Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der genügend bestimmten Bezeichnung der gepfändeten Forderung in einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß.
Ein sachlich-rechtlicher Verzicht auf die Rechte aus einer Pfändung kann auch durch einfache Erklärung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner erfolgen, die nicht förmlich zugestellt worden ist.
Ist eine zwischen dem Schuldner und dem Drittschuldner in einem Prozeß streitige Forderung gepfändet werden, dann kann, wenn die Pfändung im Prozeß nicht beachtet worden und daher ein Urteil auf Leistung an den Schuldner ergangen ist, der Drittschuldner, der aufgrund des Urteils an den Schuldner gezahlt hat, dem Pfändungsgläubiger gegenüber nicht wirksam Erfüllung einwenden.
Normenkette
ZPO §§ 829, 835, 843; BGB §§ 135-136, 407; ZPO §§ 325, 265
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Juni 1981 geändert. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. April 1980 wird zurückgewiesen. Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte 11/20 zu tragen. Im übrigen wird die Entscheidung über die Verfahrenskosten dem Berufungsgericht übertragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger pfändete mit Pfändungsverfügung vom 5. Oktober 1973, an die Beklagte als Drittschuldnerin, zugestellt am 8. Oktober 1973, wegen einer Umsatzsteuerschuld der Firma C… SA (Schuldnerin) in Höhe von 60.216,81 DM deren angebliche Forderungen gegen die Beklagte als Drittschuldnerin. In der Pfändungsverfügung war die gepfändete Forderung bezeichnet als „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Bohrarbeiten)”.
Die Beklagte erkannte als Drittschuldnerin die gepfändete Forderung nicht als begründet an, weil zwischen ihr und der Schuldnerin deswegen ein Rechtsstreit anhängig war. Mit Teilurteil des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Oktober 1976 wurde die Beklagte in der Folgezeit zur Zahlung von 51.516,95 DM nebst Zinsen an die Schuldnerin verurteilt. Sie brachte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung eine Bankbürgschaft über 82.000 DM bei. Nachdem die Entscheidung durch Nichtannahme der Revision am 12. Mai 1977 rechtskräftig geworden war, befriedigte sich die Schuldnerin aus der Bürgschaft.
Am 17. Juli 1979 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Schuldnerin habe zwischenzeitlich einen Teilbetrag von 23.500 DM an die Finanzkasse bezahlt; es werde gebeten, aufgrund der Pfändung den Restbetrag von 30.843,13 DM zu überweisen. Diesen Betrag hat der Kläger eingeklagt. Im Laute des Rechtsstreits hat er seine Klage um 23.500 DM erhöht, weil die für eine andere Steuerschuld bestimmte Zahlung der Schuldnerin irrtümlich auf die hier streitige Pfändung verrechnet worden sei. Der Kläger hat deshalb beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 54.343,13 DM zu verurteilen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 30.843,13 DM stattgegeben. Beide Parteien haben dagegen Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat auf das Rechtsmittel der Beklagten die Klage unter Zurückweisung der Berufung des Klägers in vollem Umfang abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hält die Pfändung für unwirksam, weil die gepfändete Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte in der Pfändungsverfügung nicht hinreichend bestimmt bezeichnet gewesen sei. Es sei aus der Pfändungsverfügung schon nicht klar geworden, ob die Schuldnerin und die Beklagte als Drittschuldnerin nur an einem oder an mehreren Objekten in werkvertraglichen Rechtsbeziehungen gestanden hätten. Schuldnerin wie Drittschuldnerin betrieben Zentrifugierungen und Bohrungen in ihrem Unternehmen. Es habe nahegelegen, daß die Beklagte als Subunternehmerin der Schuldnerin tätig gewesen sei, was erfahrungsgemäß in ständiger Geschäftsverbindung bei mehreren Objekten zu geschehen pflege. Dritte hätten bei dieser Sachlage nicht feststellen können, welche Forderungen der Schuldnerin gegen die Beklagte hier gepfändet sein sollte.
