Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Umdeutung eines nach BGB § 1365 unwirksamen Kaufvertrags in einem Erbvertrag
Leitsatz (amtlich)
a) Bei der Abwägung, ob ein veräußerter Gegenstand, verglichen mit dem restlichen Vermögen, im wesentlichen das gesamte Vermögen des verfügenden Ehegatten darstellt, ist der Wert nicht nur der ihm verbleibenden Vermögensstücke, sondern auch des veräußerten Gegenstandes um die darauf ruhenden dinglichen Belastungen zu vermindern.
b) Bei kleinen Vermögen ist der Tatbestand des § 1365 BGB grundsätzlich nicht erfüllt, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von 15 % seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben.
c) Eine nach § 1365 unwirksame Verfügung wird nicht dadurch wirksam, daß der zustimmungsberechtigte Ehegatte Miterbe des Verfügenden wird. Ob dies auch gilt, wenn er Alleinerbe wird, bleibt offen.
Zur Umdeutung eines nach § 1365 BGB unwirksamen notariellen Kaufvertrages in einen Erbvertrag.
Normenkette
BGB §§ 1365-1366, 140
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 13.12.1977) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 13. Dezember 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Witwe des am 6. Juli 1968 verstorbenen Gastwirts Arthur Ernst S. (im folgenden: Erblasser), die Beklagte seine Tochter aus erster Ehe. Der Erblasser hinterließ keine Verfügung von Todes wegen. Er lebte mit der Klägerin im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bei seinem Tode schwebte zwischen den Eheleuten ein Ehescheidungsverfahren.
Durch notariellen Vertrag vom 8. Mai 1964 verkaufte der Erblasser das ihm gehörende Hausgrundstück B. U. straße 26 an die Beklagte und ließ es ihr auf. Die Beklagte wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin in die Veräußerung eingewilligt hat; eine ausdrückliche Einwilligungserklärung liegt nicht vor. Ein Antrag der Beklagten an das Vormundschaftsgericht, die Zustimmung der Klägerin zu der Veräußerung zu ersetzen, blieb in drei Rechtszügen erfolglos. Über einen erneuten Antrag der Beklagten auf Ersetzung der Zustimmung ist noch nicht abschließend entschieden.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe den Erblasser neben der Beklagten zur Hälfte beerbt. Zum Nachlaß gehöre das Grundstück B., U. straße 26, weil der Erblasser außer diesem Grundstück kein nennenswertes Vermögen besessen und sie in die Veräußerung nicht eingewilligt habe. Sie begehrt von der Beklagten Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs und im Wege der Stufenklage Rechnungslegung über die Verwaltung des Grundstücks sowie Hinterlegung der Überschüsse. Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, die Klägerin sei nicht Erbin geworden, weil das Scheidungsbegehren des Erblassers wegen von ihr begangener schwerer Eheverfehlungen begründet gewesen sei. Der notarielle Vertrag vom 8. Mai 1964 habe nicht der Einwilligung der Klägerin bedurft, da der Erblasser nicht Über sein Vermögen im ganzen verfügt habe. Zudem habe sie den Verkauf des Grundstücks durch schlüssiges Verhalten genehmigt.
Das Landgericht hat durch zwei Teilurteile den Anträgen auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung und auf Rechnungslegung stattgegeben. Mit ihren gegen beide Urteile gerichteten Berufungen hat die Beklagte ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiterverfolgt, hilfsweise hat sie gegenüber dem Antrag auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung ein Zurückbehaltungsrecht wegen Ansprüchen auf Erstattung ihrer Aufwendungen und Verwendungen auf das Grundstück sowie auf Mietzins oder Nutzungsentschädigung geltend gemacht. Ferner hat sie im Wege der Zwischenfeststellungswiderklage beantragt festzustellen, daß die Klägerin nicht Miterbin des Erblassers geworden ist, hilfsweise, daß sie verpflichtet sei, gemeinsam mit ihr – der Beklagten – bei dem Vormundschaftsgericht einen Antrag auf Zustimmung zu dem Vertrag vom 8. Mai 1964 zu stellen. Die Berufungen waren einschließlich der Widerklage erfolglos.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihre im Berufungsrechtszug gestellten Anträge weiter, zur Widerklage jedoch nur den Hauptantrag. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte nach § 894 BGB für verpflichtet gehalten, der Berichtigung des Grundbuchs zuzustimmen, da nicht sie allein, sondern die aus beiden Parteien bestehende Erbengemeinschaft nach dem Erblasser Eigentümer des Grundstücks sei.
1. Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, das Grundstück B., U. straße 26 sei in den Nachlaß des Erblassers gefallen. Die Veräußerung an die Beklagte sei nach §§ 1365, 1366 BGB mangels Genehmigung durch die Klägerin unwirksam, weil der Erblasser damit über nahezu sein gesamtes Vermögen verfügt habe. Das Hausgrundstück und die darauf betriebene Gaststätte seien die wirtschaftliche Grundlage der Ehegatten gewesen, während eine Lebensversicherung des Erblassers, deren Wert weniger als 10 % seines Gesamtvermögens ausgemacht habe, wirtschaftlich nur von untergeordneter, nebensächlicher Bedeutung gewesen sei.
Diese Auffassung ist nicht frei von rechtlichen Bedenken.
a) Das Berufungsgericht ist von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausgegangen, daß nach § 1365 Abs. 1 BGB nicht nur solche Geschäfte eines Ehegatten der Einwilligung des anderen bedürfen, die auf die Übertragung seines gesamten Vermögens als solchen gerichtet sind, sondern auch Verträge über die Veräußerung eines einzelnen Vermögensgegenstandes, sofern das Objekt der Veräußerung im wesentlichen das ganze Vermögen des Veräußerers darstellt und der Vertragspartner dies weiß oder zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen es sich ergibt (BGHZ 35, 135, 143; 43, 174 f., 177; 64, 246, 247). Diese Grundsätze, von denen abzugehen kein Anlaß besteht, werden von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
b) Zum Vermögen des Erblassers gehörte außer dem Grundstück unstreitig eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von damals 8.500 DM. Bei der Prüfung, ob das Grundstück trotzdem „im wesentlichen” das Vermögen des Erblassers darstellte, hat das Berufungsgericht den von dem Sachverständigen F. in seinem Gutachten vom 24. März 1976 ermittelten Verkehrswert von 99.000 DM abzüglich eines Betrages von 11.890,96 DM für Erschließungskosten zugrunde gelegt, hat also dieses Vermögensstück mit 87.109,44 DM bewertet. Die Bewertung wird von der Revision nicht angegriffen und ist daher für das Revisionsverfahren zugrunde zu legen.
Die Revision macht jedoch geltend, von dem Verkehrswert des Grundstücks seien außer den Erschließungskosten auch die dinglichen Belastungen abzuziehen, die die Klägerin selbst mit rund 51.000 DM angegeben habe.
Die Rechtsfrage, die die Revision hiermit aufwirft, ist umstritten und in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bisher nicht abschließend geklärt. „Vermögen” im Sinne des § 1365 BGB ist nach ganz herrschender Meinung das Aktivvermögen (Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl. § 35 II 4 S. 475; Soergel/Lange, BGB 10. Aufl. § 1365 Rdn. 8; Staudinger/Thiele, BGB 12. Aufl. § 1365 Rdn. 14 m.w.N.; ebenso für § 419 BGB: BGHZ 62, 100, 101; 66, 217, 220; BGH, Urteil vom 9. März 1972 – III ZR 191/69 BB 1972, 729). Persönliche Verbindlichkeiten bleiben daher bei der Prüfung, ob das Vermögen im ganzen übertragen worden ist, außer Betracht. Etwas anderes gilt aber für dingliche Belastungen von Vermögensgegenständen, wenn – wie im vorliegenden Fall – zu prüfen ist, ob das veräußerte Vermögensstück „im wesentlichen” das gesamte Vermögen darstellt. Im Rahmen dieser Prüfung ist nach – soweit ersichtlich – einhelliger Meinung der Wert der verbleibenden, nicht veräußerten Vermögensstücke um die auf diesen ruhenden Belastungen zu vermindern (Gernhuber, a.a.O. S. 476; derselbe in MünchKomm, § 1365 Rdn. 18; Staudinger/Thiele, a.a.O. Rdn. 28; Staudinger/Felgentraeger, BGB 10./11. Aufl. § 1365 Rdn. 27; Soergel/Lange, a.a.O. Rdn. 16; BGB-RGRK, 12. Aufl. § 1365 Rdn. 4).
