Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt
Leitsatz (amtlich)
Auch der Unterhalt eines in der Zeit zwischen dem Scheidungsurteil und dessen Rechtskraft geborenen Kindes des Unterhaltspflichtigen aus seiner neuen Verbindung gehört zu den Umständen, die die ehelichen Lebensverhältnisse i.S. von § 1578 BGB bestimmen (in Fortführung des Senatsurteils vom 20. Oktober 1993 – XII ZR 89/92 – FamRZ 1994, 87).
Normenkette
BGB § 1578 Abs. 1, 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des 12. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. März 1997 im Kostenpunkt und im Ausspruch über den Ehegattenunterhalt aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision noch um den nachehelichen Unterhalt.
Aus ihrer 1986 geschlossenen Ehe ging der Sohn Lars, geboren am 22. Februar 1987, hervor. Er lebt seit der Trennung bei seiner Mutter. Beide Parteien waren zuvor schon einmal verheiratet. Der Ehemann (Antragsteller) hat aus seiner ersten Ehe die volljährige Tochter Alexandra, die bei ihrer Mutter, seiner geschiedenen ersten Ehefrau, lebt. Die Ehefrau (Antragsgegnerin) hat aus erster Ehe den Sohn Manuel, geboren am 17. November 1980, den sie mit in die zweite Ehe brachte.
Der Ehemann ist in der Produktionsleitung einer Firma tätig und bezieht ein Gehalt nebst Zusatzzahlungen. Er ist Eigentümer zweier bebauter Grundstücke, von denen eines vermietet ist; das andere nutzt seine Mutter aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchsrechts.
Die Ehefrau war während der Ehe und ist auch derzeit in einer Apotheke als Aushilfe versicherungsfrei beschäftigt.
Die Parteien trennten sich im Mai 1993. Auf den der Ehefrau am 9. August 1994 zugestellten Scheidungsantrag des Ehemannes wurde die Ehe durch Verbundurteil des Amtsgerichts vom 29. Dezember 1995 geschieden und Folgesachen geregelt. Der Scheidungsausspruch wurde am 18. Juni 1996 rechtskräftig. Einige Monate zuvor, am 7. März 1996, ging aus der neuen Verbindung des Ehemannes dessen Tochter Lisa hervor.
Die Ehefrau hatte als Folgesache unter anderem einen nachehelichen Unterhalt in einer Gesamthöhe von monatlich 1.980,70 DM (Krankenversicherungskosten 219,15 DM und Elementarunterhalt 1.761,55 DM) geltend gemacht. Das Amtsgericht hat ihr einen Gesamtunterhalt von (aufgerundet) monatlich 1.856 DM (Krankenversicherungskosten 179,99 DM und Elementarunterhalt 1.674,97 DM) zugesprochen.
Der Berufung des Ehemannes, mit der er sich gegen einen höheren Gesamtunterhalt als monatlich 1.293 DM gewendet hat, hat das Oberlandesgericht im wesentlichen stattgegeben. Es hat – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und den Ehemann zu monatlichen Unterhaltszahlungen von insgesamt 1.300,99 DM (179,99 DM Krankenversicherung und 1.121 DM Elementarunterhalt) für die Monate Juli und August 1996 und von 1.293 DM – entsprechend der vom Ehemann zugestandenen Summe – ab dem 1. September 1996 verurteilt.
Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Ehefrau, mit der sie den vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag einschließlich eines Altersvorsorgeunterhalts erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Der Ehefrau steht ein nachehelicher Unterhalt gemäß §§ 1570, 1573 Abs. 2, 1578 BGB zu. Wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, kann ihr aufgrund der Betreuung des von ihr versorgten ehegemeinsamen Sohnes angesichts seines Alters derzeit keine Erwerbstätigkeit zugemutet werden, die über den Umfang ihrer stundenweisen Aushilfstätigkeit in der Apotheke hinausgeht.
