Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 31.05.2016) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 31. Mai 2016, soweit es die Angeklagte M. W. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den mitangeklagten Ehemann der Angeklagten hat es wegen Mordes in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen „in einem besonders schweren Fall” und mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes sowie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in vier Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich, soweit es die Angeklagte betrifft, das die Verletzung sachlichen Rechts rügende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sowie die auf die nicht weiter ausgeführte Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen entwickelte der Ehemann der Angeklagten bald nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes eine heftige Eifersucht gegen das Kind, da es ihm die „Frau gestohlen” habe und er für sie nicht mehr im Mittelpunkt stand. Gleichzeitig sah er sich mit der Versorgung des Säuglings, die er meist in der Nacht übernahm, überfordert und durch die Ratschläge und Vorgaben seiner Frau bevormundet. Aus Eifersucht und Frustration, die zunehmend mit Wut gepaart waren, begann er spätestens ab dem 15. Oktober 2015 dem zu diesem Zeitpunkt 14 Tage alten Kind Schmerzen und Verletzungen zuzufügen, wobei er der Angeklagten für sichtbare Verletzungen harmlose Erklärungen lieferte. Auch in der Nacht zum 21. Oktober 2015 übernahm der Mitangeklagte die Versorgung seines Sohnes und begab sich deshalb mit ihm gegen 23.00 Uhr in das Wohnzimmer, während die Angeklagte im angrenzenden Schlafzimmer verblieb. Als er das Kind nach dem Füttern und Wickeln hochhob, glitt es ihm aus der Hand und schlug mit dem Kopf auf den Wohnzimmertisch, worauf es laut zu schreien begann. Da es dem Mitangeklagten nicht gelang, seinen Sohn zu beruhigen, beschloss er gegen Mitternacht, diesen zu töten. Zuvor nahm er über annähernd drei Stunden mehrfach Misshandlungen des Säuglings vor, indem er sich mit vollem Gewicht auf den Kopf des bäuchlings auf einem Kissen liegenden Kindes setzte und dieses, nachdem es zunächst verstummt war, dann aber wieder zu schreien angefangen hatte, mehrere Male heftig schüttelte. Auch dies führte dazu, dass das Kind eine Zeitlang ruhig wurde, bevor es wieder zu weinen begann. Schließlich missbrauchte der Mitangeklagte den Säugling sexuell, indem er seinen erigierten Penis einige Zentimeter weit in dessen Anus einführte. Obwohl die Angeklagte wiederholt das laute Geschrei des Kindes im angrenzenden Wohnzimmer hörte und erkannte, dass der Mitangeklagte dieses „quälte”, gab sie sich schlafend und griff nicht ein, um ihrem Mann zu suggerieren, dass sie ihm vertraue. Dagegen traute sie ihm in Wahrheit nicht, sondern nahm zur Erreichung des genannten Zwecks billigend in Kauf, dass er dem Säugling wiederholt Schmerzen zufügte. Der Mitangeklagte, der sich durch das Nichteingreifen der Angeklagten in seinem Tötungsentschluss bestärkt sah, setzte diesen kurz vor 3.00 Uhr um, indem er das Kind mit beiden Händen an der Hüfte packte und seinen Kopf zweimal gegen die Kante des hölzernen Tisches schlug, so dass es alsbald verstarb. Dass die Angeklagte, die im angrenzenden Schlafzimmer die Schreie ihres Sohnes vernahm, es für möglich hielt, ihr Mann werde diesen töten oder durch die körperlichen Misshandlungen in die Gefahr des Todes bringen, konnte das Landgericht nicht feststellen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Rz. 4
a) Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Sie hat schon deshalb Erfolg, weil die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen hat. Diese gebietet, dass der – durch die zugelassene Anklage abgegrenzte – Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN). Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57). Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).
Rz. 5
So liegt es hier. Das Landgericht hat das Vorliegen einer Qualifikation nach § 225 Abs. 3 StGB nur dahingehend geprüft, ob die Angeklagte durch ihr Unterlassen den Säugling in die Gefahr des Todes gebracht hat (§ 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 StGB). Hingegen hat es nicht erörtert, ob die Angeklagte den Verbrechenstatbestand gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 StGB – durch Unterlassen – verwirklicht hat, obwohl nach den Feststellungen das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift in Betracht kommt. Im Einzelnen:
Rz. 6
aa) Der Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat, also durch einen Angriff im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB, in die konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung bringt (vgl. S/S-Stree/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 225 Rn. 19 ff.). Entscheidend ist, dass eine der in § 225 Abs. 1 StGB umschriebenen tatbestandlichen Handlungen die naheliegende Möglichkeit begründet, sie werde zu den in den Alternativen des § 225 Abs. 3 StGB genannten Weiterungen führen (vgl. LK/Hirsch, StGB, 11. Aufl., § 225 Rn. 24). Schwere Gesundheitsbeschädigungen im Sinne des § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 StGB sind dabei solche Folgen der Misshandlung, die mit einer anhaltenden nachhaltigen Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Leistungsfähigkeit verbunden sind oder in einer lebensbedrohenden, qualvollen oder ernsten und langwierigen Krankheit bestehen. Handelt es sich um eine Unterlassungstat, so begründet der Täter die tatbestandlich vorausgesetzte konkrete Gefahr einer solchen Gesundheitsbeschädigung, wenn er deren Entstehen durch sein Eingreifen hätte abwenden können. In subjektiver Hinsicht ist bezüglich der Verursachung der tatbestandlichen Gefahren des qualifizierten Falles (zumindest bedingter) Vorsatz erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 633/14, BGHR StGB § 225 Abs. 3 Gefahr 1).
