Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberater sind verpflichtet eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und Kammerbeiträge zu zahlen
Leitsatz (amtlich)
Zur Verpflichtung des Steuerberaters zum Abschluß einer angemessenen Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 67 StBerG.
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwar gehört zu den Berufspflichten des Steuerberaters der Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung, jedoch ist die in den Steuerberater-Richtlinien genannte Mindestversicherungssumme nicht verbindlich.
2. Zahlt der Steuerberater keine Beiträge zur Berufskammer, weil sie ihm überhöht erscheinen, liegt darin eine Berufspflichtverletzung.
Normenkette
StBerG §§ 67, 79 Abs. 1 S. 1; RichtlStB Nr. 19 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 26.06.1987; Aktenzeichen StO 1485/87) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 19.02.1987; Aktenzeichen StL 7/87) |
Tatbestand
I.
1. Der Berufsangehörige wurde am 12. März 1965 zum Steuerbevollmächtigten bestellt. Seit April 1970 hat er die Beiträge zur Berufskammer nicht mehr bezahlt, weil er sie für zu hoch hielt.
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth verhängte gegen ihn durch Urteil vom 15. Juni 1976 einen Verweis und eine Geldbuße von 800,– DM, weil er trotz wiederholter Mahnungen die Steuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1967 bis 1973 nicht, die Umsatzsteuervoranmeldungen I/73 bis II/74 nur mit erheblicher Verspätung und die Umsatzsteuervoranmeldungen III/74 bis II/75 überhaupt nicht abgegeben hatte, so daß die Grundlagen der Einkommensbesteuerung und zum Teil die Umsatzsteuerzahlungen geschätzt werden mußten. Die Geldbuße konnte der Berufsangehörige nicht bezahlen.
Seit dem 23. Oktober 1981 besteht für den Steuerbevollmächtigten keine Berufshaftpflichtversicherung mehr, weil er trotz Mahnung die fälligen Prämien nicht bezahlt hat; er ist der Auffassung, eine Berufshaftpflichtversicherung in der von den Versicherern angebotenen Höhe sei für ihn nach der Struktur seiner Praxis nicht erforderlich.
Wegen der Weigerung, eine Berufshaftpflichtversicherung zu begründen, verhängte die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Landgericht Nürnberg durch (inzwischen rechtskräftiges) Urteil vom 15. Januar 1985 gegen den Berufsangehörigen einen Verweis und eine Geldbuße von 1.000,– DM, die im Hinblick auf seine Vermögenslosigkeit nicht beigetrieben werden konnte.
2. Durch Urteil vom 19. Februar 1987 hat die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth den Berufsangehörigen aus dem Beruf ausgeschlossen, weil er keine Kammerbeiträge gezahlt und auch nach dem 27. März 1985 (Rechtskraft des Urteils vom 15. Januar 1985) keine Berufshaftpflichtversicherung begründet hat.
Die Berufung des Steuerbevollmächtigten gegen dieses Urteil hat der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Oberlandesgericht Nürnberg durch Urteil vom 26. Juni 1987 verworfen.
Gegen das Berufungsurteil hat der Steuerbevollmächtigte am 2. Juli 1987 Revision eingelegt und diese am 24. August 1987 begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Steuerbevollmächtigten ist begründet.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Steuerbevollmächtigte habe schuldhaft seine Verpflichtung verletzt, eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, wird von den Feststellungen nicht getragen.
a) Dadurch, daß er keine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, hat der Steuerbevollmächtigte allerdings gegen § 67 StBerG verstoßen.
Ohne Erfolg wendet der Steuerbevollmächtigte ein, die in Nr. 19 Abs. 2 Satz 2 RichtlStB genannte Mindestversicherungssumme von 100.000,– DM sei angesichts des Umfangs seiner Berufstätigkeit unangemessen hoch.
