Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllungsort für den Zahlungsanspruch bei einem Beherbergungsvertrag, bei dem ein Reisebüro für seinen Kunden ein Zimmer in eigenem Namen bestellt. Voraussetzungen für die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes für Leistung und Gegenleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem Beherbergungsvertrag kommt ein einheitlicher Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn ein Reisebüro für seinen Kunden ein Zimmer im eigenen Namen bestellt.

Erfüllungsort für den Zahlungsanspruch (und damit Gerichtsstand für die Zahlungsklage) ist dann regelmäßig der Sitz des Reisebüros.

 

Normenkette

BGB § 269 Abs. 1; ZPO § 29 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 08.07.2004; Aktenzeichen 21 S 104/04)

AG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.02.2004; Aktenzeichen 25 C 17634/03)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 8.7.2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Der Kläger, Inhaber eines Hotels in D., macht gegen die beklagte GmbH, die ein Reisebüro in E. betreibt, vor dem AG Düsseldorf Zahlungsansprüche aus einem Beherbergungsvertrag geltend.

[2] Die Beklagte buchte für die Zeit vom 18. bis 21.6.2003 bei dem Kläger für ihre Kunden zwei Zimmer. Die Rechnung sollte an die Beklagte übersandt und von dieser bezahlt werden.

[3] Das AG hat nach vorherigem Hinweis auf die fehlende örtliche Zuständigkeit die Klage durch unechtes Versäumnisurteil als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

 

Entscheidungsgründe

[4] Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

[5] Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

[6] Entgegen der Auffassung des Klägers ergebe sich eine örtliche Zuständigkeit des AG Düsseldorf nicht aus § 29 ZPO, der für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts vorsehe. Der Erfüllungsort bestimme sich nach § 269 BGB. Danach sei der Wohnsitz des Schuldners bzw. der Ort seiner gewerblichen Niederlassung der Leistungsort, wenn nicht die Parteien etwas anderes vereinbart hätten oder sich aus den Umständen ein anderer Leistungsort ergebe.

[7] Die Parteien hätten keinen Leistungsort bestimmt. Auch aus den Umständen, insb. der Natur des Vertragsverhältnisses, sei kein vom Sitz der Beklagten abweichender Leistungsort zu entnehmen.

[8] Anders als bei einem herkömmlichen Beherbergungsvertrag, bei dem der Gast als Vertragspartner die Beherbergungsleistung selbst in Anspruch nehme und gemäß der Verkehrssitte vor Ort bar bezahle, habe die Beklagte im vorliegenden Fall den Beherbergungsvertrag im eigenen Namen für ihre Kunden abgeschlossen und - für den Kläger erkennbar - den Beherbergungsort nie aufsuchen wollen. Der Leistungsort für die Zahlung, die, wie in der Buchung ausdrücklich vermerkt sei, über die Beklagte habe erfolgen sollen, sei der Sitz der Beklagten und nicht, wie beim herkömmlichen Beherbergungsvertrag, der Beherbergungsort.

II.

[9] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

[10] 1. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass eine örtliche Zuständigkeit des AG Düsseldorf als Gericht des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO nicht begründet ist.

[11] ≪a) Der Erfüllungsort i.S.v. § 29 ZPO bestimmt sich nach materiellem Recht. Für vertragliche Verpflichtungen regelt § 269 BGB den Leistungsort, der dem Erfüllungsort entspricht. Danach hat die Leistung vorbehaltlich gesetzlicher Sondervorschriften in der Regel an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz, bei juristischen Personen den Sitz hatte. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt wird, dass die Vertragsparteien einen anderen Leistungsort bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen ergeben (vgl. BGH v. 11.11.2003 - X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20, 23 = BGHReport 2004, 180 m. Anm. Prechtel = MDR 2004, 164 m. Anm. Krügermeyer-Kalthoff m.w.N., BGH, Urt. v. 4.3.2004 - IX ZR 101/03, BGHReport 2004, 841 = MDR 2004, 765 = NJW-RR 2004, 932).

[12] Dabei ist der Leistungsort für jede einzelne Verpflichtung gesondert zu bestimmen. Auch bei gegenseitigen Verträgen richtet er sich für die wechselseitigen Leistungen jeweils nach den unterschiedlichen Wohnsitzen der Vertragsparteien; er ist daher nicht notwendig einheitlich (BGH, Urt. v. 9.3.1995 - IX ZR 134/94, MDR 1995, 592 = NJW 1995, 1546; Beschl. v. 5.12.1985 - I ARZ 737/85, MDR 1986, 469 = NJW 1986, 935; RGZ 140, 67, 69).

[13] b) Für die hier geltend gemachten Zahlungsansprüche ist danach gem. §§ 270 Abs. 4 i.V.m. 269 Abs. 1, 2 BGB, § 17 ZPO der Sitz der beklagten GmbH Erfüllungsort, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben oder sich aus den Umständen nichts anderes ergibt.

[14] Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten keinen von deren Sitz abweichenden Erfüllungsort am Sitz des Klägers vereinbart.

[15] Ein solcher lässt sich auch nicht aus den Umständen entnehmen.

[16] aa) Aus welchen Umständen auf einen vom Sitz der Beklagten abweichenden Erfüllungsort geschlossen werden kann, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass zu diesen Umständen neben der Natur des Schuldverhältnisses die Beschaffenheit der Leistung und der mutmaßliche Wille der Beteiligten gehören sollten. Diese Begriffe waren im ersten Entwurf zum BGB ausdrücklich aufgeführt, wurden dann aber gestrichen, weil man es für richtiger und einfacher hielt, auf die Umstände des Falles zu verweisen und als einen dieser Umstände die Natur des Schuldverhältnisses hervorzuheben. In dem Protokoll heißt es dazu: "Dass zu den zu berücksichtigenden Umständen vor Allem auch die Beschaffenheit der Leistung gehöre, erschien selbstverständlich. Der muthmaßliche Wille der Betheiligten aber sei nichts Anderes, als was sich aus den Umständen des Falles ergebe, und könne deshalb nicht neben diesen genannt werden." (Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. 1899, S. 524; BGHZ 157, a.a.O.; Siemon MDR 2002, 366, 369).

