Verfahrensgang
BPatG (Urteil vom 14.12.2021; Aktenzeichen 5 Ni 3/21 (EP)) |
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 14. Dezember 2021 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 581 427 (Streitpatents), das am 12. Dezember 2003 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 18. Dezember 2002 angemeldet worden ist und eine Einfüll- und Verpackungsvorrichtung betrifft.
Rz. 2
Patentanspruch 1, auf den sieben weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
An apparatus for filling food product drafts into packages, comprising
a supply of open top containers arranged in rows and carried by an elongated web (63) of film and movable by said web (63) into a fill station (61);
and a shuttle conveyor (52) having a retractable and extendable conveying surface (80), said conveying surface (80) arranged above said fill station (61) and having an end region (100) extendable or retractable to a position arranged to deposit food product drafts into said containers of a first row by said conveying surface (80), said conveying surface (80) extendable or retractable to reposition said end region (100) to a position arranged to deposit food product drafts carried on said conveying surface (80) into said containers of a second row;
wherein said shuttle conveyor (52) is configured to fill plural rows of containers while said web (63) is stationary in said fill station (61), and said shuttle conveyor (52) is configured to advance from a retracted position to an extended position to fill a new first row of a group of empty containers while said web (63) advances to locate a succeeding plural row of containers in said fill station (61); or
wherein said shuttle conveyor (52) is configured to fill plural rows of containers while said web (63) is stationary in said fill station (61), and said shuttle conveyor (52) is configured to retract from an extended position to a retracted position to fill a new first row of a group of empty containers while said web (63) advances to locate a succeeding plural row of containers in said fill station (61).
Rz. 3
Die Klägerin, die aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Der Beklagte hat das Patent wie erteilt und hilfsweise in fünf geänderten Fassungen verteidigt.
Rz. 4
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Patent mit den bereits in erster Instanz gestellten Anträgen verteidigt.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Rz. 6
I. Das Streitpatent betrifft eine Füll- und Verpackungsvorrichtung, mit der insbesondere Lebensmittel geschnitten und verpackt werden können.
Rz. 7
1. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind Vorrichtungen bekannt, bei denen eine Schneidvorrichtung Scheiben eines Lebensmittels herstellt und in Gruppen oder Stapeln anordnet, die einem Förderband zugeführt werden. Die Stapel werden in Reihen angeordnet und zu einer Verpackungsmaschine gefördert. Dort werden sie in Taschen eingebracht, die in einer sich bewegenden Folienbahn ausgebildet sind. Im weiteren Verlauf werden die befüllten Taschen verschlossen und vereinzelt, wofür die Folienbahn angehalten wird.
Rz. 8
Diese Vorgehensweise führe bei manchen Produkten zu Problemen. Seien die Produkte vom lockeren oder gebündelten Typ ("fluff" or "bunch" type products, Abs. 6), könne ihre Anordnung auf dem Förderband schwierig sein.
Rz. 9
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Füll- und Verpackungsvorrichtung bereitzustellen, die geschnittene Nahrungsmittelprodukte ordentlich und effizient füllt und verpackt.
