezeigten Verbrechenssachverhalts zugrundelag, nämlich die Annahme eines geplanten Raubes statt eines geplanten Mordes an drei Personen, ändert an dem Umstand, daß der abgeurteilte Lebenssachverhalt schon Gegenstand der Anklage war, nichts.
II. Die auf einen Verstoß gegen § 265 Abs. 3 StPO gestützte, in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge führt jedoch zur Aufhebung des Urteils, soweit es den Angeklagten B. betrifft. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nach umfangreicher Beweisaufnahme wurde der Angeklagte B. am 12. von 26 Hauptverhandlungstagen (30. August 2001) unter anderem darauf hingewiesen, daß für ihn anstelle der angeklagten Nichtanzeige eines Raubes nunmehr Anstiftung zum Mord in drei Fällen in Betracht komme. Im Anschluß an diesen Hinweis ordnete die Schwurgerichtskammer gegen den Angeklagten B., der die neu erhobenen Vorwürfe bestritt, Untersuchungshaft an. Daraufhin beantragte sein Verteidiger die Aussetzung der Hauptverhandlung. Das Landgericht lehnte am folgenden Verhandlungstag die „Aussetzung der Hauptverhandlung gemäß § 265 Abs. 3 StPO” ab, weil eine Aussetzung nach dem Ermessen der Kammer nicht geboten sei. Die bereits vorgesehenen Unterbrechungen der Hauptverhandlung reichten aus, um eine sachgerechte Wahrnehmung der Verteidigungsrechte des Angeklagten B. auch unter dem neuen rechtlichen Gesichtspunkt zu gewährleisten.
Dieses Verfahren war rechtsfehlerhaft, denn das Landgericht wäre gehalten gewesen, dem Aussetzungsantrag stattzugeben.
1. Nach § 265 Abs. 3 StPO ist auf den Antrag des Angeklagten die Hauptverhandlung auszusetzen, wenn er unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände bestreitet, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes zulassen als in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführt. Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben.
a) Es lagen auch neben dem Aussetzungsantrag neu hervorgetretene Umstände im Sinne des § 265 Abs. 3 StPO vor, nämlich Tatsachen oder tatsächliche Verhältnisse, die erst in der Hauptverhandlung zum Vorschein kommen und die der Angeklagte nicht aus Anklageschrift, Eröffnungsbeschluß oder einer früheren Hauptverhandlung entnehmen konnte. Solche ergaben sich aus dem Haftbefehl, der mit den Feststellungen des Urteils übereinstimmt. Der dringende Tatverdacht der Anstiftung zum Mord in drei Fällen beruht danach im wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
- der Angeklagte B. habe dem späteren Haupttäter J. J. ein eigenes Mobiltelefon zur Verfügung gestellt, um unauffällig mit ihm in ständiger Verbindung stehen zu können
- er habe in den vier Tagen vor der Tat sowie am Tattag selbst zahlreiche Telefongespräche mit J. J. geführt
- er habe sich am Tag vor der Tat spät nachmittags mit den Brüdern J. getroffen und Einzelheiten der Vorgehensweise besprochen
- er habe um 7.44 Uhr mit den beiden flüchtigen Mördern telefoniert
- er habe bei der Polizei falsche Angaben über den Verbleib der Brüder J. gemacht und angegeben, die Nummer des J. nicht zu kennen
- er habe am Abend des Tattages den Pferdepfleger Z. aufgefordert, die Arbeitskleidung von J. J. auf dem Hof zu beseitigen.
