Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Schadensersatz nach einem Tod in einem Verkehrsunfall
Normenkette
BGB § 844 Abs. 1; RVO §§ 1542, 1543a; BAT § 41
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 20. September 1984 insoweit aufgehoben, als der Erstklägerin zu Ziffer II 1 a ein Betrag von 2.240 DM nebst 4 % Zinsen zuerkannt worden ist.
In diesem Umfang wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 21. Dezember 1983 auf ihre Berufung dahin abgeändert, daß die Klage auch insoweit abgewiesen wird.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Tatbestand
Am 16. Oktober 1977 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der damals 33 Jahre alte Ehemann der Erstklägerin und Vater des Zweitklägers getötet wurde. Die Beklagte hat als Haftpflichtversicherer des B., der den Unfall verschuldet hat, für den entstandenen Schaden einzustehen. Die Erstklägerin (im folgenden: Klägerin) macht u.a. Beerdigungskosten in Höhe von über 6.000 DM nach § 844 Abs. 1 BGB geltend. Im Revisionsverfahren ist nur noch im Streit, ob sie sich auf diesen Anspruch das ihr aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes von der Barmer Ersatzkasse (BEK) gezahlte Sterbegeld von 2.240 DM anrechnen lassen muß. Bei dieser Versicherung war der Getötete freiwillig krankenversichert.
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, das Sterbegeld sei ihr nicht anzurechnen, da dies zu einem ungerechtfertigten Vorteil des Schädigers führen würde.
Die Beklagte ist dagegen der Meinung, das Sterbegeld sei von der Klageforderung abzusetzen, da insoweit ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 1542 RVO auf die BEK stattgefunden habe.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klägerin das Sterbegeld nicht auf ihren Schadensersatzanspruch angerechnet.
Mit der Revision, soweit sie angenommen worden ist, verfolgt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung hinsichtlich dieses Betrages von 2.240 DM.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht vertritt den Standpunkt, das Sterbegeld sei darum auf den Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht anzurechnen, weil es aufgrund einer im Zusammenhang mit der Privatkrankenversicherung des Getöteten abgeschlossenen Sterbegeldversicherung, somit aufgrund von Prämienzahlungen des Versicherungsnehmers und möglicherweise seines Arbeitgebers gezahlt worden sei. Bezüglich dieses Sterbegeldes sei ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht eingetreten. Es könne dahingestellt bleiben, ob die BEK berechtigt sei, wegen Zahlung dieses Sterbegeldes von der Klägerin die Abtretung ihrer Ansprüche gegen den Schädiger oder die Herausgabe entsprechender Schadensersatzzahlung zu verlangen, denn in beiden Fällen würden hiervon die Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Schädiger nicht berührt. Der im Streitfall vorliegende Sachverhalt sei demjenigen vergleichbar, in dem die Witwe eines Angestellten im öffentlichen Dienst nach § 41 BAT Sterbegeld erhalte; auch sie brauche sich das Sterbegeld nicht auf ihren Anspruch aus § 844 Abs. 1 BGB gegenüber dem Schädiger anrechnen zu lassen (BGH Urteil vom 29. November 1977 - VI ZR 177/76 - VersR 1978, 249 = MDR 1978, 568).
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision der Beklagten nicht stand.
1.
Nach ständiger Rechtsprechung geht der Anspruch auf Ersatz von Beerdigungskosten aus § 844 Abs. 1 BGB dann nach § 1542 RVO (der für den Streitfall noch gilt) auf den Sozialversicherungsträger über, wenn dieser wegen des Todes eines versicherten Mitgliedes aus der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 201 ff RVO oder bei Tod durch Arbeitsunfall aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 589 RVO ein Sterbegeld zahlt. Denn das aus der Sozialversicherung zu gewährende Sterbegeld ist dem Anspruch der die Kosten der Bestattung tragenden Hinterbliebenen gegen den Schädiger sachlich kongruent (s. Senatsurteile vom 14. November 1958 - VI ZR 240/57 - VersR 1959, 231 und vom 7. April 1981 - VI ZR 32/80 - VersR 1981, 675; einhellige Meinung für viele: Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., § 1542 Rz. 38 S. 1430 und Seitz, Die Ersatzansprüche aus § 1542 RVO S. 136, 137 m.w.N.). Die Kongruenz ergibt sich insbesondere aus § 203 RVO; danach sind vom Sterbegeld zunächst die Kosten der Bestattung zu bestreiten und an den zu zahlen, der die Bestattung besorgt hat.
Das bedeutet: Der Bezugsberechtigte muß sich auf seinen Ersatzanspruch nach § 844 Abs. 1 BGB das ihm zustehende Sterbegeld anrechnen lassen. Diese Anrechnung entlastet jedoch den Schädiger nicht. Vielmehr tritt insoweit nur ein Gläubigerwechsel ein; soweit sich Ersatzanspruch und Sterbegeld decken, steht der Ersatzanspruch nach § 844 Abs. 1 BGB dem Sozialversicherungsträger zu.
