Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit unter eine innerprozessuale Bedingung gestellten Tatsachenvortrags. Geständnis
Leitsatz (redaktionell)
Geständnisse im Sinne des § 288 ZPO sind in der Regel unzulässig, soweit sie unter eine Bedingung gestellt sind. Dies gilt jedoch wegen der Verpflichtung zu vollständigem und wahrheitsgemäßem Vortrag sowie zur Förderung des Prozesses grundsätzlich nicht für Tatsachenbehauptungen oder Zugeständnisse, die an innerprozessuale Bedingungen geknüpft werden.
Normenkette
ZPO § 288
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger und der Beklagten wird das am 9. November 2000 verkündete Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister und Miterben zu je ¼ am Nachlaß ihrer am 1. März 1997 verstorbenen Mutter. Der geldwerte Nachlaß befindet sich auf einem Konto, das die Parteien als Erbengemeinschaft gemeinsam unterhalten.
Auf dieses Konto ist nach dem Vorbringen der Kläger unter anderem der Erlös aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung, die der Mutter der Parteien gehört hatte, geflossen.
Am gleichen Tag, an dem auch der Kaufvertrag über die Eigentumswohnung notariell beurkundet wurde, machte die Mutter der Parteien den Klägern ein notarielles Schenkungsversprechen in Höhe von je 90.000,– DM, das diese annahmen. Die Klägerin zu 1, die zu dieser Zeit Betreuerin ihrer Mutter war, gab die im Schenkungsvertrag enthaltenen Erklärungen zugleich als Betreuerin ihrer Mutter ab. Die Schenkungsurkunde trägt nach Darstellung der Kläger ein von der Erblasserin persönlich stammendes Zeichen; die Parteien streiten darüber, ob dieses eine Unterschrift im Rechtssinne darstellt und von der Erblasserin eigenhändig oder in der Weise niedergelegt worden ist, daß die Klägerin zu 1 ihr dabei die Hand geführt hat.
Mit ihrer Klage haben die Kläger von den Beklagten in Erfüllung der Schenkung die Einwilligung in die Auszahlung von je 90.000,– DM von dem Konto der Erbengemeinschaft verlangt. Die Beklagten haben aus verschiedenen Gründen die Wirksamkeit des Schenkungsversprechens in Abrede gestellt und insbesondere geltend gemacht, die Schenkung sei wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit der Erblasserin und wegen Beeinträchtigungsabsicht (§ 2287 BGB) unwirksam.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagten antragsgemäß verurteilt, die Zustimmung zur Auszahlung von je 90.000,– DM an die Kläger von dem gemeinsamen Nachlaßkonto in Erfüllung einer Nachlaßschuld gegenüber den Klägern zu erklären.
In der Berufungsinstanz haben die Parteien auch darüber gestritten, ob nicht zunächst eine Erbauseinandersetzung erfolgen müsse. In der Berufungsverhandlung haben die Kläger ihre Forderung umgestellt. Sie haben beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung – nicht mehr zur Zustimmung zur Auszahlung – zu verurteilen. Hilfsweise haben sie beantragt, die Beklagten zur Zustimmung zu einer Teilerbauseinandersetzung derart zu verurteilen, daß von dem gemeinsamen Konto je 90.000,– DM an alle vier Erben ausgezahlt werden sollten. Diesen Hilfsantrag haben die Beklagten sofort anerkannt und ferner erklärt, für den Fall, daß der Senat den Anspruch jeder der Beklagten aus § 2287 BGB für gegeben halte, die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin bei Abgabe des Schenkungsversprechens nicht mehr zu bestreiten.
Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Kläger das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger je 45.000,– DM nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlußberufung hat das Berufungsgericht „unter Abweisung des weitergehenden Hauptantrags der geänderten Klage” zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger und die Revision der Beklagten, mit der sie, soweit jeweils zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, die in der Berufungsinstanz jeweils gestellten Anträge weiterverfolgen. Die Kläger bitten um Zurückweisung der Revision der Beklagten, die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision der Kläger.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen beider Parteien haben Erfolg; sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Urteil des Berufungsgerichts enthält keinen Tatbestand, weil das Berufungsgericht angenommen hat, die für die Zulässigkeit der Revision nötige Beschwer von mehr als 60.000,– DM sei weder auf Seiten der Kläger noch auf Seiten der Beklagten erreicht. Da der Senat die Beschwer der Beklagten auf jeweils mehr als 60.000,– DM und diejenige der Kläger auf jeweils 33.750,– DM festgesetzt hat, unterliegt das angefochtene Urteil der Revision und ist deshalb ein Tatbestand erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO in der hier anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Fehlt der Tatbestand, so verfällt das Berufungsurteil grundsätzlich der Aufhebung (BGHZ 73, 248, 252; BGH, Urt. v. 20.05.1994 – V ZR 292/92, WM 1994, 1824; Urt. v. 28.10.1993 – I ZR 147/91, NJW-RR 1994, 362), weil einem Urteil, das keinen Tatbestand enthält, in der Regel nicht entnommen werden kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so daß dieser einer abschließenden Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht zugänglich ist (BGH, Urt. v. 01.02.1999 – II ZR 176/97, NJW 1999, 1720).
Der Ausnahmefall, daß sich gleichwohl der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt, liegt hier nicht vor. Es ist im Gegenteil nicht klar, über welchen Streitgegenstand das Berufungsgericht entscheiden wollte.
Die Parteien haben in der Berufungsinstanz zum einen über den klägerischen Antrag auf Erfüllung des Schenkungsversprechens und zum anderen über den von den Beklagten anerkannten Hilfsantrag zur Zustimmung einer Teilerbauseinandersetzung gestritten. Das Landgericht hat seine Entscheidung auf den Schenkungsvertrag gestützt. Hiergegen haben sich die Beklagten mit der Berufung gewandt. Sie haben allerdings im Rahmen ihrer Berufungsbegründung auch die Auffassung vertreten, die Kläger müßten zunächst einen Teilungsplan erstellen, weil nur so festgestellt werden könne, ob ihnen, den Beklagten, – die Wirksamkeit des Schenkungsvertrages unterstellt – Pflichtteilergänzungsansprüche zustünden. Die Beklagten haben aber weiter geltend gemacht, der Schenkungsvertrag sei nichtig, weil die Erblasserin geschäftsunfähig gewesen sei, außerdem stelle sich der Schenkungsvertrag als beeinträchtigende Schenkung im Sinne von § 2287 BGB dar.
Nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe zur Sache hat das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger aus dem Schenkungsversprechen geprüft und dessen Wirksamkeit bejaht; auf die Frage der Erbauseinandersetzung ist es bei seinen Erörterungen zur Sache nicht im Sinne der Prüfung einer Anspruchsgrundlage eingegangen. Für dieses Verständnis spricht auch, daß das Berufungsgericht die Einwendungen aus § 2287 BGB geprüft und jedenfalls teilweise für begründet gehalten hat. Über die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin bei der Beurkundung des Schenkungsversprechens hat das Berufungsgericht nicht entschieden, weil es gemeint hat, diese werde von den Beklagten für den Fall nicht mehr bestritten, daß – wie geschehen – das Berufungsgericht die Einwendungen der Beklagten aus § 2287 BGB für begründet halte. Auch dies spricht dafür, daß das Berufungsgericht über den Anspruch aus dem Schenkungsversprechen entschieden hat.
Demgegenüber sprechen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Kostenverteilung dafür, daß sich die Verurteilung der Beklagten allein auf den Hilfsantrag der Kläger stützt, der nicht einen Anspruch aus Schenkungsversprechen, sondern eine Erbauseinandersetzung zum Gegenstand hat. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht den Erfolg der Klage auf den gestellten Hilfsantrag zurückgeführt, der mit dem Verlangen nach Erbauseinandersetzung einen anderen und selbständigen Klagegrund betraf. Bei seiner Berechnung des Klageanspruchs bleibt schließlich unklar, wie dieser aus der jeweiligen Anspruchsgrundlage herzuleiten ist. Damit hat das Berufungsgericht übersehen, daß der in der mündlichen Verhandlung mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch der Kläger auf Teilerbauseinandersetzung einen anderen Streitgegenstand betraf als der mit dem Hauptantrag weiterhin verfolgte Anspruch auf Erfüllung einer Nachlaßschuld, nämlich des Schenkungsversprechens. Die Revisionen beider Parteien rügen daher übereinstimmend zu Recht, daß danach nicht erkennbar ist, über welchen Streitgegenstand das Berufungsgericht hat entscheiden wollen.
2. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht die Erklärung der Beklagten, für den Fall, daß der Senat den Anspruch jeder der Beklagten aus § 2287 BGB für gegeben halte, werde die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin bei Abgabe des Schenkungsversprechens nicht mehr bestritten, zu würdigen haben.
Sollte es sich dabei um ein bedingtes Geständnis handeln, begegnet dessen Wirksamkeit Bedenken. Ein unter eine Bedingung gestelltes Geständnis ist in der Regel unzulässig (MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl., § 288 Rdn. 30; Musielak/Huber, ZPO, 3. Aufl., § 288 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 288 Rdn. 11; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 288 Rdn. 5; a.A. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Auflage, § 114 I 1 d). Besondere Umstände, aus denen sich gegebenenfalls gleichwohl eine Zulässigkeit ergeben könnte, sind derzeit nicht erkennbar. Danach schiede hier eine prozessuale Wirksamkeit und damit zugleich eine Bindung der Beklagten an ihre Erklärung aus. Soweit der Vortrag der Beklagten hier jedoch dahin zu verstehen sein sollte, daß diese ihre Behauptung, die Schenkerin sei geschäftsunfähig gewesen, nur für den Fall aufrecht erhalten wollen, daß das Gericht die Voraussetzungen des § 2287 BGB für nicht gegeben ansieht, könnte die darin liegende Bedingung nach den für Prozeßhandlungen geltenden allgemeinen Grundsätzen in gleicher Weise unzulässig sein. Nach der Rechtsprechung dürfen auch die von den Parteien gestellten Sachanträge von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden (BGHZ 132, 390, 398; BGH, Urt. v. 11.07.1996 – IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147, 3150). Für sonstige Prozeßhandlungen und für den Vortrag von Tatsachen kann im Grundsatz – begrenzt allerdings durch die gesetzliche Pflicht zu vollständigem und wahrheitsgemäßem Vortrag (§ 138 Abs. 1 ZPO) und zur Prozeßförderung (§ 282 Abs. 1 ZPO) – nichts anderes gelten; insoweit erscheint daher grundsätzlich ein an eine innerprozessuale Bedingung angeknüpftes Zugeständnis denkbar. Bei diesem Verständnis wird das Berufungsgericht jedoch zu prüfen haben, wie die Erklärung der Beklagten zu verstehen ist, ob diese insbesondere auf den Einwand der mangelnden Geschäftsfähigkeit der Erblasserin auch für den Fall verzichten wollten, daß die vom Berufungsgericht zu ihren Gunsten entschiedene Rechtsfrage im weiteren Instanzenzug anders beurteilt wird, und welche Konsequenzen sich gegebenenfalls daraus ergeben, wenn eine solche Folge nicht ihrem Willen entsprochen haben sollte.
Das Berufungsgericht wird ferner zu klären haben, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Anträge der Parteien zu beurteilen sind. Zwar steht es den Parteien, wie bereits dargelegt, frei, von innerprozessualen Bedingungen abhängige Hilfsanträge zu stellen. Voraussetzung dafür ist aber mindestens ein ohne Bedingungen gestellter Hauptantrag (BGH, Urt. v. 11.07.1996 – IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147, 3150; Urt. v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, NJW 1995, 1353).
Unterschriften
Melullis, Keukenschrijver, Mühlens, Meier-Beck, Asendorf
Fundstellen
BGHR 2003, 829 |
NJW-RR 2003, 1145 |
JurBüro 2004, 54 |
KammerForum 2003, 416 |