Diese Umstände sind in der Anklageschrift nicht erwähnt, im übrigen wurden nunmehr dem Angeklagten Verhaltensweisen zur Last gelegt, aus denen andere Schlüsse gezogen wurden als in der Anklageschrift. Dazu gehören das Fernhalten der Arbeiter vom Bo., die zweite Fahrt zum Hof am Tatmorgen, das Telefonat mit dem Angeklagten S. und falsche Angaben gegenüber der Polizei. Demzufolge ging die Schwurgerichtskammer von einer wesentlich stärkeren Einbeziehung des Angeklagten B. in das Tatgeschehen aus, da er die polnischen Täter zur Tat bestimmte, mit ihnen das Vorgehen besprach und die Organisation der Tat abwickelte.
b) Der Angeklagte B. hat die neu hervorgetretenen Umstände in der Hauptverhandlung bestritten und auch behauptet, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein. Der Aussetzungsantrag enthielt zumindest konkludent (vgl. für den Fall des § 145 Abs. 3 StPO: BGH NStZ 2000, 212) die Erklärung, daß die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleibe. Ob die Behauptung ungenügender Vorbereitung der Verteidigung zutreffend war, hat das Gericht grundsätzlich nicht zu überprüfen; für § 265 Abs. 3 StPO genügt das entsprechende Vorbringen des Angeklagten (vgl. u.a. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg 25. Aufl. Rdn. 92; Engelhardt in KK 4. Aufl. Rdn. 27; Meyer-Goßner 46. Aufl. Rdn. 36 jeweils zu § 265 StPO; zu § 145 Abs. 3 StPO vgl. BGH MDR 1979, 108; NStZ 2000, 212; zu § 416 Abs. 2 Satz 2 StPO – früher § 429 d Abs. 2 Satz 2 StPO vgl. BGHSt 13, 121, 123). Damit liegen die Voraussetzungen des § 265 Abs. 3 StPO vor.
2. Angesichts dessen hätte die Schwurgerichtskammer die Hauptverhandlung auf Antrag des Angeklagten aussetzen müssen, ein Ermessen war ihr nicht eingeräumt. Das hat das Landgericht verkannt.
In der Literatur wird die Frage, ob dem Tatgericht bei einer Entscheidung nach § 265 Abs. 3 StPO ein Ermessen eingeräumt ist, unterschiedlich beurteilt. Ein Teil (Meyer-Goßner aaO § 265 Rdn. 37; Schlüchter SK StPO § 265 Rdn. 43 und Gollwitzer aaO § 265 Rdn. 108) vertritt die Auffassung, die Dauer der Aussetzung bestimme das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen, es könne auch dahin entscheiden, daß eine bloße Unterbrechung der Hauptverhandlung ausreiche. Andere sprechen sich ausdrücklich dagegen aus (Julius in HK-StPO 4. Aufl. § 265 Rdn. 16 und Loos in AK § 265 Rdn. 39), weil eine in das Ermessen des Gerichts gestellte bloße Unterbrechung der Verhandlung ihnen mit Blick auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 265 Abs. 3 StPO bedenklich erscheint.
Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsfrage bisher nicht entschieden. Die vom Senat vorgenommene Auslegung, ein Ermessen sei nicht eingeräumt, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Schon der Gesetzeswortlaut spricht, auch im Vergleich zum übrigen Sprachgebrauch der StPO, für einen ermessensunabhängigen Aussetzungsanspruch des Angeklagten, denn das Verfahren „ist auszusetzen”; die Möglichkeit, nur zu unterbrechen, ist nicht vorgesehen. Die StPO selbst differenziert ausdrücklich zwischen Aussetzung und Unterbrechung einer Hauptverhandlung, sie sieht des öfteren beide Möglichkeiten nebeneinander vor. So ist etwa für § 145 Abs. 3 StPO anerkannt, daß das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden hat, ob die Verhandlung auszusetzen oder zu unterbrechen ist, wenn der neu bestellte Verteidiger erklärt, daß ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleibe (BGHSt 13, 337; BGH NStZ 2000, 212 ff.). Auch § 138 c Abs. 4 StPO sieht eine Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung vor.