Streitig ist indessen, ob auch der veräußerte Gegenstand nur mit dem um die auf ihm ruhenden Belastungen verminderten Wert zu berücksichtigen ist (dafür: Gernhuber, a.a.O.; Staudinger/Thiele, a.a.O.; a.M. BGB-RGRK, a.a.O.). Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Frage bisher lediglich im Rahmen des § 419 BGB Stellung genommen, und zwar dahin, daß die dinglichen Belastungen ohne Einschränkung zu berücksichtigen seien (BGHZ 66, 217, 221; offengelassen noch im Urteil vom 9. März 1972 a.a.O.). Die Grundsätze jener Entscheidung können zur Auslegung des § 1365 BGB nicht ohne weiteres herangezogen werden. Denn sie ist mit dem Zweck des § 419 BGB begründet worden, dem Gläubiger das Vermögen des Schuldners als Zugriffsobjekt zu erhalten (BGHZ 66, 219, 220). Demgegenüber hat § 1365 BGB den Zweck, die wirtschaftlichen Grundlagen des Familienlebens sowie den zukünftigen Zugewinnausgleich zu sichern (Gernhuber, Lehrbuch a.a.O. § 35 I 3 S. 465 f. m.w.N.).
Der erkennende Senat ist jedoch der Auffassung, daß auch bei der nach § 1365 BGB vorzunehmenden Abwägung, ob ein veräußerter Vermögensgegenstand, verglichen mit dem restlichen Vermögen, im wesentlichen das gesamte Vermögen des verfügenden Ehegatten darstellt, der Wert des veräußerten Gegenstandes um die auf ihm ruhenden dinglichen Belastungen zu vermindern ist. Das rechtfertigt sich bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung. Soweit dieser darin besteht, den zukünftigen Zugewinnausgleich zu sichern, ist – ebenso wie im Rahmen des § 419 BGB – von ausschlaggebender Bedeutung, daß die dinglichen Belastungen eines Gegenstandes dessen Wert als Zugriffsobjekt für andere, an dem Gegenstand nicht oder nachrangig gesicherte Gläubiger mindert (vgl. BGHZ 66, 217, 220 f.). Denn als ein solcher anderer Gläubiger kommt auch der Ehegatte des Verfügenden wegen eines Anspruchs auf Ausgleich des Zugewinns in Betracht. Ob die Sicherung des zukünftigen Zugewinnausgleichs es verlangt, die Verfügung über einen einzelnen Vermögensgegenstand dem Zustimmungserfordernis nach § 1365 BGB zu unterwerfen, kann daher nicht ohne Berücksichtigung der auf dem Gegenstand ruhenden dinglichen Belastungen beurteilt werden.
Soweit § 1365 BGB den Sinn und Zweck hat, die wirtschaftlichen Grundlagen des Familienlebens zu sichern, ist von Bedeutung, daß dingliche Belastungen eines Vermögensgegenstandes dessen Verwertbarkeit auch für den Eigentümer selbst beeinträchtigen. Denn dieser kann sich durch eine Veräußerung des belasteten Gegenstandes nur den Teil des Gegenwertes verschaffen, der die Belastungen übersteigt. Ferner kommt der belastete Gegenstand als Kreditunterlage nur insoweit in Betracht, wie die Belastungen seinen Wert nicht ausschöpfen. Mithin wird die Eignung eines Vermögensgegenstandes zur wirtschaftlichen Grundlage des Familienlebens durch auf ihm ruhende Belastungen berührt und ist um so geringer, je höher diese sind. Für die Entscheidung, ob durch die Veräußerung des Gegenstandes über das Vermögen im ganzen verfügt wird, sind daher auch im Hinblick auf den hier erörterten Gesetzeszweck die auf ihm ruhenden Belastungen erheblich.
