Leitsatz (amtlich)
Bei einer Lebensversicherung auf den Tod eines anderen erfordert die Änderung der Bezugsberechtigung im Todesfall in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG die schriftliche Einwilligung der versicherten Person. Entsprechend § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG kann jedenfalls der für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge bestellte Betreuer der versicherten Person diese bei Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, wenn die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten geändert werden soll.
Normenkette
BGB § 1908i Abs. 1 S. 1 in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung, §§ 1857a, 1852 Abs. 2 S. 1, § 1831 S. 1, § 1812 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 164 Abs. 1 S. 1 in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, § 126 Abs. 3 in der bis zum 31.7.2001 geltenden Fassung; VVG § 159 Abs. 2 S. 1 in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, S. 2 in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 12.03.2018; Aktenzeichen 11 U 64/17) |
LG Braunschweig (Urteil vom 15.03.2016; Aktenzeichen 7 O 915/15 (173)) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Braunschweig vom 12.3.2018 insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 70.000 EUR für den 18.5.2015 und aus 70.020,39 EUR für den 24.6.2016 verurteilt worden ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Versicherungsleistungen aus zwei Lebensversicherungen in Anspruch.
Rz. 2
Der Sohn des Beklagten (im Folgenden: Betreuter) hatte diese als Versicherungsnehmer und versicherte Person im Jahr 1989 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) abgeschlossen und seine spätere Ehefrau als Bezugsberechtigte für seinen Todesfall benannt. Im April 1993 fiel er infolge eines Unfalles ins Koma. Der Beklagte wurde zu seinem Betreuer mit den Aufgabenkreisen "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen", "Aufenthaltsbestimmung", "Vermögenssorge" sowie "Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente, Sozialhilfe und Unterhalt" bestellt. Die Ehe des Betreuten wurde im August 1994 geschieden.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 10.10.1994 bat der Beklagte in seiner "Eigenschaft als Betreuer" die Klägerin unter Hinweis auf die Ehescheidung, ihn selbst bei den Lebensversicherungen als bezugsberechtigte Person einzutragen, und erklärte, dass nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres die Tochter des Betreuten bezugsberechtigt sein solle. Die Klägerin teilte dem Beklagten durch Schreiben vom 18.10.1994 mit, ihn als widerruflich bezugsberechtigt vorgemerkt zu haben.
Rz. 4
Der Betreute verstarb Ende des Jahres 2011. Alleinerbin ist seine Tochter.
Rz. 5
Auf Antrag des Beklagten zahlte die Klägerin die Versicherungsleistungen i.H.v. 27.323,30 EUR an ihn und i.H.v. 42.697,09 EUR an ein Bestattungsinstitut aus, welches nach Abzug der für die Beerdigung des Betreuten angefallenen Kosten 39.499,22 EUR an den Beklagten weiterleitete.
Rz. 6
Im Jahr 2013 verlangte die geschiedene Ehefrau des Betreuten von der Klägerin die Auszahlung der Versicherungsleistungen. Dem kam die Klägerin nach. In der Folge forderte sie den Beklagten mehrfach zur Rückzahlung der ausgezahlten Beträge auf.
Rz. 7
Der Beklagte hat behauptet, der Betreute habe seit dem Unfall an einem sog. Locked-In-Syndrom gelitten. Er habe durch Augenkontakt mit seiner Umwelt kommunizieren können. Auf diese Weise habe der Betreute ihn mit der Änderung der Bezugsrechte aus den Lebensversicherungen beauftragt.
Rz. 8
Das LG hat die ursprünglich auf Zahlung von 70.000 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Hauptforderung auf 70.020,39 EUR erhöht. Das OLG hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Mit der vom OLG zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der im Berufungsverfahren erweiterten Klage.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Das Rechtsmittel hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Rz. 10
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.
Rz. 11
Der Beklagte habe die Beträge durch Leistungen der Klägerin erlangt. Das gelte auch für den Betrag, den die Klägerin an das Bestattungsinstitut gezahlt habe, da insoweit eine dem Beklagten zuzurechnende Anweisung vorgelegen habe.
