Leitsatz (amtlich)
›Ein Zwischenurteil, durch das das Landgericht der Einrede der mangelnden Prozeßkostensicherheit stattgibt und dem Kläger Sicherheitsleistung aufgibt, ist auch nach Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle nicht selbständig anfechtbar. Hält das Berufungsgericht die Berufung dennoch für zulässig, dann ist die Revision gegen sein Sachurteil unstatthaft.‹
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe |
LG Freiburg i. Br. |
Tatbestand
Der Kläger nimmt aus abgetretenem Recht des Herrn A die Beklagte auf Zahlung von 366.276,95 DM nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte behauptet, der Kläger sei entweder indischer oder pakistanischer Staatsangehöriger. Sie hat vor dem Landgericht vorab die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosten erhoben. Der Kläger macht geltend, saudi-arabischer Staatsangehöriger und daher auf Grund des deutsch-arabischen Vertrages vom 26. April 1929 (RGBl. 1930 II S. 1064; BGBl. 1952 II S. 724) von der Pflicht zur Leistung der Prozeßkostensicherheit befreit zu sein. Das Landgericht hat die Einrede für begründet erklärt und hat dem Kläger durch Zwischenurteil aufgegeben, der Beklagten Sicherheit in Höhe von 37.463 DM zu leisten.
Mit seiner Berufung hat der Kläger beantragt, das Zwischenurteil aufzuheben und auszusprechen, daß er keine Sicherheit zu leisten habe. Die Beklagte hält die Berufung für unstatthaft. Sie hat auch vor dem Oberlandesgericht vorab die Einrede der mangelnden Prozeßkostensicherheit erhoben und beantragt, ihr für die Kosten, die durch das Rechtsmittel gegen das Zwischenurteil zusätzlich entstehen können, eine Sicherheit in Höhe von mindestens weiteren 26.438,88 DM zuzubilligen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die vom Landgericht angeordnete Sicherheit binnen vier Wochen nach Rechtskraft seines Urteils zu leisten sei; es hat dem Kläger aber keine weitere Prozeßkostensicherheit auferlegt. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Berufungsantrag weiter. Die Beklagte hält die Revision unter Bezugnahme auf § 113 Satz 2 Fall 2 ZPO für unstatthaft, jedenfalls für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unzulässig.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist das Urteil des Berufungsgerichts, wenn es über die unzulässige Berufung gegen ein Zwischenurteil durch Sachurteil entscheidet, seinem Inhalt nach ebenfalls ein Zwischenurteil und daher nicht gemäß § 545 ZPO mit der Revision anfechtbar (BGHZ 3, 244, 246). Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn die Berufung des Klägers war, wie die Revision mit Recht hervorhebt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unstatthaft.
Bis zum Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle vom 3. Dezember 1976 (BGBl. 1976 I S. 3281) wurde die Frage nach der (selbständigen) Anfechtbarkeit eines Zwischenurteils, durch das der Einrede der mangelnden Prozeßkostensicherheit stattgegeben worden ist, allgemein verneint (BGH Urteil vom 23.11.1973 - I ZB 9/73 - NJW 1974, 238 und vom 26.1.1965 - VI ZR 84/64 - NJW 1965, 761 m.w.N.). Das ergab sich schon daraus, daß Zwischenurteile gemäß §§ 303, 512 ZPO grundsätzlich nur zusammen mit dem Endurteil zur Überprüfung durch die Rechtsmittelgerichte gestellt werden können, und daß § 275 Abs. 2 ZPO a.F. hiervon nur für die Fälle eine Ausnahme machte, in denen prozeßhindernde Einreden (§ 274 ZPO a.F.) verworfen wurden. Nach der Vereinfachungsnovelle von 1976 haben die Oberlandesgerichte Hamburg und Bremen gegenteilig entschieden (VersR 1979, 847 LS; NJW 1982, 2737). Zöller/Schneider (ZPO 15. Aufl. § 110 Rdn. 5) und Baumbach/Lauterbach/Hartmann (ZPO 45. Aufl. § 280 Anm. 3 B b bb) sind dem gefolgt. Stein/Jonas/Leipold (ZPO 20. Aufl. § 280 Rdn. 18) halten diese neue Linie für "vertretbar". Demharter ist ihr MDR 1986, 186 entgegengetreten, ebenso Thomas/Putzo (ZPO 15. Aufl. § 113 Anm. 2a). Das Berufungsgericht hält die alte Linie anscheinend aus "guten Gründen" für "sachgerecht", jedenfalls habe der Gesetzgeber mit der Vereinfachungsnovelle hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Zwischenurteilen das bis dahin geltende Recht nicht ändern wollen. Trotzdem zwinge der Wortlaut des § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. dazu, heute auch solche Urteile als selbständig anfechtbar anzusehen, durch die der Einrede der Prozeßkostensicherheit stattgegeben worden sei. Das hierin liegende Versehen des Gesetzgebers könne aus Gründen der Rechtsmittelklarheit und der Rechtsstaatlichkeit nicht durch die Gerichte "repariert" werden.
Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts steht der Wortlaut des § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. der mit dieser Norm beabsichtigten Regelung nicht im Wege.
Das Zwischenurteil, das § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. behandelt und als (ausnahmsweise) selbständig anfechtbar ausgestaltet, ist, wie § 280 Abs. 1 ZPO n.F. zeigt, ein solches "über die Zulässigkeit" der Klage. Ein solches Zwischenurteil kann, wie es in der Begründung der Regierungsvorlagen zu dieser Norm zutreffend heißt (BT-Drucks. VI/790 S. 54 und 7/2729 S. 73), die Zulässigkeit der Klage nur feststellen. Denn ein Urteil, das die Zulässigkeit verneinte, müßte darüber - vom Fall des § 281 ZPO abgesehen - sogleich durch Endurteil befinden. Bei der Einrede der mangelnden Prozeßkostensicherheit gemäß § 110 ZPO kommt ein - selbständig anfechtbares - Zwischenurteil im Sinne des § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. daher nur dann in Betracht, wenn das Gericht die Einrede verwirft. Dagegen fällt ein Zwischenurteil, durch das der Einrede stattgegeben und die Sicherheitsleistung angeordnet wird (§ 113 Satz 1 ZPO), nicht unter § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F.. Bei ihm handelt es sich nicht um ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit, sondern es läßt die Zulässigkeit gerade noch offen; über die Zulässigkeit ist vielmehr erst in einem etwa nachfolgenden Verfahrensabschnitt durch (echtes) Endurteil gemäß § 113 Satz 2 ZPO zu entscheiden. Daß das Zwischenurteil über die Anordnung einer Prozeßkostensicherheit gemäß § 113 Satz 1 ZPO die Zulässigkeit der Klage "berührt", wie das Berufungsgericht anführt, und bei Nichtleistung der Sicherheit dazu führen kann, daß das Verfahren ohne Sachprüfung endet, reicht für § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. nicht aus.
Diese Auslegung des § 280 ZPO n.F. entspricht den mit der Neufassung durch die Vereinfachungsnovelle verfolgten Zwecken.
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt und im einzelnen dargelegt hat, war es nicht die Absicht des Gesetzgebers, gegen bis dahin nicht selbständig anfechtbare Zwischenurteile durch die Vereinfachungsnovelle nunmehr ein Rechtsmittel einzuführen. Vielmehr ging es dabei lediglich darum, den als ungenügend empfundenen Ausdruck "prozeßhindernde Einreden" aus dem Gesetz zu entfernen und alle Fälle der Unzulässigkeit der Klage in einer Norm zusammenzufassen und gleichzubehandeln. Daß dabei das Prozeßhindernis der fehlenden Prozeßkostensicherheit oder die Besonderheiten der Tenorierung gemäß § 113 Satz 2 ZPO übersehen worden wären, wie das Berufungsgericht meint, kann nicht angenommen werden. Denn die Begründung der Regierungsvorlage zu dem heutigen § 280 ZPO zeigt, wie bereits ausgeführt, weiter, daß "auch künftig" nur solche Zwischenurteile "über die Zulässigkeit der Klage" wie Endurteile anfechtbar sein sollen, die die Zulässigkeit der Klage feststellen. In diesem Zusammenhang bedurften die vermeintlich übersehenen Umstände keiner besonderen Erwähnung.
