Leitsatz (amtlich)

Der Kommanditist, der einer Publikumsgesellschaft erst nach deren Gründung beigetreten ist, sie aber durch Bürgschaften zugunsten ihrer Kreditgeber am Leben erhält, haftet später beitretenden Mitgesellschaftern für das Verschulden von Anlagevermittlern anläßlich der Beitrittsverhandlungen.

 

Tatbestand

Am 1. Januar 1981 gründeten die M. (USA) GmbH, E. W. und dessen Bruder H. W. die M. (USA) GmbH & Co. KG (USA III). Die zuerst Genannten wurden Komplementäre, H. W. wurde Kommanditist mit einer Haftsumme von 100.000,– DM. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um eine auf den Beitritt einer Vielzahl von Kommanditisten angelegte sog. Publikumsgesellschaft, deren Zweck das Aufsuchen, das Fördern und der Verkauf von Erdöl und Erdgas etc. sein sollten. Am 3. Februar 1981 wurde die Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen. Zhnliche Gesellschaften hatte E. W. seit 1978 bereits mehrfach zu dem Zweck gegründet, kanadische und amerikanische Öl- und Gasvorkommen auszubeuten. Am 13. Januar 1981 wurde ausschließlich die E. W. Finanzanlageberatungsgesellschaft mbH & Co. KG beauftragt, den Beitritt von Kommanditisten zu vermitteln; ihre Provision betrug 22 % der jeweiligen Zeichnungssumme. Anstelle einer ursprünglich vereinbarten Provisions- und Gewinnbeteiligung hatte der Beklagte gegen diese Gesellschaft ab 1980 für die Dauer von 20 Jahren einen Anspruch auf 2.000.000,– DM je Jahr.

Am 1. Februar 1981 war der Beklagte der Gesellschaft als Kommanditist mit einer Einlage von 10.000.000,– DM beigetreten. Der Beklagte und die von ihm beherrschte R. GmbH übernahmen ferner eine Ausfallgarantie in Höhe von 10.000.000,– DM gegenüber der B. Landesbank, die die gezeichneten und ausstehenden Einlageforderungen zwischenfinanzierte.

Am 12. Mai 1981 trat der Kläger als Kommanditist mit einer Einlage von 100.000,– DM bei. Ausschüttungen erhielt er nur für das Jahr 1981. Die Gesellschaft ist inzwischen abgewickelt; ein Überschuß, der an die Gesellschafter hätte ausgekehrt werden können, hat sich nicht ergeben.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei durch unrichtige Angaben im Werbeprospekt zum Beitritt bewogen worden. Er nimmt den Beklagten als Mitgesellschafter und Financier der Gesellschaft auf Ersatz seiner Einlage in Anspruch. Da er schon vorher der ähnlich konzipierten Publikumsgesellschaft USA II mit Einlagen von ebenfalls insgesamt 100.000,– DM beigetreten war, hat er Klage auf Ersatz von 200.000,– DM erhoben. Das Landgericht hat der Klage unter Berücksichtigung der im Jahre 1981 erfolgten Ausschüttung nur in Höhe von 187.361,23 DM stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Der Senat hat die Revision nur angenommen, soweit sie den Beitritt zu USA III betrifft (93.680,61 DM). Insoweit verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Soweit der Senat die Revision angenommen hat, führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob der Kläger durch inhaltlich unrichtige Werbeprospekte veranlaßt worden ist, am 12. Mai 1981 der Publikumsgesellschaft USA III beizutreten und seine Einlage zu leisten. Nach Meinung des Berufungsgerichts hat der Beklagte nicht nach § 278 BGB für das Verschulden derjenigen einzustehen, die den Kläger durch unrichtige oder unvollständige Angaben über das Kapitalanlageprojekt zum Beitritt bewogen haben. Zwar sei der Beklagte schon vor dem Beitritt des Klägers Kommanditist geworden und deshalb als Mitgesellschafter am Abschluß des Beitrittsvertrages mit dem Kläger beteiligt gewesen. Der Beklagte sei aber wie jeder andere Kommanditist satzungsgemäß von jeder Mitwirkung und Einflußnahme bei Verhandlungen zum Beitritt anderer Kommanditisten ausgeschlossen worden. Die Beitretenden hätten keinen berechtigten Anlaß gehabt, ihr Verhandlungsvertrauen den zwar beteiligten, aber erst nach Gründung beigetretenen Kommanditisten entgegenzubringen. Hieran habe sich auch nicht dadurch etwas geändert, daß der Beklagte der Financier der Gesellschaft gewesen sei. Diese Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an.