Rz. 10
3. Das Streitpatent schlägt hierzu in Patentanspruch 1 eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (abweichende Merkmalsgliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):
Rz. 11
1 |
An apparatus for filling food product drafts into packages, comprising [1.0] |
Vorrichtung zum Füllen von Stapeln von Nahrungsmittelprodukten in Verpackungen, umfassend |
2 |
a supply of open top containers [1.1] |
eine Zufuhr von oben offenen Behältern, die |
2.1 |
arranged in rows, [1.1.1] |
in Reihen angeordnet sind, |
2.2 |
carried by an elongated web of film (63), [1.1.2] |
durch eine längliche Folienbahn gefördert werden, |
2.3 |
movable by said web (63) into a fill station (61); [1.1.3] |
durch die längliche Folienbahn in eine Füllstation bewegt werden können; |
3 |
a shuttle conveyor (52) having a retractable and extendable conveying surface (80) [1.2], |
einen Shuttleförderer mit einer ein- und ausfahrbaren Förderfläche, |
4 |
said conveying surface (80) |
die Förderfläche |
4.1 |
arranged above said fill station (61), [1.2.1] |
ist über der Füllstation angeordnet, |
4.2 |
having an end region (100) extendable or retractable to a position arranged to deposit food product drafts into said containers of a first row by said conveying surface (80), [1.2.2] |
weist eine Endregion auf, die in eine Position ein- oder ausgefahren werden kann, in der Stapel von Nahrungsmittelprodukten mittels der Förderfläche in die Behälter einer ersten Reihe abgelegt werden können, |
4.3 |
extendable or retractable to reposition said end region (100) to a position arranged to deposit food product drafts carried on said conveying surface into said containers of a second row; [1.2.3] |
ist ein- oder ausfahrbar, um die Endregion so zu repositionieren, dass Stapel von Nahrungsmittelprodukten, die von der Förderfläche getragen werden, in die Behälter einer zweiten Reihe abgelegt werden können; |
5 |
wherein said shuttle conveyor (52) |
wobei der Shuttleförderer |
5.1 |
is configured to fill plural rows of containers while said web (63) is stationary in said fill station (61) [1.2.4 und 1.2.4.1] and |
konfiguriert ist, um mehrere Reihen von Behältern zu füllen, während die Folienbahn in der Füllstation ruht, |
5.2 |
is configured to advance from a retracted position to an extended position to fill a new first row of a group of empty containers while said web (63) advances to locate a succeeding plural row of containers in said fill station (61); or [1.2.4.2 und 1.2.4.2.1] |
konfiguriert ist, um von einer zurückgezogenen Position vorwärts bewegt zu werden, um eine neue erste Reihe einer Gruppe leerer Behälter zu befüllen, während sich die Folienbahn vorwärts bewegt, um eine nachfolgende Mehrfachreihe von Behältern in die Füllstation zu positionieren, oder |
6 |
wherein said shuttle conveyor (52) |
wobei der Shuttleförderer |
6.1 |
is configured to fill plural rows of containers while said web (63) is stationary in said fill station (61) [1.2.5 und 1.2.5.1] and |
konfiguriert ist, um mehrere Reihen von Behältern zu füllen, während die Folienbahn in der Füllstation ruht, |
6.2 |
is configured to retract from an extended position to an retracted position to fill a new first row of a group of empty containers while said web (63) advances to locate a succeeding plural row of containers in said fill station (61). [1.2.5.2 und 1.2.5.2.1] |
konfiguriert ist, um von einer vorgeschobenen Position rückwärts bewegt zu werden, um eine neue erste Reihe einer Gruppe leerer Behälter zu befüllen, während sich die Folienbahn vorwärts bewegt, um eine nachfolgende Mehrfachreihe von Behältern in der Füllstation zu positionieren. |
Rz. 12
4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
Rz. 13
a) Nach Merkmal 1 betrifft das Streitpatent eine Vorrichtung zum Befüllen von Verpackungen mit Nahrungsmittelprodukten ("food product drafts").
Rz. 14
Food product drafts sind nach der Beschreibung, die zur Auslegung des Anspruchs heranzuziehen ist, aus mehreren Scheiben eines Lebensmittelprodukts gebildete Stapel (Abs. 8 und 11).
Rz. 15
Da es sich bei Merkmal 1 um eine Zweckangabe handelt, genügt es, wenn die Vorrichtung die Eignung aufweist, Behälter mit solchen Stapeln zu befüllen.
Rz. 16
b) Nach Merkmalsgruppe 2 werden der Vorrichtung oben offene Behälter zugeführt, die in Reihen angeordnet sind, durch eine längliche Folienbahn gefördert werden und durch diese in eine Füllstation bewegt werden können.
Rz. 17
aa) Die Anordnung in Reihen (Merkmal 2.1) bringt zum Ausdruck, dass die Behälter auf einer gedachten Linie ausgerichtet sein müssen.
Rz. 18
Aus der Verwendung des Plurals ("rows") ergibt sich, dass es mehrere Reihen geben muss. Diese Anforderung ist nicht bereits dann erfüllt, wenn die Behälter einzeln nacheinander befördert werden und dabei nur eine Reihe bilden. Vielmehr müssen die Behälter in mindestens zwei Reihen auf benachbarten Spuren angeordnet sein. Dagegen macht Patentanspruch 1 keine Vorgaben zum Verlauf der Reihen. Diese können dementsprechend quer oder längs zur Förderrichtung verlaufen.