Rz. 12
Die Leistungen seien ohne Rechtsgrund erbracht worden. Der Beklagte sei nicht Bezugsberechtigter geworden. Die Bezugsrechtsänderung zu seinen Gunsten sei unwirksam, weil der Beklagte nicht vertretungsbefugt gewesen sei. Die Änderung eines Bezugsrechts sei eine Verfügung und ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Beklagte hätte daher gem. §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1812 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 1831 Satz 1 BGB der vorherigen Genehmigung des Betreuungsgerichts bedurft. Auch eine wirksame Vollmacht habe nicht bestanden, weil eine solche in entsprechender Anwendung des § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. schriftlich oder - angesichts der vorgetragenen körperlichen Beeinträchtigung des Betreuten - in notariell beurkundeter Form hätte erteilt werden müssen. Der Beklagte könne nicht damit gehört werden, lediglich als Bote des Betreuten gehandelt zu haben. Er sei nach außen hin schon nicht als Bote aufgetreten. Überdies fehle es an einer schriftlichen oder notariell beurkundeten Ermächtigung.
Rz. 13
Die Rückzahlungsansprüche seien nicht aufgrund eines Anerkenntnisses der Klägerin ausgeschlossen. Deren Schreiben vom 18.10.1994 könne keine Erklärung entnommen werden, dass sie auf Einwendungen gegen die Bezugsrechtsänderung verzichten wolle.
Rz. 14
Der Beklagte könne den Ansprüchen nicht gem. § 242 BGB entgegenhalten, dass die Klägerin die zurückgeforderten Beträge alsbald im Wege des Schadensersatzes wieder erstatten müsse. Die Klägerin habe keine Schutzpflichten gegenüber dem Beklagten verletzt. Sie habe nicht auf das Erfordernis einer vormundschaftlichen Genehmigung hinweisen müssen, da die Pflichten aus §§ 1812, 1813 BGB allein den Betreuer und das Vormundschaftsgericht träfen. Die Klägerin sei auch nicht gehalten gewesen, den Beklagten über die an eine Vollmacht zu stellenden Anforderungen zu belehren. Der Beklagte habe nicht offengelegt, dass er auch im Auftrag des Betreuten habe handeln wollen. Vielmehr habe er im Schreiben vom 10.10.1994 lediglich auf seine Stellung als Betreuer verwiesen.
Rz. 15
Die Klägerin habe gegen den Beklagten weiter Ansprüche auf Zahlung von Verzugs- und Prozesszinsen.
Rz. 16
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis - bis auf einen Teil des Zinsanspruchs - stand.
Rz. 17
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin den Beklagten gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen kann.
Rz. 18
a) Der Beklagte hat diese ohne rechtlichen Grund erlangt. Ihm stand keine Bezugsberechtigung für die Leistungen aus den Lebensversicherungen zu, da er die ursprünglich zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Betreuten begründeten Bezugsrechte durch sein Schreiben vom 10.10.1994 nicht wirksam dahin geändert hat, dass er bezugsberechtigt wurde.
Rz. 19
aa) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Betreuer keine Befugnis hatte, die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten zu ändern.
Rz. 20
(1) Das folgt allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daraus, dass der Beklagte hierfür nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung i.V.m. § 1812 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (im Folgenden: BGB a.F.) der vorherigen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurft hätte und die Änderung der Bezugsberechtigung ohne eine solche Genehmigung nach § 1831 Satz 1 BGB a.F. unwirksam gewesen wäre. Denn § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. findet auf den Beklagten in Ermangelung einer anderweitigen Anordnung des Vormundschaftsgerichts gem. §§ 1908i Abs. 2 Satz 2, 1857a, 1852 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. keine Anwendung, da er der Vater des Betreuten ist (vgl. BeckOK/BGB/Fröschle, Stand: 1.9.2019 § 1857a Rz. 8, 14; Roth in Erman, BGB, 15. Aufl., § 1908i Rz. 33 f.; Jurgeleit/Meier, Betreuungsrecht 4. Aufl., § 1857a BGB Rz. 1, 8; Jürgens/von Crailsheim, Betreuungsrecht 6. Aufl., § 1857a BGB Rz. 1 f., 5; Bienwald in Staudinger, BGB (2017) § 1908i Rz. 374, 381).