2. Die Revision meint, durch die Angaben in der Pfändungsverfügung sei hinreichend deutlich geworden, daß es sich um Forderungen der Schuldnerin aus einem Werkvertrag über Bohrarbeiten gegen die Drittschuldnerin gehandelt habe. Es sei nicht vorgetragen gewesen, daß die Schuldnerin öfters für die Beklagte Bohrarbeiten ausgeführt hätte.
II.
1. Wird eine Forderung nach §§ 829, 835 ZPO gepfändet, – für die Pfändung aufgrund von Abgabenforderungen gilt nichts anderes (§§ 361 ff. AO a.F.; §§ 309 ff. AO – 1977) –, dann muß sie in dem Pfändungsbeschluß so genau bezeichnet werden, daß ihre Identität unzweifelhaft festgestellt werden kann. Es muß auch für Dritte erkennbar sein, welche Forderungen des Schuldners gegen den Drittschuldner Gegenstand der Pfändung sein soll. Deshalb muß der Rechtsgrund der gepfändeten angeblichen Forderung in der Regel wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben sein (BGHZ 13, 42; BGH Urteile vom 25. Januar 1961 – VIII ZR 22/60 = WM 1961, 348 = LM ZPO § 829 Nr. 5; vom 28. April 1965 – VIII ZR 113/63 = WM 1965, 517 = LM ZPO § 857 Nr. 8; vom 28. Februar 1975 – V ZR 146/73 = NJW 1975, 980, 981; vom 22. November 1979 – VII ZR 322/78 NJW 1980, 584; RGZ 139, 97; 157, 321, 324). Übermäßige Anforderungen sind allerdings bei der Bezeichnung der Forderung, die gepfändet werden soll, nicht zu stellen, weil der Gläubiger in der Regel die Verhältnisse des Schuldners nur oberflächlich kennt (Senatsurteil vom 28. April 1965 a.a.O.). Deshalb sind auch Ungenauigkeiten bei der Bezeichnung der gepfändeten Forderung unschädlich, wenn sie nicht Anlaß zu Zweifeln geben, welche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner bei der Pfändung gemeint ist (BGH Urteil vom 22. November 1979 a.a.O.). An dieser ständigen Rechtsprechung hält der Senat fest.
2. Die Auslegung eines Pfändungsbeschlusses, eines gerichtlichen Hoheitsaktes also, obliegt dem Revisionsgericht selbst (Senatsurteile vom 28. April 1965 a.a.O.; vom 26. April 1978 – VIII ZR 18/77 = WM 1978, 613). Das gilt auch für Pfändungsverfügungen, die von den Finanzbehörden nach der Abgabenordnung erlassen werden.
3. Hier ist nicht streitig, daß die Schuldnerin für die Beklagte bei einem Bauobjekt als Subunternehmerin Bohrarbeiten ausgeführt hat. Die Werklohnforderung der Schuldnerin für diese Bohrarbeiten war vom Kläger gepfändet worden. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Pfändungsverfügung bei dessen vernünftiger Auslegung (§ 133 BGB) auch für jeden Dritten (BGH Urteile vom 25. Januar 1961 und vom 28. Februar 1975 a.a.O.) Selbst wenn die Schuldnerin häufiger als Subunternehmerin für die Beklagte tätig geworden sein sollte, – wie das Berufungsgericht meint, wofür allerdings nichts vorgetragen ist, worauf die Revision mit Recht hinweist, – dann war es immer noch klar, daß alle Forderungen aus Werkverträgen mit dem Inhalt „Bohrarbeiten” gepfändet waren. Das Berufungsgericht überspannt die Anforderungen, die an einen pfändenden Gläubigerwegen der Bezeichnung der von ihm gepfändeten Forderung gestellt werden können. Eine Angabe des Schuldgrundes der gepfändeten Forderung in Umrissen, die die Forderung, wie hier, identifizierbar macht, genügt für die Wirksamkeit der Pfändung. Das angefochtene Urteil kann daher mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben.
4. Es kann auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten werden, der Kläger müsse die Befriedigung der Schuldnerin aus der von der Beklagten beigebrachten Bürgschaft gegen sich gelten lassen.