Der Bundesgerichtshof hat schon bei einer dem § 265 Abs. 3 StPO vergleichbaren Interessenlage des Angeklagten ausdrücklich auf den Wortlaut abgestellt („ist auf Antrag auszusetzen”). Zu der insoweit mit § 265 Abs. 3 StPO vollständig wortgleichen Vorschrift des § 416 Abs. 2 Satz 2 StPO, der die Überleitung vom Sicherungsverfahren in das Strafverfahren regelt, hat er nämlich entschieden (vgl. BGHSt 13, 121 zu dem damaligen § 429 d Abs. 2 Satz 2 StPO; anders bei § 145 Abs. 3 StPO BGHSt 13, 337, 342), daß das Gesetz dem Angeklagten einen Anspruch auf Aussetzung einräumt, dem das Gericht unter den genannten Voraussetzungen ohne weiteres nachkommen muß. Dies folge daraus, daß das Gesetz von einer Aussetzung, nicht dagegen von einer Unterbrechung der Hauptverhandlung spreche. Das Gericht habe lediglich über den Zeitraum der Aussetzung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Sofern der Verteidiger eine bloße Unterbrechung für ausreichend erachte, umfasse sein Recht auf Aussetzung als minderes Recht den Anspruch auf Unterbrechung der Hauptverhandlung; die Entscheidung, ob eine solche ausreiche, stehe aber allein der Verteidigung zu (vgl. BGHSt 13, 121, 122 f.; so auch Meyer-Goßner aaO Rdn. 7 zu § 416 StPO; anders aber zu § 265 Abs. 3 StPO vgl. dort Rdn. 37).
Ebenso ist anerkannt, daß das Gericht im Hinblick auf den Wortlaut im Rahmen von § 217 Abs. 2 StPO verpflichtet ist, einem entsprechenden Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist stattzugeben (vgl. BGH NStZ 1985, 229; 1995, 298).
b) Gegen die Einräumung eines richterlichen Ermessens in § 265 Abs. 3 StPO spricht desweiteren Sinn und Zweck der Regelung des § 265 StPO und seine Stellung im Gefüge der §§ 264 und 266 StPO.
§ 265 StPO will mit Hinweis- und Aussetzungspflichten des Gerichts die Verteidigungsrechte des Angeklagten in den Fällen sichern, in denen es infolge der umfassenden Kognitionspflicht des Gerichts im Rahmen des § 264 StPO zu erheblichen Veränderungen der tatsächlichen und rechtlichen Bewertung gegenüber der zugelassenen Anklage kommen kann. Dabei ist zu bedenken, daß § 265 Abs. 3 StPO relativ strenge Voraussetzungen fest schreibt, indem er neu hervorgetretene, vom Angeklagten bestrittene Umstände und eine Strafbarkeit nach einem schwereren Strafgesetz verlangt. Für diesen vom Gesetz relativ eng umgrenzten Fall erscheint es nicht unsachgemäß, die Aussetzung als festen Anspruch des Angeklagten, losgelöst von richterlichem Ermessen, zu sehen. Die Verteidigungsinteressen des Angeklagten und sein Anspruch auf eine wirksame Verteidigung (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK) in einem Fall, in dem nach längerer Hauptverhandlungsdauer neue Umstände hervortreten, die nach Auffassung des Gerichts die Anwendung eines (erheblich) schweren Strafgesetzes zulassen, erfordern oft nicht nur, die Verteidigung der veränderten Sachlage anzupassen. Notwendig ist vielmehr häufig, die Verteidigungsposition und -strategie von Grund auf neu zu strukturieren und sich vor einem vom bisherigen Ablauf der Beweisaufnahme „unbelasteten” Gericht neu einzulassen oder zu schweigen. Dies wird nur durch Aussetzung und Neubeginn der Hauptverhandlung ermöglicht. Diese Verteidigungsposition des Angeklagten soll die Vorschrift des § 265 Abs. 3 StPO sicherstellen, indem sie ausdrücklich allein eine „Aussetzung” vorsieht, wenn dies der Angeklagte als erforderlich ansieht und deshalb einen entsprechenden Antrag stellt.