Rz. 19
bb) Die Behälter werden durch eine längliche Folienbahn ("an elongated web of film") befördert und können in eine Füllstation bewegt werden (Merkmale 2.2 und 2.3).
Rz. 20
Patentanspruch 1 legt Größe und Material der Behälter nicht fest. Ihm sind auch keine nähere Vorgaben zu Material und Stärke der Folienbahn zu entnehmen.
Rz. 21
Die Behälter können, wie die Ausführungsbeispiele zeigen und die Beschreibung erläutert (Abs. 13, Abs. 24), aus der Folienbahn selbst gebildet werden. Der Anspruch gibt dies aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht zwingend vor. Er umfasst daher auch eine Vorrichtung, bei der eigenständige Behälter auf einer Folienbahn angeordnet und von dieser befördert werden (carried by a web of film).
Rz. 22
Anders als die Beklagte meint, ist eine Folienbahn nicht per se ungeeignet, solche Behälter zu tragen. Ob eine entsprechende Eignung vorliegt, hängt von Stärke und Material dieser Bahn ab.
Rz. 23
Wie sich aus den Merkmalen 5.1 und 6.1 ergibt, ist die Vorrichtung so ausgelegt, dass die Folienbahn sich bewegen, aber auch ruhen kann.
Rz. 24
c) Nach Merkmalsgruppe 4 weist die Vorrichtung einen Shuttleförderer mit einer Förderfläche auf, deren Endregion über der Füllstation angeordnet und geeignet ist, die auf ihr abgelegten Stapel in die Behälterreihen abzulegen. Dazu muss der Shuttleförderer ein- und ausgefahren werden können.
Rz. 25
Nach den Merkmalen 4.2 und 4.3 umfasst Anspruch 1 sowohl den Fall, dass die Endregion der Förderfläche zunächst nach vorne gefahren wird, um eine erste Reihe von Behältern zu füllen, und anschließend zurückgezogen wird, um eine zweite Reihe von Behältern zu füllen, als auch den umgekehrten Fall.
Rz. 26
Ob die Merkmale, wie die Beklagte meint, dahin zu verstehen sind, dass es sich bei der zunächst eingenommenen Position und bei der nach der Repositionierung eingenommenen Position jeweils um eine bestimmte Stellung handeln muss, kann offenbleiben, weil die Entscheidung des Rechtsstreits davon nicht abhängig ist.
Rz. 27
Eine Vorgabe dahin, dass die Behälter einer Reihe gleichzeitig oder unmittelbar nacheinander befüllt werden müssen, ist Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen. Ebenso wenig gibt Patentanspruch 1 vor, ob die Reihen quer oder längs zur Förderrichtung befüllt werden.
Rz. 28
d) Patentanspruch 1 legt, anders als das Patentgericht und die Beklagte meinen, nicht fest, dass auch die Stapel der Lebensmittelprodukte - wie die Behälter auf der Folienbahn - auf der Förderfläche des Shuttelförderers in Reihen angeordnet sind.
Rz. 29
Eine solche Anordnung wird zwar für ein Ausführungsbeispiel beschrieben (Abs. 22 und 23). Im Anspruch hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden.
Rz. 30
Eine entsprechende Anforderung ergibt sich auch nicht aus Merkmalsgruppe 4. Patentanspruch 1 fordert nicht, dass alle Behälter einer Reihe zeitgleich befüllt werden müssen.
Rz. 31
e) Der Anspruch enthält ferner keine Vorgaben dazu, ob die Förderrichtung der Folienbahn und diejenige des Shuttleförderers gleich sind oder im rechten Winkel zueinander verlaufen.
Rz. 32
f) Aus den Merkmalen 5.1 und 6.1 ergibt sich die Anforderung, dass der Shuttleförderer geeignet sein muss, mehrere Reihen von Behältern zu füllen, während die Folienbahn in der Füllstation ruht.