Die Grundpfandrechte, die bei Abschluß des Kaufvertrages vom 8. Mai 1964 an dem Grundstück bestanden, hat die Klägerin selbst mit 51.547,74 DM angegeben (Schriftsatz vom 14. Januar 1975). Dabei hat sie allerdings offen gelassen, ob diese Belastung noch valutiert gewesen sei. Da die Beklagte aber die Angabe der Klägerin über die Belastung des Grundstücks aufgegriffen und das Berufungsgericht zur Valutierung keine Feststellungen getroffen hat, ist für das Revisionsverfahren von dinglichen Belastungen in der genannten Höhe auszugehen. Bei der Prüfung, ob das Grundstück im wesentlichen das ganze Vermögen des Erblassers darstellte, ist daher von dessen vom Berufungsgericht festgestelltem Wert von 87.109,44 DM der Betrag von 51.547,74 DM abzusetzen, so daß ein Wert von 35.561,70 DM verbleibt.
c) Der Wert des aus dem Grundstück und der Lebensversicherung bestehenden Vermögens des Erblassers belief sich hiernach auf (35.561,70 DM + 8.500 DM =) 44.061,70 DM. Der Anteil der Lebensversicherung beläuft sich dann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf weniger als 10 %, sondern auf fast 19,3 % des Gesamtvermögens. Bei einem solchen Wertverhältnis kann nach Ansicht des erkennenden Senats nicht davon gesprochen werden, das Grundstück habe im wesentlichen das ganze Vermögen des Erblassers dargestellt.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das insbesondere gerade auf die Bedeutung des Hausgrundstücks und der darauf betriebenen Gaststätte als wirtschaftliche Grundlage der Ehe abgestellt hat, muß in diesem Zusammenhang allein von dem objektiven Wertverhältnis ausgegangen werden (ebenso Gernhuber, Lehrbuch a.a.O. § 35 II 4 S. 476). Eine Berücksichtigung des besonderen „individuellen” Wertes, den ein Vermögensgegenstand gerade für die Ehe des Eigentümers hat, würde in die Beurteilung erhebliche Unsicherheiten hineintragen und in vielen Fällen gar nicht überzeugend möglich sein. Die Vorschrift des § 1365 BGB verlangt aber eine möglichst sichere Abgrenzung der von dem Zustimmungserfordernis erfaßten Fälle, um Unklarheiten über die Wirksamkeit von Verfügungen, wenn sie schon nicht völlig ausgeschlossen werden können, wenigstens in engen Grenzen zu halten.
Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit gebietet es nach Ansicht des erkennenden Senats ferner, auch für die Abwägung zwischen dem Gesamtvermögen und den dem verfügenden Ehegatten verbleibenden Vermögensstücken Kriterien zu finden, die eine möglichst sichere Unterscheidung zwischen zustimmungspflichtigen und anderen Verfügungen erlauben. Als solches Abgrenzungskriterium bietet sich die Festlegung von Prozentsätzen an. Soweit der Bundesgerichtshof bisher zu § 419 BGB eine andere Auffassung vertreten und ausgeführt hat, unter wirtschaftlicher Betrachtung sei im Einzelfall zu prüfen, ob nach Lage der Dinge von der Übernahme des nahezu gesamten Vermögens gesprochen werden könne (Urteile vom 30. Januar 1958 – III ZR 175/56 – WM 1958, 493, 494; vom 29. April 1964 – VIII ZR 2/63 – WM 1964, 741), kann der erkennende Senat dem für die Vorschrift des § 1365 BGB nicht folgen.
In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum ist bisher schon – bei teilweise abweichenden Ansichten – eine Beurteilung nach festen Prozentsätzen befürwortet worden (vgl. die Nachweise bei Palandt/Diederichsen, BGB 39. Aufl. § 1365 Anm. 2; Gernhuber, Lehrbuch a.a.O. § 35 II 4 S. 475 mit Fn. 22). Die Ansichten über die Höhe der Prozentsätze gehen jedoch weit auseinander. Soweit eine Verfügung über das Vermögen „im ganzen” selbst dann noch bejaht wird, wenn der Wert der verbleibenden Vermögensstücke bis zu 30 % des ursprünglichen Gesamtvermögens ausmacht, hält der erkennende Senat dies für unvereinbar mit dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die nur Verfügungen über das ganze Vermögen erfassen will. Andererseits erscheint die vielfach vorgeschlagene Grenze von 10 % bei einem kleinen Vermögen, wie es hier in Rede steht, zu niedrig angesetzt. Denn dann könnte der Schutz des § 1365 BGB versagen, nur weil Vermögenswerte von der Verfügung ausgespart worden sind, die nach der Verkehrsauffassung und gerade im Hinblick auf den Sicherungszweck der Vorschrift als unwesentlich angesehen werden müssen. Auch bei kleinen Vermögen wie dem des Erblassers ist der Tatbestand des § 1365 BGB grundsätzlich aber dann nicht mehr erfüllt, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von 15 % des ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben. Ob die Grenze bei größeren Vermögen anders zu ziehen ist und – wenn ja – bei welchem Prozentsatz, hat der erkennende Senat in der vorliegenden Sache nicht zu entscheiden, weil das Vermögen des Erblassers den Bereich der hier gemeinten kleinen Vermögen selbst dann nicht überschreiten würde, wenn die auf dem Grundstück ruhenden Belastungen sämtlich und in voller Höhe nicht valutiert gewesen wären.
Nach dem Sachverhalt, den das Revisionsgericht seiner Beurteilung zugrunde zu legen hat, hat der Erblasser daher durch die Veräußerung des Grundstücks nicht im Sinne des § 1365 BGB über sein Vermögen im ganzen verfügt.
2. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Andererseits ist der erkennende Senat nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden.
a) Bisher ist nicht festgestellt, ob und in welcher Höhe die Belastungen des Grundstücks im Zeitpunkt seiner Veräußerung valutiert waren. Auch nach den oben unter 1. c) dargelegten Grundsätzen ist daher beim gegenwärtigen Stand des Rechtsstreits nicht auszuschließen, daß die Veräußerung des Grundstücks den Tatbestand des § 1365 BGB erfüllt.
b) Sollten die weiteren Feststellungen wiederum zu dem Ergebnis führen, daß die Veräußerung des Grundstücks zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Klägerin bedurfte, so ist dieses Erfordernis nicht dadurch entfallen, daß der Erblasser verstorben ist und die Klägerin ihn neben der Beklagten beerbt hat. Das gebietet der Zweck des § 1365 BGB, (auch) den anderen Ehegatten wegen eines künftigen Anspruchs auf Zugewinnausgleich zu sichern. Daß die Durchsetzung seiner Rechte im Einzelfall tatsächlich gefährdet ist, verlangt das Gesetz nicht. Diese Auffassung, der bereits das Berufungsgericht gefolgt ist, entspricht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (OLG Karlsruhe FamRZ 1978, 505, 506; Gernhuber, Lehrbuch a.a.O. § 35 IV 7 S. 491 und MünchKomm, § 1366 Rdn. 35; Beitzke, Familienrecht 21. Aufl. § 14 II 3 S. 91; BGB-RGRK, a.a.O. § 1366 Rdn. 20; Staudinger/Thiele, a.a.O. § 1365 Rdn. 106; Soergel/Lange, a.a.O. § 1366 Rdn. 18; Erman/Heckelmann, BGB 6. Aufl. § 1366 Rdn. 8; Palandt/Diederichsen, a.a.O. § 1366 Anm. 2 b; a.M. – soweit ersichtlich – nur Staudinger/Felgentraeger, a.a.O. § 1365 Rdn. 104, 106). Ob sie auch gilt, wenn der andere Ehegatte den Verfügenden allein beerbt (insoweit abweichend Soergel/Lange, a.a.O.; BGB-RGRK, a.a.O.) braucht in der vorliegenden Sache nicht entschieden zu werden.