2. Der Beklagte war der Publikumsgesellschaft USA III am 1. Februar 1981 als Kommanditist mit einer Einlage von 10.000.000,– DM beigetreten. Er war somit bereits Gesellschafter, als der Kläger am 12. Mai 1981 beitrat. Da der Beklagte mit seinem Beitritt den Gesellschaftsvertrag anerkannt hat, hat er damit zugleich gemäß § 6 Abs. 1 dieses Vertrages die persönlich haftenden Gesellschafter ermächtigt, weitere Kommanditisten aufzunehmen. Der Beklagte als einer der künftigen Vertragspartner wurde auf diese Weise Verhandlungspartner des Klägers mit der Folge, daß er für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen anläßlich der Vertragsverhandlungen grundsätzlich gemäß § 278 BGB einzustehen hat. Diesen Grundsatz hat der Senat eingeschränkt, soweit Beitrittsverhandlungen zu Publikumsgesellschaften im Namen von Anlagegesellschaftern geführt werden, die schon zu einem früheren Zeitpunkt, aber nach Gründung der Gesellschaft beigetreten sind. Ihnen ist eine gesellschaftsvertragliche Regelung vorgegeben, auf die sie keinen Einfluß haben, die vielmehr alle künftigen Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse – ihrem Einfluß- und Verantwortungsbereich entzieht, indem sie sie ausschließlich in den der geschäftsführenden Gesellschafter verlagert (vgl. SenUrt. v. 14. Dezember 1972 – II ZR 82/70, WM 1973, 863, 865; BGHZ 71, 284, 286; v. 1. Oktober 1984 – II ZR 158/84, WM 1984, 1529 ff.; v. 14. Januar 1985 – II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534; v. 30. März 1987 – II ZR 163/86, WM 1987, 811, 812). Das Berufungsgericht ist zu Unrecht der Meinung, daß diese Ausnahmeregelung auch für den Beklagten gilt. Zwar ist es richtig, daß der Beklagte nach dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrages, den er bei seinem Beitritt vorfand, von einer Einflußnahme auf die Beitrittsverhandlungen mit künftigen Kommanditisten ebenso ausgeschlossen war wie alle an Abfassung und Abschluß des Vertrages nicht beteiligten Gesellschafter, weil ausschließlich die persönlich haftenden Gesellschafter kraft der ihnen erteilten Ermächtigung weitere Kommanditisten aufnahmen. Das Berufungsgericht hat aber dem Umstand zu wenig Bedeutung beigemessen, daß die Gesellschaft, der der Kläger beigetreten ist, ohne das im voraus zugesagte finanzielle Engagement des Beklagten nicht gegründet worden und es deshalb von vornherein nicht zu Vertragsverhandlungen gekommen wäre, in deren Verlauf Anlageinteressenten getäuscht werden konnten. Außerdem konnte der Beklagte nicht nur sein künftiges finanzielles Engagement jederzeit davon abhängig machen, daß für den Beitritt ordnungsgemäß geworben wurde, sondern durch den Entzug seiner Mittel das Projekt beenden und dadurch weitere Beitritte unterbinden, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter seiner Forderung nicht nachkamen.

Der Beklagte und die von ihm beherrschte Gesellschaft hatten schon für die Publikumsgesellschaften Canada I und USA I Rückbürgschaften in Höhe 8,5 Mio. DM zugunsten der B. Landesbank übernommen, die die Einlagen der Kommanditisten zwischenfinanzierte. Laut Vertrag vom 6. Februar 1980 sollten diese Bürgschaften jeweils aufgrund gesonderter Vereinbarung für die Nachfolgegesellschaften Canada II und III sowie USA II und III aufrechterhalten werden. Nachdem die Gesellschaften Canada II und USA II gegründet worden waren, regelten am 30. Juli 1980 E. W. und der Beklagte, dessen finanzielles Engagement sich bereits auf 20.000.000,– DM belief, ihre vertraglichen Beziehungen neu: Der Beklagte und die von ihm beherrschte Gesellschaft erklärten sich bereit, zur Finanzierung und Zwischenfinanzierung der Einlagen auch dieser Gesellschaften ihre Bürgschaften in Höhe von insgesamt 11.000.000,– DM zugunsten der B. Landesbank aufrechtzuerhalten; ferner wurde die Verwendung der Gelder festgelegt und dem Beklagten ein umfassendes Informationsrecht eingeräumt. Wie schon am 6. Februar 1980 vereinbart und von der B. Landesbank am 7. Mai 1981 zur Bedingung weiterer Zwischenfinanzierungen gemacht, wurde die Ausfallgarantie in der genannten Höhe am 18. Mai 1981 auch auf die Zwischenfinanzierung der Einlagen von USA III erstreckt.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte USA III die Kredite der B. Landesbank ohne die Ausfallgarantien des Beklagten nicht erhalten; ohne die Kredite wiederum wäre USA III unfähig gewesen, alle ihre fälligen Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Die Stellung eines Gesellschafters, der in dieser Weise durch sein finanzielles Engagement über Gründung und Fortbestand der Gesellschaft entscheidet und erst dadurch den persönlich haftenden Gesellschaftern ermöglicht, Kapitalanleger durch unrichtige und unvollständige Prospektangaben zu veranlassen, dieser Gesellschaft beizutreten, ist nicht mit der eines Anlagekommanditisten vergleichbar, der Vertragsverhandlungen weder rechtlich noch tatsächlich beeinflussen und über den Fortbestand der Gesellschaft nur entscheiden kann, wenn er dafür in der Gesellschafterversammlung eine Mehrheit findet. Beitrittswillige erwarten regelmäßig, daß Gesellschafter, die rechtlich oder tatsächlich über Einfluß innerhalb der Gesellschaft verfügen, diesen im Interesse eines ordnungsgemäßen Verlaufs der Vertragsverhandlungen auch geltend machen. Für eine einschränkende Anwendung des § 278 BGB auf diesen Personenkreis ist deshalb kein Platz.

Unerheblich ist, daß der Kläger während der Beitrittsverhandlungen den Beklagten weder kannte noch wußte, daß er die Gesellschaft mit seinem Geld am Leben erhielt. Auf persönliches Vertrauen kommt es im Rahmen des § 278 BGB nicht an. Das persönliche Vertrauen ist in der zitierten Rechtsprechung des Senats nur deshalb angesprochen worden, weil in den entschiedenen Fällen § 278 BGB anwendbar geblieben wäre, wenn die Beitrittswilligen ungeachtet der Einflußlosigkeit der schon früher beigetretenen Anlagegesellschafter einen von ihnen gekannt und ihm – aus welchem Grunde auch immer – persönlich vertraut hätten.

3. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht die vom Kläger geltend gemachte Unrichtigkeit der Prospektangaben bisher nicht festgestellt, sondern nur unterstellt hat. Die Sache wird zurückverwiesen, damit das Berufungsgericht der Frage nachgehen kann, ob der Vortrag des Klägers in diesem Punkt den Tatsachen entspricht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649168

BB 1991, 715

NJW 1991, 1608

ZIP 1991, 441

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