Leitsatz (amtlich)
Die Amtspflicht der Verkehrsbehörden, Verkehrszeichen sachgemäß und deutlich anbringen zu lassen, besteht allen Wegebenutzern gegenüber, die die Straße nach der Art ihrer Verkehrseröffnung benutzen dürfen; die Pflicht entfällt nicht gegenüber solchen Verkehrsteilnehmern, die dabei ein zum Verkehr nicht mehr zugelassenes Kraftfahrzeug benutzen.
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.11.1963) |
LG Mönchengladbach |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. November 1963 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Revisionsrechtszuges je zur Hälfte zu tragen.
Tatbestand
Die Kläger machen Ersatzansprüche gegen die beklagte Stadt wegen eines Verkehrsunfalles vom 14. Dezember 1958 geltend.
Der Unfall ereignete sich mit einem dem Kläger Hoss gehörigen Personenkraftwagen, der jedoch nicht mehr zum Verkehr zugelassen war; für den Wagen bestand auch seit Oktober 1958 keine Haftpflichtversicherung mehr. Die Kläger kamen am Unfalltag, einem Sonntag, gegen 22.30 Uhr durch die Hohenzollernstraße in Mönchengladbach. Der Kläger B. fuhr den Wagen; im Wagen saßen außer den Klägern noch zwei junge Mädchen. Sie befuhren die Hohenzollernstraße, die zunächst durchweg als Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 57 und vorfahrtberechtigt gekennzeichnet war. An der Kreuzung der Hohenzollernstraße mit der Künkelstraße kam es zu einem Zusammenstoß. Die in einer sanften Rechtskurve verlaufende Hohenzollernstraße war hier nicht mehr als bevorrechtigt gekennzeichnet, weil die Ortsdurchfahrt der Bundesstraße - für die Kläger nach rechts - durch die Künkelstraße weiterführte, während die Kläger durch die Hohenzollernstraße geradeaus weiterfahren wollten. An der Kreuzung kam für die Kläger von rechts aus der Künkelstraße ein Arbeiter Heinz T. auf einem Moped; er wollte in seiner Fahrtrichtung nach links in die Hohenzollernstraße einbiegen. Auf dem Gepäcksitz des Mopeds saß die Ehefrau T. im sogenannten Damensitz, indem sie beide Beine nach links herabhängen ließ. Der Kläger B. beachtete nicht das Vorfahrtrecht des Mopedfahrers und fuhr in die Seite des Mopeds. Dabei zerquetschte der Kraftwagen beim Zusammenstoß die Beine der Frau T. Ihr mußten zunächst beide Unterschenkel und später auch noch ein Oberschenkel amputiert worden.
Die beiden Kläger wurden rechtskräftig zu Geldstrafe verurteilt. In einem Vorprozeß verpflichteten sie sich durch Vergleich, der Geschädigten ein Schmerzensgeld von 20.000,- DM zu zahlen und ihr zwei Drittel aller weiteren Unfallschäden zu erstatten.
Die Kläger verlangen von der beklagten Stadt die Erstattung von 50 % ihrer durch den Unfall ausgelösten Verpflichtungen und der ihnen selbst entstandenen Schäden mit der Begründung, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht oder die Amtspflicht als Verkehrsbehörde dadurch verletzt, daß sie die Unfallstelle mangelhaft gekennzeichnet, beleuchtet oder beschildert und damit den Unfall mitverschuldet habe.