Rz. 21
(2) Die Änderung der Bezugsberechtigung war indes jedenfalls aufgrund des Fehlens einer schriftlichen oder notariell beurkundeten (vgl. § 126 Abs. 3 BGB in der bis zum 31.7.2001 geltenden Fassung) Einwilligung des Betreuten unwirksam.
Rz. 22
(a) Eine solche Einwilligung war hier in analoger Anwendung des § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) erforderlich.
Rz. 23
§ 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bestimmt, dass, wenn die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen wird und die vereinbarte Leistung - wie im Streitfall - den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt, zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich ist. Diese Vorschrift ist hier nicht unmittelbar anwendbar, weil der Beklagte keinen Lebensversicherungsvertrag für den Fall des Todes des Betreuten abgeschlossen hat.
Rz. 24
§ 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. ist jedoch über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden, wenn sein Schutzzweck danach verlangt (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2018 - IV ZR 222/16, BGHZ 219, 142 Rz. 25 zu § 150 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VVG n.F.). Das Einwilligungserfordernis zielt nach der Senatsrechtsprechung darauf ab, die Spekulation mit dem Leben anderer zu unterbinden. Es soll insb. der Gefahr entgegenwirken, die sich daraus ergeben kann, dass der Versicherungsnehmer oder ein sonstiger Beteiligter in der Lage ist, den Versicherungsfall herbeizuführen. Die zu versichernde Person soll sich der Gefährdung bewusst werden und das Risiko abwägen können, das sie mit der Einwilligung auf sich nimmt (Senat, Urt. v. 27.6.2018, a.a.O., Rz. 24 m.w.N.).
Rz. 25
Dementsprechend hat der Senat entschieden, dass § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. analoge Anwendung findet, wenn die versicherte Person zwar zugleich Versicherungsnehmer, am Vertragsschluss aber nicht unmittelbar beteiligt ist (BGH, Urt. v. 9.12.1998 - IV ZR 306/97, BGHZ 140, 167 unter 2c [juris Rz. 15]). Dies ist etwa der Fall, wenn der Lebensversicherungsvertrag durch den Bezugsberechtigten als Vertreter des Versicherungsnehmers, dessen Leben versichert werden soll, abgeschlossen wird, oder wenn ein solcher Versicherungsnehmer den Versicherungsantrag blanko unterschreibt (vgl. BGH vom 9.12.1998, a.a.O.; v. 8.2.1989 - IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465 unter II 2 [juris Rz. 13]). Weiter hat der Senat entschieden, dass jede spätere gewillkürte Änderung des Begünstigten im Todesfall der Einwilligung der versicherten Person bedarf, da eine solche Änderung ihr Risiko betrifft (Senat, Urt. v. 27.6.2018, a.a.O., Rz. 26 m.w.N.).
Rz. 26
Aus diesem Grund ist § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. auch in der hier in Rede stehenden Konstellation analog anzuwenden. Die von dem Beklagten als Betreuer zu seinen Gunsten vorgenommene Änderung der Bezugsberechtigung für den Todesfall betraf das Risiko des Betreuten, dessen Leben versichert war, weil die Person des Bezugsberechtigten geändert werden sollte.
Rz. 27
(b) Die danach erforderliche schriftliche Einwilligung des Betreuten lag nicht vor. Dieser selbst erteilte keine solche Einwilligung. Ob der schriftliche Antrag im Schreiben des Beklagten vom 10.10.1994, die Bezugsberechtigung abzuändern, als Einwilligungserklärung i.S.d. § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. zu qualifizieren ist, kann offenbleiben, da die Erklärung nicht gem. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB für und gegen den Betreuten wirkt. Der Beklagte konnte als Betreuer den Betreuten insoweit nicht wirksam vertreten. Das folgt im Streitfall jedenfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F., so dass nicht entschieden werden muss, ob die Erteilung einer Einwilligung nach § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. überhaupt in den Aufgabenkreis "Vermögenssorge" des Beklagten fiele.
