Orientierungssatz
Der ausgeschiedene Gesellschafter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage einer Abschichtungsbilanz, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag sein Abfindungsanspruch auf den Buchwert seines Anteils beschränkt ist.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Oktober 1979 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war Kommanditistin der Metallwerke Gust. I.. Sie ist durch eigene Kündigung zum 51. Dezember 1976 aus dieser Gesellschaft aus geschieden. Nunmehr verlangt sie von der Beklagten, der Komplementär-GmbH, die Vorlage einer die wahren Werte des Unternehmens ausweisenden Abschichtungsbilanz. Dabei stützt sie sich auf § 8 des Gesellschaftsvertrages, der auszugsweise lautet:
(1) Die Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Gesellschafter hat die Auflösung der Gesellschaft nicht zur Folge. Der Gesellschafter kann nur die Auszahlung des Wertes seines Guthabens und des auf ihn entfallenden Gewinnanteils verlangen.
(4) Der Ausscheidende wird für den Wert seines Auseinandersetzungsguthabens abgefunden. Die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens und des Guthabens auf seinem Privatkonto an den ausscheidenden Gesellschafter hat grundsätzlich in einem Zeitraum von drei Jahren nach dem Ausscheiden des Gesellschafters zu erfolgen. …
Die Beklagte entnimmt dieser Fassung des Gesellschaftsvertrages und anderen Umständen, die Klägerin habe nur Anspruch auf die zuletzt auf ihrem Kapital- und ihrem Darlehnskonto aus gewiesenen Beträge sowie auf ihren Anteil am Gewinn des Jahres 1976, so daß eine Abschichtungsbilanz nicht erforderlich sei.
Die Vorinstanzen haben die Beklagte antragsgemäß zur Vorlage der Abschichtungsbilanz verurteilt. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Klägerin aufgrund des Gesellschaftsvertrages Anspruch auf Abfindung nach dem vollen Wert des lebenden Unternehmens oder nur auf Abfindung nach dem Buchwert (einschließlich des Anteils an den offenen Rücklagen und ihres Gewinnanteils für 1976) hat oder ob der Gesellschaftsvertrag insoweit auslegungsunfähig ist: Die Vorlage einer den Erfordernissen des § 758 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechenden Abschichtungsbilanz könne die Klägerin schon deshalb verlangen, weil sie wissen müsse, ob sie auch bei gesellschaftsvertraglicher Beschränkung ihres Abfindungsanspruchs auf den Buchwert wenigstens mit Rücksicht auf unvorhergesehene Wertveränderungen des Gesellschaftsvermögens eine höhere Abfindung verlangen könne.
Mit dieser Begründung läßt sich – wie die Revision zutreffend rügt – die Verurteilung der Beklagten zur Vorlage einer Abschichtungsbilanz nicht halten. Der Anspruch der Klägerin wäre allerdings ohne weiteres begründet, wenn der Gesellschaftsvertrag – wofür hier vieles spricht – eine vollwertige Abfindung vorsähe. Aber er ist unbegründet, wenn sie nur den Buchwert des Anteils zu beanspruchen hat, was grundsätzlich rechtswirksam vereinbart werden kann (vgl. u.a. die Senatsurteile vom 23. 10. 1972 – II ZR 31/70 = WM 1975, 526 unter II 2 und vom 29. 5. 1978 – II ZR 52/77 = WM 1978, 1044 unter II 2). Denn wenn sich der Anspruch schon aus der Jahresbilanz (oder einer entsprechend aufgestellten Zwischenbilanz) ermitteln läßt, ist der Aufwand für eine Vermögensbilanz überflüssig. Da das Berufungsgericht die Abfindungsklausel in dieser Hinsicht nicht ausgelegt hat und wegen des bislang nicht aufgeklärten Parteivortrags eine abschließende Beurteilung in der Revisionsinstanz nicht möglich ist, muß der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit das nachgeholt wird.
Mit der bloß theoretischen Möglichkeit, daß auch bei vereinbarter Buchwertklausel gemäß § 242 BGB eine höhere Abfindung in Betracht kommen kann, wenn nämlich Buchwert und realer Wert in einem bei Vertragschluß ganz unvorhergesehenen Maße auseinanderklaffen (vgl. u.a. BGH v. 23. 10. 1972 a.a.O.; Übersicht bei Ulmer, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Anm. 36 ff. m. w. N.), läßt sich ein Anspruch auf Vorlage einer Abschichtungsbilanz nicht begründen. Ein dahingehender Anspruch setzt vielmehr voraus, daß der ausgeschiedene Gesellschafter Tatsachen behauptet und im Streitfalle beweist, die eine solche Möglichkeit zumindest nahelegen. Dazu ist er auch in der Lage. Denn während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft kann er sich auf Grund seiner Kontrollrechte (§ 166 HGB) ein Bild von der Entwicklung des Gesellschaftsvermögens, insbesondere der stillen Reserven und des Firmenwertes machen, und auch nach seinem Ausscheiden kann er seine Kenntnisse insoweit noch ergänzen (§ 810 BGB). Die Klägerin hat aber keine Tatsachen vorgetragen, die die Annahme nahelegen könnten, ihre Abfindung nach dem Buchwert bleibe in unangemessener Weise hinter ihrem Anteil am wahren Wert des Unternehmens zurück. Darum muß das Berufungsgericht prüfen, ob die Klägerin nach dem Gesellschaftsvertrag vom vollen oder nur vom Buchwert des Unternehmens (einschließlich ihres Anteils am Gewinn und an den offenen Rücklagen) abzufinden ist.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Dr. Kellermann, Bundschuh, Dr. Skibbe
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.09.1980 durch Kaufmann Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen