Leitsatz (amtlich)
a) Das in Prozessstandschaft vom Verwalter gegen den Veräußerer einer Wohnungsanlage wegen Mängeln eingeleitete selbstständige Beweisverfahren unterbricht die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Erwerber, wenn diese den Verwalter dazu ermächtigt haben.
b) Ein Beschluss der Wohnungseigentümer, wonach der Verwalter ermächtigt wird, alle rechtlich notwendigen Schritte zur Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens in die Wege zu leiten, kann dahin ausgelegt werden, dass der Verwalter das Beweisverfahren in gewillkürter Prozessstandschaft durchführen darf.
Normenkette
BGB § 477 Abs. 2 a. F, § 639 Abs. 1 a. F
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Grundurteil des 27. Zivilsenats des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 18.9.2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen Vorschuss zur Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum einer Eigentumswohnungsanlage.
Die Beklagte errichtete die Eigentumswohnungsanlage und veräußerte das Wohnungs- und Teileigentum an die Kläger und deren Rechtsvorgänger. Die Wohnungseigentümer rügten Mängel am Gemeinschaftseigentum. Sie fassten am 4.12.1991 den Beschluss, ein Beweissicherungsverfahren durchzuführen und ermächtigten die Verwaltung aus diesem Grund, alle rechtlich notwendigen Schritte in die Wege zu leiten und einen Rechtsanwalt mit der Durchführung der Maßnahmen zu beauftragen. Alle Maßnahmen sollten in Absprache mit dem Beirat erfolgen.
Die Abnahme erfolgte spätestens im August 1992.
Der Verwalter beantragte im eigenen Namen im August 1993 ein selbstständiges Beweisverfahren für die Wohnungseigentümer. In seinem Gutachten v. 22.2.1996 stellte der Sachverständige zahlreiche Mängel fest. Mit der am 2.12.1997 erhobenen Klage verlangte zunächst der Verwalter Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten i. H. v. 442.000 DM. Die Kläger sind im Mai 2001 an die Stelle des Verwalters in den Prozess eingetreten, nachdem sie bereits am 15.9.1998 den Verwalter zur Prozessführung im eigenen Namen ausdrücklich ermächtigt hatten.
Das LG hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Der Verwalter sei nicht ermächtigt gewesen, das selbstständige Beweisverfahren in eigenem Namen durchzuführen, so dass dieses die Verjährung nicht unterbrochen habe.
Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht das Urteil des LG aufgehoben, die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache an das LG zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie den Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, den Klägern stehe dem Grunde nach ein Anspruch gem. § 633 Abs. 3 BGB zu. Die fünfjährige Gewährleistungsfrist sei nicht abgelaufen. Denn der Antrag des Verwalters auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens habe die Verjährung unterbrochen. Er sei mit dem Beschluss der Wohnungseigentümer v. 4.12.1991 ermächtigt worden, den Antrag im eigenen Namen als deren Prozess-Standschafter zu stellen. Eine Ermächtigung der Wohnungseigentümer, Gewährleistungsansprüche zu verfolgen, sei in diesem Sinne zu verstehen, wenn nichts anderes gesagt werde. Das sei hier nicht der Fall und ergebe sich auch nicht aus den weiteren Formulierungen des Beschlusses.
Zur Höhe sei der Anspruch noch nicht entscheidungsreif. Die Beklagte habe behauptet, dass die Mängel zum Teil erledigt seien, zum Teil entgegen den Feststellungen des Sachverständigen nicht vorlägen. Sie habe auch die Mängelbeseitigungskosten bestritten. Da eine Klärung nicht erfolgt sei, sei die Sache an das LG zurückzuverweisen.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass das selbstständige Beweisverfahren die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Kläger gem. § 639 Abs. 1, § 477 Abs. 2 BGB unterbrochen hat, wenn der Verwalter es in Prozess-Standschaft für die Kläger mit deren Ermächtigung durchgeführt hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.1999 - VII ZR 385/98, MDR 1999, 1437 = BauR 1999, 1489 = NZBau 2000, 24 = ZfBR 2000, 39).
