Entscheidungsstichwort (Thema)
Verträge über den Nachlass eines noch lebenden Dritten
Leitsatz (amtlich)
Wer für eine Gegenleistung Treugut übernommen hat, um Devisenbestimmungen der ehemaligen DDR, die dem Vertragspartner nachteilig waren, in dessen Interesse zu umgehen, kann nach Aufhebung dieser Bestimmungen nach Treu und Glauben nicht geltend machen, der Treuhandvertrag sei wegen Verstoßes gegen das frühere Devisenrecht nichtig.
Für Verträge über den Nachlaß eines noch lebenden Dritten, die nach dem Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR zu beurteilen sind, gilt § 312 Abs. 1 BGB auch nicht mittelbar über die Generalklausel der Nichtigkeit von Geschäften, die mit der sozialistischen Moral nicht zu vereinbaren sind (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB). Solche Verträge können aber nach dieser Generalklausel unwirksam sein, wenn sie sich im Einzelfall etwa als verwerfliche Spekulation auf den Tod eines anderen darstellen oder dessen Testierfreiheit einengen.
Normenkette
BGB §§ 242, 312 Abs. 1; ZGB DDR § 68 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Juli 1994 aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 29. Oktober 1993 abgeändert.
Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Wegen der Höhe wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Auskehrung eines Geldbetrages, den dieser aufgrund des Testaments der am 6. Juni 1986 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik verstorbenen Mutter des Klägers erlangt hat. Dort sind die Parteien gemeinsam zur Schule gegangen. In den 70er Jahren zog der Kläger ohne Ausreisegenehmigung in die Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte blieb in der Deutschen Demokratischen Republik und arbeitete dort als Tierarzt. Der Kläger besuchte ihn wiederholt anläßlich der Leipziger Messe.
Nach dem Vortrag des Klägers haben die Parteien am 20. März 1986 im Hause des Beklagten mündlich eine Vereinbarung geschlossen, wonach der Beklagte für den Kläger als Erbe oder Vermächtnisnehmer nach dessen Mutter auftreten sollte. Der Beklagte habe das durch den Erbfall erlangte Vermögen für den Kläger treuhänderisch verwalten und es später bei geeigneter Gelegenheit – etwa bei einer Änderung der politischen oder rechtlichen Verhältnisse – an diesen herausgeben sollen. Dafür habe der Kläger dem Beklagten eine angemessene, nicht näher bestimmte Vergütung versprochen. Der Zweck dieser Vereinbarung habe darin bestanden, Beschränkungen des damals in der Deutschen Demokratischen Republik geltenden Rechts zum Nachteil von Erben in der Bundesrepublik Deutschland zu umgehen. Die Vereinbarung sei im Einverständnis mit der Mutter des Klägers getroffen worden. Unmittelbar nachdem sie vom Kläger erfahren habe, daß er einen „Strohmann” gefunden hätte, habe sie entsprechend testiert.
In ihrem Testament vom 20. März 1986 ordnete sie u.a. an, daß der Beklagte von ihrem „Barvermögen… 50%… bekommen” solle. Aufgrund dieser letztwilligen Verfügung, die das Nachlaßgericht und die Vorinstanzen als Vermächtnis zugunsten des Beklagten ausgelegt haben, wurden ihm am 26. November 1986 aus dem Nachlaß 93.073,40 Mark der Deutschen Demokratischen Republik ausbezahlt. Nach der politischen Wende forderte der Kläger die Herausgabe des erhaltenen Geldbetrags. Der Beklagte weigerte sich und bestritt die vom Kläger behauptete Vereinbarung.
Der Kläger fordert nunmehr Zahlung von 50.000 DM nebst Zinsen. Dabei legt er einen Umtauschkurs von 2:1 zugrunde und geht davon aus, daß der Beklagte das empfangene Geld hätte verzinslich anlegen müssen und so insgesamt 55.000 DM erzielen können. Als Vergütung könne der Beklagte nicht mehr als 5.000 DM beanspruchen.
Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Mit Recht hat das Berufungsgericht den vorliegenden Fall nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik beurteilt.
1. Dieses Ergebnis läßt sich allerdings nicht auf Art. 235 §§ 1 und 2 EGBGB stützen, wie das Berufungsgericht meint. Diese Vorschriften betreffen nur „erbrechtliche Verhältnisse”. Die Vereinbarung der Parteien vom 20. März 1986 ist aber ein schuldrechtlicher Vertrag. Gemäß Art. 232 § 1 EGBGB kommt es auf das im Zeitpunkt seiner Entstehung geltende Recht an. Diese intertemporale Norm beruft mithin das Recht der früheren Deutschen Demokratischen Republik nur, wenn es nach dem interlokalen Kollisionsrecht maßgebend ist, das schon vor der deutschen Einigung in der Bundesrepublik Deutschland gegolten hat und nach dem Einigungsvertrag fortgilt (BGHZ 121, 378, 385; BGHZ 124, 270, 272f.; BGHZ 127, 368, 370; Urteil vom 17. November 1994 – III ZR 70/93 – WM 1995, 124, 125 unter II 1, vorgesehen als BGHZ 128, 41).
2. Da hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Rechtswahl der Parteien weder vorgetragen noch ersichtlich sind, ist das Vertragsstatut entsprechend Art. 28 EGBGB zu bestimmen. Die Vereinbarung vom 20. März 1986 stellt sich ihrem wesentlichen Inhalt nach als Geschäftsbesorgungsvertrag dar. Bei einem derartigen Vertrag erbringt die charakteristische Leistung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 EGBGB grundsätzlich der zur Geschäftsbesorgung Verpflichtete (vgl. zum Dienstvertrag BGH, Urteil vom 17. November 1994, aaO unter II 2 c aa; zum Werkvertrag und zum Auftrag Palandt/Heldrich, BGB 54. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 14 und 16; MünchKomm/Martiny, BGB 2. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 30 und 32). Im übrigen ist der Vertrag von beiden Seiten auf dem Boden der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossen worden; dort sollte er vom Beklagten durch die vereinbarte treuhänderische Verwaltung des benommenen Vermögens auch erfüllt werden. Mithin ist das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik anzuwenden.
II.
Das Landgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht halten die Treuhandvereinbarung für bewiesen. Sie sei zwar wegen Verstoßes gegen devisenrechtliche Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik nichtig. Nach Ansicht der Vorinstanzen verhält sich der Beklagte aber widersprüchlich und verstößt gegen Treu und Glauben, wenn er sich auf diesen Nichtigkeitstatbestand beruft. Gleichwohl sind die Vorinstanzen letztlich doch zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne aus der Vereinbarung keine Rechte herleiten, weil sie auch entsprechend § 312 BGB nichtig sei. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. a) In der Rechtspraxis der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wäre die Vereinbarung der Parteien als nichtig beurteilt worden. Nach § 11 Abs. 2 des Devisengesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Dezember 1973 (GBl. 1973 I 574) bedurfte der Umlauf von Devisenwerten zwischen einem Bürger der Deutschen Demokratischen Republik – Deviseninländer –, und einer Person mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in einem anderen Staat – Devisenausländer – der behördlichen Genehmigung. Devisenwerte waren u.a. Forderungen, die zugunsten von Devisenausländern begründet wurden (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 DevisenG). Als Umlauf von Devisenwerten wurde u.a. der Abschluß von Verträgen angesehen, die auf das Entstehen von Forderungen gerichtet waren (§ 6 Nr. 3 DevisenG). Die Treuhandvereinbarung der Parteien erfüllt diese gesetzlichen Merkmale. Ohne devisenrechtliche Genehmigung war sie daher unwirksam (§ 11 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 DevisenG, § 68 Abs. 1 Nr. 1 und 4 ZGB).
