Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Rückgabe der Mietkaution. Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters. Aufhebung der Zwangsverwaltung vor Rechtshängigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Zwangsverwalter, der auf Rückgabe einer Mietsicherheit klageweise in Anspruch genommen wird, ist zur Führung des Prozesses jedenfalls dann nicht mehr befugt, wenn die Zwangsverwaltung vor Rechtshängigkeit der Streitsache aufgehoben worden ist. In diesem Fall ist die Klage mangels Prozessführungsbefugnis des als Zwangsverwalter in Anspruch genommenen Beklagten als unzulässig abzuweisen.
Normenkette
ZPO § 51 Abs. 1; ZVG § 152 Abs. 2, § 161
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.08.2003; Aktenzeichen 65 S 100/03) |
AG Berlin-Schöneberg |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 65 des LG Berlin v. 12.8.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Zwangsverwalter die Rückzahlung einer Mietkaution sowie Auskunft über die angefallenen Zinsen der Kaution.
Mit Mietvertrag v. 6.2.1998 mietete die Klägerin von der Firma C. GmbH B. eine Wohnung in B., K. straße. Zu Beginn des Mietverhältnisses zahlte die Klägerin an die Vermieterin eine Kaution i.H.v. 1.370 DM (= 700,47 EUR).
Mit Beschluss des AG Schöneberg v. 4.8.2000 wurde die Zwangsverwaltung für die vermietete Wohnung angeordnet, und der Beklagte wurde zum Zwangsverwalter bestellt. Die von der Klägerin gestellte Mietkaution übergab die Vermieterin dem Beklagten nicht. Zum 31.10.2001 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis.
Das AG hat die Klage auf Rückzahlung der Kaution und auf Auskunft abgewiesen, das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. In der Revisionsinstanz hat der Beklagte erstmals - unwidersprochen - vorgetragen, dass das Zwangsverwaltungsverfahren bereits vor Zustellung der Klage mit Beschluss des AG Schöneberg v. 4.11.2002 aufgehoben worden ist, da im Zwangsversteigerungsverfahren rechtskräftig der Zuschlag erteilt worden war.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution gegen den Beklagten. Eine Einstandspflicht des Zwangsverwalters, der die Kaution vom Vermieter nicht erhalten habe, lasse sich weder aus § 572 S. 2 BGB a.F. noch aus § 152 Abs. 2 ZVG herleiten. Aus letzterer Vorschrift ergebe sich nur die Verpflichtung des Zwangsverwalters, das Mietverhältnis fortzusetzen, nicht jedoch auch die Pflicht, sämtliche Zahlungen des Mieters an den Vermieter zu berücksichtigen. Dies folge bereits aus §§ 392, 1125, 1124 BGB. Ein Anspruch des Mieters gegen den Zwangsverwalter lasse sich auch nicht mit einem Treuhandverhältnis zwischen Mieter und Vermieter, das auf Grund der Zahlung der Kaution entstanden sei, begründen. Da ein Anspruch auf Rückzahlung gegen den Zwangsverwalter nicht bestehe, sei auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht begründet.
II.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Begründetheit der Klage nicht an. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, weil die nach § 51 Abs. 1 ZPO erforderliche Prozessführungsbefugnis des Beklagten nicht gegeben ist; dem steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen (BGH v. 12.10.2000 - III ZR 242/98, BGHZ 145, 316 [331] = BGHReport 2001, 25; Urt. v. 22.1.1997 - VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713, unter II, 3).
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht als selbstverständlich davon ausgegangen, dass ein Zwangsverwalter im Rahmen seiner Befugnisse aus § 152 Abs. 1 ZVG als gesetzlicher Prozessstandschafter des Zwangsverwaltungsschuldners in eigenem Namen die materiellen Rechte des Schuldners geltend machen und im Interesse des von ihm verwalteten Teils des Schuldnervermögens Prozesse führen kann. Dem entspricht es, dass Ansprüche, die das von ihm verwaltete Vermögen des Schuldners betreffen, gegen ihn zu richten und ggf. im Klagewege durchzusetzen sind. Bei der gesetzlichen Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 21.10.1992 - XII ZR 125/91, MDR 1993, 476 = NJW-RR 1993, 442, unter 1; Urt. v. 24.9.1996 - XI ZR 185/94, WM 1996, 2247, unter I 1b m.w.N.). In Abweichung von § 559 Abs. 1 ZPO hat das Revisionsgericht selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Prozessstandschaft erfüllt sind (BGH, Urt. v. 10.11.1999 - VIII ZR 78/98, MDR 2000, 294 = NJW 2000, 738, unter II 2). Dabei sind auch in der Revision neu vorgetragene Tatsachen zu berücksichtigen (BGH v. 19.3.1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217 [219] = MDR 1987, 824). Nach dem Vorbringen des Beklagten in der Revisionserwiderung hat das AG Schöneberg das Zwangsverwaltungsverfahren mit Beschluss v. 4.11.2002 aufgehoben, da im Zwangsversteigerungsverfahren rechtskräftig der Zuschlag erteilt worden war. Dies hat die Klägerin nicht bestritten. Das Zwangsverwaltungsverfahren ist damit nach Anhängigkeit der Klage, die am 30.9.2002 durch Einreichung der Klageschrift bei Gericht eingetreten ist, aber vor deren Zustellung an den Beklagten am 27.12.2002 aufgehoben worden.