Über die Örtlichkeit ist insoweit folgendes unstreitig: Die Hohenzollernstraße besteht aus zwei getrennten Fahrbahnen, die durch einen mit Bäumen bepflanzten Parkmittelstreifen voneinander geschieden sind. Sie behält ihr Aussehen über die Kreuzung mit der Künkelstraße hinaus bei; erst etwa 100 m weiter an der Eickenerstraße endet die Hohenzollernstraße. Die Hohenzollernstraße war an allen Kreuzungen und Einmündungen vor der Künkelstraße für die Kläger als vorfahrt berechtigt durch das Nummernschild der Bundesstraße (Bild 44 Anlage zur StVO) gekennzeichnet. Dieses Schild fehlte vor der Kreuzung mit der Künkelstraße, weil hier die Ortsdurchfahrt der Bundesstraße in die Künkelstraße geführt wird. Etwa 130 m vorher stand ungefähr in Bauchhöhe auf dem Mittelstreifen - also für die Kläger an ihrer linken Fahrbahn - ein Vorwegweiser, der darauf hinwies, daß die Bundesstraße nach rechts abbog (Bild 46 Anlage zur StVO). An der rechten Seite der Fahrbahn der Kläger war ein Warnzeichen (Bild 1 Anlage zur StVO) angebracht. Unmittelbar hinter der Kreuzung stand auf dem Mittelstreifen ein Doppelwegweiser, der wiederum zeigte, daß die Bundesstraße nach rechts in die Künkelstraße abbog (Bild 41/42 Anlage zur StVO). Für die Benutzer der Künkelstraße war vor der Kreuzung das Nummernschild der Bundesstraße angebracht, das ihnen die Vorfahrt gewährte (Bild 44 Anlage zur StVO). Nach dem Unfall ist auf der Hohenzollernstraße das neue Verkehrsschild über eine abknickende Vorfahrt (Bild 52 a) angebracht worden, das zur Zeit des Unfalls noch nicht galt. Der Straßenzug der Bundesstraße war durch bogenförmige orangenfarbige Lampen beleuchtet, die in die Künkelstraße hineinführten, während in der Fortsetzung der Hohenzollernstraße hinter der Kreuzung nur noch eine Gaslaterne stand; über der folgenden Kreuzung der Hohenzollernstraße mit der Eickenerstraße hing eine weiß leuchtende Straßenlampe. Der Verlauf der Bundesstraße war ferner an der Kreuzung Künkelstrasse durch eine der Kurve angepaßte Nagelreihe bezeichnet.
Die Kläger haben vorgetragen:
Der Kläger B. sei ortsunkundig gewesen und durch eine ungenügende Kennzeichnung der Vorfahrtlage irregeführt worden. Das bloße Weglassen des Nummernschildes der Bundesstraße vor der Kreuzung habe ihm die einmal gewährte Vorfahrt nicht nehmen können. Der Vorwegweiser regele ebenfalls nicht die Vorfahrt und sei durch einen parkenden Wagen verdeckt gewesen. Alle Schilder seien unbeleuchtet gewesen und die Sicht sei durch herabhängende Baumzweige behindert worden. Die Nagelreihe sei nicht erkennbar gewesen. Die Beklagte habe durch die spätere bessere Kennzeichnung, insbesondere durch Anbringung beleuchteter Schilder die Maßnahmen ergriffen, die schon vorher nötig gewesen wären.
Die Kläger leugnen ihre Mitschuld nicht, begehren aber Erstattung der Hälfte aller Schäden und haben zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung verschiedener Beträge von zusammen 14.281,60 DM zu verurteilen und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihnen alle weiteren aus dem Unfall noch entstehenden Schäden zur Hälfte zu erstatten. In mehreren Hilfsanträgen haben sie den Feststellungsantrag näher umrissen. Mit Rücksicht auf eine Abtretung aller Ansprüche haben sie ihre Anträge dahin ergänzt, daß alle Leistungen an Frau T. zu erbringen seien.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und ausgeführt:
Die Kläger könnten höchstens Ansprüche aus Amtspflichtverletzung geltend machen, doch hätten Amtspflichten den Klägern gegenüber nicht bestanden, weil diese einen zum Verkehr nicht zugelassenen Kraftwagen benutzt hätten. Im übrigen sei der Unfall infolge der Unaufmerksamkeit und Unerfahrenheit des Klägers B. entstanden, zumal die schlechten Bremsen des Wagens versagt hätten. Auch ein Verschulden des Mopedfahrers und seiner Frau habe mitgewirkt, während die Beamten der Beklagten kein Verschulden treffe. Die Vorfahrtlage sei hinreichend deutlich gekennzeichnet gewesen. Der Vorwegweiser sei nicht durch parkende Fahrzeuge verdeckt gewesen. Auch die Bäume hätten die Sicht nicht behindert, zumal sie kein Laub mehr gehabt hätten. An der Kreuzung hätten sich trotz stärksten Verkehrs fast nie Unfälle ereignet. Die Ansprüche seien übersetzt, auch machten die Kläger teilweise Beträge geltend, die sie keinesfalls erstattet verlangen könnten.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Grund- und Teilurteil das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage in dieser Höhe stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung einer Anschlußberufung der Kläger - mit der sie die früheren Anträge weiter verfolgten - die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie ihr Klagebegehren im vollen Umfang weiter verfolgen. Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch Ansprüche aus Amtspflichtverletzung.