Der Verwalter hat das selbstständige Beweisverfahren in offener Prozessstandschaft für die Kläger beantragt. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den Beschluss der Wohnungseigentümer v. 4.12.1991 dahin ausgelegt, dass der Verwalter dazu ermächtigt worden ist. Diese Auslegung ist in der Revision nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht. Derartige Fehler werden von der Revision nicht dargetan.
a) Das Berufungsgericht stellt den Auslegungsgrundsatz auf, dass die Ermächtigung des Verwalters, Gewährleistungsansprüche geltend machen zu dürfen, regelmäßig dahin verstanden werden kann, der Verwalter sei zur gewillkürten Prozessführung im eigenen Namen befugt. Ob dieser Auslegungsgrundsatz richtig ist, ist nicht zu entscheiden. Die Kläger haben den Verwalter mit dem Beschl. v. 4.12.1991 lediglich dazu ermächtigt, die rechtlich notwendigen Schritte für ein Beweissicherungsverfahren in die Wege zu leiten. Jedenfalls insoweit kann unbedenklich eine Ermächtigung zur gewillkürten Prozessstandschaft bejaht werden. Das selbstständige Beweisverfahren dient allein zur Vorbereitung der Durchsetzung der Ansprüche, die den Erwerbern wegen der Mängel gegen den Veräußerer des Wohnungseigentums zustehen. Es ist kein Interesse erkennbar, das die Wohnungseigentümer daran hätten, das Beweisverfahren in eigenem Namen zu führen. Die Prozessführung durch den Verwalter vereinfacht das Verfahren. Die allgemeinen Risiken einer Prozessstandschaft, die darin bestehen, dass der Prozessstandschafter das alleinige Prozessführungsrecht hat, stehen der Annahme einer Ermächtigung zur gewillkürten Prozessstandschaft nicht entgegen. Die von der Beklagten vorgebrachten weiteren Gründe, die gegen die Auslegung des Berufungsgerichts sprechen sollen, beziehen sich auf die Durchsetzung der Forderung. Ob insoweit etwas anderes gilt, kann dahinstehen.
b) Mit den übrigen Angriffen setzt die Revision ihre Auslegung des Beschlusses lediglich an die Stelle des Verständnisses, wie es im Berufungsurteil zum Ausdruck gebracht worden ist. Ohne Rechtsfehler konnte dabei das Berufungsgericht von einem Verständnis ausgehen, wie es allgemein für Beschlüsse nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG zu Grunde gelegt wird (vgl. Weitnauer, WEG, 7. Aufl., § 27 Rz. 11a).
2. Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsurteil habe den Anspruch nicht dem Grunde nach bestätigen dürfen, ohne festzustellen, inwieweit noch Mängel vorhanden sind. Ein Grundurteil darf ergehen, wenn die Klageforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urt. v. 21.12.2000 - VII ZR 488/99, MDR 2001, 385 = BGHReport 2001, 188 = BauR 2001, 667 = IBR 2001, 126 = NZBau 2001, 211 = ZfBR 2001, 177 [178]).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Berufungsgericht hat zwar keine Feststellungen getroffen, dass überhaupt noch Mängel an dem Gebäude vorhanden sind. Es ist jedoch ersichtlich davon ausgegangen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht. Dazu bestand eine ausreichende Grundlage. Denn die Kläger haben sich, wie sich aus dem vom Berufungsurteil in Bezug genommenen Sachvortrag der Parteien ergibt, hinsichtlich der Mängelrügen auf ein im selbstständigen Beweisverfahren erstelltes Sachverständigengutachten berufen. Dieses hat eine Vielzahl von Mängeln bestätigt. Die Kläger haben sich zudem auf eine Begehung durch den Verwalter in Begleitung des Architekten gestützt, in der die nach ihrer Behauptung nicht beseitigten Mängel protokollarisch festgehalten worden sind. Die Beklagte hat sich gegenüber diesen Feststellungen mit dem nicht weiter belegten Einwand verteidigt, die Mängel seien erledigt oder mit der Darstellung, das Gutachten sei falsch. Im Hinblick auf diese Verteidigung durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass sich jedenfalls ein Teil der Mängel bestätigen werde, so dass die Klageforderung in irgendeiner Höhe besteht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 978310 |
NJW 2003, 3196 |
BGHR 2003, 1318 |
BauR 2003, 1616 |
BauR 2003, 1759 |
EBE/BGH 2003, 307 |
IBR 2003, 544 |
NZM 2003, 814 |
WM 2004, 95 |
ZAP 2003, 1167 |
ZMR 2004, 47 |
ZfIR 2003, 923 |
MDR 2004, 208 |
WuM 2003, 655 |
ZWE 2004, 63 |
ZfBR 2003, 768 |
BrBp 2004, 38 |
NZBau 2003, 613 |
RdW 2004, 190 |
BauRB 2003, 225 |