2. Grundsätzlich müssen die Tatsachen, aus denen sich eine Prozessstandschaft ergibt, spätestens zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben (BGH, Urt. v. 10.11.1999 - VIII ZR 78/98, MDR 2000, 294 = NJW 2000, 738, unter II, 2 für die gewillkürte Prozessstandschaft). Das ist hier nicht der Fall. Die Prozessführungsbefugnis des beklagten Zwangsverwalters ist jedenfalls zu diesem Zeitpunkt entfallen, weil sie auf Grund einer Zwangsversteigerung des beschlagnahmten Grundstücks wieder aufgehoben worden ist. Mit dem Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses verliert der Zwangsverwalter seine ihm kraft hoheitlichen Amtes übertragenen Befugnisse. Zwar hat er die vorangegangene Verwaltung noch abzuwickeln, die Schlussrechnung zu erstellen und die in seinem Besitz befindlichen Gegenstände an die Berechtigten herauszugeben. Offene Forderungen kann er jedoch weder einziehen noch einklagen, denn mit dem Erlöschen der Beschlagnahme endet die Befugnis des Vollstreckungsgerichts und damit auch die des von ihm eingesetzten Zwangsverwalters. Auf den Erwerber eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung geht das Eigentum an diesem Grundstück mit Erteilung des Zuschlags kraft Gesetz über (§§ 146 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG). Er kann bei bestehenden Mietverhältnissen von dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Aufhebung der Beschlagnahme an alle Rechte als Vermieter wahrnehmen und seine Pflichten aus dem Mietverhältnis uneingeschränkt erfüllen. Dies gilt auch für Ansprüche des Mieters, die vom Zwangsverwalter nicht erfüllt worden sind und die gegen den Erwerber nach Maßgabe der §§ 566 bis 567 BGB (§§ 571 bis 579 BGB a.F.) i.V.m. § 57 ZVG gerichtet werden können. Demgegenüber erfordert es die Pflicht des Zwangsverwalters, nach dem Ende der Zwangsverwaltung seine Geschäfte ordnungsgemäß abzuwickeln, nicht, ihn in diesen Fällen noch nachwirkend als Partei kraft Amtes anzusehen. Ebenso wenig besteht ein praktisches Bedürfnis, neben dem Erwerber oder dem Zwangsvollstreckungsschuldner auch den ehemaligen Zwangsverwalter gerichtlich in Anspruch nehmen zu können.
Ob ein Zwangsverwalter, obwohl er nach allgemeinen Grundsätzen nicht mehr zur Prozessführung berechtigt wäre, zur Fortführung bereits rechtshängiger Prozesses befugt ist, wenn die Zwangsverwaltung nach Eintritt der Rechtshängigkeit im Laufe des Prozesses auf Grund einer Zwangsversteigerung des beschlagnahmten Grundstücks aufgehoben wird, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. für in seiner Amtszeit entstandene Mietrückstände BGH, Beschl. v. 7.2.1990 - VIII ZR 98/89, WM 1990, 742, unter 2; Urt. v. 21.10.1992 - XII ZR 125/91, MDR 1993, 476 = NJW-RR 1993, 442; abgelehnt für den Fall der Antragsrücknahme durch den betreibenden Gläubiger BGH v. 8.5.2003 - IX ZR 382/00, BGHZ 155, 38; vgl. für einen Passivprozess KG v. 15.3.2000 - 24 W 6527/98, KGReport Berlin 2001, 226). Gleiches gilt für die - sich hier nicht stellende - Frage, ob ein Zwangsverwalter ausnahmsweise nach Aufhebung der Zwangsverwaltung noch neue Rechtsstreitigkeiten anhängig machen kann, falls dies zur Abwicklung der Zwangsverwaltung erforderlich ist (BGH, Urt. v. 27.1.1954 - VI ZR 257/52, ZMR 1954, 172, unter 1; BAG, Urt. v. 9.1.1980 - 5 A ZR 21/78, AP § 613a BGB Nr. 19, unter I 3b; Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, Bd. 2, 7. Aufl., Muster 165 Anm. 4, S. 946; Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 17. Aufl., § 161 Rz. 7.1.; enger LG Frankfurt/M. v. 12.10.1999 - 2/11 S 107/99, Rpfleger 2000, 30, mit zust. Anm. Haarmeyer; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 7 ZwVerwV Rz. 4, 8; Wrobel, KTS 1995, 19 [34 ff.]). Jedenfalls dann, wenn die Zwangsverwaltung vor Rechtshängigkeit, wenn auch möglicherweise nach Anhängigkeit des Verfahrens, aufgehoben ist, können Forderungen, die in Bezug auf das Schuldnervermögen erhoben werden, nicht mehr gegen den Verwalter gerichtlich geltend gemacht werden. Der Versuch eines Zugriffs auf das Schuldnervermögen durch ein gegen den Zwangsverwalter gerichtetes Verfahren setzt zumindest voraus, dass das Verfahren noch wirksam gegen ihn in seiner Funktion als Amtsträger in Gang gesetzt worden war.