Die vom Gesetzgeber angestrebte Lösung ist darüber hinaus sachlich der Anfechtbarkeit vorzuziehen. Würden selbständige Rechtsmittel auch gegen solche Zwischenurteile zugelassen, die die Sicherheitsleistung anordnen, dann könnte das, wie der vorliegende Fall zeigt, zu einer beträchtlichen Erschwerung und Verlängerung des Verfahrens führen und läge deshalb auch außerhalb des allgemeinen Regelungszweckes der Vereinfachungsnovelle. Sie läßt sich ferner nicht damit rechtfertigen, daß das Hauptverfahren dadurch von den im Zwischenverfahren behandelten Fragen der Prozeßkostensicherheit vollständig entlastet wäre. Denn, wie vor allem § 112 Abs. 3 ZPO zeigt, ließe sich auf diesem Wege eine solche Entlastung nicht erreichen.
der Rechtsmittelsicherheit oder der Rechtsstaatlichkeit stehen der Auslegung des § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F., die der Senat für richtig hält und die dem Willen des Gesetzgebers entspricht, nicht entgegen. Sie hat zwar zur Folge, daß die Auffassung unterer Gerichte über die Prozeßkostenpflicht eines Klägers erst zusammen mit dem Endurteil den Rechtsmittelgerichten zur Überprüfung unterbreitet werden kann, in einem Zeitpunkt also, in dem die Sicherheit zwecks Vermeidung der Rechtsfolgen des § 113 Satz 2 ZPO vielfach vorsorglich bereits geleistet sein mag. So gesehen verleiht die Verneinung einer selbständigen Anfechtbarkeit des Zwischenurteils der Anordnung, die Prozeßkostensicherheit zu leisten, zugleich einen gewissen Nachdruck. Diese Auswirkung liegt aber durchaus im Sinne des Gesetzes und kann zudem zu einer sinnvollen Beschleunigung des Verfahrens beitragen. Die Möglichkeit, daß das Rechtsmittelgericht die Verpflichtung zur Prozeßkostensicherheit im Gegensatz zur Vorinstanz verneint, muß hingenommen werden; einer unerträglichen Belastung des ausländischen Klägers beugt § 122 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vor.
2. Die Zulässigkeit der Revision ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung (§§ 523, 557 ZPO) von § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Selbst wenn das Berufungsgericht die Berufung durch ein (echtes) Zwischenurteil für zulässig erklärt und ihre Begründetheit zunächst offen gelassen hätte, würde dagegen kein selbständiges Rechtsmittel gegeben sein. Denn § 280 ZPO soll ausschließlich Fragen der Zulässigkeit der Klage und nicht auch solche der Zulässigkeit einer Berufung erfassen (so mit Recht Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 280 Rdn. 3 unter Berufung auf BTDrucks. 7/2729 S. 74).
Unter diesen Umständen ist über die Revision hier trotz der Säumnis des Revisionsklägers nicht durch Versäumnisurteil, sondern, da es an einer Prozeßvoraussetzung fehlt, durch streitmäßiges Urteil zu entscheiden (BGH Urteil vom 13.3.1986 - I ZR 27/84 - ZIP 1986, 740).
Sollte es vor dem Landgericht nunmehr zu einem Verfahren gemäß § 113 Satz 2 ZPO kommen und der Kläger darauf bestehen, daß er saudi-arabischer Staatsangehöriger ist, dann ist das Landgericht - jedenfalls unter den hier gegebenen Voraussetzungen des § 580 Nr. 7b ZPO (vgl. z.B. BGHZ 46, 300) - trotz § 318 ZPO insoweit ausnahmsweise nicht an sein Zwischenurteil gebunden (zur Berücksichtigung neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz trotz § 561 ZPO vgl. z.B. BGHZ 5, 240).
Fundstellen
Haufe-Index 2993647 |
BGHZ 102, 232 |
BGHZ, 232 |
NJW 1988, 1733 |
BGHR ZPO § 280 Abs. 2 Satz 1 Prozeßkostensicherheit 1 |
BGHR ZPO § 318 Bindungsgrenzen 1 |
DRsp IV(413)203d-e |
WM 1988, 437 |
JuS 1988, 993 |
MDR 1988, 298 |
IPRspr. 1987, 119 |