Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision
Leitsatz (amtlich)
- Das Fehlen des Tatbestands führt bei einem revisiblen Urteil regelmäßig zur Aufhebung.
- Ist ein Mitglied einer fortgesetzten Gütergemeinschaft zur Hälfte am Gesamtgut beteiligt, reicht es aus, wenn es einen der sonstigen widersprechenden Beteiligten auf Zustimmung verklagt.
Normenkette
ZPO §§ 565, 543; BGB § 1472 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin ist Erbin ihres am 22. August 1980 verstorbenen Ehemannes W. W. und der am 10. Januar 1987 verstorbenen E. A. W. Die beiden Erblasser und ihre Geschwister A. J. W. - der Beklagte zu 1 -, H. N., geborene W., und der bereits im Jahre 1973 kinderlos verstorbene E. W. waren Abkömmlinge der Eheleute E. A. W., verstorben am 10. November 1950, und E. W. W., verstorben am 14. Mai 1980, die im ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt hatten. Zum Gesamtgut gehörten ein freistehendes zweigeschossiges Einfamilienhaus sowie eine Lkw-Doppelgarage mit eingeschossigem Büroanbau in E., H. Straße 410. Im Zeitpunkt der Klageerhebung und im folgenden wurde das Haus ausschließlich von den Beklagten bewohnt.
Frau E. W. W. hinterließ ein notarielles Testament, wonach der Beklagte zu 1, E. A. W. und H. N. zu gleichen Teilen ihre Erben wurden. Der Beklagte zu 1 und H. N. übertrugen ihre Erbteile auf die Beklagte zu 2.
Die Klägerin verlangt nunmehr die Mitbenutzung des Anwesens. Hilfsweise begehrt sie von der Beklagten zu 2, einem Beschluß der Miteigentümer zuzustimmen, daß das Anwesen von einer bestimmten Firma verwaltet wird und die Beklagten ab 1. Januar 1990 eine monatliche Nutzungsentschädigung an die Miteigentümergemeinschaft zu leisten haben. Das Landgericht hat dem Hauptantrag, das Berufungsgericht dem Hilfsantrag stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte zu 2 ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Nach der Annahme des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht alle Miteigentümer des Anwesens H. Straße 410 in E. verklagt. An diesem Hausgrundstück bestehe nicht nur eine Miterbengemeinschaft (zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2), sondern gleichzeitig eine fortgesetzte Gütergemeinschaft, an der die Klägerin, der Beklagte zu 1 sowie dessen Schwester H. N. beteiligt seien. Gleichwohl scheitere die Klage hieran nicht, weil die Klägerin nicht verpflichtet sei, alle Miteigentümer zu verklagen. Dies hält im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.
Dabei ist im Revisionsverfahren zugunsten der Beklagten zu 2 als richtig zu unterstellen, daß die von dem Berufungsgericht angenommene fortgesetzte Gütergemeinschaft tatsächlich besteht, obwohl sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht ergibt, auf welchen Tatsachen diese Feststellung beruht. Das in Bezug genommene Urteil 8 U 32O/87 des Oberlandesgerichts Hamm enthält nämlich ebenfalls keinen Tatbestand, und die dortige Feststellung ist aufgrund einer nicht näher beschriebenen notariellen Urkunde erfolgt.
Diese fortgesetzte Gütergemeinschaft stünde aber einer ausschließlich gegen die Beklagte zu 2 als alleinige weitere Beteiligte der Miterbengemeinschaft gerichteten Klage nicht entgegen. Der geltend gemachte Anspruch aus § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 745 Abs. 2 BGB richtet sich ausschließlich gegen diese. Überdies ist anerkannt, daß nur die widersprechenden Teilhaber verklagt werden müssen (vgl. Münch.Komm.-Karsten Schmidt, BGB 2. Aufl. §§ 744, 74 Rn. 32; RGRK-v. Gamm, BGB 12. Aufl. §§ 744-746 Rn. 12). Auch im Falle des § 1472 Abs. 3 BGB, auf den § 1497 Abs. 2 BGB verweist, braucht nur derjenige, der seine Zustimmung verweigert, verklagt zu werden (vgl. RGRK-Finke, BGB 12. Aufl. § 1472 Rn. 9). Ist die Klägerin, wie das Berufungsgericht annimmt, zur Hälfte an dem Gesamtgut beteiligt, so würde es auch ausreichen, wenn sie einen der widersprechenden Beteiligten verklagt, weil dann im Falle des Obsiegens die erforderliche Mehrheit erreicht wäre.