3. Der Umstand, dass der Zeitpunkt der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses unklar ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar bringt die Revision zu Recht vor, dass der Beschluss, mit dem die Zwangsverwaltung aufgehoben wird, regelmäßig erst mit der zuletzt erfolgten Zustellung an diejenigen Beteiligten, an die zuzustellen war (§§ 161 Abs. 4, 32 ZVG), wirksam wird (Steiner/Riedel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 8. Aufl., Bd. III, § 161 Bem. 9/6; Morvilius, Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung, Teil B, Rz. 244; Wrobel, KTS 1995, 19 [35]). War der Aufhebungsbeschluss erst nach Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage dem Zwangsverwaltungsschuldner oder den das Verfahren betreibenden Gläubigern zugestellt worden, so dauerte das Zwangsverwaltungsverfahren mangels wirksamen Aufhebungsbeschlusses im Zeitpunkt der Zustellung der Klage an den Beklagten noch an. Ob in diesem Fall der Beklagte noch als prozessführungsbefugt anzusehen wäre (vgl. oben zu II, 2), kann jedoch dahinstehen. Denn vorliegend ist weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem sonstigen Vorbringen der Parteien, die hierzu im Revisionsverfahren umfassend Stellung genommen haben, ersichtlich, wann die letzte Zustellung des Aufhebungsbeschlusses an die im Zwangsverwaltungsverfahren Beteiligten erfolgte. Die Beweislast für Tatsachen, die die Prozessvoraussetzungen begründen, obliegt aber derjenigen Partei, die aus der behaupteten Prozessvoraussetzung Rechte für sich herleiten will (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 56 Rz. 9). Somit trägt die Klägerin die Beweislast für eine Prozessführungsbefugnis des Beklagten zur Zeit der Zustellung der Klage an diesen. Die Klägerin hat jedoch nicht vorgetragen, wann der Aufhebungsbeschluss im Zwangsverwaltungsverfahren den dortigen Beteiligten zugestellt wurde. Angesichts der Tatsache, dass der Aufhebungsbeschluss bereits am 4.11.2002 erlassen wurde, die Klage dagegen dem Beklagten erst am 27.12.2002 zugestellt wurde, spricht sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Aufhebungsbeschluss vor Rechtshängigkeit der Klage zugestellt wurde und damit wirksam geworden ist. Dieser Umstand geht zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin, so dass eine Prozessführungsbefugnis des Beklagten bereits im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klägerin gefehlt hat.
4. Da die Klägerin in dem Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie gem. § 91 Abs. 1 ZPO dessen Kosten grundsätzlich zu tragen. Davon ausgenommen sind die Kosten der Rechtsmittelverfahren, die dem Beklagten zur Last fallen (§ 97 Abs. 2 ZPO).
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind dem Beklagten die gesamten Kosten nicht in sinngemäßer Umkehrung des § 93 ZPO aufzuerlegen. Zwar soll nach einer teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht der Beklagte die Kosten tragen, wenn der Kläger sofort nach dem Zeitpunkt, in dem seine bis dahin objektiv begründete Klage unbegründet wurde, sein Begehren darauf beschränkt, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen (OLG Frankfurt v. 26.1.1993 - 6 W 123/92, OLGReport Frankfurt 1993, 202 = NJW-RR 1994, 62). Die Berechtigung einer derartigen Analogie kann hier jedoch dahinstehen. Zum einen hat die Klägerin ihr Begehren nicht derart beschränkt. Zum anderen ist der vorliegende Fall, dass eine Partei im Rechtsmittelverfahren auf Grund neuen Vorbringens obsiegt, ausdrücklich in § 97 Abs. 2 ZPO geregelt. Danach fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise zu Last, wenn sie auf Grund neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war. Als ehemaliger Zwangsverwalter war der Beklagte gehalten, bereits in erster Instanz die Aufhebung der Zwangsverwaltung vorzutragen und ggf. näher zu belegen. Der Beklagte hat auch wegen diesen neuen Vorbringens obsiegt, denn ohne die Aufhebung der Zwangsverwaltung hätte die Klägerin gegen ihn als Zwangsverwalter einen Anspruch auf Auszahlung der Kaution (BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 330/03, z.V.b.) und einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der angefallenen Zinsen besessen, so dass die Klage zulässig und begründet gewesen wäre. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind deshalb nach § 97 Abs. 2 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1381798 |
BGHR 2005, 1275 |
NJW-RR 2006, 138 |
NZM 2006, 312 |
ZIP 2005, 1659 |
ZfIR 2006, 484 |
InVo 2006, 76 |
MDR 2005, 1306 |
NJ 2005, 502 |
WuM 2005, 463 |
MietRB 2005, 282 |
NJW-Spezial 2005, 438 |
MK 2005, 178 |