Orientierungssatz
Die Vertragspartei, die die Leistungsbestimmung zu treffen hat, hat dies gemäß BGB § 315 Abs 1 nach billigem Ermessen zu tun. Dabei ist nicht nur ein einziges „richtiges” Ergebnis denkbar. Dem Bestimmungsberechtigten steht ein Ermessensspielraum zu; die Bestimmung ist erst dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch BGB § 315 Abs 3 mit dem dortigen Hinweis auf die Billigkeit gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht dagegen schon, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (so auch BGH, 1977-11-24, III ZR 27/76, WM IV 1978, 1097).
Tatbestand
Der Beklagte war Mitglied des bei der Klägerin, einer GmbH, aufgrund der Neufassung des Gesellschaftsvertrages vom 3. August 1985 gebildeten Beirats. Nach § 14 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages haben die Beiratsmitglieder Anspruch auf eine angemessene Vergütung und Ersatz ihrer Auslagen. Am 21. April 1986 schloß die Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Geschäftsführer, mit dem Beklagten außerdem mit Rückwirkung zum 3. August 1985 einen Beratungsvertrag, der sich auf „alle im Zusammenhang mit der Geschäftsführung der … (Klägerin) auftauchenden Rechtsfragen” einschließlich solcher „Rechtsfragen, die das Rechtsverhältnis zwischen der Geschäftsführung und ihren Gesellschaftern betreffen”, erstreckte. Der Beklagte erhielt aufgrund dieses Vertrages bis zu dessen Kündigung im Oktober 1986 ein Honorar von insgesamt 80.287,16 DM. Am 4. September 1986 beschloß der Beirat, die Vergütung seiner Mitglieder für die Zeit seit Beginn seiner Tätigkeit bis zum 31. Dezember 1986 auf 25.000,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer festzusetzen. Demgegenüber setzte die Gesellschafterversammlung durch Beschluß vom 7. Mai 1987 für denselben Zeitraum die Vergütung für jedes Beiratsmitglied auf 7.000,– DM fest. Eine Zahlung hat der Beklagte aufgrund dieser Beschlüsse nicht erhalten.
Die Klägerin hat mit der Begründung, der Beratungsvertrag vom 21. April 1986 sei unwirksam, Rückzahlung des Honorars von 80.287,16 DM verlangt. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat Hilfswiderklage auf Zahlung desselben Betrages unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung erhoben sowie weiter hilfsweise mit dem nach seiner Ansicht bestehenden Anspruch auf Zahlung der vom Beirat festgesetzten Beiratsvergütung von 28.500,– DM (einschließlich Mehrwertsteuer) aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin zur Zahlung von 64.327,16 DM nebst Zinsen verurteilt. Es hat den Klageanspruch an sich als begründet angesehen, jedoch die Aufrechnung in Höhe von 15.960,– DM durchgreifen lassen. Der Senat hat die Revision des Beklagten nur angenommen, soweit die darüber hinausgehende Aufrechnungsforderung in Höhe von 12.540,– DM nicht berücksichtigt worden ist. In diesem Umfang verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Klägerin weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, soweit sie angenommen worden ist, zur Zurückverweisung.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß es grundsätzlich Sache der Gesellschafterversammlung sei, die Beiratsvergütung festzusetzen. Es hat offengelassen, ob § 14 Abs. 4 der Satzung eine Ermächtigung des Beirats enthalte, die angemessene Vergütung zu bestimmen. Jedenfalls entspreche, so hat es ausgeführt, weder die vom Beirat noch die von der Gesellschafterversammlung vorgenommene Bestimmung der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB. Angemessen seien vielmehr 1.000,– DM monatlich zuzüglich Mehrwertsteuer für 14 Monate, also insgesamt 15.960,– DM. Dabei hat das Berufungsgericht berücksichtigt, daß der Beirat insgesamt fünf zum Teil langdauernde Sitzungen abgehalten habe und umfangreicher Schriftverkehr sowie zahlreiche Telefonate abgewickelt worden seien.
