Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbillige Härte in der Zwangsvollstreckung. Finanzielle Unmöglichkeit der Rechtsverfolgung wegen Zwangsvollstreckung in das Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Eine unbillige Härte i.S.d. § 765a ZPO liegt nicht darin, dass eine Partei, der für eine Rechtsverfolgung mangels hinreichender Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe versagt worden ist, diese Rechtsverfolgung deswegen nicht aus eigenen Mitteln fortführen kann, weil Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung auf ihr Vermögen zugegriffen haben
Normenkette
ZPO § 765a
Verfahrensgang
LG Cottbus (Beschluss vom 24.02.2006; Aktenzeichen 7 T 345/05) |
AG Cottbus (Entscheidung vom 12.08.2005; Aktenzeichen 57 M 1122/05) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Cottbus vom 24.2.2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Wert: 33.800 EUR
Gründe
I.
[1] Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin wegen einer Forderung i.H.v. 104.357,90 EUR die Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld.
[2] Auf ihren Antrag erließ das AG am 23.5.2005 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über alle Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerinnen. Mit weiterem Beschluss vom 8.6.2005 gab das AG das gepfändete Konto der Schuldnerin i.H.v. 200 EUR frei. Auf Antrag der Schuldnerin und mit Zustimmung der Gläubigerin hob das AG den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich der von der Pfändung erfassten Altersrente der Schuldnerin i.H.v. 217,40 EUR und der Altersrente ihres Ehemannes i.H.v. 845,28 EUR auf.
[3] Gegen die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldurkunde betreibt die Schuldnerin die Vollstreckungsgegenklage vor dem LG. Den dabei gestellten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung wies das LG wegen fehlender Erfolgsaussicht der Vollstreckungsgegenklage zurück. Prozesskostenhilfe für die Vollstreckungsgegenklage hat das LG versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde vom OLG zurückgewiesen.
[4] Die Schuldnerin führt daneben gegen die Gläubigerin einen Rechtsstreit auf Herausgabe von Wertpapieren, die sie als Sicherheiten für die Darlehensverbindlichkeiten ihres Ehemannes und ihres Sohnes verpfändet hatte.
[5] Am 12.7.2005 hat die Schuldnerin die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Grundschuldurkunde beantragt mit der Begründung, ihr sei durch die von der Gläubigerin eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Zugriff auf ihr gesamtes Geld verwehrt. Sie sei deswegen nicht mehr in der Lage, die von ihr gegen die Zwangsvollstreckung eingeleiteten Verfahren weiterzuverfolgen. Sie sei mithin handlungsunfähig, was zu einer unbilligen Härte führe.
[6] Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist ohne Erfolg geblieben.
[7] Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren in eingeschränktem Umfang weiter, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde in Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten für die Vollstreckungsgegenklage einzustellen und in dieser Höhe (21.086,79 EUR) die Pfändung ihrer Konten aufzuheben.
II.
[8] Das gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
[9] 1. Das Beschwerdegericht hält den zulässigen Antrag für unbegründet.
[10] Entgegen der Ansicht des AG entfalte die Entscheidung des LG über den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 769 ZPO für die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über einen Antrag nach § 765a ZPO keine Bindungswirkung.
[11] Die Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 765a ZPO lägen jedoch nicht vor. § 765a ZPO sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Die von der Schuldnerin vorgetragenen Umstände begründeten nicht die Annahme, dass die Zwangsvollstreckung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen für die Schuldnerin eine unzumutbare, sittenwidrige Härte darstelle. Entgegen der Ansicht der Schuldnerin liege eine sittenwidrige Härte nicht bereits darin, dass ihrem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Vollstreckungsgegenklage der Erfolg versagt geblieben sei. Darin liege keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine sittenwidrige Härte liege selbst dann nicht vor, wenn ihr dadurch die Möglichkeit verwehrt werden sollte, ihre Rechte hinsichtlich des Wertpapierdepots geltend zu machen. Die auf mangelnder Liquidität beruhende mögliche Unfähigkeit, seine Rechte wahrzunehmen, sei vom Rechtssuchenden hinzunehmen, wenn die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
[12] 2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
[13] a) Zutreffend ist die Beurteilung des Beschwerdegerichts, der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 765a ZPO sei neben den weiter bereits von der Schuldnerin in Anspruch genommenen Rechtsbehelfen der Vollstreckungsgegenklage und des dort gestellten Antrags auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 769 ZPO zulässig.
[14] b) Das Beschwerdegericht hat den Antrag zu Recht für unbegründet angesehen.
[15] aa) Gemäß § 765a ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. § 765a ZPO ermöglicht mithin den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (BGH, Urt. v. 21.12.2004 - IX a ZB 228/03, BGHZ 161, 371, 374 = BGHReport 2005, 599 = MDR 2005, 650). Hierbei sind insb. die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v. 25.9.2003 - 1 BvR 1920/03, NJW 2004, 49).
[16] bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Beschwerdegericht zu Recht die Voraussetzungen des § 765a ZPO nicht für gegeben erachtet.
[17] Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann eine unbillige Härte im vorliegenden Verfahren nicht darauf gestützt werden, dass der Schuldnerin, nachdem ihr im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, durch die von der Gläubigerin vorgenommene Vollstreckung die Möglichkeit genommen werde, mit eigenen Mitteln ihr Klagebegehren weiterzuverfolgen. Insbesondere wird sie hierdurch nicht in Verfahrensgrundrechten verletzt.
[18] Dem verfassungsrechtlichen Gebot, eine mittellose Partei in der Verfolgung ihrer Rechte nicht unzulässig schlechter zu stellen als eine bemittelte, wird durch die Regelungen zur Prozesskostenhilfe ausreichend Rechnung getragen. Es ist nicht geboten, auch nicht zur Wahrung von Grundrechten, darüber hinaus der mittellosen Partei eine Rechtsverfolgung zu ermöglichen, die im Prozesskostenhilfeverfahren als nicht hinreichend Erfolg versprechend beurteilt wurde. Worauf die Mittellosigkeit der Partei beruht, ist nicht entscheidend. Es besteht keine rechtliche Veranlassung, diejenige Partei besser zu stellen, die deswegen mittellos ist, weil ein Gläubiger zur Befriedigung seiner berechtigten Ansprüche auf das Vermögen der Partei durch Pfändung zugegriffen hat. Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, dieser Partei auf Kosten des Gläubigers zu gestatten, die als nicht hinreichend Erfolg versprechend beurteilte Rechtsverfolgung weiterzuführen. Daran ändert auch nichts der von der Rechtsbeschwerde angeführte Umstand, dass im Hauptsacheverfahren eine weitergehende Prüfung stattfinden kann als im Prozesskostenhilfeverfahren. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann bei Abwägung mit den berechtigten Interessen des Gläubigers keine unbillige Härte i.S.d. § 765a ZPO gesehen werden.
Fundstellen