Ein Veräußerungsverbot für eine Forderung, das im Wege der gerichtlichen Pfändung und Überweisung erlassen worden ist, hat zur Folge, daß eine Verfügung über die Forderung dem Pfändungsgläubiger gegenüber unwirksam ist (55, 136, 135 BGB). Wird dem Veräußerungsverbot zuwidergehandelt dann muß der Pfändungsgläubiger so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn eine verbotswidrige Zahlung an den Schuldner nicht bewirkt worden wäre, wobei allerdings der Drittschuldner zulässige Einwendungen gegen die gepfändete Forderung durch eine verbotswidrige Zahlung an den Schuldner nicht verliert (BGHZ 58, 25, 27; Mayer-Maly in MünchKomm, BGB § 136 Rdnr. 5). Bei der Pfändung einer Forderung wird der Drittschuldner durch Zahlung an den Schuldner nur dann von seiner Verpflichtung gegenüber dem Pfändungsgläubiger frei, wenn er das dem Schuldner auferlegte Verfügungsverbot und das ihm selbst obliegende Zahlungsverbot nicht kennt. Hat der Drittschuldner verbotswidrig an den keine Empfangszuständigkeit mehr besitzenden Schuldner bezahlt, ohne analog § 407 BGB von seiner Verpflichtung frei geworden zu sein, so hat er gegenüber dem Pfändungsgläubiger nicht erfüllt (§ 362 BGB; Soergel/Hefermehl, BGB, 11. Aufl., § 136 Rdnr. 29). § 407 Abs. 2 BGB gilt allerdings nur, wenn nach erfolgter Pfändung die Forderung im Streit zwischen Schuldner und Drittschuldner rechtshängig wird. War, wie hier, die Rechtshängigkeit schon vor der Pfändung eingetreten, so wirkt ein in diesem Streit ergehendes Urteil § 325 Abs. 1 ZPO zwar auch für und gegen den Gläubiger, der die streitige Forderung während des Rechtsstreits gepfändet hat; denn die Rechtshängigkeit schließt das Recht einer Partei nicht aus, den geltend gemachten Anspruch abzutreten oder sonst auf einen anderen zu übertragen, ohne daß dies auf einen anhängigen Prozeß Einfluß hat (vgl. BGH Urteil vom 28. September 1982 – VI ZR 221/80 = WM 1982, 1313). Dasselbe gilt auch für einen staatlichen Übertragungsakt im Wege der Pfändung (Stein/Jonas, ZPO, 19. Aufl., § 265 Anm. III 3 und IV 1). Ein in einem solchen Prozeß zwischen den Parteien ergangenes Urteil gilt auch gegenüber deren Rechtsnachfolgern, wie Pfändungsgläubigern (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 41. Aufl., § 265 Anm. 3A, § 325 Anm. 2B). Auch sie müssen das Ergebnis des Streits um die Forderung gegen sich gelten lassen.
Ein Urteil im Rechtsstreit um die gepfändete Forderung zwischen dem Schuldner und dem Drittschuldner darf nach materiellem Recht aber nur auf Leistung an den Pfändungsgläubiger ergehen. Liegt für die dem Pfändungsgläubiger überwiesene Forderung schon ein vollstreckbarer Titel zugunsten des Schuldners vor, dann kann der Pfändungsgläubiger diesen Titel gemäß § 727 ZPO auf sich umschreiben lassen (Thomas/Putzo, ZPO, 12. Aufl., § 727 Anm. 3). Leistet der Drittschuldner an den Schuldner vor einer Umschreibung des Titels, so kommt es für die Frage, ob er hierdurch gegenüber dem Pfändungsgläubiger frei geworden ist, auf seine Kenntnis von der Pfändung zur Zeit der Leistung an. Das folgt aus § 407 Abs. 1 BGB, dessen Wirkung durch § 325 ZPO nicht beseitigt ist. Der Drittschuldner kann nicht einfach an den Schuldner aufgrund von dessen Obsiegen in einem Prozeß zahlen, wenn ihm die Pfändung und Überweisung der Forderung an den Pfändungsgläubiger bekannt ist. Hat er einen entsprechenden Vortrag im Prozeß unterlassen, so daß deshalb ein materiell unrichtiges Urteil auf Leistung an den Schuldner ergangen ist, und kann er im Hinblick auf § 767 Abs. 2 ZPO eine Vollstreckungsgegenklage gegen den Schuldner deswegen nicht mehr erheben, dann bleibt ihm nur der Weg der Hinterlegung zugunsten des Schuldners und des Pfändungsgläubigers weil der Pfändungsgläubiger eine Leistung an den Schuldner nicht gegen sich gelten lassen muß (RGZ 84, 286, 289 f.; Roth in MünchKomm, BGB § 407 Rdnr. 22 f.; Weber in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 407 Rdnr. 21).