2. Das Maß des nachehelichen Unterhalts richtet sich gemäß § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Diesen hat das Oberlandesgericht das im Jahr 1996 (einschließlich der monatlichen Sonderzahlung von 1.000 DM) erzielte Nettodurchschnittsgehalt von monatlich 4.298,68 DM zugrunde gelegt und dem die 1996 zugeflossene Steuererstattung in Höhe eines monatlichen Nettobetrages von 541,76 DM (unter Abzug von Steuerberaterkosten und einer Steuernachzahlung für die Ehefrau) hinzugerechnet. Es ist somit zu einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.840,44 DM gelangt. Das ist rechtsbedenkenfrei und wird von der Revision insoweit nicht angegriffen. Für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau hat das Oberlandesgericht dieses Einkommen zunächst um einen Erwerbstätigenbonus in Höhe von 1/7 gemindert, sodann den monatlichen Tabellenunterhalt für den ehelichen Sohn Lars in Höhe von 680 DM und für die Tochter Lisa in Höhe von 565 DM abgezogen und monatliche Mieteinnahmen von 251,76 DM (unter Berücksichtigung eines Abschlags von 40 % für die Grundstücksbelastungen und Rückstellungen) hinzugerechnet. Es ist damit zu einem anrechenbaren Einkommen von 3.155,71 DM gelangt.
Gegen diese Berechnungsweise erhebt die Revision verschiedene, teilweise durchgreifende Bedenken.
a) Sie wendet sich in erster Linie gegen den Vorwegabzug des Unterhalts des nichtehelichen Kindes des Ehemannes. Das Oberlandesgericht hat dies – gestützt auf die Senatsentscheidung vom 20. Oktober 1993 (XII ZR 89/92 – FamRZ 1994, 87 f.) damit gerechtfertigt, daß es für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts auf die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung, mithin der Rechtskraft des Scheidungsurteils, ankomme und der Umstand, daß das Kind hier erst in dem Zeitraum zwischen Erlaß des Scheidungsurteils und dem Eintritt der Rechtskraft geboren worden sei, kein Grund für eine Abweichung sei. Zum Zeitpunkt der Rechtskraft habe vielmehr die Unterhaltspflicht gegenüber dem nichtehelichen Kind bereits bestanden, so daß die dafür erforderlichen Mittel für den Lebensbedarf der Parteien nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten.
Demgegenüber hält die Revision den vorliegenden Fall mit dem am 20. Oktober 1993 entschiedenen wegen des anderen Zeitablaufs für nicht vergleichbar. Im Unterschied zu jenem Fall sei nämlich hier das Kind erst zu einem Zeitpunkt geboren worden, als aufgrund der mehr als einjährigen Trennung und der beiderseitigen Scheidungsabsicht der Ehegatten für die Ehe die unwiderlegliche Vermutung des Scheiterns im Sinne des § 1566 Abs. 1 BGB eingetreten sei. Darüber hinaus sei der Scheidungsausspruch auch bereits erfolgt; lediglich der formale Eintritt der Rechtskraft der Scheidung habe noch ausgestanden. Daher könne der vom Senat in der Entscheidung vom 20. Oktober 1993 als maßgeblich für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse herangezogene Gesichtspunkt, daß sich die Ehegatten während der Trennung immer noch in einem Stadium befänden, in dem die Ehe nicht endgültig aufgehoben und eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch denkbar sei, so daß auch nach der Trennung eintretende Umstände die ehelichen Lebensverhältnisse noch beeinflussen könnten, im vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen. Vielmehr sei hier maßgeblich auf den Eintritt der materiellen Voraussetzungen des Scheiterns der Ehe abzustellen. Dies gelte um so mehr, als der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Scheidung ohnehin nur formaler Natur sei und durch verfahrensverzögernde Maßnahmen eines Ehegatten manipuliert werden könne. Es sei aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 3 GG) nicht hinnehmbar, daß über die Frage, ob der Unterhalt für ein während der Trennung und nach Scheitern der Ehe geborenes Kind des Unterhaltspflichtigen den Unterhalt des unterhaltsberechtigten Ehegatten mindern könne, nicht das materielle Recht, sondern der jeweilige Prozeßablauf im Verbundverfahren entscheide.
Dem vermag der Senat nicht beizupflichten.