Das Steuerberatungsgesetz schreibt keine Mindestversicherung vor, sondern fordert nur eine „angemessene Versicherung”. Welche Versicherungssumme angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und muß von dem Berufsangehörigen nach pflichtgemäßer Abwägung aller sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtrisiken in eigener Verantwortung entschieden werden (Gehre, StBerG, § 67 Rn. 8). Nach Nr. 19 Abs. 2 Satz 2 RichtlStB ist zwar als angemessen „eine Versicherungssumme von 100.000,– DM für den einzelnen Schadensfall bei einer Höchstleistung der zweifachen Summe für alle in einem Versicherungsjahr verursachten Schäden anzusehen”. Dies ist aber keine verbindliche Vorschrift (insoweit noch immer zutreffend Senatsurteil v. 20. Mai 1985 – StbSt(R) 9/84 – StB 1985, 302, 303) und kann auch nicht als Hilfsmittel zur Auslegung und Konkretisierung des § 67 StBerG herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Juli 1987 – 1 BvR 537/81 u.a. – ZIP 1987, 1559 = DVBl 1988, 188 – und 1 BvR 362/79 – ZIP 1987, 1606 = NJW 1988, 194). Daher kann dem Steuerbevollmächtigten nicht als Berufspflichtverletzung angelastet werden, daß er sich nicht in der in Nr. 19 Abs. 2 Satz 2 RichtlStB genannten Höhe haftpflichtversichert hat. Andererseits ist der Steuerbevollmächtigte deshalb nicht von der Berufspflicht zur Versicherung völlig befreit. Es bleibt eine Pflichtverletzung, daß er überhaupt keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat.
Aus der sich aus § 67 StBerG ergebenden Verpflichtung eines jeden Berufsangehörigen, jedenfalls in angemessenem Umfang gegen Haftpflichtgefahr versichert zu sein, ergibt sich allerdings kein zivilrechtlicher Anspruch gegen einen bestimmten Versicherer, mit dem Berufsangehörigen gerade in der für ihn individuell angemessenen Höhe einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Wenn kein Versicherer dazu bereit ist – etwa aus Gründen mangelnder Rentabilität –, dann ist der Berufsangehörige grundsätzlich verpflichtet, auch über einen höheren Betrag eine Versicherung abzuschließen, damit die bestehende Haftpflichtgefahr jedenfalls in der erforderlichen Höhe durch eine Versicherung abgedeckt ist.
b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen indes im Hinblick auf den Nichtabschluß einer Berufshaftpflichtversicherung nicht den Vorwurf eines schuldhaften Verstoßes.
aa) Allerdings wird ein Verschulden des Steuerbevollmächtigten nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß er Nr. 19 Abs. 2 Satz 2 RichtlStB zutreffend als unverbindlich angesehen hat; denn trotzdem war es ihm möglich zu erkennen, daß er nach § 67 StBerG jedenfalls zum Abschluß einer für den Umfang der mit seiner Praxistätigkeit verbundenen Haftpflichtgefahren angemessenen Versicherung verpflichtet war.
bb) Auch wenn es zutreffen sollte, daß kein Versicherer bereit ist, mit dem Steuerbevollmächtigten einen Versicherungsvertrag über eine niedrigere Versicherungssumme abzuschließen, würde dieser Umstand allein ein Verschulden des Steuerbevollmächtigten noch nicht ausschließen. Etwas anderes könnte in einem solchen Fall allenfalls gelten, wenn ein Abschluß in Höhe der von den Versicherern angebotenen Mindestsumme für den Steuerbevollmächtigten schlechterdings unzumutbar wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der Steuerbevollmächtigte seine finanziellen Verhältnisse bewußt bescheiden wählt, um mehr Zeit für andere Interessen erübrigen zu können, die ihm nach seinem Empfinden zur Selbstfindung, -achtung und -verwirklichung mehr einbringen als beruflicher Erfolg. Gerade unter diesen Umständen kann von ihm aber erwartet werden, wenigstens so viel mehr in seinem Beruf zu arbeiten, daß er die Prämien für eine angemessene Haftpflichtversicherung aufbringen kann.
