Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe gezogener Nutzungen eines Grundstückes nach Rückübertragung auf einen berechtigten Anmelder
Leitsatz (amtlich)
Die Rückübertragung eines Grundstücks auf einen berechtigten Anmelder gem. § 21b Abs. 1 InVorG führt in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 7 S. 2 VermG zu einem Anspruch auf Herausgabe der von dem Verfügungsberechtigten seit dem 1.7.1994 gezogenen Nutzungen des Grundstücks.
Der Anspruch entsteht mit der bestandskräftigen Feststellung der Berechtigung des Anmelders in dem Verfahren nach dem Vermögensgesetz.
Normenkette
InVorG § 21b Abs. 1; VermG § 7 Abs. 7
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 01.04.2004; Aktenzeichen 16 U 142/03) |
LG Berlin |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des KG in Berlin v. 1.4.2004 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Nutzungen eines Grundstücks im früheren Ostteil von B..
Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück wurde 1934 für A. K. ersteigert. A. K. war jüdischer Herkunft. Er veräußerte das Grundstück im Oktober 1936 an P. H.. 1985 wurde es in Volkseigentum überführt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erhielt es die Beklagte zugeordnet. Sie nutzte das Haus durch Vermietung bzw. Verpachtung. Die Klägerin meldete als Berechtigte nach A. K. Rückübertragungsansprüche an. Entsprechend verfuhren die Erben nach P. H.. Mit Bescheid v. 6.10.1998 verfügte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen die Rückübertragung des Grundstücks an die Klägerin.
Auf Antrag der Beklagten erließ die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von B. am 17.1.2000 einen Bescheid, durch den das Grundstück gem. § 21b InVorG zu jeweils hälftigem Miteigentum auf die Klägerin und die Erben nach P. H. übertragen wurde. Der Bescheid wurde am 4.2.2000 vollziehbar. Die Beklagte übergab das Grundstück am 8.3.2000. Am 20.7.2001 wurde der Bescheid v. 6.10.1998 bestandskräftig.
Mit Schreiben v. 5.12.2001 verlangte die Klägerin Abrechnung der Erträge und Aufwendungen der Beklagten gem. § 7 Abs. 7 VermG. Mit der Klage hat sie im Wege der Stufenklage Auskunft über die von der Beklagten zwischen dem 1.7.1994 und dem 8.3.2000 auf Grund der Vermietung bzw. Verpachtung des Hauses gezogenen und ausstehenden Entgelte und deren Auskehrung bzw. die Abtretung offener Entgeltforderungen beantragt. Das LG hat dem Auskunftsbegehren stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem OLG zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung des Auskunftsanspruchs.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei der Klägerin in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 7 S. 2 VermG zahlungs- bzw. abtretungspflichtig. Da die Klägerin die zur genauen Darlegung ihrer Ansprüche notwendige Kenntnis nicht habe und die Beklagte hierüber ohne weiteres Auskunft erteilen könne, sei sie zu der verlangten Auskunft verpflichtet. Zwar sei das (Mit)Eigentum an dem Grundstück der Klägerin nicht durch einen Rückübertragungsbescheid nach § 3 VermG, sondern durch einen Bescheid nach § 21b InVorG übertragen worden. Eine Übertragung nach dieser Bestimmung sei jedoch zumindest dann, wenn der Übertragungsempfänger restitutionsberechtigt sei, einer Rückübertragung nach § 3 VermG gleichzusetzen. Der Anspruch auf Herausgabe der Entgelte sei von der Klägerin rechtzeitig i.S.v. § 7 Abs. 8 S. 2 VermG geltend gemacht worden. Für den Fristbeginn komme es nicht auf die Bestandskraft des Bescheids nach dem Investitionsvorranggesetz, sondern auf die Bestandskraft des Bescheids v. 6.10.1998 an.
Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
II.
Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten zwischen dem 1.7.1994 und dem 8.3.2000 durch die Vermietung bzw. Verpachtung des Hauses begründeten Entgelte. Da die Entgelte der Klägerin im Gegensatz zu der Beklagten nicht bekannt sind, kann sie von der Beklagten gem. § 242 BGB Auskunft verlangen.
Der Herausgabeanspruch der Klägerin folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 7 Abs. 7 S. 2 VermG. Der Anspruch ist gem. § 7 Abs. 7 S. 3 VermG mit der Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids v. 6.10.1998 entstanden. Dass der Klägerin an dem Grundstück schon zuvor Miteigentum übertragen worden ist, lässt die Verpflichtung der Beklagten nicht entfallen. Durch das Schreiben der Klägerin v. 5.12.2001 ist die in § 7 Abs. 8 VermG bestimmte Frist gewahrt.
1. Nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG kann der Berechtigte, auf den ein Grundstück restituiert worden ist, von dem Verfügungsberechtigten die Erstattung der seit dem 1.7.1994 von dem Verfügungsberechtigten aus der Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks erhaltenen Entgelte verlangen. Eine entsprechende Regelung enthält § 21b InVorG nicht. Insoweit besteht eine planwidrige Lücke, weil die vereinfachte Rückübertragung den Berechtigten hinsichtlich der Entgelte nicht anders stellen wollte als die Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz. Die Lücke ist durch entsprechende Anwendung von § 7 Abs. 7 S. 2 VermG zu schließen, soweit die Restitution nach § 21b InVorG durch Übertragung des Eigentums auf den Berechtigten erfolgt.
a) Ziel des Vermögensgesetzes ist es, rechtsstaatswidrig entzogenes Vermögen dem Berechtigten zurückzugewähren. Die Rückgewähr geschieht gem. § 3 Abs. 1 VermG durch Rückübertragung. Das Ziel des Vermögensgesetzes entspricht in vollem Umfang dem Ziel von § 21b InVorG, soweit die Rückübertragung nach dieser Vorschrift auf einen Berechtigten erfolgt. Ein Unterschied besteht allein in dem von der Behörde einzuhaltenden Verfahren. Im Gegensatz zur Rückübertragung nach § 3 Abs. 1 VermG setzt die Rückübertragung nach § 21b Abs. 1 die Prüfung der Berechtigung des angemeldeten Anspruchs nicht voraus. Insoweit ist das Verfahren nach § 21b InVorG vereinfacht, wie die amtliche Überschrift der Vorschrift zum Ausdruck bringt. Eine Investitionsabsicht des Anmelders ist nicht Voraussetzung des vereinfachten Verfahrens. Die Rückübertragung erfolgt nach § 21b Abs. 1 InVorG vielmehr "durch einen Investitionsvorrangbescheid, der eine Verpflichtung zu Investitionen nicht enthält".
b) Die Restitution nach dem Vermögensgesetz wirkt nicht zurück. Die bis zur Übertragung des Eigentums aus der Nutzung des restituierten Grundstücks gezogenen Entgelte stehen daher gem. § 7 Abs. 7 S. 1 VermG grundsätzlich dem Verfügungsberechtigen zu. Dieser Grundsatz ist durch das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz v. 27.9.1994 durchbrochen worden. Nach der durch dieses Gesetz vorgenommenen Ergänzung des Vermögensgesetzes um § 7 Abs. 7 S. 2 ff. stehen die Entgelte ab dem 1.7.1994 nunmehr dem Berechtigten zu. Hierdurch sollte einem Missstand abgeholfen werden, der sich ausgebreitet hatte. Das Restitutionsverfahren war nämlich durch den Verfügungsberechtigten vielfach verzögert worden, um länger in den Genuss der Einnahmen aus der Vermietung des zurückzuübertragenden Grundstücks zu kommen. Die oft erheblichen Mieteinnahmen wurden nicht für notwendige Erhaltungsmaßnahmen an den Gebäuden, sondern für andere, eigene Zwecke verwendet. Dem hat § 7 Abs. 7 S. 2 VermG abgeholfen (BGH, Urt. v. 23.4.1999 - V ZR 142/98, BGHZ 141, 230 [235] = MDR 1999,1058).
c) Dem Missstand wird durch die eingeschränkte Prüfung im Verfahren nach § 21b InVorG nicht begegnet. Auch das Verfahren der "vereinfachten Rückübertragung" kann sich im Einzelfall über einen längeren Zeitraum hinziehen (BT-Drucks. 14/7228, 20). Die Gefahr missbräuchlicher Gestaltungsmöglichkeiten, die eröffnet wären, wenn das Verfahren nach § 21b InVorG Ansprüche nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG ausschlösse, wäre für den Berechtigten sogar noch vergrößert. Für den Verfügungsberechtigten würde erheblicher Anreiz geschaffen, das Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz zu verzögern und zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich ein Verfahren nach § 21b InVorG einzuleiten, um sich so von der Verpflichtung zur Auskehr der Mieteinnahmen zu befreien (vgl. die schriftliche Äußerung des Sachverständigen Krüger in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsergänzungsgesetzes in der Sitzung v. 17.4.2002, Protokoll 14/123 S. 84 f).
Dem kann der Berechtigte nicht mit Erfolg dadurch entgegenwirken, dass er sich weigert, das Grundstück zu übernehmen, wie es § 21b Abs. 3 S. 4 InVorG ermöglicht. Macht der Berechtigte von dieser Möglichkeit Gebrauch, läuft er Gefahr, dass das Grundstück einem anderen Anmelder übertragen wird und ihm endgültig verloren geht. Das ist kein Ausweg. Die Lücke der Regelung des Investitionsvorranggesetzes ist vielmehr durch die entsprechende Anwendung von § 7 Abs. 7 S. 2 VermG auf die Rückübertragung nach § 21b Abs. 1 InVorG zu schließen.