Gemäß § 1578 Abs. 1 BGB richtet sich das Maß des vollen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dabei wird im Gesetz weder näher definiert, welche Umstände die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmen, noch wird der für diese Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt festgelegt. Nach den von der Rechtsprechung des Senats hierzu entwickelten Grundsätzen, die in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Zustimmung erfahren haben (siehe hierzu Nachweise bei Göppinger/Kindermann Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rdn. 1255, Fn. 36), umfassen die ehelichen Lebensverhältnisse alles, was während der Ehe für den Lebenszuschnitt der Ehegatten nicht nur vorübergehend tatsächlich von Bedeutung ist. Dazu gehören insbesondere die den Lebensstandard prägenden wirtschaftlichen Verhältnisse, also Einkommen und Vermögen, soweit es in die Bedarfsdeckung eingeflossen ist, sowie Belastungen. Als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung hat der Senat – in Anlehnung an die früher nach §§ 58, 59 EheG geltende Regelung – nicht denjenigen der Trennung, sondern denjenigen der Scheidung angesehen. Denn da die Ehe auch während der Trennung der Eheleute bis zur rechtskräftigen Scheidung fortbesteht und die eheliche Lebensgemeinschaft grundsätzlich jederzeit wiederaufgenommen werden könnte, sind die Ehegatten bis zu diesem Zeitpunkt im unterhaltsrechtlichen Sinn auf der Grundlage ihrer ehelichen Lebensverhältnisse miteinander verbunden. Sie nehmen auch während der Trennungsphase an der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse teil – es sei denn, diese beruhen auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung –, da erst die Rechtskraft der Scheidung den Endpunkt für die ehelichen Lebensverhältnisse setzt (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 20. Januar 1982 – IVb ZR 650/80 – FamRZ 1982, 360, 361; vom 31. März 1982 – IVb ZR 661/80 – FamRZ 1982, 576, 577 und seither ständig). Diese Ausrichtung der ehelichen Lebensverhältnisse am Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung entspricht der grundsätzlichen Intention des Gesetzgebers, den berechtigten Ehegatten an dem Lebenszuschnitt zu beteiligen, der sich bis zu diesem Endpunkt entwickelt hat (vgl. BT-Drucks. 7/650 S. 136). Auch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 57, 361, 389; Beschluß vom 21. Oktober 1992 – 1 BvR 1233/91 – FamRZ 1993, 171) hat es von Verfassungs wegen nicht beanstandet, daß für die Bemessung des Unterhalts nach § 1578 an die zum Zeitpunkt der Scheidung für Unterhaltszwecke verfügbaren Mittel angeknüpft wird.
Dieselben Grundsätze hat der Senat auch angewandt, wenn der Unterhalt eines Ehegatten von der Unterhaltslast gegenüber Kindern mitbestimmt wird. Der in der Praxis für die Bemessung des Ehegattenunterhalts aus § 1361 oder §§ 1569 f. BGB übliche Vorwegabzug des Kindesunterhalts vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen rechtfertigt sich dabei, soweit es um gemeinsame Kinder der Ehegatten geht, bereits aus der Überlegung, daß Eltern üblicherweise zuerst den Bedarf ihrer Kinder decken. Auch gegenüber dem getrenntlebenden oder geschiedenen unterhaltsberechtigten Ehegatten setzt sich diese Handhabung fort, soweit sich daraus nicht ein Mißverhältnis zum wechselseitigen Lebensbedarf der Beteiligten ergibt (vgl. dazu Senatsurteile vom 10. Dezember 1980 – IVb ZR 534/80 – FamRZ 1981, 241, 242; und vom 25. Februar 1987 – IVb ZR 36/86 – FamRZ 1987, 456, 459). Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muß sich darüber hinaus auch den Vorwegabzug des Unterhalts von Kindern entgegenhalten lassen, die nicht von ihm abstammen. Das ist unmittelbar einleuchtend in Fällen, in denen der unterhaltspflichtige Ehegatte Kinder aus seiner früheren Verbindung in die Ehe mitbringt und dort mitunterhält oder, soweit sie beim anderen Elternteil verbleiben, ihnen Barunterhalt leistet. Dies gilt auch dann, wenn es sich um ein außereheliches Kind des unterhaltspflichtigen Ehegatten handelt, das während des Zusammenlebens der Ehegatten geboren wird. In allen diesen Fällen stellt sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte in der Ehe darauf ein, daß die Unterhaltslast gegenüber dem – nicht von ihm abstammenden – Kind besteht und den gemeinsamen ehelichen Lebensstandard mindert. Kommt es dann zur Trennung, wirkt diese Belastung fort und der unterhaltsberechtigte Ehegatte muß sich – wiederum unter der Voraussetzung, daß hierdurch kein Mißverhältnis zum wechselseitigen Lebensbedarf entsteht – damit begnügen, daß nur dasjenige in die Bedarfsbemessung einfließt, was auch zuvor in der Ehe an verfügbaren Mitteln für die Ehegatten vorhanden war.