Rz. 33
g) Die Merkmale 5.2 und 6.2 bestimmen, dass der Shuttleförderer sich von einer zurückgezogenen Position vorwärts oder von einer vorgeschobenen Position rückwärts bewegt, während die Folienbahn sich vorwärts bewegt, um nach dem Befüllen einer Mehrfachreihe von Behältern eine nachfolgende Mehrfachreihe in die Füllstation zu befördern. Gefordert ist damit eine zumindest teilweise zeitliche Überschneidung der Bewegung dieser beiden Vorrichtungselemente.
Rz. 34
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 35
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei nicht patentfähig. Er habe für den Fachmann, einen Diplom-Ingenieur oder Master (FH) der Verpackungstechnik oder der Lebensmittelverpackungstechnologie mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der automatisierten Verpackung von Lebensmitteln, ausgehend von der deutschen Offenlegungsschrift 25 16 583 (NK12) unter Hinzuziehung der europäischen Patentanmeldung 798 242 (NK13) und seines Fachwissens nahegelegen.
Rz. 36
NK12 zeige eine Vorrichtung zum Füllen von Portionen von geschnittenen Nahrungsmittelproduktstücken in Verpackungen, bei der oben offene Behälter in Reihen angeordnet und mittels einer Formkammer in einer Folienbahn ausgebildet seien. Die Folienbahn befördere die Behälter in eine Füllstation. Der Shuttleförderer weise eine einzieh- und ausfahrbare Förderfläche auf, über deren Endregion die Lebensmittel in die Behälterreihen abgelegt werden könnten. Die Lebensmittel seien aber nur einspurig auf der Förderfläche des Shuttleförderers angeordnet und bildeten daher keine Reihen. Auch eine Synchronisierung der Bewegungen des Shuttleförderers und der Folienbahn sei nicht offenbart.
Rz. 37
Aus NK13 ergebe sich die Anregung, die Lebensmittel auf der Förderfläche in Reihen anzuordnen. Zwar zeigten die Figuren der NK13 eine Förderfläche mit nur einer Reihe von Lebensmittelprodukten, doch enthalte die Beschreibung den Hinweis, dass auf dem Shuttleförderer mehrere, senkrecht zur Transportrichtung ausgerichtete Reihen solcher Produkte gebildet werden könnten. Der Fachmann erkenne, dass durch eine mehrspurige Nutzung der Förderfläche der Durchsatz erhöht werden könne. Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe dem nicht entgegen, dass dies auch eine Modifikation weiterer Elemente, insbesondere der Form- und der Vakuumkammer erfordere. Im Stand der Technik seien Verpackungsmaschinen, die dies erlaubten, prinzipiell bekannt, so dass entsprechende Modifikationen im Rahmen des Fachkönnens lägen. NK13 enthalte ferner einen Hinweis darauf, dass die Bewegungen der Förderfläche und des Bandes zum Behältertransport synchron verlaufen sollten. Für den Fachmann sei es offensichtlich, dass eine solche Synchronisierung vorteilhaft sei.
Rz. 38
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 sei ebenfalls nicht patentfähig. Die Bildung von Behältern aus der länglichen Folienbahn sei bereits aus NK12 bekannt.
Rz. 39
Die Verteidigung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 sei zulässig, doch sei auch der so beschriebene Gegenstand nicht patentfähig. Die dort zusätzlich vorgesehene Schneidemaschine und der daran anschließende Förderer seien wiederum aus NK12 bekannt.
Rz. 40
Die Verwendung von Mitteln zum Ausrichten von Stapeln geschnittener Lebensmittel, die Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 vorsehe, gehöre zum allgemeinen Fachwissen. Dies sei durch NK13 und durch das US-amerikanische Patent 5 810 149 (NK4) belegt.
Rz. 41
Die in Hilfsantrag 4 vorgesehene Synchronisierung der Vorschubbewegung der Folienbahn, der Bewegung des Endbereichs des Shuttleförderers und der Umlaufbewegung von dessen Förderband sei für den Fachmann selbstverständlich.
Rz. 42
Schließlich sei die nach Hilfsantrag 5 vorgesehene Neigung der Endregion des Shuttleförderers zu den Behälterreihen bereits in NK12 und NK13 offenbart.
Rz. 43
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug im Ergebnis stand.