b) Nachdem das Devisengesetz aufgrund Anl. III Abschn. I Nr. 2 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs–, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (GBl. I S. 332, BGBl. II S. 537) durch das Gesetz über die Änderung von Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik vom 28. Juni 1990 (GBl. I S. 483) aufgehoben worden ist, verstößt die Berufung des Beklagten auf die nach dem Devisengesetz eingetretene Unwirksamkeit im vorliegenden Fall gegen Treu und Glauben, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben. Die Treuhandvereinbarung diente dem Zweck, die damals geltenden Devisenbeschränkungen zu umgehen. Das war auch dem Beklagten bewußt, wie die Vorinstanzen festgestellt haben. Gleichwohl ließ er sich darauf ein, und zwar zu seinem eigenen Vorteil. Er sollte eine angemessene Vergütung erhalten. Im Vertrauen auf den Beklagten veranlaßte der Kläger seine Mutter, den Beklagten in ihrem Testament zu bedenken. Dabei handelte die Erblasserin in der Erwartung, der Beklagte werde das ihm zugewandte Vermögen später an den Kläger auszehren Der Beklagte nahm das ihm aufgrund des Testaments ausgezahlte Geld auch an. Bei dieser Sachlage setzt sich der Beklagte, wenn er sich jetzt auf die fehlende devisenrechtliche Genehmigung beruft, mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch (vgl. BGHZ 124, 321, 324; Urteil vom 5. November 1971 – I ZR 124/69 – WM 1971, 1498, 1499 unter I 1 d). Aus den gleichen Gründen kann er auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Vereinbarung sei wegen Verstoßes gegen das Devisengesetz oder gegen die sozialistische Moral gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZGB nichtig.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts führen auch die dem § 312 Abs. 1 BGB zugrundeliegenden Wertungsgesichtspunkte nicht zur Unwirksamkeit der Treuhandvereinbarung.
a) Das Zivilgesetzbuch kennt eine dem § 312 Abs. 1 BGB entsprechende Regelung nicht. Für die Rechtspraxis in der Deutschen Demokratischen Republik bestand auch kein Bedürfnis, auf diese Vorschrift zurückzugreifen, weil die Generalklausel des § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB die weitreichende Möglichkeit bot, unerwünschten, „mit den Grundsätzen der sozialistischen Moral” nicht zu vereinbarenden Geschäften die Wirksamkeit zu versagen.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts waren damit auch die Regelungszwecke des § 312 BGB erfaßt, nämlich der – sittlich verwerflichen – Spekulation mit dem Tod eines Dritten entgegenzuwirken und die Testierfreiheit zu sichern. Vereinbarungen, die auf den Tod eines anderen spekulierten, seien mit jedweder Moral,– nicht nur mit den Grundsätzen sozialistischer Moral – unvereinbar. Die Testierfreiheit sei auch in §§ 370ff. ZGB geschützt worden. Deshalb sei die Vereinbarung der Parteien gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB nichtig.
b) Dem ist nicht zu folgen.
Zwar fiele die Vereinbarung der Parteien, wenn sie nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu beurteilen wäre, als Erbschaftsvertrag über ein Vermächtnis aus dem Nachlaß eines noch lebenden Dritten unter § 312 Abs. 1 BGB (BGHZ 26, 320, 325f.). Richtig ist auch, daß sich der Gesetzgeber, als er § 312 BGB schuf, von der Überlegung hat leiten lassen, ein Erbschaftsvertrag könne wegen der Spekulation auf den baldigen Tod des Erblassers sittlich verwerflich sein. Auch könne ein solcher Vertrag – wenn der Erblasser ihn kennt – sich subjektiv als Einschränkung seiner Testierfreiheit auswirken. Doch sind die genannten beiden Gesichtspunkte durch die Entwicklung der Rechtsprechung inzwischen zurückgetreten. Im Vordergrund steht heute, Geschäfte unter Ausbeutung des Leichtsinns und eine leichtfertige Vermögensverschleuderung zu verhindern (Senatsurteil vom 23. November 1994 – IV ZR 238/93 – NJW 1995, 448 unter 2 b aa = FamRZ 1995, 226 = ZEV 1995, 142 m. Anm. Thode). Für die Anwendung von § 312 Abs. 1 BGB ist ohne Bedeutung, ob der Vertrag im konkreten Fall nach seiner Ziel- und Zwecksetzung sittlich verwerflich ist oder nicht (BGHZ 37, 319, 324; Senatsurteil vom 23. November 1994, aaO).