Die Kläger hatten ursprünglich verschiedene Ansprüche erhoben. Sie hatten einmal vorgetragen, die Kennzeichnung der Verkehrslage durch die vorhandenen Verkehrsschilder sei irreführend und unzulänglich gewesen; daneben hatten sie behauptet, die vorhandenen Verkehrszeichen seien durch parkende Wagen und herabhängende Zweige verdeckt sowie ungenügend beleuchtet gewesen. Aus diesem Sachverhalt konnten sich verschiedene Ansprüche ergeben, nämlich wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nach §§ 823, 831, 89, 31 BGB und wegen Verletzung einer Amtspflicht nach § 839 BGB, Art. 34 GG. Denn nach § 3 Abs. 4 StVO bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen anzubringen sind; Pflichtverletzungen bei Anwendung dieser Vorschrift lösen Amtshaftungsansprüche aus. Dagegen gehört es nach der Rechtsprechung zur privatrechtlich geregelten Verkehrssicherungspflicht, die Verkehrszeichen anordnungsgemäß anzubringen, und im ordnungsmäßigen Zustand, insbesondere stets sichtbar zu erhalten (vgl. § 3 Abs. 3 StVO). Der Straßenverkehrseicherungspflichtige muß also dafür sorgen, daß die Schilder nicht durch parkende Wagen, herabhängende Zweige oder sonstige Hindernisse verdeckt werden können; er muß auch für Beleuchtung sorgen, soweit das notwendig ist. Der Verkehrssicherungspflichtige muß endlich die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, wenn sich aus sonstigen Gründen ergibt, daß ein Straßenstück eine Gefahr für die Benutzer bedeutet.
Nach dem Streitstand in der Berufungsverhandlung und dem Inhalt des Berufungsurteils entfiel die Annahme einer Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht aus tatsächlichen Gründen: Die Kläger hatten für ihre Behauptung, die Sicht sei durch herabhängende Zweige behindert und der Vorwegweiser durch einen parkenden Kraftwagen verdeckt gewesen, keinen Beweis angetreten. Sie hatten die Behauptung, ein parkender Wagen hätte die Sicht auf den Vorwegweiser behindert, auch wohl fallen gelassen, nachdem frühere richterliche Augenscheinseinnahmen ergeben hatten, daß das Schild durch parkende Wagen nicht verdeckt wurde. Das Berufungsurteil hat dem Vortrag der Kläger, herabhängende Zweige hätten die Sicht behindert und die Lage unübersichtlich gemacht, ausdrücklich mit der Begründung zurückgewiesen, diese Behauptungen seien nicht unter Beweis gestellt. Schließlich hatten die Kläger ihren Vortrag nicht aufrecht erhalten, daß sich an dieser Kreuzung fast stündlich schwere Unfälle infolge einer unzulänglichen Vorfahrtregelung ereignet hätten; sie waren dem durch amtliche Erhebungen gestützten Vortrag der Beklagten nicht mehr entgegengetreten, daß die Kreuzung damals jährlich von über 3 Millionen Kraftfahrzeugen befahren worden sei, daß sich aber in den Jahren 1957 und 1958 an dieser Kreuzung überhaupt nur elf Unfälle ereignet hätten und davon lediglich sechs Unfälle wegen Verletzung der Vorfahrtregelung. Auf die fehlende Eigenbeleuchtung der Schilder ist das Berufungsgericht nicht weiter eingegangen; sie war damals weder erforderlich noch üblich.
Die Revision hat insoweit Verfahrensrügen nicht erhoben und das Urteil im einzelnen nicht angegriffen, soweit es sich um die Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht handelt. Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist insoweit auch nicht ersichtlich.
2.