c) Für einen solchen Aussetzungsanspruch des Angeklagten gemäß § 265 Abs. 3 StPO spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm und die gesetzgeberische Intention. Die Gesetzesmaterialien belegen, daß der StPO-Gesetzgeber mit der Norm des heutigen § 265 Abs. 3 StPO (damals § 264 Abs. 3 StPO) sich bewußt gegen ein richterliches Ermessen und für die Einräumung eines unbedingten Aussetzungsanspruchs entschieden hat. Im ursprünglichen Gesetzentwurf war ein entsprechender Aussetzungsanspruch bei veränderter Sach- und Rechtslage noch nicht enthalten (vgl. Hahn, „Die gesammten Materialien zur StPO”, Abt. I S. 30). Gegenstand der Erörterungen war aber die Frage, ob dem Angeklagten schlechthin ein Aussetzungsanspruch einzuräumen sei (Hahn aaO S. 209). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde die Frage mehrfach ausdrücklich diskutiert und schließlich zugunsten eines unbedingten Aussetzungsanspruchs entschieden (vgl. u.a. Antrag des Abgeordneten Dr. Wolfsson auf Ergänzung des § 224 Abs. 3 StPO – später zurückgenommen – und Antrag des Abgeordneten Becker; vgl. Hahn aaO S. 872-875). Dabei wurde auch darauf hingewiesen, daß es um Fälle gehe, in denen eine erhebliche Änderung in Frage stehe und daß es notwendig sei, dem richterlichen Ermessen gewisse Schranken zu setzen, da die Gerichte in der Regel das Bestreben hätten, die Sache möglichst rasch zu Ende zu bringen, so daß nicht selten eine Aussetzung in Fällen unterbleibe, wo sie an sich geboten gewesen wäre (Hahn aaO S. 875, Abt. II S. 1179, 1375 und 1587).
3. Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags hat das Landgericht somit eine Verfahrensvorschrift verletzt; dieser Verstoß führt im vorliegenden Fall zur Aufhebung des Urteils.
Der Senat kann ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler, obwohl noch an weiteren 16 Tagen verhandelt wurde, angesichts der weitreichenden Änderungen der Sach- und Rechtslage nicht ausschließen.
Auf die Revision des Angeklagten B. war deshalb das Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben. Die Sache an ein anderes Landgericht zu verweisen, wie die Verteidigung des Angeklagten B. beantragt hat, war nicht veranlaßt.
B) Revision des Angeklagten S.:
I. Entgegen der Auffassung des Angeklagten S. ist auch bei ihm die Tatidentität (§ 264 StPO) von angeklagter und abgeurteilter Tat gewahrt.
Die zugelassene Anklage legte ihm drei Verbrechen des Mordes zur Last, da er am 22.09.2000 gemeinschaftlich handelnd jeweils heimtückisch drei Menschen getötet habe, wobei er zudem in zwei Fällen aus Habgier und in einem Fall zur Verdeckung oder Ermöglichung einer Straftat gehandelt habe. In der Anklageschrift ist davon ausgegangen, er habe am Morgen des 22. September 2000 auf dem Bo. nahe Bad Kreuznach seine Ehefrau, seine Schwiegermutter sowie seine Schwägerin durch die gesondert verfolgten Polen J. J. und M. J. töten lassen. Motiv der Tat sei gewesen, daß er befürchtet habe, infolge seiner außerehelichen Beziehungen durch seine Schwiegermutter und seine Ehefrau vom Hof verwiesen zu werden und damit seine finanzielle Sicherheit und seinen sozialen Status zu verlieren. Da er sich selbst zur Ausführung der Tat nicht in der Lage gesehen habe, habe er geeignete Täter gesucht und sei deshalb an den Angeklagten B. herangetreten. Diesem habe er erklärt, er suche jemanden, der seiner Schwiegermutter die im Schlafzimmer deponierten 3 Mio. DM „wegnehmen” könne, und habe daraufhin von diesem eine polnische Telefonnummer erhalten. In der Folgezeit habe der Angeklagte S. die polnischen Staatsangehörigen J. J. und M. J. für seinen Tatplan gewinnen können, die dann auch nach seiner Einweisung und Führung die Tat ausgeführt hätten.
