Leitsatz (amtlich)

Befindet sich unter einer Berufungsschrift oder einer Berufungsbegründungsschrift neben der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten mit dem Zusatz "i.V." eine weitere Unterschrift einer nicht postulationsfähigen Rechtsanwaltsfachangestellten ebenfalls mit dem Zusatz "i.V.", ist dies nicht dahin zu verstehen, der "i.V." zeichnende Rechtsanwalt habe entgegen § 84 Satz 2 ZPO gesetzwidrig als Gesamtvertreter mit der Rechtsanwaltsfachangestellten Berufung für die Partei einlegen oder diese Berufung begründen wollen (Fortführung von BFH, Beschl. v. 31.7.2008 - IV B 73/07, juris Rz. 5).

 

Normenkette

ZPO § 84 S. 2, § 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.06.2017; Aktenzeichen I-14 U 104/16)

LG Düsseldorf (Urteil vom 24.06.2016; Aktenzeichen 10 O 286/15)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Kläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 14.6.2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, die Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.348,94 EUR freizustellen.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 24.6.2016 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 5/6. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um die Rechtsfolgen des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Rz. 2

Die Parteien schlossen im März 2008 einen Darlehensvertrag über 249.000 EUR mit einem bis zum 31.3.2013 festen Nominalzinssatz von 4,15 % p.a. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht.

Rz. 3

Im Mai 2011 trafen die Parteien eine "vorzeitige Konditionenneuvereinbarung mit Vertragsänderung", in der sie die Zinsbindung bis zum 31.3.2018 verlängerten und den Nominalzinssatz mit 3,93 % p.a. festlegten. Unter dem 17.11.2014 widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.

Rz. 4

Ihre Klage auf Feststellung, dass sie der Beklagten aus dem Darlehensvertrag nicht mehr als 179.537,14 EUR schuldeten, hilfsweise festzustellen, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe, und die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten freizustellen, hat das LG den Hauptantrag betreffend als unbegründet abgewiesen. Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift haben ein Rechtsanwalt und eine Rechtsanwaltsfachangestellte jeweils mit dem Zusatz "i.V." unterzeichnet. Die Kläger haben in zweiter Instanz ihr Begehren (zuletzt) insoweit weiterverfolgt, als sie beantragt haben festzustellen, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag nicht mehr als 146.547,57 EUR zustünden, und die Kläger von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten freizustellen. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag über einen Betrag von 164.934,48 EUR hinaus keine weiteren Ansprüche gegen die Kläger zustünden, und die Beklagte zur Freistellung der Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.348,94 EUR verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Senat auf die Verurteilung zur Freistellung beschränkt zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Zurückweisung der Berufung der Kläger auch insoweit begehrt. Mit ihrer Anschlussrevision wollen die Kläger festgestellt wissen, dass sie der Beklagten nur noch 146.547,57 EUR und nicht wie ausgeurteilt 164.934,48 EUR schulden.

 

Entscheidungsgründe

A. Revision der Beklagten

Rz. 5

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Die Berufung der Kläger sei zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Zusatz "i.V." bei den Unterschriften unter der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift ändere daran nichts, weil hinreichend zum Ausdruck komme, dass der "i.V." unterzeichnende Rechtsanwalt die Alleinverantwortung für beide Schriftsätze habe übernehmen wollen. Die Klage sei auch sonst überwiegend begründet. Die Beklagte schulde den Klägern Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in tenorierter Höhe. Die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung im Rahmen eines Verbraucherdarlehensvertrags sei eine Rechtspflicht, die die Beklagte mit der Folge ihrer Haftung verletzt habe. Das Verschulden der Beklagten werde insoweit vermutet.

II.