Hinsichtlich der Ansprüche aus Amtspflichtverletzung wegen der angeblichen Anordnung zur Aufstellung unsachgemäßer oder irreführender Verkehrsschilder hat das Berufungsurteil folgendes ausgeführt:
Die Amtspflicht, deutliche und zutreffende Schilder anzubringen, habe den Klägern gegenüber nicht bestanden, weil sie mit einem Kraftwagen am Verkehr teilgenommen hätten, der nicht mehr zugelassen gewesen sei. Auch der Straßenverkehrssicherungspflichtige hafte nur gegenüber befugten Wegebenutzern; dasselbe gelte bei einer fehlerhaften Verkehrsregelung gegenüber unbefugten Verkehrsteilnehmern. Ein unbefugter Straßenbenutzer sei kein geschützter Dritter im Sinne des § 839 BGB; ihm gegenüber bestehe nicht die Amtspflicht, eine Vorfahrtlage ausreichend zu kennzeichnen.
Abgesehen davon scheide eine Ersatzpflicht der Beklagten auf jeden Fall auch aus anderen Gründen für folgende Posten aus: Die Geldstrafe und die Kosten des Strafverfahrens seien unabhängig davon verhängt, ob die Vorfahrtlage fehlerfrei geregelt gewesen sei; sie seien dadurch nicht höher geworden, im Gegenteil sei die Ungunst der Beschilderung und der Örtlichen Verhältnisse strafmildernd berücksichtigt worden. Die Abschleppkosten müßte der Kläger H. stets selbst tragen, weil es sich um die Kosten des Abschleppens seines eigenen Wagens handele, der zur Prüfung der Verkehrstauglichkeit sichergestellt und in die Polizeikaserne geschafft worden sei.
In Wahrheit machten die Kläger Ausgleichsansprüche wegen der an Frau T. gezahlten Beträge geltend; das sei unzulässig. Selbst wenn die Beklagte Amtspflichten gegenüber Frau T. verletzt habe, hätten die Kläger der Frau T. wegen der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB stets nur allein gehaftet und dürften keinen Rückgriff nehmen.
3.
Die Haupterwägung des Berufungsgerichts läßt sich nicht halten.
Es ist eine Amtspflichtverletzung, wenn die Verkehrsbehörde irreführende oder unzulängliche Verkehrszeichen anbringen läßt. Nach § 839 BGB, Art. 34 GG bestehen Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung nur, wenn der Amtsträger die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat. Die Frage, ob die Amtspflicht dem geschädigten Dritten gegenüber obliegt entscheidet sich dabei in erster Linie danach, welchem Zweck die Amtspflicht dient. Eine solche Beziehung zwischen der Amtspflicht und einem Dritten besteht nicht, wenn die Amtspflicht ausschließlich im Interesse des allgemeinen öffentlichen Wohls geschaffen ist oder nur eine ordentliche, saubere Amtsführung der öffentlichen Bediensteten oder das reibungslose Funktionieren des inneren Dienstbetriebes gewährleisten soll. Wohl aber besteht diese Beziehung, wenn die Amtspflicht gerade den Schutz des Dritten bezweckt oder mitbezweckt. Geschützte Dritte sind dann alle, deren Belange nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden. Der Umstand, daß eine Tätigkeit eines Beamten einem anderen zugute kommt, ihm als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschafft, macht ihn noch nicht zum Dritten im Sinne des § 839 BGB. Das alles entspricht einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGHZ 26, 232/234; 32, 145; BGH Warn 1962 Nr. 219).
Die Pflichten der Verkehrsbehörden, für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu sorgen und dabei die Verkehrseinrichtungen sachgerecht und deutlich zu gestalten, sind nach ständiger Rechtsprechung Amtspflichten, die den Verkehrsbehörden im Interesse und zum Schutz der Verkehrsteilnehmer obliegen (BGH NJW 1961, 1572; BGH Warn 1962 Nr. 217).
Irrig ist es jedoch, davon allgemein diejenigen Verkehrsteilnehmer auszunehmen, die gegen Verkehrsvorschriften verstoßen oder - wie hier - ein zum Verkehr nicht zugelassenes Fahrzeug benutzen.