Die von der Schwurgerichtskammer – abweichend von der Anklage – dem Angeklagten S. als (Ketten-) Anstiftung zum Mord in drei Fällen angelastete ausdrückliche Verabredung der geplanten Tat mit dem in vollem Umfang in das Vorhaben eingeweihten Angeklagten B. und die Anwerbung und Bestimmung der Haupttäter zur Ausführung der Tat durch diesen, bezieht sich auf dieselbe prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO. Die in der Hauptverhandlung zutage getretenen Modifikationen der Tat stellen deren Identität nicht in Frage.
1. Für eine grundsätzliche Tatidentität zwischen angeklagter und ausgeurteilter Tat könnte schon die wesensmäßige Verbundenheit von Anstiftung und Mittäterschaft sprechen. Soweit ersichtlich, ist die Frage von Tatidentität zwischen (angeklagter) Täterschaft und (abgeurteilter) Anstiftung bisher nicht ausdrücklich entschieden. Zu gleichgelagerten Fällen haben sich sowohl das Reichsgericht wie auch der Bundesgerichtshof geäußert. Das Reichsgericht (RGSt 3, 95) sah es als rechtsfehlerhaft an, daß die Strafkammer, die sich infolge – geringfügig – geänderter Feststellungen an einer Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung, begangen in mittelbarer Täterschaft, gehindert sah, nicht wegen Anstiftung verurteilt hatte. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Wahlfeststellung zwischen Täterschaft und Anstiftung bei Diebstahl bejaht und geht auch dort davon aus, beide Möglichkeiten befänden sich im Rahmen des von der Anklage zum Gegenstand der Untersuchung gemachten Vorgangs im Sinne des § 264 StPO (BGHSt 1, 127, 129).
2. Ob grundsätzlich Tatidentität im Sinne von § 264 StPO zwischen angeklagter Mittäterschaft und ausgeurteilter Anstiftung anzunehmen ist, kann hier offenbleiben. Maßgebend für die Begriffsbestimmung der prozessualen Tat sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. dazu u.a. BGHSt 35, 60 ff.). Diese rechtfertigen hier die Annahme von Tatidentität. Der Angeklagte war des in Mittäterschaft begangenen Mordes in drei Fällen angeklagt, verurteilt wurde er wegen Anstiftung zum Mord in drei Fällen; an die Stelle der angeklagten Mittäterschaft trat somit eine (Ketten-) Anstiftung. Anklage und Urteil beschreiben das Kerngeschehen aber im wesentlichen gleich. Bereits die Anklage geht davon aus, daß der Angeklagte S. sich anderer Täter bedienen wollte, da er sich selbst zur Tatausführung nicht in der Lage sah. Aus diesem Grund (und nicht etwa nur zur Begehung eines Raubes) schaltete er den Angeklagten B. ein, um entsprechende Täter zu finden. Erwähnt ist darüber hinaus in der Anklage bereits die Gewinnung der Polen als ausführende Täter, das vom Urteil völlig identisch angenommene Motiv des Angeklagten sowie seine Bemühungen, am Tattag eventuell störende Zeugen vom Bo. fernzuhalten. Auch die Tatausführung als solche wird in Anklage und Urteil nahezu identisch geschildert. Die einzige Abweichung im tatsächlichen Ablauf liegt in der Einschaltung des Angeklagten B. als – im Unterschied zur Annahme der Anklage – völlig eingeweihten Mittelsmann. Dies ist für die Frage der Tatidentität unwesentlich, ebenso die mögliche Veränderung von Tatzeit und Tatort bei einer Anstiftung zu eigentlicher Tatbegehung, da die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen individualisiert war, nämlich mehr durch die Art und Weise der Tatbegehung und durch die Person der Opfer. Darüberhinaus enthält schon die Anklage Elemente der Anstiftung, indem der Angeklagte beschuldigt wurde, die Täter im Vorfeld der Tat selbst angeworben und instruiert zu haben. Daß weder im Anklagesatz (§ 200 Abs. 1 StPO) noch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen die Anstiftungshandlung des Angeklagten S. gegenüber dem Angeklagten B. erwähnt ist, ist unschädlich, da es sich bei dessen „Zwischenschaltung” um eine tatsächliche Änderung handelt, welche sich erst im Rahmen der Hauptverhandlung für die Strafkammer ergeben hat. Dadurch wird aber kein anderes zusätzliches und selbständiges historisches Ereignis der Verurteilung zugrundegelegt (vgl. dazu BGHSt 16, 200 ff.; 43, 96 ff.; BGH StV 1981, 127, 128; NStZ 1995, 500).
II. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
1. Ein Verstoß gegen § 265 Abs.1 StPO liegt nicht vor.
Die Schwurgerichtskammer erteilte am 30. August 2001 (12. Verhandlungstag) dem Angeklagten S. den Hinweis, daß eine Verurteilung wegen Anstiftung des Mitangeklagten B. zum Mord aus Habgier und niedrigen Beweggründen in Betracht kommt. Die Revision meint, dieser Hinweis sei inhaltlich unzutreffend, da das Urteil nicht davon ausgehe, der Angeklagte S. habe den Angeklagten B. zum Mord aus Habgier und niedrigen Beweggründen angestiftet.
Die Rüge ist unbegründet.
Der erteilte Hinweis bezüglich der Änderung der Beteiligungsform sowie der Mordmerkmale ist weder inhaltlich falsch noch ungeeignet, den Zweck des § 265 StPO zu erfüllen, nämlich Angeklagten und Verteidiger in die Lage zu versetzen, die Verteidigung auf den neuen Gesichtspunkt einzurichten (vgl. BGHSt 18, 56; Gollwitzer aaO Rdn. 55 zu § 265). Aus dem Gesamtzusammenhang des Hinweises ergibt sich, daß die Kammer eine Kettenanstiftung zugrundelegen wollte; darüber hinaus erfolgte direkt im Anschluß an die Hinweise die Verkündung des Haftbefehls gegen den Angeklagten B., worin der – möglicherweise zugrunde zu legende – Tatablauf ausführlich dargelegt wurde. Dies war ausreichend. Den gesetzlichen Anforderungen genügt auch der Hinweis auf eine geänderte Beurteilung der Mordmerkmale (vgl. BGH StV 1991, 501; 1998, 582 und 583; NStZ-RR 1999, 235, 236). Es ist ausreichend erläutert, daß mit den erwähnten Merkmalen „niedrige Beweggründe und Habgier” die beim Angeklagten S. und nicht beim Angeklagten B. vorliegenden Mordmerkmale gemeint sind.
2. Zu Unrecht beruft sich die Revision desweiteren darauf, das Verfahren hätte von Amts wegen ausgesetzt werden, die Hauptverhandlung hätte neu beginnen müssen.
Die Revision rügt insoweit, wie sie mit Schriftsatz vom 30. Juli 2002 (S. 3), ausdrücklich klar gestellt hat, daß angesichts der auf Grund der rechtlichen Hinweise, vor allem auch im Bezug auf die hinsichtlich der Beteiligung des Angeklagten B. wesentlich veränderten Sachlage, dem Angeklagten S. … durch Aussetzung und Neubeginn der Hauptverhandlung gemäß § 265 Abs. 4 StPO die Möglichkeit einer völlig neuen Einlassung hätte gegeben werden müssen.
Auch diese Rüge ist unbegründet.