Entsprechendes muß auch dann gelten, wenn das Kind erst während der Trennungszeit geboren wird. Da das Eheband auch während der Trennung weiterbesteht und demgemäß grundsätzlich alle in dieser Zeit eintretenden wirtschaftlichen und persönlichen Entwicklungen der Ehegatten in die ehelichen Lebensverhältnisse einfließen, nehmen die Ehegatten auch noch während der Trennung an diesen Veränderungen teil. Der Senat hat dabei auch darauf abgestellt, daß die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Trennungsphase nicht ausgeschlossen ist, so daß bei Eintritt dieses Falles die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind weiterbestehen und damit die ehelichen Lebensverhältnisse in Zukunft prägen würde (Senatsurteile vom 13. Juli 1988 – IVb ZR 39/87 – FamRZ 1988, 1031, 1032; vom 20. Oktober 1993 aaO S. 89). Erst die rechtskräftige Scheidung setzt insofern einen Endpunkt. Daher scheidet ein Vorwegabzug des Unterhalts für ein Kind des Unterhaltsverpflichteten aus, das erst aus einer späteren Verbindung hervorgeht (Senatsurteil vom 25. Februar 1987 aaO S. 457). Die diesem Kind gegenüber bestehende Unterhaltslast muß sich der Berechtigte nur im Rahmen des § 1581 BGB entgegenhalten lassen.
Die Rechtsprechung des Senats zum Vorwegabzug des Unterhalts eines in der Trennungszeit geborenen nichtehelichen Kindes ist nicht ohne Kritik geblieben (vgl. Ewers FamRZ 1994, 816; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1578 Rdn. 17; Palandt/Diederichsen BGB 57. Aufl. § 1578 Rdn. 12; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 3. Aufl. IV Rdn. 918). Ihr ist einzuräumen, daß das Argument der möglichen Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft um so mehr zurücktreten muß, je länger die Trennung währt und je näher der Zeitpunkt der Geburt an den Zeitpunkt des Scheidungsausspruches heranrückt oder gar, wie im vorliegenden Fall, erst zwischen dem Scheidungsausspruch und dessen Rechtskraft eintritt. Es entspricht in solchen Fällen nicht der Lebenswirklichkeit, daß sich die Ehegatten versöhnen und ihre eheliche Lebensgemeinschaft wiederaufnehmen, zumal die Geburt eines Kindes aus einer außerehelichen Verbindung die Zerrüttung der Ehe in der Regel vollends besiegeln wird. Auch das Gesetz geht in Gestalt einer unwiderleglichen Vermutung davon aus, daß die Ehe endgültig gescheitert ist und nicht mehr mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gerechnet werden kann, wenn die Ehegatten – bei beiderseitigem Scheidungswillen – ein Jahr, andernfalls drei Jahre getrennt gelebt haben (§ 1566 Abs. 1 und 2 BGB).