Allerdings hat die Rechtsprechung bei den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten gelegentlich Ausnahmen gegenüber unbefugt Handelnden gemacht. Das wird in gewissem Umfange hinzunehmen sein. Denn sicherlich ist ein Hauseigentümer nicht verpflichtet, Treppen und Zugänge auch im Interesse eines Einbrechers zu beleuchten oder zu sichern (vgl. dazu RG JW 1909, 461; OGHZ 2, 65; BGH NJW 1957, 499; VersR 1959, 467; VersR 1965, 515). Diese Grundsätze gelten nicht ohne weiteres für Fälle der hier streitigen Art. Keinesfalls entfallen für Amtsträger alle Amtspflichten deshalb, weil der Betroffene ein Rechtsbrecher ist. Gerade bei der Verfolgung und Ahndung von Verbrechen müssen Amtspflichten in erheblichem Umfange beachtet werden. Insbesondere können diese Grundsätze nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse bei der Benutzung öffentlicher Wege übertragen werden. Hier muß die Abgrenzung gegenüber solchen Verkehrsteilnehmern, die Verkehrsanordnungen oder sonstige Rechtssätze verletzen, anders erfolgen. Dabei können Grundsätze und Gedanken verwertet werden, die die Rechtsprechung bei der Straßenverkehrssicherungspflicht entwickelt hat.
Bei der allgemeinen Straßenverkehrssicherungspflicht hat die Rechtsprechung bereits folgendes ausgesprochen: Die Straßenverkehrssicherungspflicht soll den Gefahren begegnen, die aus der Zulassung eines Verkehrs auf öffentlichen Wegen entstehen können. Der Pflichtige muß die Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren schützen, die ihnen aus dem Zustand der Straße bei zweckgerechter Benutzung drohen. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht richten sich dabei nach dem Zweck der Einrichtung, also nach dem Verkehr, dem der Weg dient. Dieser Zweck ergibt sich aus dem Umfang der Widmung, aus wegepolizeilichen Anordnungen oder Verboten, aber auch aus der jeweiligen tatsächlichen Beschaffenheit des Weges. Jeder Wegebenutzer muß solche Beschränkungen beachten und sich daran halten. Eine Pflicht zur Verkehrssicherung besteht immer nur, soweit der Weg zur Benutzung zur Verfügung gestellt ist, Falls also ein öffentlicher Weg nach dem äußeren Zustand oder aufgrund von Verbotsschildern nicht für schwere Lastfahrzeuge benutzbar ist, braucht der Pflichtige bei der Sicherung des Weges auf solche Fahrzeuge keine Rücksicht zu nehmen (BGH Urt. v. 14. Oktober 1957 - III ZR 102/56 = LM BGB § 823 Ea Nr. 11; vgl. auch Urt. v. 19. Januar 1959 - III ZR 168/57 = LM BGB § 823 Ea Nr. 16; Urt. v. 19. März 1964 - III ZR 88/63 = VersR 1964, 727; Urt. v. 16. Dezember 1963 - III ZR 169/62 = VersR 1964, 323). Gelegentlich wird in diesen Entscheidungen von einer "befugten Benutzung" gesprochen; damit ist aber immer nur eine der Widmung oder Freigabe entsprechende Benutzung gemeint.