Rz. 28
§ 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. beschränkt die Vertretungsmacht des Betreuers nach § 1902 BGB a.F. (vgl. Winter in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl., § 150 Rz. 47 ff.; MünchKomm/VVG/Heiss, 2. Aufl., § 150 Rz. 32; Schneider in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl., § 150 Rz. 12; BeckOK/BGB/Schmidt-Recla, Stand: 1.7.2019 § 1902 Rz. 86; Roth in Erman, BGB, 15. Aufl., § 1902 Rz. 9; Jürgens/Jürgens, Betreuungsrecht 6. Aufl., § 1902 Rz. 18 f.; Bienwald in Staudinger, BGB (2017) § 1902 Rz. 64). Gemäß § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. kann der Versicherungsnehmer den anderen bei der Erteilung der Einwilligung u.a. dann nicht vertreten, wenn für den anderen ein Betreuer bestellt ist und die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zusteht.
Rz. 29
Wie § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bezweckt die Bestimmung, die versicherte Person vor der Gefahr zu schützen, die sich daraus ergeben kann, dass der Versicherungsnehmer oder ein sonstiger Beteiligter in der Lage ist, den Versicherungsfall herbeizuführen (vgl. Motive zum Versicherungsvertragsgesetz Neudruck 1963 S. 217). § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. soll sicherstellen, dass der gesetzliche Vertreter der versicherten Person von der Vertretung unter allen Umständen ausgeschlossen ist, wenn er selbst als Versicherungsnehmer beteiligt ist und daher - in Ermangelung eines anderen Bezugsberechtigten - vom Todesfall profitieren würde (a.a.O.).
Rz. 30
Dieser Schutzzweck gebietet es, § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. im Streitfall über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden. Der Beklagte würde durch die wirksame Änderung der Bezugsberechtigung aus den Lebensversicherungen begünstigt. Dass er nicht für alle denkbaren, die Person des Betreuten betreffenden Angelegenheiten zu dessen Betreuer bestellt wurde (vgl. hierzu Jürgens/Loer, Betreuungsrecht 6. Aufl., § 1902 Rz. 18), ist nach dem Zweck des § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. hier unerheblich. Der Beklagte wurde u.a. mit dem Aufgabenkreis "Sorge für die Gesundheit einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen" betraut, der im Hinblick auf eine mögliche Spekulation mit dem Leben des Betreuten von besonderer Bedeutung ist.
Rz. 31
bb) Die vom Beklagten in dem Schreiben vom 10.10.1994 erklärte Bezugsrechtsänderung ist auch nicht aufgrund einer vom Betreuten rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht wirksam. Dabei kann offenbleiben, ob ein geschäftsfähiger Betreuter seinem Betreuer überhaupt wirksam Vollmacht erteilen kann (vgl. zum Streitstand BeckOK/BGB/Schmidt-Recla, Stand: 1.7.2019 § 1902 Rz. 35 ff.) und ob sich der Beklagte auf eine Vollmacht stützen könnte, obwohl er die in dem genannten Schreiben enthaltenen Erklärungen ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Betreuer - und nicht: als Bevollmächtigter - abgegeben hat (vgl. hierzu BeckOK/BGB/Müller-Engels, Stand: 1.5.2019 § 1902 Rz. 18; BeckOK/BGB/Schmidt-Recla, Stand: 1.7.2019 § 1902 Rz. 39). Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, fehlt es für eine wirksame Bezugsrechtsänderung durch den Beklagten als rechtsgeschäftlicher Vertreter zumindest an einer schriftlichen oder notariell beurkundeten Vollmacht des Betreuten. Eine solche ist im Anwendungsbereich des § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., der nach dem Gesagten im Streitfall eröffnet ist, erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.1998 - IV ZR 306/97, BGHZ 140, 167 unter 2a [juris Rz. 13]; v. 8.2.1989 - IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465 unter II 2 [juris Rz. 13]; Schneider in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl., § 150 Rz. 15).
