Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls ein vertraglich geregelter Rückzahlungsanspruch des Versicherers wegen zu Unrecht gezahlter Versicherungsleistungen unterliegt der kurzen Verjährung des § 12 VVG.
Die Verjährung beginnt, wenn der Versicherer eine vertraglich vorgesehene Neuberechnung seiner Leistung vornehmen kann.
Die dem VN nach § 70 VAPS gegebene Möglichkeit, sich gegen die Rückforderung mit einem Einspruch zu wenden, kemmt die Verjährung nicht.
Vorausleistungen der Zusatzversorgungsrente braucht der Berechtigte nicht anzunehmen. Deshalb kann der Versicherer mit einer Gegenforderung nicht über den Zeitpunkt ihrer Verjährung hinaus gegen den Rentenanspruch aufrechnen.
Normenkette
VVG § 12; BGB § 202 Abs. 1, § 387
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 15.06.1988) |
LG Stuttgart (Urteil vom 16.07.1987) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juni 1988 teilweise aufgehoben und das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. Juli 1987 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 420 DM nebst 4 % Zinsen seit 6. März 1987 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, von der an die Klägerin auszuzahlenden Rente seit dem 1. April 1987 monatlich einen Betrag von 140 DM einzubehalten.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/6, die Beklagte 5/6.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Witwe des am 2. November 1983 verstorbenen Textilingenieurs Alexander H.. Erben sind die Klägerin und drei seinerzeit minderjährige Kinder.
Alexander H. war als technischer Angestellter der Deutschen Bundespost bei der Beklagten zum Zwecke der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung versichert und bezog von ihr nach Maßgabe ihrer Satzung (VAPS) eine Versorgungsrente. Deren Höhe war abhängig von der. Höhe der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 6. März 1978 wandelte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die an H. zunächst gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres mit Wirkung-ab 1. April 1978 in ein (höheres) Altersruhegeld um. Dem war ein gegen die Beklagte gerichtetes Einspruchsverfahren vorausgegangen, in dem sich H. dagegen gewendet hatte, daß die Beklagte als Folge der Umwandlung der von H. bislang bezogenen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Berufsunfähigkeit in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit einen Rückforderungsanspruch geltend gemacht hatte. Die erneute Veränderung teilte H. der Beklagten nicht mit. Erst als die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Witwen- und Waisenrente stellte, erfuhr die Beklagte im Zuge der Bearbeitung des Antrags von dem Bescheid (Eingang: 23. Januar 1984, Anlage nach GA 20). Die hierauf satzungsgemäß erforderliche Neuberechnung der Rente für die Zeit vom 1. April 1978 bis zum 30. November 1983 ergab eine Überzahlung von 13.058,30 DM an den Verstorbenen. Das teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 25. Juni 1984 mit und behielt von der nunmehr zu zahlenden Witwen- und Waisenrente einen Betrag von 4.290,50 DM ein. Mit Schreiben vom 23. Juli 1984 forderte sie die Klägerin unter Fristsetzung auf, die verbleibenden 8.767,80 DM zu zahlen und wiederholte die Aufforderung mit Schreiben vom 14. Februar 1986. Am 21. Februar und 8. Juli 1986 behielt die Beklagte weitere 1.056,74 DM von Nachzahlungen der Witwen- und Waisenrenten für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Juli 1986 ein (vgl. wegen der Einzelheiten die Berechnung GA 48). Vom 1. Januar bis 30. Juni 1987 behielt sie monatlich einen Betrag von 140 DM der Witwenrente der Klägerin ein.
Die gegen sämtliche als „Bescheide” bezeichneten Schreiben gerichteten Einsprüche der Klägerin wies die Einspruchsstelle zurück, was die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juni 1986 mitteilte.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung dieser Entscheidung und der ihr vorausgegangenen „Bescheide”. Sie erstrebt ferner die Feststellung, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, seit dem 1. Januar 1987 monatlich einen Betrag von 140 DM einzubehalten sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.476/74 DM nebst Zinsen. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist die begehrte Feststellung bezüglich der Höhe der Witwenrente der Klägerin und ihre Zahlungsklage über 1.476,74 DM nebst Zinsen. Der auf Aufhebung von „Bescheiden” gerichtete weitere Klageantrag hat daneben keine selbständige Bedeutung.
2. Die Parteien streiten vor allem darum, ob der Rückforderungsanspruch, für den die Klägerin als Erbin haftet, verjährt ist oder nicht. Das Berufungsgericht hält ihn für nicht verjährt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur vierjährigen Verjährung von Bereicherungsansprüchen des Kreditnehmers auf Rückzahlung geleisteter Zinsen und Kreditkosten bei einem unwirksamen Ratenkreditvertrag komme der Klägerin nicht zugute. Der vorliegende Fall sei eher den Bereicherungsansprüchen wegen Überzahlung von Beamtenbezügen und von Arbeitslohn vergleichbar, für die das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesarbeitsgericht die dreißigjährige Verjährungsfrist zugrunde gelegt hätten.
3. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Rückforderungsansprüche der Beklagten sind zum Teil verjährt.
a) Allerdings unterliegen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung regelmäßig der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Im vorliegenden Fall gilt aber die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 VVG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Rentenberechtigten und den Zusatzversorgungsanstalten zivilrechtlicher Natur und unterliegen den Regeln des Versicherungsvertragsgesetzes. Nach § 12 Abs. 1 VVG gilt für die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag die zweijährige Verjährung.
Zwar hat der II. Zivilsenat in BGHZ 32, 13 angenommen, daß der Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB rechtlich selbständiger Natur sei und daß deshalb ein aus einer nicht geschuldeten Leistung herrührender Bereicherungsanspruch kein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag sei. Gegen diese Entscheidung ist eingewendet worden, sie sei nicht zwingend; die bei § 196 BGB für durchschlagend erachtete ratio legis, daß die im Wirtschaftsleben massenhaft vorkommenden Ansprüche schnell abgewickelt werden sollen, treffe auch hier zu (Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. vor §§ 812 bis 822 Rdn. 12; Prölss/Martin, VVG 24. Aufl. § 12 Anm. 2).
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung des II. Zivilsenats festzuhalten ist. Auch der II. Zivilsenat hat angenommen, daß es Fälle gibt, in denen die Parteien des Versicherungsvertrages schon aufgrund dieses Vertrages zu einer Rückerstattung verpflichtet sind, etwa bei Zahlung unter Vorbehalt einer endgültigen Abrechnung oder vertragsmäßiger Verpflichtung zur Rückzahlung unverdienter Prämien. Bei solchen Rückzahlungsansprüchen handelt es sich auch nach Auffassung des II. Zivilsenats um Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, deren Verjährung sich nach § 12 VVG richtet. So verhält es sich aber hier. Nach § 69 VAPS gelten für die Rückforderung zuviel gezahlter Anstaltsleistungen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) ist ausgeschlossen, wenn die Überzahlung auf vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten des Berechtigten beruht. Die Anstalt kann von der Rückforderung zuviel gezahlter Anstaltsleistungen aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise absehen. Darüber entscheidet bei Beträgen bis zu 3.000 DM der Geschäftsführer, in allen anderen Fällen der Vorstand. Damit enthält die Satzung der Beklagten eine eigene vertragsmäßige Regelung der Rückforderung zuviel gezahlter Anstaltsleistungen, die zwar auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verweist, diese aber auch in zwei wichtigen Punkten abändert. Jedenfalls bei einem hierauf gründenden Rückforderungsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 VVG.
Entgegen der Auffassung der Revision besteht daneben kein gesetzlicher Bereicherungsanspruch nach den §§ 812ff. BGB, der der dreißigjährigen Verjährung unterläge. Der Anspruch aus § 812 BGB ist zwar grundsätzlich nicht subsidiärer Natur; er kann daher auch mit einem vertraglichen Anspruch konkurrieren (Heimann-Trosien in BGB-RGRK, 12. Aufl. Rdn. 19 vor § 812). Er kann jedoch durch das Gesetz oder das Rechtsgeschäft, das den vertraglichen Rückforderungsanspruch gewährt, ausgeschlossen werden; ob das der Fall ist, ist eine Frage der Gesetzes- oder Vertragsauslegung (Heimann-Trosien a.a.O. Rdn. 19, 20). Nach dem Wortlaut des § 69 VAPS und dem Regelungszusammenhang kann kein Zweifel daran bestehen, daß der in dieser Klausel gewährte Rückforderungsanspruch an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung treten, diesen also verdrängen soll.
b) Die Verjährungsfrist beträgt demnach zwei Jahre. Die Verjährung beginnt nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden konnte. Wann die Leistung verlangt werden kann, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, soweit es um Ansprüche des Versicherungsnehmers geht, nicht nach der Entstehung des Anspruchs, sondern nach der in § 11 geregelten Fälligkeit (zuletzt Urteil vom 10. Mai 1983, IVa ZR 74/81 = VersR 1983, 673). Der für Geldleistungen des Versicherers nach § 11 Abs. 1 VVG maßgeblichen Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung nötigen Erhebungen entspricht für die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Versicherungsleistungen der Zeitpunkt, in dem die Beklagte die nach § 53a VAPS erforderliche Neuberechnung der Zusatzrente vornehmen konnte (vgl. Prölss/Martin a.a.O., § 12 Anm. 3 a.E.; ÖOGH SZ 53, 118, 122).
c) Die Beklagte konnte die Zusatzrente erst neu berechnen, nachdem ihr der Änderungsbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, aus dem sich die genaue Höhe des Altersruhegeldes des Verstorbenen ergab, zugegangen war. Das war am 23. Januar 1984. Die Verjährung begann danach mit dem Schluß des Jahres 1984 und war mit dem Ablauf des Jahres 1986 eingetreten.