Während nach § 265 Abs. 3 StPO bei veränderter Sach- und Rechtslage unter den dort genannten Voraussetzungen die Hauptverhandlung auf Antrag des Angeklagten auszusetzen ist, kann das Gericht nach seinem Ermessen auch in sonstigen Fällen (§ 265 Abs. 4 StPO) die Verhandlung aussetzen, wenn dies infolge veränderter Sachlage zur besseren Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint. Das erkennende Gericht hat die Entscheidung, ob die Hauptverhandlung auszusetzen ist, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (vgl. BGHSt 8, 92, 96; BGH, Urt. v. 12. Juni 1956 – 5 StR 126/56; BGH StV 1998, 252; Beschl. v. 25. Juni 2002 – 5 StR 60/02). Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, wenn der Angeklagte selbst keinen Anlaß sah, einen solchen Antrag zu stellen. § 265 Abs. 4 StPO ist allenfalls dann verletzt, wenn das Gericht von der Aussetzungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht, obwohl es „auf der Hand liegt” oder „unübersehbar ist”, daß eine Aussetzung oder längere Unterbrechung zur genügenden Vorbereitung geboten ist (vgl. BGHSt 8, 92, 96; BGH, Urt. v. 27. Januar 1971 – 3 StR 296/70; BGH NStZ 1983, 281). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Eine Veränderung der Sachlage war zwar auf Seiten des Angeklagten S. eingetreten, wenn auch nicht in dem Umfang wie beim Angeklagten B.. Daß die Schwurgerichtskammer das ihr bei der Frage einer Aussetzung der Hauptverhandlung eingeräumte Ermessen, das vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BGHSt 8, 92, 96; BGHR StPO § 265 Abs. 4 Verteidigung angemessene 2 und 5; BGH StV 1998, 252), rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, ist nicht ersichtlich. Das Verfahren wurde nach 12 Verhandlungstagen nochmals an mehr als 12 Verhandlungstagen mit den ohnehin vorgesehenen Unterbrechungen fortgesetzt. Der Hinweis erfolgte am 30. August 2001, das Urteil wurde am 29. November 2001 verkündet. Obwohl der Mitangeklagte einen ausdrücklichen Aussetzungsantrag gestellt hatte, hat der Angeklagte einen solchen Antrag nicht gestellt. Bei der dem Angeklagten vorgeworfenen Anstiftung zum dreifachen Mord handelt es sich zwar um eine schwerwiegende Tat, das Verfahren selbst war auch als Indizienprozeß schwierig. Die Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Lage, die zu dem rechtlichen Hinweis am 30. August 2001 geführt hat, war indes nicht so erheblich, daß sie zwingend auch für ihn eine Aussetzung der Hauptverhandlung erfordert hätte. Ob Fallgestaltungen denkbar sind, in denen angesichts des geänderten rechtlichen Vorwurfs die Hauptverhandlung allein deshalb auszusetzen ist, um den Angeklagten mit Mitangeklagten gleichzustellen und ihm eine vollkommen neue Einlassung vor einer „unbelasteten” Kammer zu ermöglichen, so daß eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten einer Aussetzung eintritt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls lag für die Kammer hier keineswegs auf der Hand, daß infolge der veränderten Sach- und Rechtslage der Verteidigungsanspruch des Angeklagten S. einen Neubeginn oder auch nur eine – teilweise – Wiederholung der Beweisaufnahme erfordert hätte. Dieser hatte nämlich in den folgenden weiteren Verhandlungstagen ausreichend Zeit, die erneute Vernehmung von Zeugen oder sonstige weitere Beweiserhebungen zu beantragen, sofern er dies zur Verteidigung gegenüber dem nunmehrigen Vorwurf der Anstiftung für nötig hielt. Bei der hier gegebenen Fallgestaltung – der Angeklagte S. bestritt ohnehin jegliche Tatbeteiligung – erweist sich der Übergang von der angeklagten Mittäterschaft zur Anstiftung nicht als so gravierend, daß es die Schwurgerichtskammer nicht als ausreichend ansehen durfte, in Abständen von jeweils einer Woche weiter zu verhandeln.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß das Landgericht – wie oben ausgeführt – hinsichtlich des Angeklagten B. rechtsfehlerhaft eine Aussetzung ausdrücklich abgelehnt hat. Weder Grundsätze des fairen Verfahrens noch prozeßökonomische Gründe erfordern eine Gleichbehandlung. Die Taten der Angeklagten mußten nicht einheitlich abgeurteilt werden, auch hinsichtlich einer etwa gebotenen Aussetzung lagen unterschiedliche Interessenlagen vor, insbesondere gestaltete sich die prozessuale Situation nach den Hinweisen vom 30. August 2001 für beide Angeklagten völlig unterschiedlich.