Im vorliegenden Fall ist die Vereinbarung der Parteien jedoch nicht am Maßstab des § 312 BGB zu messen. Bei Anwendung der Generalklausel des § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB kommt es vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Wenn das Zivilgesetzbuch auch weithin gemeindeutscher Tradition verhaftet blieb und sich auf eine Kürzung und Vereinfachung des „alten Paragraphendickichts” beschränkte (BGHZ 124, 270, 276), läßt sich daraus doch nicht der Schluß ziehen, daß sämtliche Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die nicht ausdrücklich abgeschafft worden sind, über die Generalklauseln in das Zivilgesetzbuch hineingelesen werden könnten. Vielmehr liegt in der Streichung von § 312 BGB eine Beschränkung der Nichtigkeit von Erbschaftsverträgen auf solche Fälle, in denen sich die Voraussetzungen der Generalklausel des § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB im Einzelfall feststellen lassen.
Hier haben die Parteien weder in verwerflicher Weise auf den Tod der Erblasserin spekuliert noch deren Testierfreiheit eingeengt. Nach den tatrichterlichen Feststellungen war sie im Gegenteil mit der Treuhandvereinbarung nicht nur einverstanden, sondern wollte gerade auf diesem Weg ihrem im Westen lebenden Sohn, dem Kläger, nennenswertes Vermögen zukommen lassen. Die Gefahr leichtfertiger Vermögensverschleuderung war damit nicht verbunden. Denn auf zunächst unabsehbare Zeit konnten weder der Kläger über das Vermögen verfügen noch der Beklagte, der es treuhänderisch für den Kläger verwalten sollte.
3. Die Vereinbarung der Parteien ist auch nicht etwa gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 3 ZGB nichtig, weil der Anspruch aus dem Vermächtnis bei Abschluß der Vereinbarung noch nicht angefallen war, wie das Landgericht gemeint hat. Denn die Verpflichtung zu treuhänderischer Verwaltung, die der Beklagte eingegangen ist, stand unter der Voraussetzung, daß ihm das Vermächtnis nach dem Tod der Erblasserin ausgezahlt werden würde. Seine für diesen Fall übernommene Leistung war nicht unmöglich (vgl. Kommentar zum Zivilgesetzbuch, hrsg. vom Ministerium der Justiz, § 90 Anm. 0; Zivilrecht, Lehrbuch Teil 1, Redaktion Göhring/Posch, S. 215 unter 3.3.4.3).
4. Schließlich greift die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Die gemäß § 474 Abs. 1 Nr. 2 ZGB auf zwei Jahre begrenzte Verjährungsfrist für Ansprüche aus Verträgen beginnt gemäß § 475 Nr. 3 ZGB mit dem ersten Tag des Monats, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch geltend gemacht werden kann. Das war frühestens aufgrund der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der beiden deutschen Staaten zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (BGBl. II S. 1237) der Fall (BGHZ 124, 270, 274). Mithin war die Verjährung am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts noch nicht vollendet. Von diesem Zeitpunkt an galt gemäß Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (vgl. Palandt/Thomas, BGB 54. Aufl. § 667 Rdn. 9).
III.
Nach alledem ist der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet, das erlangte Vermächtnis an den Kläger auszukehren. Das Berufungsgericht wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen zur Höhe des Anspruchs zu treffen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß der Beklagte nach den bisherigen Feststellungen nicht zu „optimaler Geldanlage” verpflichtet war und er für seine Anstrengungen eine angemessene Vergütung erhalten sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 604920 |
ZIP 1996, 158 |