Gleichwohl muß es auch in diesen Fällen bei der Rechtskraft des Scheidungsurteils als zeitlicher Zäsur für die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse gemäß § 1578 Abs. 1 BGB bleiben, weil sie die Gewähr für eine klare, praktikable und gleichmäßige Handhabung der Vielzahl von Unterhaltsfällen in der Praxis bietet. Weder die Trennung der Ehegatten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. März 1982 aaO) noch – wie die Revision meint – die Zerrüttung der Ehe sind demgegenüber vergleichbar geeignete Anknüpfungspunkte. Denn beide sind, was die Feststellung des Trennungszeitpunktes gemäß § 1567 BGB und des Scheiterns der Ehe gemäß §§ 1565 Abs. 1 oder 1566 Abs. 1 und 2 BGB angeht, mit Unwägbarkeiten und Beweisschwierigkeiten behaftet, die ihre Anwendung in der Praxis erschweren. Der von der Revision befürchteten Manipulationsgefahr durch Verzögerung der Rechtskraft der Scheidung – die durch die Regelung des § 629 a Abs. 3 ZPO zur Befristung von Rechtsmittelerweiterungen und Anschließung im Verbundverfahren ohnehin begrenzt wurde – kann im übrigen mit verfahrensrechtlichen Maßnahmen, etwa der Vorabentscheidung über die Scheidung durch Abtrennung gemäß § 628 ZPO, begegnet werden (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 57. Aufl. § 628 Rdn. 6, 9). Daher greift auch der Einwand der Revision, es sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht hinnehmbar, daß über die materiell-rechtliche Frage des Vorwegabzugs von Kindesunterhalt bei der Bemessung von Ehegattenunterhalt nicht das materielle Recht, sondern der jeweilige Prozeßverlauf entscheide, nicht durch. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) ist nicht gegeben, da gleichgelagerte Fälle nicht ungleich behandelt werden.
b) Das Oberlandesgericht hat unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im vorangegangenen Trennungsunterhaltsverfahren dem Einkommen des Ehemannes durchschnittliche monatliche Mieteinnahmen aus dem Haus in Höhe von (419,60 DM abzüglich eines pauschalen Abschlags von 40 % für Belastungen und Rückstellungen =) 251,76 DM hinzugerechnet. Diese Schätzung (§ 287 ZPO) liegt im Rahmen tatrichterlichen Ermessens und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch der verfahrensrechtliche Einwand der Revision (§ 551 Nr. 7 ZPO), die Bezugnahme auf den Vorprozeß des Trennungsunterhalts reiche als Begründung für den hier zu beurteilenden nachehelichen Unterhalt nicht aus, da es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handele, greift nicht durch. Die Mieteinnahmen spielen für den Trennungsunterhalt und den sich unmittelbar anschließenden nachehelichen Unterhalt in gleicher Weise eine Rolle. Zwischenzeitliche Veränderungen in der Höhe haben sich nicht ergeben. Die Bezugnahme auf Ausführungen in einer zwischen den Parteien in einer anderen Sache ergangenen Entscheidung ist rechtlich unbedenklich (vgl. BGHZ 33, 333, 346).
c) Den Kindesunterhalt für das eheliche Kind Lars und das nichteheliche Kind Lisa hat das Oberlandesgericht rechtlich bedenkenfrei aus dem monatlichen Nettoeinkommen des Ehemannes von 4.840,44 DM zuzüglich der Mieteinnahmen von 251,76 DM = 5.092,20 DM in Höhe der Sätze der Düsseldorfer Tabelle mit monatlich 680 DM und 565 DM ermittelt.
d) Die Revision wendet sich aber zu Recht dagegen, daß das Oberlandesgericht den Erwerbstätigenbonus des Ehemannes aus dessen Nettoeinkommen vor Abzug des Kindesunterhalts errechnet hat und daher zu Lasten der unterhaltsberechtigten Ehefrau zu einem zu hohen Bonus gelangt ist. Das widerspricht der – nach Erlaß des oberlandesgerichtlichen Urteils ergangenen – Entscheidung des Senats, wonach zur Vermeidung eines Ungleichgewichts der Bonus aus dem restlichen verteilungsfähigen Einkommen nach Abzug des Kindesunterhalts zu berechnen ist (Senatsurteil vom 16. April 1997 – XII ZR 233/95 – FamRZ 1997, 806, 807).