[17] Auf dieser Grundlage hat die Rechtsprechung bei bestimmten gegenseitigen Verträgen aus den Umständen einen einheitlichen Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung hergeleitet (für den Bauvertrag: BGH, Beschl. v. 5.12.1985 - I ARZ 737/85, MDR 1986, 469 - a.a.O.; für den Energielieferungsvertrag: BGH, Urt. v. 17.9.2003 - VIII ZR 321/02, BGHReport 2003, 1381 = MDR 2003, 1405 = NJW 2003, 3418; für den Architektenvertrag, der neben der Planung auch die Bauaufsicht umfasst: BGH, Urt. v. 7.12.2000 - VII ZR 404/99, MDR 2001, 686 = BGHReport 2001, 368 = NJW 2001, 1936; für den Beherbergungsvertrag: LG Kempten v. 17.12.1986 - S 2154/86, BB 1987, 929 m.w.N.; Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl., § 269 BGB Rz. 13 ff.; Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl., § 29 Rz. 24, 25).

[18] bb) Bei Beherbergungsverträgen hat die Rechtsprechung die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsorts am Ort des Hotels darauf gestützt, dass der Gast, der die Bestellung selbst aufgegeben und keine besondere Zahlungsweise vereinbart hat, nach der allgemeinen Verkehrssitte im Beherbergungsgewerbe die Bezahlung stets am Ort der Beherbergung zu erbringen habe (LG Kempten a.a.O.).

[19] Im vorliegenden Fall greift diese allgemeine Verkehrssitte nicht. Denn die Beklagte sollte den Ort der Beherbergung nicht selbst aufsuchen und Zahlung nicht vor Ort, sondern nach Rechnungserteilung von ihrem Sitz aus erbringen. Die Parteien sind folglich davon ausgegangen, dass die Zahlung nicht am Ort des Hotels, sondern am Sitz der Beklagten zu erbringen ist.

[20] cc) Entgegen der Ansicht der Revision genügt - unabhängig von der vereinbarten Zahlungsweise - nicht allein die besondere Ortsbezogenheit der vertragstypischen Leistung bei dem Beherbergungsvertrag, um aus dessen Natur einen einheitlichen Erfüllungsort am Beherbergungsort zu begründen.

[21] Allein deshalb, weil am Ort der Beherbergung der Schwerpunkt des Vertrages liegt, kann ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung nicht bejaht werden (BGH v. 11.11.2003 - X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20, 25 = BGHReport 2004, 180 m. Anm. Prechtel = MDR 2004, 164 m. Anm. Krügermeyer-Kalthoff). Dies hätte nämlich zur Folge, dass, da die vertragstypische Leistung regelmäßig nicht durch die Zahlungsverpflichtung bestimmt wird, nahezu bei jedem Vertragstyp ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung vorläge. Das ist mit der Regelung des § 269 Abs. 1 BGB unvereinbar (BGHZ a.a.O.). Ein einheitlicher Erfüllungsort kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn dafür weitere Umstände festgestellt werden können, wie etwa die o.g. Verkehrssitte oder bei einem Bauvertrag der Umstand, dass auch der Besteller am Ort des Bauwerks mit der Abnahme gem. § 640 BGB eine seiner Hauptpflichten erfüllen muss. In diesen Fällen, in denen beide Vertragsparteien wesentliche vertragliche Pflichten an einem Ort erbringen müssen, entspricht es der Natur des Schuldverhältnisses, dass die Vertragsparteien ihre gesamten daraus herrührenden Rechtsbeziehungen an diesem Ort erledigen (BGH, Beschl. v. 5.12.1985 - I ARZ 737/85, MDR 1986, 469 - a.a.O.).

[22] Der von der Revision vorgetragene Gesichtspunkt, es sei sachgerecht, die Gerichte am Ort des Hotels über etwaige Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch entscheiden zu lassen, da ihnen die Verhältnisse am besten vertraut seien und eine Beweisaufnahme über behauptete Mängel dort einfach und ohne großen Aufwand durchgeführt werden könne, stellt keinen Umstand dar, der die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes am Ort der Beherbergung rechtfertigt. Prozessuale Zweckmäßigkeitserwägungen allein können einen von der Regel des § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB abweichenden Leistungsort nicht begründen.

[23] dd) Danach lassen sich im vorliegenden Fall keine Umstände feststellen, die einen vom Sitz der Beklagten abweichenden Erfüllungsort für ihre Zahlungsverpflichtung begründen.

[24] Anders als beim Bauvertrag, bei dem der Besteller eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werkes, am Ort des Bauwerkes erfüllen muss, musste die Beklagte am Ort der Beherbergung keine wesentlichen Pflichten erfüllen. Insbesondere sollte eine Zahlung vor Ort nicht erfolgen.

[25] 2. Da eine Zuständigkeit des AG Düsseldorf für die Zahlungsklage weder aus § 29a ZPO (vgl. § 29a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch aus einem anderen Gerichtsstand begründet ist, hat das LG die Berufung zu Recht zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1703793

BGHR 2007, 429

EBE/BGH 2007, 84

NJW-RR 2007, 777

JurBüro 2007, 387

ZMR 2007, 352

MDR 2007, 904

RRa 2007, 131

VuR 2007, 225

GuT 2007, 85

PA 2007, 102

MK 2007, 66

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