2. Der gegen diese Beurteilung gerichtete Angriff der Revision ist begründet.
a) Das Berufungsgericht hat nicht näher dargelegt, aus welchen Gründen es die Festsetzung durch den Beirat einerseits und die Gesellschafterversammlung andererseits für unwirksam hält, sondern ohne weiteres die von ihm für billig gehaltene Bestimmung selbst getroffen. Dieses Vorgehen entspricht nicht der Rechtslage. Die Vertragspartei, die die Bestimmung zu treffen hat, hat dies gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu tun. Dabei ist nicht nur ein einziges „richtiges” Ergebnis denkbar. Dem Bestimmungsberechtigten steht ein Ermessensspielraum zu; die Bestimmung ist erst dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB mit dem dortigen Hinweis auf die Billigkeit gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht dagegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGHZ 41, 270, 280; BGH, Urt. v. 24. November 1977 – III ZR 27/76, WM 1978, 1097, 1099; BAG AP § 611 BGB Urlaubsrecht Nr. 84). Das Berufungsgericht hat das verkannt und daher seiner Beurteilung einen unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt zugrunde gelegt. Sein Urteil kann deshalb insoweit nicht bestehenbleiben.
b) Aus den soeben genannten Gründen kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht offenbleiben, ob die Höhe der Beiratsvergütung vom Beirat oder von der Gesellschafterversammlung festzusetzen war. Die Frage ist durch Auslegung der Satzung in der Fassung vom 3. August 1985 zu beantworten. Diese Auslegung ist zunächst Sache des Tatsachengerichts. Der Gesamtinhalt der im Jahre 1985 beschlossenen Satzungsänderungen dürfte dafür sprechen, daß der Beirat selbst, der weitgehend auch Aufgaben der Gesellschafterversammlung erhalten hatte, die Vergütung seiner Mitglieder festsetzen sollte. Wenn auch, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt hat, die damals in die Satzung aufgenommenen Regelungen zu einem großen Teil gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen haben dürften, so würde dies doch für ein Bestimmungsrecht des Beirats nicht gelten. Dieses würde der Regelung des § 316 BGB entsprechen, wonach die Bestimmung im Zweifel demjenigen Vertragsteil zusteht, der die Gegenleistung zu fordern hat.
c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit im Sinne des § 14 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages und der Billigkeit nach § 315 Abs. 3 BGB wird auch zu berücksichtigen sein, daß nach verbreiteter Gepflogenheit dem Vorsitzenden eines Aufsichtsrats oder Beirats eine höhere Vergütung als den übrigen Mitgliedern zugebilligt wird (vgl. Hachenburg/Th. Raiser, GmbHG 8. Aufl. § 52 Rdn. 354). Die Revision macht dazu geltend, die Arbeitslast des Beklagten sei erheblich größer gewesen als die der anderen Beiratsmitglieder.
Schließlich wird auch die Tätigkeit des Beklagten aufgrund des – unwirksamen – Beratungsvertrages in die Prüfung der Angemessenheit der dem Beklagten zustehenden Vergütung einzubeziehen sein, soweit jene Tätigkeit inhaltlich zu seinen Aufgaben als Beiratsmitglied gehörte. Diese erschöpften sich nicht, wie das Berufungsgericht offenbar gemeint hat, in der Inanspruchnahme durch die Beiratssitzungen und den mit ihnen unmittelbar zusammenhängenden Vorbereitungs und sonstigen Arbeiten.
3. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderliche tatrichterliche Würdigung auf der Grundlage der dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte erneut vorgenommen werden kann. Dabei wird die Klägerin auch Gelegenheit haben, dem Berufungsgericht ihren in der Revisionserwiderung enthaltenen Vortrag zu unterbreiten, die vom Beirat festgesetzte Vergütung von 25.000,– DM habe nicht für jedes einzelne Beiratsmitglied, sondern für den Beirat insgesamt gelten sollen.
Fundstellen