3. Das Oberlandesgericht hat den Elementarunterhaltsbedarf der Ehefrau nach der sogenannten Anrechnungsmethode ermittelt. Dazu hat es ausgeführt: Zwar habe die Ehefrau auch schon während des ehelichen Zusammenlebens in vergleichbarem Umfang wie jetzt in der Apotheke als Aushilfe gearbeitet. Ihr daraus erzieltes Einkommen habe jedoch der Familie für den allgemeinen Lebensbedarf nicht zur Verfügung gestanden, sondern sei für den Unterhalt ihres erstehelichen Sohnes Manuel verwendet worden, da dessen Vater vor Juni 1996 nur einen geringen Unterhalt geleistet habe. Daher komme auch eine nur teilweise Berücksichtigung ihres Einkommens im Wege der Differenzmethode nicht in Betracht. Da für den Sohn Manuel ein Mindestbedarf von 502 DM monatlich anzusetzen sei, der durch Unterhaltszahlungen des Vaters ab Juni 1996 in Höhe von monatlich 240 DM sowie durch anteiliges Kindergeld in Höhe von 100 DM gedeckt werde, verbleibe ein offener Restbedarf von 162 DM, den die Ehefrau aus ihrem monatlichen Einkommen von 590 DM abdecken müsse. Nach weiterem Abzug eines Erwerbstätigenbonus von 1/7 verblieben 366,86 DM, die sie sich unterhaltsmindernd anrechnen lassen müsse.
Gegen die Anwendung der Anrechnungsmethode bestehen indessen im vorliegenden Fall Bedenken, weil sie der praktischen Lebenswirklichkeit nicht entspricht. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sowohl der Zuverdienst der Ehefrau, als auch die Unterhaltslast für den in die Ehe mitgebrachten Sohn die ehelichen Lebensverhältnisse der Ehegatten während der Ehe insgesamt geprägt haben. Der Verdienst der Ehefrau ist in das Familieneinkommen mit eingeflossen, aus dem die Ehegatten sowohl ihren eigenen Bedarf, als auch den des gemeinsamen Kindes Lars, des erstehelichen Sohnes der Ehefrau Manuel und den Barunterhaltsbedarf der erstehelichen Tochter des Ehemannes Alexandra den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend bestritten haben. Daß für Manuel eine gesonderte „Kasse” geführt worden sei, aus der dann sein – zwangsläufig geringerer – Unterhalt bestritten worden sei, ist nicht vorgetragen und entspräche auch nicht der üblichen Handhabung innerhalb einer intakten Familie. Es besteht kein Anlaß, den Anwendungsbereich der Anrechnungsmethode auf Fälle auszudehnen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte ein ersteheliches Kind in die Ehe mitbringt und durch Eigenverdienst zu dessen Unterhalt beiträgt. Vielmehr bestimmt sich der Elementarunterhalt der Ehefrau nach den Grundsätzen der Differenzmethode. Daher kann die auf der Grundlage der Anrechnungsmethode ergangene Entscheidung nicht bestehenbleiben.
4. Die Revision rügt ferner zu Recht, daß das Oberlandesgericht der Ehefrau keinen Altersvorsorgeunterhalt zuerkannt hat.
Die Ehefrau hat in erster Instanz einen Gesamtunterhalt von monatlich 1.980,70 DM geltend gemacht, bestehend aus Elementarunterhalt in Höhe von 1.761,55 DM und Krankenversicherungsunterhalt in Höhe von 219,15 DM. Das Amtsgericht hat ihr monatlich insgesamt 1.856 DM zugesprochen. In dem Berufungsverfahren, in dem der Ehemann Herabsetzung dieses Unterhalts beantragt hat, hat sie Zurückweisung seiner Berufung beantragt und darauf hingewiesen, daß ihr ein zusätzlicher Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 421,90 DM zustehe, ohne insoweit Anschlußberufung zu erheben. Das ist jedoch unschädlich. Ihr Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Ehemannes enthält zugleich das Begehren, ihren verlangten Gesamtunterhalt mit dem Altersvorsorgeunterhalt aufzufüllen. Eine Bindungswirkung besteht nur insoweit, als über diesen Gesamtunterhalt nicht hinausgegangen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1988 – IVb ZR 23/88 – FamRZ 1989, 483, 485). Die Entscheidung in BGHZ 94, 145, 147 steht dem nicht entgegen.