Rz. 7
bb) Das Landgericht hat den Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 StGB wegen Fehlens der subjektiven Voraussetzungen nicht als erfüllt angesehen, weil die Angeklagte mit der – tatsächlich gegebenen – Gefahr tödlicher Verletzungen des Kindes durch ihren Ehemann nicht gerechnet habe. Indessen hat es nicht geprüft, ob die Angeklagte, als sie die von ihr in Kauf genommenen Misshandlungen des Kindes durch ihren Ehemann nicht unterband, jedenfalls mit der konkreten Gefahr schwerer Gesundheitsbeschädigungen im Sinne des § 225 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 StGB rechnete. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil das später getötete Kind nach den Feststellungen erst 19 Tage alt war und im Hinblick auf die Konstitution und besondere Verletzlichkeit eines so jungen Säuglings schon bei nicht allzu gravierenden Verletzungshandlungen erhebliche körperliche Folgen eintreten können. Vor diesem Hintergrund hätte gegebenenfalls auch § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB in Betracht gezogen werden müssen.
Rz. 8
b) Da das Urteil bereits deshalb der Aufhebung unterliegt, kann dahinstehen, ob das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht auf eine Verurteilung wegen Totschlags durch Unterlassen erkannt hat.
Rz. 9
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird – wenn auch er einen Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht sollte feststellen können – zu prüfen haben, ob möglicherweise eine Bestrafung auch wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) durch Unterlassen in Betracht kommt. Insoweit gilt:
Rz. 10
Die Möglichkeit, § 227 StGB aufgrund einer Körperverletzung durch Unterlassen zu verwirklichen, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BGH, Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 354/16, NJW 2017, 418, 419 f. mwN). Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Rechtsauffassung des 4. Strafsenats, eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen komme nur in Betracht, wenn erst durch das Unterbleiben der gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen wird (BGH, Urteil vom 20. Juli 1995 – 4 StR 129/95, NStZ 1995, 589, 590), in dieser Allgemeinheit gefolgt werden könnte (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2006 – 3 StR 244/06, StraFo 2006, 466 f.; Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 354/16, NJW 2017, 418, 420). Denn auch nach der Auffassung des 4. Strafsenats ist dieser Zusammenhang zwischen dem Unterlassen und der tödlichen Folge jedenfalls dann gegeben, wenn dem unterlassenden Garanten anzulasten ist, die zum Tode führenden Gewalthandlungen des aktiv Handelnden nicht verhindert zu haben (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 117 ff.; vom 20. Juli 1995 – 4 StR 129/95, NStZ 1995, 589, 590).
Rz. 11
Hier hat das Landgericht das Vorliegen einer Körperverletzung mit Todesfolge in subjektiver Hinsicht verneint, da die Angeklagte nicht die Vorstellung gehabt habe, dass der Mitangeklagte Körperverletzungen vornahm, die das Kind in die Gefahr des Todes brachten. Dem hat die Strafkammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegt, wonach zur Erfüllung des Tatbestandes des § 227 StGB der Vorsatz des Unterlassungstäters sich auf solche Körperverletzungen des aktiv Handelnden beziehen muss, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 118). Die Urteilsgründe lassen indes zweifelhaft erscheinen, ob das Landgericht hierbei hinreichend bedacht hat, dass sich der Vorsatz des Garanten bei einer Unterlassungstat nach § 227 StGB nur auf die Eignung der Körperverletzungshandlung, die Todesgefahr zu begründen, beziehen muss, nicht dagegen auf den Tod des Opfers als Ergebnis des Körperverletzungserfolgs. Hinsichtlich der tödlichen Folge genügt in subjektiver Hinsicht Fahrlässigkeit (§ 18 StGB). Die qualifizierende Tatfolge muss daher lediglich vorhersehbar sein. Für deren Vorhersehbarkeit reicht es aus, dass der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte erkennen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310).
Rz. 12
Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen nach §§ 13, 222 StGB käme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen hier schon dann in Betracht, wenn die Angeklagte aufgrund ihrer akustischen Wahrnehmungen hätte erkennen können, dass der Mitangeklagte im Begriff war, den gemeinsamen Sohn zu töten.
