Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil der Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 15. Mai 1998 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 86 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; von weiteren 119 Fällen des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen hat es ihn freigesprochen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Diese hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Soweit sich die Nebenklägerin mit der Sachrüge und der nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Aufklärungsrüge gegen die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Annahme verminderter Schuldfähigkeit und damit gegen den Rechtsfolgenausspruch wendet, ist die Revision unzulässig. Nach § 400 Abs. 1 StPO ist dem Nebenkläger die Urteilsanfechtung mit dem Ziel, daß eine andere Rechtsfolge verhängt wird, verwehrt.
2. Dagegen hat die Revision der Nebenklägerin insoweit Erfolg, als sie sich gegen den Teilfreispruch richtet.
Mit der zugelassenen Anklage waren dem Angeklagten auf der Grundlage der Angaben der Geschädigten im Ermittlungsverfahren insgesamt 205 Fälle des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zur Last gelegt worden. Obwohl die von der Strafkammer als glaubwürdig angesehene Nebenklägerin diese Anzahl von Einzeltaten in der Hauptverhandlung bestätigt hat, ist das Landgericht „zugunsten des Angeklagten … von der geringeren Anzahl, entsprechend seinem Geständnis, ausgegangen” (UA 9). Dieser hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, im Tatzeitraum mindestens dreimal monatlich seine Stieftochter sexuell mißbraucht zu haben. Soweit er sich dahingehend eingelassen hat, daß der Beginn der Übergriffe erst im Jahre 1995 gewesen sei, ist ihm das Landgericht allerdings nicht gefolgt, sondern hat es seinen Feststellungen die durch weitere Beweismittel bestätigten Bekundungen der Nebenklägerin zugrunde gelegt, wonach die Mißbrauchshandlungen bereits im August 1994 begonnen haben. Eine Begründung dafür, warum die Strafkammer nicht auch hinsichtlich der Häufigkeit der sexuellen Übergriffe von den Bekundungen der ausdrücklich als „sehr glaubwürdig” (UA 9) angesehenen Nebenklägerin ausgegangen ist, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen.
Die Beweiswürdigung ist daher lückenhaft und hält – worauf auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 15. Oktober 1998 hingewiesen hat – rechtlicher Prüfung nicht stand.
Zwar muß es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht den Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Das Revisionsgericht hat aber nachzuprüfen, ob dem Tatrichter bei der Würdigung der Beweise Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 7, 20; BGH StV 1994, 580). Insbesondere muß die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter muß sich dabei mit allen festgestellten Umständen auseinandersetzen, die den Angeklagten be- oder entlasten (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; BGH, Urteil vom 29. September 1998 - 1 StR 416/98; vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 261 Rdn. 38). Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente – wie hier die konstanten Bekundungen der vom Gericht für sehr glaubwürdig angesehenen Geschädigten – ohne Erörterung hinweggeht, ist demnach fehlerhaft.
Der Senat hebt den Freispruch daher auf und verweist die Sache insoweit an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurück. Sollte das Landgericht zur Verurteilung wegen weiterer Fälle gelangen, so wird es unter Auflösung der bisherigen Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1976 - 2 StR 572/76 - und Beschluß vom 25. Juli 1995 - 1 StR 350/95).
Unterschriften
Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen