Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 27.07.2017) |
Tenor
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 27. Juli 2017 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Beschuldigten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 2
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 17. Januar 2018 dargelegten Gründen erfolglos. Ergänzend bemerkt der Senat das Folgende:
Rz. 3
Soweit die Strafkammer in den Fällen II. 43 (Wurf einer gefüllten Likörflasche auf das Anwesen des Nebenklägers, der sich zu diesem Zeitpunkt in der Nähe befand) und II. 47 (Wurf eines vollen Glases mit Pesto aus dem Dachflächenfenster auf den menschenleeren Gehweg) einen natürlichen Körperverletzungsvorsatz mit der Begründung verneint hat, dass der Beschuldigten im Moment ihres Handelns aufgrund ihrer Erkrankung eine Risikoabwägung nicht möglich gewesen sei, begegnet dies zwar mit Rücksicht auf die Rechtsprechung, wonach krankheitsbedingte Vorstellungsausfälle die Annahme eines natürlichen Vorsatzes nicht ausschließen, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 – 3 StR 181/15, NStZ-RR 2015, 273, 274; Beschluss vom 18. Juni 2014 – 5 StR 189/14; Beschluss vom 29. Mai 1991 – 3 StR 148/91, NStZ 1991, 528; Urteil vom 11. November 1952 – 1 StR 510/52, BGHSt 3, 287, 288 f.; st. Rspr.), rechtlichen Bedenken. Diese greifen aber im Ergebnis nicht durch, weil die Feststellungen keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass jeder geistig gesunde Mensch in der Situation der Beschuldigten zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hätte. Im Fall II. 43 vermochte die Strafkammer bereits nicht festzustellen, dass die Beschuldigte den Nebenkläger vor ihrem Wurf überhaupt gesehen hatte. Im Fall II. 47 hatte sie im Moment des Wurfes zwar keine Sicht auf den (tatsächlich menschenleeren) Gehweg; die Annahme, dass kein voll Schuldfähiger in dieser Situation auf einen glücklichen Ausgang vertraut, sondern vielmehr jeder voll Schuldfähige eine Verletzung von Passanten für möglich gehalten und in Kauf genommen hätte, lässt sich darauf aber nicht stützen. Der insoweit „geständigen” Einlassung der Beschuldigten ist die Strafkammer mit tragfähiger Begründung nicht gefolgt.
II.
Rz. 4
Bei Erfolglosigkeit einer zuungunsten des Beschwerdegegners eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft haben die Nebenkläger die ihnen im Revisionsverfahren erwachsenen Auslagen selbst zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 – 4 StR 331/11, Rn. 11, insoweit in NStZ-RR 2011, 156 nicht abgedruckt; Urteil vom 29. September 2004 – 2 StR 178/04, bei Becker, NStZ-RR 2006, 65, 67; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 473 Rn. 15).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Quentin, Feilcke, Paul
Fundstellen
Dokument-Index HI11799317 |