Rz. 13
2. Die Revision der Angeklagten
Rz. 14
Dagegen ist dem Rechtsmittel der Angeklagten der Erfolg zu versagen. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb schon unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 StPO. Auch die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler nicht aufgedeckt. Der Schuldspruch wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen unterliegt keiner rechtlichen Beanstandung. Insbesondere belegen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils die vom Landgericht angenommene Tatbestandsalternative des „Quälens” im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB durch Unterlassen in objektiver und subjektiver Hinsicht.
Rz. 15
a) Quälen im Sinne dieser Vorschrift bedeutet das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender (erheblicher) Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art. Es wird im Allgemeinen durch mehrere Tathandlungen bewirkt, wobei oft erst die ständige Wiederholung mehrerer Körperverletzungshandlungen, die für sich genommen noch nicht den Tatbestand des § 225 Abs. 1 StGB erfüllen, den besonderen Unrechtsgehalt des Quälens verwirklichen (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 115; vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 306). Ob sich mehrere Körperverletzungen zu einer als Quälen zu bezeichnenden Tathandlung zusammenfügen, ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden. Dabei sind räumliche und situative Zusammenhänge, zeitliche Dichte oder eine sämtliche Einzelakte prägende Gesinnung mögliche Indikatoren (BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2015 – 4 StR 11/15, BGHR StGB § 225 Abs. 1 Misshandlung 1; vom 20. März 2012 – 4 StR 561/11, NStZ 2013, 466, 467). Die zugefügten Schmerzen oder Leiden müssen über die typischen Auswirkungen einzelner Körperverletzungshandlungen hinausgehen. Ist dies der Fall, so kann Quälen auch durch Unterlassen begangen werden (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juli 2003 – 4 StR 190/03, NStZ 2004, 94 f.; vom 23. Juli 2015 – 3 StR 633/14, BGHR StGB § 225 Abs. 1 Tathandlungen 1). In subjektiver Hinsicht, in der bedingter Vorsatz genügt (BGH, Urteil vom 4. August 2015 – 1 StR 624/14, NStZ 2016, 95, 97), ist es erforderlich, dass der Täter den Vorsatz hat, dem Opfer erhebliche Schmerzen oder Leiden zuzufügen, die über die typischen Auswirkungen hinausgehen, die mit der aktuellen Körperverletzungshandlung verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2012 – 4 StR 561/11, NStZ 2013, 466, 467 mwN; Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 633/14, BGHR StGB § 225 Abs. 1 Tathandlungen 1).
Rz. 16
b) Vorliegend standen die mehrfachen, innerhalb eines Zeitraums von wenigen Stunden vorgenommenen gravierenden Verletzungshandlungen des Ehemanns der Angeklagten in einem engen zeitlichen und – bedingt durch dessen Übernahme der Versorgung des Säuglings in dieser Nacht – situativen Zusammenhang, der den Übergriffen ein besonderes Gepräge gab, so dass die dem Säugling wiederholt zugefügten erheblichen Schmerzen über die typischen Auswirkungen der einzelnen Verletzungshandlungen hinausgingen und sich als Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB darstellten. Die Feststellungen tragen auch die Annahme des Landgerichts, dass die Angeklagte es wegen des heftigen Geschreis ihres Kindes für möglich hielt, dass der Mitangeklagte den Säugling in diesem Sinne quälte, was sie aufgrund ihrer Garantenstellung zu unterbinden verpflichtet war. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann entnommen werden, dass die am Ort des Geschehens nicht anwesende Angeklagte aufgrund ihrer akustischen Wahrnehmungen nicht nur von situativ bedingten einzelnen Verletzungshandlungen ausging, sondern damit rechnete, dass der Mitangeklagte dem Säugling wiederholt erheblich wehtat, was sie hinnahm, um ihrem Mann zu zeigen, dass sie ihm vertraue. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts den Umstand, dass das Kind phasenweise still war, dahin missdeutete, dass dieses sich zwischendurch immer wieder beruhigt hatte, weil es über die vorangegangenen Schmerzen hinweggekommen war. Denn selbst wenn die Schmerzen aus ihrer Sicht immer wieder abklangen, stellte die wiederholte Misshandlung des Säuglings ein in sich geschlossenes Geschehen dar, in dem diesem immer wieder Leiden zugefügt wurde. Damit ist jedenfalls ein bedingter, auf die Zufügung über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehender Schmerzen gerichteter Vorsatz festgestellt.
Unterschriften
Becker, Gericke, Spaniol, Tiemann, Berg
Fundstellen
Haufe-Index 10682312 |
NStZ 2017, 410 |
NStZ-RR 2017, 6 |
StRR 2017, 18 |
StRR 2017, 3 |
StV 2020, 311 |
Jura 2017, 1452 |