Rz. 44
Ob die Auffassung des Patentgerichts zutrifft, der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei ausgehend von NK12 nahegelegt, bedarf keiner Entscheidung. Das angefochtene Urteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als zutreffend. Der Gegenstand des Streitpatents beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil er im Prioritätszeitpunkt ausgehend von der europäischen Patentanmeldung 104 142 (NK14) nahegelegt war.
Rz. 45
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin nimmt NK14 den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vollständig vorweg.
Rz. 46
a) NK14 beschreibt eine Vorrichtung, mit der Gegenstände ortsgenau in Behälter abgelegt werden. Die Entgegenhaltung befasst sich dabei vor allem mit dem Abpacken von Portionen von Lebensmitteln wie etwa Teigstücken oder Pasteten aus gemahlenem Fleisch (S. 2), aber auch von geschichteten Tranchen aus formstabilem Material (Anspruch 1). Die Vorrichtung umfasst ein über Umlenkwalzen geführtes Förderband. Ein Ausführungsbeispiel zeigen die nachstehend wiedergegebenen Figuren 2 und 3.
Rz. 47
Ein erstes Förderband 30 weist ein vorderes Ende 30b auf, das über das obere Trum eines zweiten - quer zum ersten angeordneten - Förderbandes 40 reicht. Auf dem zweiten Band 40 sind Reihen von Behältern 41a, 41b, 41c angeordnet, in welche die auf dem ersten Förderband 30 angeordneten Gegenstände 1 bis 10 abgelegt werden sollen. Das vordere Ende des Förderbands 30 kann mithilfe eines Schlittens 10 vor und zurück bewegt werden. Wird der Schlitten aus der in Figur 2 gezeigten Stellung mit einer im Vergleich zur Geschwindigkeit des Förderbandes 30 höheren Geschwindigkeit zurückgezogen, fällt der vorderste Gegenstand 1 in den vom Förderer aus gesehen äußersten Behälter der Reihe 41b. Wird der Förderer anschließend weiter zurückbewegt, kann der zweite Gegenstand 2 in den mittleren Behälter dieser Reihe abgelegt werden (S. 7). Nach dem Ablegen des dritten Gegenstands 3 in den innen angeordneten Behälter wird das zweite Förderband 40 vorgeschoben, um die nächste Reihe leerer Behälter unter die Endregion des Förderbands 30 zu bringen (Anspruch 1). Der Förderer 30 wird wieder nach vorne gefahren, um die nächsten drei Gegenstände in die Behälter der Gruppe 41c abzulegen (S. 7/8).
Rz. 48
Figuren 4 und 5 zeigen ein weiteres Ausführungsbeispiel, bei dem das obere Fördeband 30 zweispurig genutzt wird.
Rz. 49
Nach der Beschreibung ermöglicht dies einen rascheren Zyklus, bei dem die auf dem Förderband 30 angeordneten Gegenstände in doppelreihige Gruppen von Behältern 42a, 42b und 42 c abgelegt werden (S. 8).
Rz. 50
b) Damit sind die Merkmale von Patentanspruch 1 mit Ausnahme der Merkmale 2.2, 2.3 sowie 5.2 und 6.2 offenbart.
Rz. 51
aa) Die Vorrichtung dient dazu, Nahrungsmittelstücke in Verpackungen abzulegen. Patentanspruch 1 der NK14 umfasst nach seinem Wortlaut auch geschichtete Tranchen aus formstabilem Material (Merkmal 1). Die Vorrichtung ist nicht auf die Verwendung für Teigstücke oder Pasteten aus gemahlenem Fleisch beschränkt.
Rz. 52
bb) Über das Förderband 40 werden oben offene und in Reihen angeordnete Behälter zugeführt (Merkmale 2 und 2.1). Dass die Behälter auf dem Förderband 40 angeordnet und nicht aus einem länglichen Folienband geformt werden, ist ohne Bedeutung, weil Patentanspruch 1, wie oben aufgezeigt, nicht auf aus dem Folienband geformte Behälter beschränkt ist.
Rz. 53
Die Behälter bilden dabei quer zur Laufrichtung des Förderbandes 40 zwei Dreierreihen und längs dieser Laufrichtung drei Zweierreihen.
