Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 03.02.2004) |
Tenor
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Februar 2004 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten K. und F. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen jeweils unter Einbeziehung von Strafen aus einem Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. April 2003 zu Gesamtfreiheitsstrafen von zehn Jahren und neun Monaten (K.) sowie acht Jahren und sechs Monaten (F.) verurteilt. Den in diesem Urteil angeordneten Wertersatzverfall in Höhe von 25.400,00 EUR (K.) und 24.850,00 EUR (F.) hat es aufrechterhalten, einen weiteren Wertersatzverfall aber mit folgender Begründung abgelehnt:
„Wegen der vorliegend in Rede stehenden Taten hat die Kammer von der Anordnung eines weiteren Ersatzverfalles auf Grundlage des § 73 c Abs. 1 Satz 2 Var. 1 StGB abgesehen. Die Kammer hat nicht festzustellen vermocht, daß, nachdem ihre jeweiligen mit Hypotheken belasteten Wohnhäuser aufgrund der Inhaftierung verkauft werden müssen und im Urteil vom 08.04.2003 bereits ein Wertersatzverfall in Höhe von 25.400,00 EUR (K.) bzw.: 24.850,00 EUR (F.) angeordnet worden ist, noch Vermögen vorhanden sind, in denen sich ein Gegenwert des aus den hier begangenen Taten Erlangten wiederfinden könnte. Die erhaltenen Gelder sind von ihnen weitgehend, auch im Rahmen ihrer üblichen Lebensführung, verbraucht worden, ohne daß deswegen ein besonders luxuriöses Leben geführt oder Unternehmungen finanziert worden wären, die sonst nicht möglich gewesen wären. Vor diesem Hintergrund erscheint es als unangemessene Härte, Wertersatzverfall in voller Höhe aller im Rahmen der Betäubungsmittelgeschäfte durch ihre Hände gegangener Geldbeträge festzusetzen: Der bereits im einbezogenen Urteil festgesetzte Wertersatzverfall ist ausreichend und angemessen.”
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen das Absehen von einer weiteren Verfallanordnung.
Die Revision ist unbegründet.
Zwar ist die Anordnung des Verfalls obligatorisch, wenn dessen rechtliche Voraussetzungen vorliegen (BGHSt 47, 369, 370 f.). Eine Ausnahme kommt aber in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 73 c StGB gegeben sind. Diese Regelung eröffnet in § 73 c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB für den Fall, daß der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen ganz oder teilweise nicht mehr vorhanden ist, die Möglichkeit, nach pflichtgemäßen Ermessen von einer Verfallsanordnung abzusehen (BGHSt 48, 40, 41). Eine solche Ermessensentscheidung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den Gründen, die zu einem etwaigen Wegfall der Bereicherung geführt haben (vgl. BGHSt 33, 37, 40). Die Entscheidung ist dabei in erster Linie Sache des Tatrichters (BGH wistra 2003, 424 ff.; BGH, Urt. vom 14. September 2004 – 1 StR 202/04).
Das Landgericht hat hier in rechtlich nicht beanstandender Weise nach § 73 c Abs.1 Satz 2 Alt. 1 StGB von einer Verfallanordnung abgesehen. Für die Anwendbarkeit dieser Ermessensvorschrift kommt es zunächst darauf an, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Die entsprechende Beurteilung setzt die Feststellung der Vermögensverhältnisse des Angeklagten voraus (BGH StraFo 2003, 283). Insoweit hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß sich keine aus den Taten erlangten Vermögensvorteile noch bei den Angeklagten befinden. Soweit die Revision geltend macht, dies sei nicht zutreffend und auf eine im Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten K. ergangene Arrestanordnung, auf Grund derer noch ein Betrag von 37.100,00 EUR hinterlegt sei, abstellt, ist dieses Vorbringen im Revisionsverfahren unbeachtlich. Das Urteil enthält dazu keine Feststellungen, erforderlich wäre deshalb die Erhebung einer Verfahrensrüge (z. B. eine Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO) gewesen; dies ist jedoch nicht geschehen.
Bei der gebotenen Ermessensentscheidung (vgl. dazu BGH NStZ 2001, 42; Urteil des Senats vom 5. Dezember 2001 – 2 StR 410/01) hat die Strafkammer zu Recht vor allem darauf abgestellt, daß es sich bei dem vorliegenden Strafverfahren nur um einen Teilkomplex bereits abgeurteilter Taten handelt und im vorangegangenen Verfahren bereits eine umfassende Verfallanordnung ergangen ist, die nach Ansicht des Landgerichts für die Abschöpfung des unrechtmäßig erlangten Vermögenszuwachses, was die §§ 73 ff. StGB bezwecken (vgl. BGHSt 31, 145, 146), ausreichend ist. Damit hat die Schwurgerichtskammer zutreffend bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, daß in Fällen, bei denen eine nachträgliche Gesamtstrafe nach § 55 StGB zu bilden ist und auch im neuen Verfahren eine (weitere) Verfallanordnung in Betracht kommt, darüber grundsätzlich durch den neuen Gesamtstrafenrichter einheitlich neu zu entscheiden ist. Dieser hat sich dabei auf den Standpunkt des früheren Tatrichters zu stellen. Denn der Angeklagte soll durch die Entscheidung nach § 55 StGB so gestellt werden, als wenn über alle einzubeziehenden Straftaten gleichzeitig befunden worden wäre; er darf deshalb dadurch, daß seine Taten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht benachteiligt, soll dadurch aber auch nicht bevorzugt werden. Dies wird regelmäßig dazu führen, daß der aufgrund einheitlicher Anordnung im neuen Urteil festzusetzende Verfallsbetrag nicht niedriger ausfallen darf als in der früheren Entscheidung (BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 7). Dagegen hat das Landgericht nicht verstoßen. Die Begründung selbst läßt nicht besorgen, daß eine weitere Verfallsanordnung nur deshalb unterblieben ist, um dem Verurteilten kriminell erworbene und noch vorhandene Vermögenswerte zu erhalten (vgl. BGH NStZ 1995, 495; NStZ-RR 2000, 365). Vielmehr sieht die Strafkammer den bereits im einbezogenen Urteil festgesetzten Wertersatzverfall als ausreichend und angemessen an. Einen Ermessensfehler vermag der Senat in dieser Entscheidung nicht zu erkennen.
Soweit das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung auch auf eine unangemessene Härte auf Seiten der Angeklagten abstellt, hält es möglicherweise auch die Voraussetzungen des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB für gegeben. Ob diese zutreffend ist, kann der Senat offen lassen, denn die Entscheidung des Landgerichts ist bereits durch § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB gerechtfertigt.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Otten, Roggenbuck
Fundstellen