Da sich das Oberlandesgericht mit dem Altersvorsorgeunterhalt nicht befaßt hat, kann das Berufungsurteil auch aus diesem Grunde nicht bestehenbleiben.
5. Eine eigene Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt, da hierzu die notwendigen Grundlagen fehlen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist daher aufzuheben und an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Das Einkommen der Ehefrau ist vor Einstellung in die Differenzrechnung um den restlichen Unterhalt für Manuel (162 DM) zu verringern. Das ist Ausfluß der gebotenen Gleichbehandlung mit dem Unterhaltsverpflichteten, bei dem der Kindesunterhalt ebenfalls vorweg abgezogen wird, und entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1991 – XII ZR 166/90 – FamRZ 1991, 1163, 1164). Außerdem ist der Ehefrau 1/7 des verbleibenden Einkommens als Erwerbstätigenbonus zu belassen.
b) Ausgangspunkt für die Bemessung des Altersvorsorgeunterhalts kann nicht der unter Einbeziehung des versicherungsfreien Einkommens der Ehefrau aus ihrer Aushilfstätigkeit ermittelte vorläufige Elementarunterhalt sein. Denn da sie mit ihrem nicht versicherungspflichtigen Einkommen keine eigene Alterssicherung erwirbt, würde insoweit in ihrer „sozialen Biographie” eine Lücke entstehen, die ein auf der Grundlage des Differenzunterhalts berechneter Altersvorsorgeunterhalt nicht schließen würde. Der mit dem Vorsorgeunterhalt beabsichtigte Zweck erfordert es deshalb, dem Unterhaltsberechtigten, der eine Aushilfstätigkeit ohne Versorgungswert ausübt, auch im Umfang dieser Einkünfte einen Altersvorsorgeunterhalt zu gewähren. Daher ist für die Bemessung des Altersvorsorgeunterhalts derjenige (fiktive) Unterhaltsbetrag zugrunde zu legen, den die Ehefrau ohne die Ausübung ihrer Tätigkeit verlangen könnte (vgl. dazu eingehend Senatsurteil vom 25. November 1998 – XII ZR 33/87 – m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt).
c) Der endgültige Elementarunterhalt ist unter Berücksichtigung dieses Altersvorsorgeunterhalts im Wege einer zweistufigen Berechnung zu ermitteln, um eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes zu Lasten des Unterhaltsverpflichteten zu vermeiden (zur zweistufigen Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts vgl. Senatsurteile vom 25. Februar 1981 – IVb ZR 543/80 – FamRZ 1981, 442, 444 f. und vom 30. Juni 1982 – IVb ZR 695/80 – FamRZ 1982, 890 f. m.w.N. und seither ständig). Denn hier liegt keiner der Fälle vor, in denen auf diesen weiteren Berechnungsschritt verzichtet werden könnte – wie etwa bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen oder wenn von der Unterhaltsquote anrechenbare Eigeneinkünfte des Berechtigten im Wege der Anrechnungsmethode abzuziehen sind und folglich noch genug Masse für den Altersvorsorgeunterhalt vorhanden ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. November 1998 aaO m.w.N.).
d) Das gewonnene Ergebnis ist sodann tatrichterlich auf seine Angemessenheit und Billigkeit zu überprüfen (vgl. Senatsurteil vom 4. November 1987 – IVb ZR 81/86 – FamRZ 1988, 145, 151). Dazu gehört auch die Frage, ob der Ehefrau für ihren laufenden Lebensbedarf ausreichende Mittel zur Verfügung stehen oder ob eine Kürzung des an sich nachrangigen Altersvorsorgeunterhalts erforderlich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. März 1987 – IVb ZR 32/86 – FamRZ 1987, 684, 686; Wendl/Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 4. Aufl. § 4 Rdn. 478).
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.11.1998 durch Riegel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609915 |
NJW 1999, 717 |
FamRZ 1999, 367 |
FamRZ 2007, 429 |
FuR 1999, 172 |
NJWE-FER 1999, 73 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 1999, 54 |
JZ 1999, 678 |
MDR 1999, 296 |
NJ 1999, 203 |