cc) Anders ist die Rechtslage jedoch zu beurteilen, wenn die Versicherer sich bei der Bemessung der Mindestversicherungssummen, über die sie Verträge mit Berufsangehörigen abschließen, gerade an den – insoweit unverbindlichen – Richtlinien für die Berufsausübung der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten orientiert haben. Besteht ein Kausalzusammenhang zwischen der unverbindlichen Richtlinie und dem Verhalten der Versicherer – was nach Auffassung des Senats nicht auszuschließen ist –, dann kann dem Berufsangehörigen, der sich nicht auf diesem Umweg der unverbindlichen Richtlinie unterwirft, aus diesem Verhalten jedenfalls dann kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn nach seinen beruflichen Verhältnissen eine Haftpflichtversicherung mit einer wesentlich niedrigeren Mindestsumme angemessen ist. Dies gilt – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch dann, wenn der Steuerbevollmächtigte aus diesem Grunde keinen Versuch unternommen hat, mit den Versicherern über den Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung mit geringerer Versicherungssumme zu verhandeln.
2. Dagegen liegt eine Berufspflichtverletzung darin, daß der Steuerbevollmächtigte seit 1970 die Beiträge zur Berufskammer nicht bezahlt (§ 79 Abs. 1 Satz 1 StBerG). Es mag sein, daß der Steuerbevollmächtigte die von ihm nach der Beitragsordnung zu leistenden Beiträge für unangemessen hoch hält. Dies berechtigt ihn jedoch nicht, von einer Beitragszahlung völlig abzusehen.
Die Höhe der Beiträge wird von der Mitgliederversammlung der Berufskammer bestimmt (§ 79 Abs. 1 Satz 3 StBerG). Der Berufsangehörige hat daher die Möglichkeit, in der Mitgliederversammlung seine Auffassung zur Angemessenheit der Beitragshöhe geltend zu machen; der Steuerbevollmächtigte behauptet selbst nicht, den Versuch gemacht zu haben, auf diesem Wege eine Herabsetzung der von ihm zu zahlenden Beiträge zu erreichen.
Ob die Festsetzung der Beitragshöhe wie die Beitragsordnung (§ 79 Abs. 1 Satz 2 StBerG) einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf (bejahend: BVerwG, Urteil vom 18. September 1973 – I C 73/67 – StB 1973, 227; verneinend für die Festsetzung der Beiträge zur Industrie- und Handelskammer BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1977 – I C 35/73 – NJW 1978, 904; ihm folgend auch für die Beiträge zur Steuerberaterkammer Gehre, StBerG, § 79 Rn. 8), kann hier dahinstehen. Jedenfalls hat der Berufsangehörige die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch Anrufung der Aufsichtsbehörde oder durch Anfechtungsklage (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3. Mai 1973 – XIII A 603/70 – DB 1973, 1890) nachprüfen zu lassen. Auch diese Wege hat der Steuerbevollmächtigte nicht beschritten.
3. Die von Rechtsirrtum beeinflußte Bejahung eines schuldhaften Verstoßes gegen § 67 StBerG führt zur Aufhebung des Berufungsurteils in vollem Umfang.
Im berufsgerichtlichen Verfahren wird der Berufsangehörige nicht wegen der Verletzung einzelner gesetzlicher Bestimmungen oder wegen verschiedener Handlungen verantwortlich gemacht. Vielmehr wird sein gesamtes Verhalten, das sich aus der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anschuldigung ergibt, einheitlich beurteilt, auch wenn es aus mehreren Handlungen besteht, die nach strafrechtlichen Begriffen als selbständige Taten zu beurteilen wären (BGHSt 24, 81, 86; Gehre, aaO § 89 Rn. 11). Daraus folgt insbesondere, daß der Berufsangehörige nicht teilweise freigesprochen werden kann und daß nur eine einheitliche Maßnahme verhängt wird (Gehre, aaO Rn. 12). Ebenso ist im Revisionsverfahren, wenn sich im Schuldspruch bezüglich eines von mehreren Anschuldigungspunkten ein Rechtsfehler herausstellt, – sofern Revisionsgericht hierüber nicht selbst abschließend entscheiden kann – das gesamte Urteil aufzuheben (vgl. Jähnke, Kritische Bemerkungen zum Grundsatz der Einheit der Standesverfehlung, in: Festschrift für Pfeiffer, 1988, S. 941, 947; vgl. auch Senatsurteil BGHSt 33, 225, 229).
Fundstellen
Haufe-Index 1974796 |
NJW 1989, 310 |