Rz. 54
cc) Merkmale 2.2 und 2.3 sind nicht offenbart.
Rz. 55
Entgegen der Auffassung der Klägerin zeigt NK14 keine Behälter, die durch eine längliche Folienbahn befördert und in die Füllstation bewegt werden können. Nach NK14 handelt es sich bei dem Förderband 40 um das obere Trum eines Förderbandes. Dass dieses Förderband aus einem länglichen Folienband besteht, ist NK14 nicht zu entnehmen.
Rz. 56
dd) Dagegen zeigt NK14 einen Shuttleförderer mit ein- und ausfahrbarer Förderfläche, die über der Füllstation angeordnet ist (Merkmale 3, 4, 4.1).
Rz. 57
ee) Auch die Merkmale 4.2 und 4.3 sind offenbart.
Rz. 58
(1) Dies gilt zum einen dann, wenn die Merkmale 4.2 und 4.3 dahin verstanden werden, dass dort nicht die Einnahme einer ganz bestimmten Position gefordert wird.
Rz. 59
Bei diesem Verständnis zeigen die Figuren 4 und 5 der NK14, dass die Endregion der Förderfläche nacheinander drei Positionen einnimmt, in der Stapel von Nahrungsmittelprodukten (Nummern 1 bis 3) in die Behälter einer ersten, quer zur Förderrichtung verlaufenden und aus drei Behältern bestehenden Reihe abgelegt werden können. Anschließend wird die Endregion der Förderfläche zunächst wieder aus- und sodann in zwei Schritten eingefahren, um die nächsten Stapel (Nummer 4 bis 6) in die Behälter einer zweiten Dreierreihe abzulegen.
Rz. 60
(2) Eine andere Beurteilung ist aber auch dann nicht gerechtfertigt, wenn diese Merkmale, entsprechend der Auffassung der Beklagten, dahin gedeutet werden, dass sie die Einnahme einer ganz bestimmten Position durch die Endregion fordern.
Rz. 61
Wie sich aus dem Ausführungsbeispiel nach Figuren 4 und 5 der NK14 ergibt, wird dort die Endregion der Förderfläche zunächst in eine erste Position ausgefahren, in der ein Stapel von Nahrungsmittelprodukten in einen ersten Behälter einer ersten, nun aber längs der Förderrichtung des Bandes 40 verlaufenden und aus zwei Behältern bestehenden Reihe abgelegt werden kann. In Figur 5 ist dies der Stapel mit der Nummer 1. Die Endregion wird sodann nacheinander in zwei weitere Positionen eingefahren, in denen jeweils ein erster Behälter einer zweiten und einer dritten Reihe mit den Stapeln Nummer 2 und 3 befüllt werden. Anschließend wird die Endregion erneut in die erste Position gebracht, um zunächst Stapel 4 in den zweiten Behälter der ersten Reihe, sodann die Stapel 5 und 6 in die zweiten Behälter der zweiten und dritten Reihe abzulegen.
Rz. 62
Danach befindet sich die Endregion der Förderfläche bei der Befüllung der beiden Behälter der ersten Reihe jeweils in derselben Position.
Rz. 63
Dem steht, anders als die Beklagte meint, nicht entgegen, dass in dem Ausführungsbeispiel nach den Figuren 4 und 5 der NK14 die auf dem Förderband angeordneten Gegenstände nicht gleichzeitig in die Behälterreihen abgelegt werden. Wie oben dargelegt, enthält Patentanspruch 1 des Streitpatents keine Vorgabe, wonach die Behälter einer Reihe zeitgleich zu befüllen wären.
Rz. 64
ff) Merkmale 5 und 5.1 bzw. Merkmale 6 und 6.1 sind mit Ausnahme des Einsatzes einer Folienbahn offenbart.
Rz. 65
Bei dem in den Figuren 4 und 5 der NK14 dargestellten Ausführungsbeispiel werden jeweils zwei quer zur Laufrichtung des Förderbandes 40 angeordnete Reihen von jeweils drei Behältern gefüllt, während das Förderband 40 ruht. Anschließend wird das Förderband weiter bewegt, um die nächste Doppelreihe von Behältern unter die Endregion der Förderbahn 30 zu befördern.