d) Das Ergebnis wird durch den RegE des Zweiten Vermögensrechtsergänzungsgesetzes v. 17.8.2001 entgegen der Annahme der Revision bestätigt. Der Entwurf sah nämlich die entsprechende Anwendung des Vermögensgesetzes auf die Rückübertragung nach § 21b Abs. 1 InVorG vor. § 7 Abs. 7 S. 3 VermG sollte nach dem Vorschlag der Bundesregierung den Wortlaut erhalten: "Der Herausgabenanspruch nach S. 2 entsteht mit Bestandskraft des Bescheids über die Rückübertragung des Eigentums oder, wenn der Berechtigte das Eigentum an dem Vermögenswert auf Grund eines Bescheids nach §§ 21 oder 21b des Investitionsvorranggesetzes erworben hat, mit der Bestandskraft des Bescheids über die Feststellung der Berechtigung." Damit sollte "klargestellt" (BR-Drucks. 641/01, 12 der Gesetzesvorlage) werden, dass der Herausgabeanspruch aus § 7 Abs. 7 S. 2 VermG auch dann besteht, wenn der Berechtigte das Eigentum an dem Vermögenswert auf Grund eines Bescheides nach § 21b InVorG erworben hat, und zwar mit Bestandskraft des Bescheids über die Feststellung der Berechtigung (BR-Drucks. 641/01, 2 der Gesetzesvorlage). Die Begründung des Gesetzentwurfs führt hierzu aus, die Rückübertragung durch einen Investitionsvorrangbescheid mit anschließender Berechtigungsfeststellung könne nicht anders behandelt werden als die Restitution nach dem Vermögensgesetz (BR-Drucks. 641/01, 12 der Gesetzesvorlage).
Dem ist der Bundesrat in seiner Stellungnahme v. 27.9.2001 zwar entgegen getreten (BR-Drucks. 641/01, 6). Der ablehnenden Auffassung des Bundesrats kann aber nicht entnommen werden, dass bei einem Eigentumsübergang nach § 21b InVorG kein Anspruch auf Nutzungsherausgabe besteht. Die Beklagte verkennt, dass die Stellungnahme des Bundesrats zu dem Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsergänzungsgesetzes keine Rückschlüsse auf das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz und das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz erlaubt, und übersieht, dass die Bundesregierung ungeachtet der Ablehnung des Bundesrats ihren Gesetzentwurf weiter verfolgt und diesen ergänzt um eine Gegenäußerung am 24.10.2001 in den Bundestag eingebracht hat (BT-Drucks. 14/7228). Der Bundestag hat die Einwände des Bundesrats nicht geteilt. Das Gesetz wurde entsprechend dem Vorschlag der Bundesregierung vom Bundestag am 26.4.2002 beschlossen. Letztlich verblieb es jedoch bei den divergierenden Meinungsäußerungen beider Gesetzgebungsorgane, da der Bundesrat am 31.5.2002 den Vermittlungsausschuss anrief (BR-Drucks. 362/02) und der Gesetzentwurf mit Ablauf der 14. Legislaturperiode des Bundestags der Diskontinuität anheim fiel.
e) § 7 Abs. 7 S. 3 VermG kann ebenfalls nichts Gegenteiliges entnommen werden. Die Anknüpfung der Anspruchsentstehung an die Rückübertragung in § 7 Abs. 7 S. 3 VermG ergibt sich daraus, dass die Eigentumsübertragung und die Feststellung der Berechtigung durch einen Bescheid nach § 3 Abs. 1 VermG gleichzeitig erfolgen. Das führt nicht dazu, dass bei einem Auseinanderfallen von Rückübertragung und Feststellung der Berechtigung des Anmelders die Verpflichtung zur Nutzungserstattung zu entfallen hätte.
Die Gleichzeitigkeit von Rückübertragung und Feststellung der Berechtigung sind für die Frage der Entstehung des Anspruchs auf Nutzungserstattung vielmehr ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein, dass beide Voraussetzungen eingetreten sind. So verhält es sich hier. Die Rückübertragung durch den Bescheid v. 17.1.2000 führte nicht zur Feststellung der Berechtigung der Klägerin. Dies geschah erst durch den Eintritt der Bestandskraft des Bescheids v. 6.10.1998 am 20.7.2001.
2. Auch die in § 7 Abs. 8 S. 2 VermG genannte weitere Voraussetzung, wonach der Herausgabeanspruch binnen eines Jahres seit dem Eintritt der Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids schriftlich geltend gemacht werden muss, ist erfüllt. Der Herausgabeanspruch in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 7 S. 2 VermG entsteht wie der Anspruch in unmittelbarer Anwendung der Vorschrift gem. § 7 Abs. 2 S. 3 VermG mit dem Eintritt der Bestandskraft des Restitutionsbescheids. Das war hier am 20.7.2001. Durch das Schreiben der Klägerin v. 5.12.2001 ist er rechtzeitig geltend gemacht worden.
3. Die Einrede der Verjährung, die die Beklagte in den Tatsacheninstanzen noch erhoben hatte, ist, wie das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt hat, unbegründet und wird von der Revision auch nicht weiter verfolgt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1331365 |
BGHR 2005, 766 |
DWW 2005, 170 |
NZM 2006, 153 |
ZfIR 2005, 565 |
NJ 2005, 283 |
GuT 2005, 124 |
www.judicialis.de 2005 |