Rz. 8

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

Rz. 9

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Berufung der Kläger ausgegangen. Die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift genügten den gesetzlichen Formvorgaben. Anders als der Zusatz "i.A." (dazu BGH, Urt. v. 27.2.2018 - XI ZR 452/16, NJW 2018, 1689 Rz. 15 ff.) bringt der hier verwandte Zusatz "i.V." vor der Unterschrift eines postulationsfähigen Rechtsanwalts zum Ausdruck, der Rechtsanwalt wolle die Verantwortung für den von ihm unterzeichneten Schriftsatz übernehmen. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und nicht lediglich - wie bei der Hinzufügung des Zusatzes "i.A." - als Erklärungsbote tätig zu werden (Senat, Beschl. v. 20.6.2017 - XI ZB 3/17, juris Rz. 10 m.w.N.). Da § 84 Satz 2 ZPO für die Prozessvollmacht eine nach außen wirksame Anordnung der Gesamtvertretung ausschließt (BFH, Beschl. v. 31.7.2008 - IV B 73/07, juris Rz. 5; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.3.2019 - VI ZR 277/18 NJW 2019, 2397 Rz. 20) und der "i.V." zeichnende Rechtsanwalt erkennbar als Prozessbevollmächtigter handelt, ist das Hinzufügen einer weiteren Unterschrift einer nicht postulationsfähigen Rechtsanwaltsfachangestellten mit dem Zusatz "i.V." unter einer Berufungsschrift und einer Berufungsbegründungsschrift nicht so zu verstehen, der postulationsfähige Rechtsanwalt habe gesetzwidrig als Gesamtvertreter mit der Rechtsanwaltsfachangestellten Berufung für die Kläger einlegen und diese Berufung begründen wollen.

Rz. 10

2. Rechtsfehlerhaft ist indessen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei den Klägern nach Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen zur Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten verpflichtet. Ein solcher Anspruch besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15 WM 2017, 906 Rz. 23 ff., 34 f.; v. 19.9.2017 - XI ZR 523/15, juris Rz. 22; v. 10.10.2017 - XI ZR 443/16 WM 2017, 2248 Rz. 27; v. 7.11.2017 - XI ZR 369/16 WM 2018, 45 Rz. 19; v. 21.11.2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rz. 16; v. 27.11.2018 - XI ZR 174/17, juris Rz. 18; v. 9.4.2019 - XI ZR 119/18, juris Rz. 12). Gründe, die dem Senat Anlass geben könnten, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen, zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.

III.

Rz. 11

Im Umfang des Angriffs der Revision unterliegt das Berufungsurteil, das auch nicht aus anderen Gründen richtig ist (§ 561 ZPO), der Aufhebung (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst erkennen (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung der Kläger insoweit zurückweisen.

B. Anschlussrevision der Kläger

Rz. 12

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (vgl. Senat, Urt. v. 27.2.2018 - XI ZR 480/16, juris Rz. 20) Anschlussrevision der Kläger hat dagegen keinen Erfolg; sie ist zurückzuweisen.

I.

Rz. 13

Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision der Kläger von Bedeutung - ausgeführt:

Rz. 14

Die Kläger schuldeten auch für den auf die Widerrufserklärung folgenden Zeitraum bis zur endgültigen Rückführung des Darlehens die Leistung einer Nutzungsentschädigung.

II.

Rz. 15

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.

Rz. 16

Zutreffend hat das Berufungsgericht der Beklagten dem Grunde nach Wertersatz für Gebrauchsvorteile nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts für die Zeit nach dem Wirksamwerden des Widerrufs zugesprochen. Für die Gebrauchsvorteile, die der Darlehensgeber für den jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der vor dem Wirksamwerden des Widerrufs gewährten Darlehensvaluta beanspruchen kann, folgt der Anspruch auch für den Zeitraum nach dem Wirksamwerden des Widerrufs aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB und nicht aus Bereicherungsrecht (BGH, Urt. v. 12.3.2019 - XI ZR 9/17 WM 2019, 917 Rz. 18; BGH, Beschl. v. 19.2.2019 - XI ZR 362/17 WM 2019, 538 Rz. 6). Insoweit gilt im Ergebnis nichts anderes, als § 357a Abs. 3 BGB im Falle des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen für das geltende Recht bestimmt. Dass das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten der Höhe nach falsch berechnet habe, macht die Anschlussrevision nicht geltend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13595509

DB 2020, 726

NJW 2020, 10

NJW 2020, 618

NWB 2020, 295

FamRZ 2020, 361

FA 2020, 46

IBR 2020, 106

WM 2020, 124

AnwBl 2020, 177

JZ 2020, 81

MDR 2020, 241

ErbR 2020, 212

RENOpraxis 2020, 36

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