Bezüglich der Witwe eines Angestellten im öffentlichen Dienst hat der Senat zwar entschieden, daß diese sich das nach § 41 BAT erhaltene Sterbegeld nicht auf ihren Anspruch aus § 844 Abs. 1 BGB gegenüber dem Schädiger anrechnen zu lassen brauche (Urteil vom 29. November 1977 aaO). Das folgt aber allein daraus, daß der Bundesangestelltentarif für die in § 41 BAT vorgesehenen "Sozialbezüge" (§§ 37 ff) einen gesetzlichen Forderungsübergang oder eine etwa im voraus erklärte Abtretung des der Witwe zufallenden Anspruchs auf Ersatz von Beerdigungskosten nicht vorsieht. In diesen Fällen bleibt deshalb die Witwe für den Ersatzanspruch nach § 844 Abs. 1 BGB unbeschadet des von ihr bezogenen Sterbegeldes aktivlegitimiert.
2.
Das Berufungsgericht verkennt die Rechtslage, wenn es meint, daß der Streitfall dem Sachverhalt jenes letztgenannten Urteils vergleichbar sei.
Die Klägerin erhielt das Sterbegeld von der BEK aufgrund der freiwilligen Krankenversicherung ihres Ehemannes. Die BEK ist aber eine Ersatzkasse, für die nach dem damals noch maßgebenden § 1543 a RVO das galt, was im Fünften Buch der Reichsversicherungsordnung (§§ 1501 ff. RVO) für Krankenkassen (§ 225 RVO) vorgeschrieben war. Danach greift der gesetzliche Forderungsübergang nach § 1542 RVO, wie der Senat mehrfach entschieden hat (s. Urteile vom 11. Mai 1976 - VI ZR 51/74 - VersR 1976, 756 und vom 3. Mai 1977 - VI ZR 235/75 - VersR 1977, 768), auch im Falle einer freiwilligen Weiterversicherung bei einer Ersatzkasse ein. Auf die Begründung jener Urteile wird verwiesen. Derartige Ersatzkassen, die ausdrücklich als solche zugelassen sein mußten (§ 503 RVO a.F.), wurden durch das Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. Juli 1934 (RGBl I 577) als Träger der Krankenversicherung anerkannt. Durch die 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 14. Dezember 1935 (RGBl I 1537) wurde die Doppelstellung, die die Ersatzkassen bis dahin dadurch hatten, daß bei ihnen sowohl die gesetzliche als auch die private Versicherung möglich und zulässig war, aufgehoben und ihr Geschäftsbereich für die Zukunft auf die nach der Reichsversicherungsordnung zur Versicherung Verpflichteten und Berechtigten beschränkt. Die reinen Privatversicherungsgeschäfte wurden ausgeschieden und den privaten Versicherungsgesellschaften überlassen (s. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Vorbem. § 503 S. 2349). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts handelt es sich also bei der BEK gerade nicht um eine Privatversicherung, sondern um einen Träger der sozialen Krankenversicherung; die Mitgliedschaft des freiwillig Versicherten begründet ein öffentlich-rechtliches Verhältnis der Sozialversicherung (BSGE 23, 199, 200 ff.; für viele: Peters aaO, § 508 Anm. 2 c).
Daß die freiwillige Weiterversicherung bei einer Ersatzkasse nicht wie diejenige bei der gesetzlichen Krankenkasse unmittelbar auf Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, sondern auf Satzungsrecht, also einer Selbstverwaltung der Ersatzkasse, beruht, gibt keinen Anlaß, der Ersatzkasse den Regreß nach § 1542 RVO zu versagen, wie im Urteil vom 11. Mai 1976 a.a.O. eingehend dargelegt ist. Die Satzungsautonomie bezüglich der Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse ihrer freiwilligen Mitglieder reicht nur soweit, wie dies die Reichsversicherungsordnung und auf ihr fußende Aufbaugesetze zulassen. Nach § 508 RVO darf die Ersatzkasse ihren Mitgliedern und den Angehörigen (ohne Beschränkung der Dauer und Höhe) alle Leistungen gewähren, die § 179 RVO ihrer Art nach bei den Krankenkassen zuläßt. Dazu gehört auch das Sterbegeld (§ 179 Abs. 1 Nr. 5 RVO), das somit eine echte Sozialleistung darstellt.
Einem Forderungsübergang nach § 1542 RVO steht auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, entgegen, daß das Sterbegeld der Klägerin von der BEK gezahlt wurde, ohne daß sie die durch den Tod ihres Ehemannes entstandenen Aufwendungen nachweisen mußte. Der Forderungsübergang nach § 1542 RVO findet ohne Rücksicht darauf statt, ob die Versicherungsleistung der konkreten oder der abstrakten Bedarfsdeckung dient; es genügt, daß das Sterbegeld zumindest auch dem Ausgleich von Beerdigungskosten dient (s. Senatsurteil vom 18. Januar 1977 - VI ZR 250/74 - VersR 1977, 427 zu §§ 87 a, 122 BBG unter Bestätigung von BVerwGE 47, 55 ff. - m.zust. Anm. Wussow in WI 1977, 170 ff; ferner Senatsurteile vom 11. Mai 1976 a.a.O. und vom 3. Mai 1977 aaO).
3.
Die Klägerin muß sich das Sterbegeld auch in voller Höhe auf ihren Schaden aus § 844 Abs. 1 BGB anrechnen lassen. Da ihre Aufwendungen für die Beerdigung ihres Mannes mit über 6.000 DM höher sind als das erhaltene Sterbegeld von 2.240 DM, ist ihr Ersatzanspruch aus § 844 Abs. 1 BGB in Höhe dieses Betrages auf die BEK übergegangen.
III.
Die Klage war daher in Höhe von 2.240 DM abzuweisen.
Unterschriften
Dr. Steffen
Scheffen
Dr. Ankermann
Dr. Lepa
Bischoff
Fundstellen