Eine Unterbrechung der Verjährung ist nicht behauptet. Sie war auch nicht durch das von der Klägerin betriebene Einspruchsverfahren gehemmt. Dieses in den §§ 70ff. VAPS geregelte Verfahren gab der Klägerin die Möglichkeit, sich in einfacher und kostensparender Weise gegen die Rückforderung zur Wehr zu setzen. Die Satzung enthält aber keine Regelung, wonach sie während der Dauer dieses Verfahrens zur Verweigerung der Leistung berechtigt wäre. Dementsprechend behielt die Beklagte auch vor Abschluß dieses Verfahrens nachzuzahlende Hinterbliebenenrentenbeträge zur Verrechnung mit dem Rückforderungsanspruch ein. Die Voraussetzungen einer Hemmung der Verjährung, aus Rechtsgründen nach § 202 Abs. 1 BGB liegen danach nicht vor. Die Beklagte hätte auch während des Einspruchsverfahrens ihre Forderung geltend machen können. Es wäre im übrigen mißlich, wenn sie durch Einfluß auf die Dauer des Einspruchsverfahrens den Eintritt der Verjährung hinausschieben könnte.
d) Bis zum Eintritt der Verjährung hatte die Beklagte gemäß ihrer Aufstellung in ihrem Schriftsatz vom 8. Juli 1987 (GA 48), dem die Klägerin nicht widersprochen hat, außer den zunächst schon einbehaltenen 4.290,50 DM weitere 1.056,74 DM durch Verrechnung mit für die Zeit von 1984 bis zum 31. Juli 1986 angefallenen Witwen- und Waisenversorgungsrentennachzahlungen einbehalten. Insoweit ist der eingeklagte Rentenanspruch der Klägerin, soweit es sich nicht ohnehin um Ansprüche ihrer Kinder handelt, durch Aufrechnung mit der nicht verjährten Gegenforderung erloschen.
Die weiteren mit dem Zahlungsantrag geltendgemachten 420 DM betreffen die in den Monaten Januar bis März 1987 einbehaltenen drei mal 140 DM (sie sind übrigens in dem Feststellungsantrag nochmals enthalten, vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 7. April 1987, Bl. 6 = GA 19). Am 1. Januar 1987 war der restliche Rückforderungsanspruch aber verjährt. Die Beklagte weist zwar in ihrer Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, daß grundsätzlich auch mit einer schon verjährten Forderung aufgerechnet werden kann (§ 390 Satz 2 BGB). Das setzt indessen voraus, daß in noch nicht verjährter Zeit schon eine Aufrechnungsläge bestanden hat. Das war für die seit dem 1. Januar 1987 fällig werdenden Witwenrentenbeträge, gegen die die Beklagte aufgerechnet hat oder noch aufrechnen will, nicht der Fall. Allerdings kann nach § 387 BGB der Gläubiger einer Forderung schon dann aufrechnen, wenn er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Das heißt, die Forderung, gegen die er aufrechnen will, braucht nicht fällig zu sein, sie muß aber erfüllbar sein. Daran fehlt es hier.
Der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, daß gegen künftige private Rühegehaltsraten nur für einen Zeitraum von sechs Monaten aufgerechnet werden kann (Urteil vom 28. Oktober 1971, II ZR 49/70 = NJW 1972, 154). Er hat das damit begründet, daß der Pensionsberechtigte Vorausleistungen auf ein monatlich fälliges vertragliches Ruhegehalt in der Regel nur bis zu einem halben Jahr anzunehmen braucht. Das Ruhegehalt ist dazu bestimmt, die Versorgung des Berechtigten für sein Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit zu sichern. Diesen Zweck gewährleisten im allgemeinen regelmäßig fortlaufende Bezüge besser als Vorauszahlungen auf lange Zeiträume.
Die Beklagte hat als eine Sozialeinrichtung der Deutschen Bundespost den Zweck, ihren Versicherten und deren Hinterbliebenen eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren (§ 3 VAPS). Der nach der VAPS Zusätzversorgungsberechtigte ist in aller Regel noch weit mehr als der private Ruhegehaltsempfänger auf regelmäßig fortlaufende Bezüge angewiesen. Er wird vielfach nur aus seiner Versorgung seinen Unterhalt bestreiten können. Daraus schließt der Senat in Fortführung der Rechtsprechung des II. Zivilsenats, daß ein Zusatzversorgungsberechtigter eine erst künftig fällig werdende Zusatzrente überhaupt nicht im voraus anzunehmen braucht. Denn das könnte seinen künftigen Unterhalt gefährden. Ein Bedürfnis für eine Vorauszahlungsbefugnis der Beklagten ist andererseits nicht ersichtlich.
e) Die Zahlungsklage ist danach in Höhe von 420 DM nebst Zinsen (Einbehalte für Januar bis März 1987) begründet. Dem Feststellungsantrag der Klägerin ist für die Zeit ab 1. April 1987 stattzugeben.
Unterschriften
Rottmüller, Dr. Lang, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dir. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1237670 |
Nachschlagewerk BGH |