3. Für die neue Berufungsverhandlung weist der Senat noch auf folgendes hin:
a) Die Beklagte macht geltend, der Wert des Grundstücks sei dadurch gemindert worden, daß es sich bei den darauf ruhenden Belastungen teilweise um Zwangshypotheken gehandelt habe. Ob dies zutrifft, und zwar obwohl die (valutierten) Belastungen – wie oben unter 1. b) ausgeführt – ohnehin wertmindernd zu berücksichtigen sind, ist eine Tatfrage, die das Berufungsgericht gegebenenfalls erneut wird prüfen müssen. Die Begründung des angefochtenen Urteils, der Sachverständige habe den Grundstückswert in Kenntnis der Belastungen ermittelt, erweckt Bedenken, weil das schriftliche Gutachten des Sachverständigen über die Auswirkungen von Zwangshypotheken auf den Grundstückswert nichts besagt.
b) Da die Revision schon aus den genannten Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, hatte der erkennende Senat nicht zu entscheiden, ob die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Veräußerung des Grundstücks nicht durch schlüssiges Verhalten genehmigt, den Angriffen der Revision standhielte. Die Beklagte wird in der neuen Berufungsverhandlung Gelegenheit haben, ihre Bedenken gegen diese Feststellung vorzutragen.
Dasselbe gilt für die Angriffe der Revision gegen die – weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegenden – Feststellungen des angefochtenen Urteils zur Frage der Verwirkung des Berichtigungsanspruchs.
4. Soweit die Beklagte gegenüber einem Berichtigungsanspruch der Klägerin die Einrede des Zurückbehaltungsrechts wegen eines Anspruchs auf Aufwendungsersatz erhebt, wird das Berufungsgericht sich in der neuen Berufungsverhandlung – falls es darauf ankommt – mit ihrem Hinweis auseinandersetzen müssen, sie habe ihre Gegenansprüche bereits in ihrem Schriftsatz vom 8. Februar 1975 (S. 6) geltend gemacht, das Landgericht habe die Einrede daher nicht als verspätet zurückweisen dürfen. Auf die Rechtsfrage einzugehen, ob das Berufungsgericht im vorliegenden Fall § 528 Abs. 3 n.F. ZPO anwenden durfte, besteht daher derzeit kein Anlaß.
II.
Soweit das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Rechnungslegung für begründet erachtet hat, kann seine Entscheidung aus denselben Gründen wie die über den Berichtigungsanspruch keinen Bestand haben.
III.
Das Berufungsgericht hat die Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten abgewiesen, da die Klägerin nach §§ 1931 Abs. 1 und 3, 1371 Abs. 1 BGB neben der Beklagten Miterbin zu 1/2 geworden sei. Der Kaufvertrag vom 8. Mai 1964 sei nicht in einen Erbvertrag umzudeuten, durch den die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Sie habe ferner nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht, daß die vom Erblasser erhobene Ehescheidungsklage wegen schwerer Eheverfehlungen der Klägerin begründet gewesen und deren Erbrecht daher nach § 1933 a.F. BGB ausgeschlossen sei.
Auch insoweit hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugrunde gelegt, wonach ein nach § 1365 BGB unwirksamer Vertrag grundsätzlich nach § 140 BGB in einen Erbvertrag umgedeutet werden kann (Urteil vom 13. November 1963 – V ZR 56/62 – NJW 1964, 347, 348). Es hat Jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen zu können geglaubt, daß der Erblasser und die Beklagte den Abschluß eines Erbvertrages gewollt hätten, wenn sie zur Zeit des Vertragsschlusses die Unwirksamkeit des Kaufvertrages gekannt hätten.
Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision haben allerdings nicht schon deshalb Erfolg, weil bisher nicht feststeht, ob der Vertrag vom 8. Mai 1964 unwirksam ist. Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, schon vor der Klärung dieser Frage festzustellen, daß im Falle der Unwirksamkeit des Vertrages eine Umdeutung ausscheidet. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht diese seine Feststellung begründet hat, begegnen jedoch rechtlichen Bedenken.