Daß hier der Beklagten die zwar nach Rechtshängigkeit des Streites über die Forderung erfolgte Pfändung längst vor dem Urteil in diesem Streit bekannt war, steht fest. Wenn sie gleichwohl an die Schuldnerin geleistet hat, weil zu deren Gunsten ein Urteil ergangen war, nachdem sie im Rechtsstreit auf die Pfändung nicht hingewiesen hatte, dann kann sie sich dem Kläger als Pfändungsgläubiger gegenüber nicht auf die Erfüllung ihrer Schuld berufen (§§ 135, 136 BGB).
III.
1. In der hier ergangenen Pfändungsverfügung war gemäß § 361 AO a.F. ausgesprochen, daß das Finanzamt berechtigt ist, die gepfändete Forderung einzuziehen (jetzt §§ 309, 314, AO – 1977). Dieser Ausspruch tritt an die Stelle der Überweisung der Forderung nach § 835 ZPO (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 361 AO a.F. Rdnr. 20). Eines besonderen Nachweises der Forderung des Klägers gegen die Schuldnerin gegenüber der Beklagten als Drittschuldnerin bedarf es nicht. Da weitere Einwendungen insoweit nicht erhoben sind, war auf die Revision des Klägers unter Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts, mit der sie die Abweisung der Klage begehrt hat, zurückzuweisen.
2. Im übrigen, d.h. wegen des bereits vom Landgericht dem Kläger aberkannten Betrages von 23.500 DM, mußte die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Der Gläubiger kann auf die durch Pfändung erworbenen Rechte – sogar unbeschadet seines Anspruchs (§ 843 Satz 1 ZPO) – durch Erklärung gegenüber dem Schuldner und Mitteilung hiervon an den Drittschuldner verzichten. Der Verzicht erfolgt zwar durch eine dem Schuldner zuzustellende Erklärung (§ 843 Satz 2 ZPO), wobei allerdings bereits die Zustellung an den Schuldner den Verzicht wirksam macht, während die Zustellung an den Drittschuldner allein keine Wirkung entfaltet. Ein sachlich-rechtlicher Verzicht durch einfache Erklärung, also ohne Zustellung, kann aber nach Lage des Falles ebenfalls genügen, weil § 843 ZPO nur den unbedingt formell gültigen Weg aufzeigt und die Möglichkeit von Beweisschwierigkeiten beseitigt (RGZ 139, 172, 175; RG JW 1935, 3541, 3542; BAG Betrieb 1963, 420; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 41. Aufl. § 843 Anm. 1; zweifelnd: Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl. § 843 Anm. II; a.A. Thomas/Putzo, ZPO, 12. Aufl. § 843 Anm. 1; Zöller, ZPO, 13. Aufl. Anm. zu § 843). Bisher hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt zu Recht – Feststellungen nicht getroffen, ob ein wirksamer Verzicht auf die Pfändung durch Erklärung gegenüber der Schuldnerin vorgelegen hat. Das wird das Berufungsgericht als Tatrichter nachzuholen haben, wozu die Parteien gegebenenfalls ihren Vortrag ergänzen müssen.
Soweit über die Klageforderung endgültig entschieden worden ist, hat die Beklagte auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 91 ZPO). Im übrigen muß das Berufungsgericht eine Entscheidung über die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens treffen, weil sie vom endgültigen Ausgang der Sache abhängt.
Fundstellen
Haufe-Index 609702 |
BGHZ, 337 |
ZIP 1983, 362 |