Rz. 66
gg) Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es dagegen an einer Vorwegnahme von Merkmalen 5.2 und 6.2.
Rz. 67
Anspruch 1 der NK14 lässt sich insoweit lediglich entnehmen, dass das zweite Fördermittel, auf dem die Behälter angeordnet sind, bewegt wird, nachdem die Übergabe der auf dem ersten Fördermittel angeordneten Gegenstände in die zuvor in der Füllstation befindlichen Behälter beendet ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht unmittelbar und eindeutig, dass diese Bewegung des zweiten Fördermittels sich mit einer Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung der Endregion des ersten Fördermittels zeitlich überlappt.
Rz. 68
2. Ausgehend von NK14 war der Gegenstand von Patentanspruch 1 jedoch im Prioritätszeitpunkt durch den Stand der Technik nahegelegt.
Rz. 69
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist NK14 ein tauglicher Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns um eine weitere Verbesserung einer solchen Vorrichtung.
Rz. 70
NK14 ist nicht gattungsfremd, sondern betrifft, wie das Streitpatent, eine Vorrichtung, mit der auf einem Shuttleförderer angeordnete Nahrungsmittelportionen in zugeführte Verpackungen gefüllt werden. Wie oben bereits erwähnt, umfasst NK14 nach dem dort formulierten Anspruch 1 ausdrücklich auch das Verpacken von geschichteten Tranchen aus formstabilem Material wie etwa Wurst- oder Käsescheiben.
Rz. 71
Der Einordnung von NK14 als tauglicher Ausgangspunkt steht auch nicht entgegen, dass dort Behälter zugeführt werden, die nicht aus einer Folienbahn gebildet werden, sondern auf einem Förderband angeordnet sind. Wie oben ebenfalls bereits aufgezeigt wurde, ist Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht auf solche Vorrichtungen beschränkt.
Rz. 72
b) Ausgehend von NK14 waren Merkmale 2.2 und 2.3 nahegelegt.
Rz. 73
Die Möglichkeit, nach oben offene Behälter aus einer bahnförmigen Unterfolie zu bilden, die von einer Vorratsrolle abgezogen und so geformt wird, dass Reihen von Vertiefungen ausgebildet werden, war bereits aus NK12 bekannt, ferner aus der internationalen Patentanmeldung 02/22446 (NK16). Je nach der Art des zur Verpackung anstehenden Lebensmittels ergab sich daraus für den Fachmann die Anregung, solche Behälter zu verwenden und zugleich die Folienbahn, aus der sie gebildet werden, für die Beförderung dieser Behälter zu nutzen.
Rz. 74
c) Vor diesem Hintergrund waren auch Merkmale 5.1 und 6.1 in Bezug auf den Einsatz einer Folienbahn nahegelegt.
Rz. 75
d) Auch die Anweisung, die Abläufe gemäß Merkmalen 5.2 und 6.2 zu synchronisieren, begründet keine erfinderische Tätigkeit.
Rz. 76
Das Patentgericht hat im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu NK12 und NK13 zu Recht entschieden, dass sich aus NK13 der Hinweis ergab, die Vorrichtung so zu gestalten, dass sich die Vor- oder Rückwärtsbewegung des Shuttleförderers nach dem Befüllen einer ersten Mehrzahl von Behälterreihen und die Bewegung, mit der der Füllstation die nächste Mehrzahl solcher Reihen zugeführt wird, zumindest zeitweise zeitlich überlappen.
Rz. 77
Nach der Beschreibung der NK13 wird nach der Ablage einer Reihe von Lebensmittelstücken die Geschwindigkeit des Shuttleförderers reduziert und dieser zugleich zurückgefahren (Sp. 9 Z. 13 bis 16). Zu gleicher Zeit ("in the meantime") wird das Band, auf dem die Behälter für die Lebensmittelstücke angeordnet sind, weiterbewegt, um die nächsten Lebensmittelstücke aufzunehmen (Sp. 9 Z. 17 bis 22). Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang angenommen, dass der Vorteil einer solchen Synchronisierung - die Zeitersparnis - für den Fachmann auf der Hand liegt.
