Leitsatz (amtlich)
›Hat ein Grundstückseigentümer sein Grundstück so abgeschachtet, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, so muss die Klage, mit der die Herstellung einer genügenden anderweitigen Befestigung verlangt wird, die Angabe der vor der Abschachtung vorhanden gewesenen Festigkeit des beeinträchtigten Grundstücks enthalten.‹
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 20.03.1975) |
LG Arnsberg (Urteil vom 12.10.1973) |
Tatbestand
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in O., und zwar grenzt das Grundstück des Klägers im Osten an das des Beklagten. Der Kläger hat sein Grundstück im nordwestlichen Teil mit einem Bungalow bebaut. Südlich davon befinden sich entlang der Westgrenze des Grundstücks ein Bürogebäude und eine Werkshalle. Der unbebaute Teil des Grundstücks dient als Lagerplatz und Bauhof.
Im Jahre 1968 ließ der Beklagte entlang der etwa 115 m langen Grenze zum Grundstück des Klägers eine etwa 2,40 m tiefe senkrechte Abschachtung vornehmen, um sein Grundstück auf dem so erreichten Niveau zu planieren. Während der Schachtarbeiten wurde dem Beklagten auf Antrag des Klägers durch einstweilige Verfügung untersagt, sein - des Beklagten - Grundstück an der Grenze zum Nachbargrundstück des Klägers so zu vertiefen, dass dessen Grundstück seinen Halt verliert, sofern zur Abwendung dieser Gefahr keine genügende anderweitige Befestigung vorgenommen werde. Daraufhin ließ der Beklagte in etwa 1 m Abstand zur Grundstücksgrenze auf eine Länge von etwa 66 m eine Stützmauer in Höhe von etwa 2 m über dem durch Planierung erreichten Niveau errichten. Der Raum zwischen Mauer und Grundstücksgrenze wurde mit Erdreich aufgefüllt.
Der Kläger begehrt mit der Klage eine Verurteilung des Beklagten, die Böschung an der Grundstücksgrenze des Grundstücks des Klägers so zu befestigen, dass das Grundstück des Klägers in der Weise belastet werden kann, wie es vor Abgraben der Böschung durch den Beklagten der Fall war.
Für den Teil der Grundstücksgrenze zum Kläger, an dem der Beklagte keine Mauer errichtet hat, hat er anerkannt, verpflichtet zu sein, die Grenze durch Anböschung mit einer Neigung von 20 Grad zu befestigen. Der Beklagte ist durch Anerkenntnis-Teilurteil des Landgerichts vom 9. März 1971 entsprechend verurteilt worden. Im übrigen hat das Landgericht durch Urteil vom 12. Oktober 1973 den Beklagten über das Anerkenntnis-Urteil hinaus verurteilt, die Böschung an der Grundstücksgrenze des Klägers so zu befestigen, dass das Grundstück des Klägers in der gleichen Weise belastet werden kann, wie es vor Abgraben der Böschung durch den Beklagten der Fall war.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt er sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Entgegen der Auffassung der Revision erfasst das Berufungsurteil nicht den Teil der Grenze, der nicht mit einer Stützmauer versehen ist und auf den sich das Anerkenntnis-Teilurteil des Landgerichts vom 9. März 1971 bezieht. Schon dem Urteil des Landgerichts vom 12. Oktober 1973 ist zu entnehmen, dass sich die Entscheidung nur mit dem Teil des Grundstücks befasst, der mit der Stützmauer des Beklagten versehen ist. Der Urteilstenor (Verurteilung über das Anerkenntnis-Urteil hinaus, die Böschung zu befestigen) mag zwar nicht ganz klar sein; aus den Entscheidungsgründen - die neben dem Tatbestand zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind (vgl. BGHZ 34, 339) - ergibt sich aber die Beschränkung des Urteils auf den mit einer Mauer versehenen Teil des Grundstücks. Gleiches gilt für das Berufungsurteil. Es befasst sich in den Entscheidungsgründen ausschließlich mit der durch die Stützmauer nicht ausreichend gewährleisteten Festigkeit des Grundstücks des Klägers.
II.
1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB für verpflichtet angesehen, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um dem klägerischen Grundstück wieder dieselbe Standfestigkeit zu verschaffen, wie sie vor der Abschachtung bestand. Da nicht nur eine einzige, genau umschriebene Maßnahme zur Beseitigung der Störung führen könne, müsse es dem Beklagten überlassen bleiben, alle in Betracht kommenden Maßnahmen zu prüfen und die aus seiner Sicht passendste zu wählen. Wenn das Ziel der Verpflichtung bestimmt oder bestimmbar sei, genüge eine Verurteilung des Beklagten, dieses Ziel herbeizuführen. Der Umstand, dass die Standfestigkeit des Grundstücks nicht zuvor gemessen worden sei, sei für die Bestimmtheit der Verurteilung ohne Bedeutung. Solche Messungen könnten noch nachgeholt werden.