II. Sachrüge
In sachlich-rechtlicher Hinsicht weist das Urteil keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten S. auf. Insbesondere ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Zu deren Überprüfung ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in der Lage. Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler (vgl. § 337 StPO) enthalten. Diese sind namentlich dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich, unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Dabei brauchen die Schlußfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein, es genügt, daß sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, daß die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und daß die vom Gericht gezogene Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (st. Rspr. vgl.: BGHSt 29, 18, 20; BGH NStZ 1984, 180; StV 2000, 620; 2002, 468; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; Identifizierung 6; Vermutung 4 und 1; Überzeugungsbildung 26; im einzelnen vgl. Nack StV 2002, 510 ff.; 558 ff.; Schäfer StV 1995, 147 ff. jeweils m.w.N.).
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne enthält das Urteil zu Lasten des Angeklagten S. nicht. Das Vorbringen der Revision zeigt insoweit auch keinen Rechtsfehler auf.
Daß eine genaue Bestimmung der Todeszeit der Tatopfer im Ergebnis offenblieb, ist auf Grund der Sachrüge allein nicht zu beanstanden. Zwar rügt die Revision zu Recht die Behandlung des Sachverständigengutachtens des Rechtsmediziners Prof. Dr. Urban zu den Todeszeitpunkten der drei Frauen in den Urteilsgründen sowie die Frage ihrer Vereinbarkeit mit der nunmehr angenommenen Tatzeit nach 6.00 Uhr morgens. Soweit das Landgericht den Umstand, daß der Sachverständige einen Todeszeitpunkt nach 6.05 Uhr bei keiner der Frauen für realistisch gehalten hat, mit der Erwägung keine Bedeutung beimißt, die Berechnungen des Sachverständigen würden „nicht weiterhelfen”, ohne darzulegen, wie die Berechnungen lauteten und auf welchen Tatsachen sie beruhten, ist dies nicht rechtsbedenkenfrei (vgl. dazu Meyer-Goßner aaO § 267 Rdn. 13 m.w.N.). Der Senat schließt jedoch das Beruhen des Urteils auf diesem Erörterungsmangel angesichts der übrigen überzeugenden, anhand der Tatortspuren belegten Feststellungen zur Reihenfolge der Tatausführung und deren Modalitäten aus. Die davon abweichende Auffassung des Sachverständigen zur Frage, welche Todeszeitpunkte für die drei Frauen realistisch seien, hat das Landgericht zudem nachvollziehbar auch deshalb als widerlegt angesehen, weil es so gut wie ausgeschlossen sei, daß U. Sp. um 4.45 Uhr fertig angezogen sich angeschickt hätte, die Hunde auszuführen und daß U. … L. schon um 5.00 Uhr ihren PKW beladen hätte.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Otten, Fischer, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2558710 |
BGHSt |
NJW 2003, 1748 |
NStZ 2003, 444 |
NStZ 2004, 395 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 2003, 274 |
JA 2004, 108 |
JuS 2003, 1030 |
StV 2003, 269 |
StraFo 2003, 202 |