2.
Das Berufungsgericht hat von einer Darstellung des Tatbestandes abgesehen und auch nicht auf das Urteil des Landgerichts sowie auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen, weil es die Sache im Hinblick auf den von ihm festgesetzten Wert der Beschwer von 5.000,-- DM für die Beklagte zu 2 als nicht revisibel angesehen hat. Dieser Annahme ist der Boden entzogen, nachdem der Senat den Wert der Beschwer auf über 40.000,-- DM festgesetzt hat (Beschluß vom 9. Juli 1990). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt das Fehlen eines Tatbestandes zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (vgl. BGHZ 73, 248, 251 f.; Sen.Urt. v. 27. Mai 1991 - II ZR 142/90, m.w.N.). Einer solchen Entscheidung kann regelmäßig nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat. Von der Aufhebung sieht der Bundesgerichtshof jedoch ausnahmsweise ab, wenn das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall dadurch erreicht werden kann, daß sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch setzt voraus, daß die begehrte - hier: die gerichtlich zuerkannte - Maßnahme dem Interesse aller Beteiligten nach billigem Ermessen entspricht. Das Gericht muß dabei die konkreten Verhältnisse und die bisherige Bestimmung und Benutzung berücksichtigen (vgl. Münch.Komm. -Karsten Schmidt aaO) und die Interessen der einzelnen Beteiligten gegeneinander abwägen. Deshalb hat es seine Entscheidung so zu begründen, daß sie im Revisionsverfahren daraufhin überprüft werden kann, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentliche Tatsachen außer acht gelassen worden sind. Solche umfassenden Feststellungen, die eine Überprüfung der von dem Berufungsgericht getroffenen Ermessensentscheidung ermöglichen würden, lassen sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Daher kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
3.
Bei der vom Berufungsgericht erneut vorzunehmenden Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände ist noch auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:
a)
Voraussetzung des Anspruchs aus § 745 Abs. 2 BGB ist, daß die beabsichtigte Regelung weder durch Beschluß noch durch eine Vereinbarung zustandekommt (vgl. Münch.Komm. Karsten Schmidt aaO, Rn. 29; Staudinger/Huber, BGB 12. Aufl. § 745 Rn. 45). Ob die Klägerin sich insoweit überhaupt bemüht hat, läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen.
b)
Das Berufungsgericht übersieht außerdem, daß eine gerichtliche Entscheidung nur dann zulässig ist, wenn keine anderweite Vereinbarung (oder ein Beschluß) getroffen worden ist. Liegt eine solche Regelung vor, kommt eine gerichtliche Abänderung nur in Betracht, wenn sich die Sachlage gegenüber der der ursprünglichen Regelung zugrundeliegenden Sachlage wesentlich geändert hat (vgl. BGHZ 34, 367, 370 f.).
Die Beklagte zu 2 hat in ihrer Berufungsbegründung vorgetragen, daß die Geschwister nach dem Tod der Mutter im Jahre 1980 eine Vereinbarung getroffen haben, wonach der ehemalige Beklagte zu 1 mit seiner Familie das Haus allein nutzen, andererseits aber alle für das Hausgrundstück anfallenden Kosten tragen sollte (Berufungsbegründung S. 1/2, GA 125/126). Diesen Inhalt der Geschwistervereinbarung als einvernehmlicher Regelung im Sinne des § 745 Abs. 2 BGB hat die Beklagte zu 2 auch unter Beweis gestellt (Schriftsatz v. 30. Mai 1989, G A 140, Zeugnis N., St.). Dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Eine wesentliche Änderung der Sachlage läßt sich den bisherigen Darlegungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.
Fundstellen