2. Die Revision führt demgegenüber aus, es hätte vom Berufungsgericht auf einen bestimmten Klageantrag hin festgestellt und ausgesprochen werden müssen, welche Beeinträchtigung vom Beklagten zu beseitigen sei, d.h. welche Standfestigkeit er wiederherzustellen habe.
Die Rüge der Revision ist berechtigt.
Der Klageantrag,
"den Beklagten zu verurteilen, die Böschung an der Grundstücksgrenze des Klägers so zu befestigen, dass das Grundstück des Klägers in der Weise belastet werden kann, wie es vor Abgraben der Böschung durch den Beklagten der Fall war",
ist nicht genügend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO); der ihm entsprechenden Verurteilung fehlt der vollstreckbare Inhalt.
Die Leistungsklage muss mit Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung und die Zwangsvollstreckung ein genaues tatsächliches Vorbringen darüber enthalten, welche konkrete Leistung vom Beklagten gefordert wird. Der Klageantrag muss so bestimmt sein, dass der Beklagte sein Risiko erkennen und sich demgemäß verteidigen kann (vgl. BGH, LM § 253 ZPO Nr. 34; Baumbach/Hartmann, ZPO, 36. Aufl., § 253 Anm. 5 B). Nur ein im obigen Sinne konkretisiertes Klageziel ist für den Beklagten im übrigen ausreichende Grundlage der Prüfung, ob der Klageanspruch anerkannt werden soll.
Die Klageschrift und der in ihr formulierte Antrag genügen diesen Anforderungen nicht.
Zwar folgt aus der Natur des Anspruchs aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 909 BGB, dass es dem Beklagten zu überlassen ist, welche Maßnahmen er treffen will, um eine genügende anderweitige Befestigung des Nachbargrundstückes sicherzustellen. Der durch Vertiefungen im Sinne des § 909 BGB in seinem Eigentum beeinträchtigte Grundstückseigentümer kann nur verlangen, dass durch eine genügende anderweitige Befestigung der Boden seines Grundstücks die erforderliche Stütze behält. Er hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme zur Beseitigung der Beeinträchtigung. Eine Begrenzung des Anspruchs auf bestimmte Befestigungs- oder Sicherungsarbeiten würde daher den Beklagten in der Wahl der Vorkehrungen unzulässig beschränken (vgl. BGB-RGRK, 12. Aufl., § 909 Rdn. 13). § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert dementsprechend nicht die Angabe, welche konkreten Maßnahmen der Beklagte zur Beseitigung der Grundstücksbeeinträchtigung ergreifen soll. Insoweit sind daher auch Klageantrag und Urteilstenor nicht zu beanstanden.
Die vom Beklagten frei auszuwählenden Befestigungs- oder Sicherungsmaßnahmen müssen aber bewirken, dass das Grundstück des Klägers wieder so belastet werden kann, wie es vor Abgraben der Böschung der Fall war. Es muss also die frühere Festigkeit des Grundstücks wiederhergestellt werden. Den verschiedenen denkbaren Befestigungs- und Sicherungsmaßnahmen steht also ein konkreter Erfolg gegenüber. Dieser konkrete Erfolg - hier die Wiederherstellung der früheren Festigkeit - muss dem Beklagten aber vom Kläger bezeichnet werden. Andernfalls würde eine dem ungenauen Antrag entsprechende Verurteilung nicht ergeben, welche - im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzende - konkrete Leistung dem Beklagten abverlangt wird. Von der früheren Festigkeit hängen aber für den Beklagten Art und Ausmaß der Sicherungs- und Befestigungsmaßnahmen ab. Ohne konkrete Angabe der früheren Festigkeit müsste im Zwangsvollstreckungsverfahren geklärt werden, welchen bestimmten Erfolg der Beklagte mit den seiner Auswahl überlassenen Maßnahmen herbeiführen müsste. Diese Klärung gehört aber nicht ins Zwangsvollstreckungsverfahren. Den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird daher nur eine Klage gerecht, die die frühere Festigkeit genau angibt (zu den Möglichkeiten einer solchen Angabe vgl. etwa das vom Sachverständigen Dr. Ing. M. S. dem Landgericht gegenüber abgegebene Gutachten vom 3.11.1970). Da die vorliegende Klage dieser Anforderung nicht entspricht, ist sie unzulässig.
Auf die Revision des Beklagten musste folglich das Berufungsurteil aufgehoben werden. Die Klage ist jedoch im jetzigen Stadium nicht als unzulässig abzuweisen, da das Berufungsgericht noch nicht gemäß § 139 ZPO dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, einen zulässigen Antrag zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992690 |
NJW 1978, 1584 |
Englert / Grauvogl / Maurer 2004 2004, 910 |