Rz. 32
cc) Anders als die Revision meint, stellt sich nicht die Frage, ob der Beklagte die Bezugsrechtsänderung als Bote des Betreuten wirksam hätte vornehmen können. Der Beklagte war kein Bote des Betreuten, weil er die im Schreiben vom 10.10.1994 enthaltenen Erklärungen nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts gegenüber der Klägerin in seiner Eigenschaft als Betreuer und somit als gesetzlicher Vertreter des Betreuten abgegeben hat und sich die Abgrenzung zwischen einem Boten- und einem Vertreterhandeln nicht nach dem Innenverhältnis zum Geschäftsherrn, sondern danach richtet, wie die Mittelsperson nach außen aufgetreten ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.1954 - II ZR 63/53, BGHZ 12, 327, 334 f.; BAGE 125, 208 Rz. 15 ff.; Schubert in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 164 Rz. 72; Staudinger/Schilken, BGB (2014) Vorbemerkungen zu §§ 164 ff. Rz. 74, 76).
Rz. 33
b) Den Rückforderungsansprüchen der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie die Bezugsrechtsänderung durch ihre Schreiben vom 18.10.1994 anerkannt hätte. Das gilt schon deswegen, weil den Schreiben nach der Würdigung des Berufungsgerichts keine Erklärung entnommen werden kann, dass die Klägerin auf Einwendungen gegen die Bezugsrechtsänderung verzichten wollte. Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - nicht zu beanstanden.
Rz. 34
c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, der Beklagte könne den Rückzahlungsansprüchen nicht entgegenhalten, dass die Klägerin verpflichtet wäre, ihm die zurückgeforderten Beträge im Wege des Schadensersatzes wegen Verletzung einer Hinweispflicht wieder zu erstatten. Die Klägerin musste den Beklagten nicht auf das Erfordernis der Einholung einer vormundschaftlichen Genehmigung hinweisen, da eine solche, wie darlegt, nicht erforderlich war. Auch ein Hinweis auf die entsprechend § 159 Abs. 2 VVG a.F. erforderliche schriftliche Einwilligung des Betreuten war nicht geboten. Diese Vorschrift bezweckt den Schutz allein der versicherten Person (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2018 - IV ZR 222/16, BGHZ 219, 142 Rz. 24 f.); der Beklagte als von der Bezugsrechtsänderung potentiell Begünstigter steht außerhalb des Schutzbereichs der Norm. Daran ändert auch der von der Revision hervorgehobene Umstand nichts, dass die Klägerin in dem Schreiben vom 18.10.1994 mitteilte, den Beklagten als widerruflich bezugsberechtigt vorgemerkt zu haben.
Rz. 35
2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin ganz überwiegend zu Recht Ansprüche auf Zahlung von Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen zugesprochen. Entgegen seiner Auffassung besteht die Zinszahlungspflicht aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB allerdings erst ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag (BGH, Urt. v. 10.10.2017 - XI ZR 555/16, NJW 2018, 225 Rz. 21). Nur in diesem Umfang ist die Revision begründet.
Rz. 36
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 13489339 |
NJW 2019, 8 |
NJW 2020, 154 |
FamRZ 2019, 1952 |
MittBayNot 2020, 562 |
WM 2019, 2015 |
ZEV 2020, 50 |
BtPrax 2020, 29 |
JZ 2019, 785 |
JZ 2019, 786 |
MDR 2019, 1503 |
Rpfleger 2020, 71 |
VersR 2019, 1479 |
VuR 2020, 79 |
ZfS 2020, 37 |
ErbR 2020, 65 |
ErbStB 2020, 75 |
FF 2019, 510 |
VK 2020, 57 |
r+s 2019, 718 |
NZFam 2019, 1051 |
SR-aktuell 2020, 10 |