Rz. 78
3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 ist ebenfalls nicht patentfähig.
Rz. 79
Danach soll der Anspruch dahin ergänzt werden, dass die oben offenen Behälter in der Folienbahn geformt sind.
Rz. 80
Wie bereits zur erteilten Fassung ausgeführt, war aus NK12 die Möglichkeit bekannt, oben offene Behälter aus einer bahnförmigen Unterfolie zu bilden, die von einer Vorratsrolle abgezogen und so geformt wird, dass Reihen von Vertiefungen entstehen, die nach oben offene Behälter bilden.
Rz. 81
4. Hilfsantrag 2 führt zu keiner anderen Beurteilung der Schutzfähigkeit.
Rz. 82
a) Nach Hilfsantrag 2 soll Anspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 weiter dahin ergänzt werden, dass die Vorrichtung eine Schneidmaschine umfasst, die Scheiben von einem Laib abschneidet, und ferner eine Abgabeförderanordnung ("output conveyor assembly") aufweist, auf die die Schneidmaschine die Scheiben ablegt und die diese Scheiben schindelförmig oder in Stapeln anordnet.
Rz. 83
b) Auch in dieser Fassung ist der Gegenstand von Anspruch 1 nicht patentfähig.
Rz. 84
Vorrichtungselemente, wie sie nach Hilfsantrag 2 ergänzend vorgesehen sind, sind bereits in NK12 offenbart. Dort ist dem ersten Förderband eine Schneideinrichtung vorgeordnet, die geschindelte Portionen liefert, wie beispielsweise schindelartig übereinander gelegte Käse- oder Wurstscheiben (S. 5).
Rz. 85
5. Für Hilfsantrag 3 gilt nichts anderes.
Rz. 86
Danach soll die Vorrichtung eine Schneidvorrichtung und eine Fördervorrichtung umfassen, auf der die Scheiben gestapelt und diese Stapel in Reihen auf dem Shuttleförderer ausgerichtet werden.
Rz. 87
Wie oben ausgeführt, sind solche Vorrichtungselemente bereits in NK12 offenbart. Die Ausrichtung von Stapeln in Reihen ist aus NK14 bekannt. Dabei muss es sich, wie ebenfalls oben bereits ausgeführt wurde, nicht notwendig um Reihen handeln, die quer zur Förderrichtung des Shuttleförderers angeordnet sind.
Rz. 88
6. Auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 ist nicht patentfähig.
Rz. 89
Danach soll Anspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 um folgende Merkmale ergänzt werden: Die beanspruchte Vorrichtung soll einen ersten und einen zweiten Servomotor aufweisen, wobei der erste Servomotor die Bewegung der Endregion des Shuttleförderers und der zweite Servomotor die Umlaufgeschwindigkeit des Förderbandes des Shuttleförderers steuern soll. Ferner ist nach dieser Fassung eine Steuerung vorgesehen, die mit diesen Motoren signalverbunden ist, und dazu dient, die entsprechenden Bewegungen zu synchronisieren.
Rz. 90
Das Erfordernis einer solchen Synchronisierung des Förderbands und der Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung der Endregion ist, wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat, dem Fachmann ebenso bekannt wie die Mittel, mit denen sie bewirkt wird.
Rz. 91
7. Schließlich bleibt auch die Verteidigung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 5 ohne Erfolg.
Rz. 92
Danach soll der Anspruch in der Fassung von Hilfsantrag 1 dahin ergänzt werden, dass der Endbereich des Shuttleförderers eine abwärts weisende Rampe bildet, die eine kontrollierte Abgabe der gestapelten Lebensmittel in die Behälter erlaubt.
Rz. 93
Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ist eine solche Gestaltung der Endregion des Shuttleförderers aus der NK12 (siehe Figur 2) bekannt. Vergleichbare Gestaltungen sind darüber hinaus auch in NK13 (Figur 6 und Sp. 4 Z. 3 bis 6), in NK16 (dort Figur 1) und in dem US-amerikanischen Patent 5 078 259 (NK35, dort Figuren 1 und 2) offenbart.
Rz. 94
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Deichfuß |
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Kober-Dehm |
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Rombach |
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Rensen |
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Crummenerl |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16356263 |