Das Berufungsgericht hat eine Umdeutung davon abhängig gemacht, ob der Erblasser und die Beklagte den Abschluß eines Erbvertrages gewollt hätten, wenn sie die Unwirksamkeit des Kaufvertrages gekannt hätten. Der hypothetische Wille der Vertragschließenden ist Jedoch regelmäßig anzunehmen, wenn durch das andere Rechtsgeschäft derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht wird wie durch das nichtige (vgl. BGHZ 19, 269, 273). Das bedeutet freilich nicht, daß eine Umdeutung immer schon dann vorzunehmen ist, wenn das andere Geschäft objektiv vernünftig war. Vielmehr darf sie sich nicht in Widerspruch zum Parteiwillen setzen (vgl. BGHZ a.a.O.). Einen der Umdeutung in einen Erbvertrag entgegenstehenden Willen der Vertragschließenden hat das Berufungsgericht Jedoch nicht festgestellt, so daß einer Prüfung, ob sie bei Unwirksamkeit des Kaufvertrages das mit diesem erstrebte Ziel wirtschaftlich auch durch einen Erbvertrag erreicht hätten, nichts im Wege gestanden hätte. Der erkennende Senat kann daher nicht ausschließen, daß das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung von unzutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist.
Außerdem rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht bei seiner Feststellung entgegen § 286 ZPO den Prozeßstoff nicht voll ausgeschöpft hat. Es hat seine Würdigung insbesondere darauf gestützt, daß die Beklagte im Kaufvertrag die sofortige selbstschuldnerische Haftung für die auf dem Grundstück ruhenden Grundschulden und Hypotheken in Höhe von insgesamt 51.547,74 DM Übernommen, weitere 17.000 DM gezahlt und sich zur Zahlung restlichen Kaufpreises von 1.452,26 DM bis zum 8. Juli 1964 verpflichtet habe. Es hat gemeint, es könne nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die Beklagte diese Verpflichtungen auch übernommen hätte, wenn ihr das Eigentum an dem Grundstück erst nach dem Tode des Erblassers zufiel. Wie die Revision mit Recht rügt, ist dabei nicht beachtet, daß der Betrag von 17.000 DM bei Vertragsschluß bereits gezahlt war, ohne daß feststeht, daß die Beklagte diese Zahlungen gerade und nur im Hinblick auf den bevorstehenden Abschluß des Kaufvertrages erbracht hat. Wie oben unter I. 2. a) schon ausgeführt worden ist, ist ferner bisher nicht festgestellt, ob und in welcher Höhe die auf dem Grundstück ruhenden Grundpfandrechte bei Vertragsschluß valutiert waren. Insgesamt kann derzeit nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß der Abschluß eines Erbvertrages vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung und damit dem maßgebenden hypothetischen Parteiwillen entsprach, wenn der geschlossene Kaufvertrag sich als unwirksam erwies.
2. Scheidet eine Umdeutung auch bei erneuter Beurteilung aus und greift daher die gesetzliche Erbfolge ein, so sind gegen die angefochtene Entscheidung weitere Bedenken nicht zu erheben. Bei der Prüfung, ob das Erbrecht der Klägerin nach dem Erblasser gemäß § 1933 BGB ausgeschlossen ist, ist das Berufungsgericht zutreffend von der bis zum Inkrafttreten des 1. EheRG am 1. Juli 1977 geltenden Fassung des Gesetzes ausgegangen. Seine Feststellung, schwere Eheverfehlungen der Klägerin (§ 43 a.F. EheG) seien nicht erwiesen, ist von der Revision nicht angegriffen worden.
Unterschriften
Grell, Knüfer, Lohmann, Seidl, Blumenröhr
Fundstellen
BGHZ, zu |
Nachschlagewerk BGH, zu |
DNotZ 1981, 43 |
JZ 1980, 685 |