Entsprechend diesen Grundsätzen ergibt sich für die Pflicht der Verkehrsbehörde, Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen deutlich und gefahrlos anbringen zu lassen, folgendes:
Die Verkehrsbehörden müssen bei dieser Tätigkeit auf denjenigen Verkehr abstellen, der sich auf dieser Straße nach der Art ihrer Verkehrseröffnung bewegen darf, insbesondere nach dem Umfang der Widmung, sonstigen wegerechtlichen Anordnungen und dem die Benutzungsmöglichkeit etwa einschränkenden Straßenzustand. Jede Straße soll nach ihrer Gestaltung und den daneben etwa getroffenen Anordnungen ein bestimmtes Verkehrsbedürfnis befriedigen. Danach haben sich die Wegebenutzer zu richten und daran müssen sich der Träger der Verkehrssicherungspflicht sowie die Verkehrsbehörden insbesondere bei Anbringung von Verkehrseinrichtungen holten. Das folgt sehen aus dem auch für die Verkehrsbehörden geltenden Vertrauensgrundsatz des Verkehrs und der Pflicht der Behörden zum konsequenten Verhalten. Wer sich einer Straße entgegen ihrer Widmung oder sonst für eine Verkehrsart bedient, für die sie nicht zugelassen ist, kann auf einen Schutz durch die Verkehrsbehörden nicht rechnen. Die Begrenzung der Pflichten ergibt sich also nur daraus, für welchen Verkehr die Straße zugelassen ist. Sonstige Einschränkungen sind weder sachgerecht noch durchführbar. Die Verkehrsbehörde muß sogar bei der Anbringung von Verkehrszeichen auf gelegentliche Verstöße gegen Verkehrsvorschriften Bedacht nehmen, weil diese bei dem heutigen schnellen Massenverkehr unvermeidlich sind. Denn euch unaufmerksame oder solche Verkehrsteilnehmer benutzen gelegentlich die Straße, die irgendwie behindert sind. Gelegentliche Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften befreien weder die Polizei noch den Träger der Verkehrssicherungspflicht von ihren Pflichten. Der Kraftfahrer, der seinen Führerschein vergessen hat, hat trotzdem Anspruch auf Schutz durch die Verkehrsbehörden und Träger der Verkehrssicherungspflicht. Dann besteht kein Grund zu einer anderen Behandlung, wenn der Fahrer einen Wagen ohne Führerschein benutzt, weil ihm sein ordnungsmäßig erworbener Führerschein vorübergehend entzogen ist oder er noch keine Fahrerlaubnis besitzt. Auch der angetrunkene Kraftfahrer hat Anspruch auf Schutz der Behörden. Alle diese Fahrer müssen die Verkehrszeichen beachten; dann dürfen sie andererseits auch deren richtige Anbringung erwarten, weil davon sofort wieder der Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer abhängt. Denn bei dem heutigen Kraftfahrzeugverkehr darf der einzelne Verkehrsteilnehmer nicht für sich allein betrachtet werden, sondern stets zugleich als Glied des gesamten Verkehrs. Schutzmaßnahmen zugunsten eines einzelnen Verkehrsteilnehmer schützen regelmäßig auch andere Wegebenutzer. Umgekehrt gefährdet die Herausnahme eines einzelnen aus dem Schutzbereich der Verkehrseinrichtungen sogleich wieder andere Verkehrsteilnehmer. Trotz Verletzung von Verkehrsvorschriften bleiben die Wegebenutzer Teilnehmer am Straßenverkehr, zu dessen Schutz insgesamt die Verkehrsvorschriften bestehen und die Verkehrsbehörden tätig werden müssen. Es gehört nicht zum Pflichten kreis der Verkehrsbehörden bei Anbringung der Verkehrszeichen, Straftaten zu verfolgen oder gar zu ahnden. Deshalb dürfen die Verkehrsbehörden bei Erfüllung ihrer Amtspflichten keine Ausnahmen gegenüber solchen Verkehrsteilnehmern machen, die bei der Teilnahme am Verkehr Verkehrsverstöße oder sonstige Straftaten begehen. Unerheblich ist es deshalb, welches Ziel jeweils der Verkehrsteilnehmer mit der Benutzung der Straße verfolgt.
Die Tatsache, daß der Verkehrsteilnehmer bei der Teilnahme am Verkehr gegen Strafvorschriften verstößt, muß deshalb für den Umfang der Pflichten der Verkehrsbehörden bei Anbringung von Verkehrszeichen außer Betracht bleiben. Die Verkehrsbehörden haben jeden zu schützen, der an demjenigen Verkehr teilnimmt, für den die Straße zugelassen ist.
Daraus ergibt sich hier folgendes: Den Bediensteten der beklagten Stadt oblag die Amtspflicht, die Verkehrszeichen sachgerecht anbringen zu lassen, auch gegenüber den Klägern, obwohl sie die Straße mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftwagen benutzten. Das Urteil läßt sich daher mit der in erster Linie gegebenen Begründung nicht halten.
4.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird jedoch im Ergebnis von anderen Erwägungen getragen. Denn ein Anspruch der Kläger besteht hier schon deshalb nicht, weil nach dem unstreitigen Sachverhalt die Art der Anbringung der Verkehrsschilder nicht zu beanstanden, also eine Pflichtverletzung der Bediensteten der Beklagten überhaupt zu verneinen ist.
Zu den Aufgaben der Verkehrsbehörden gehört es, für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu sorgen. Dabei müssen sie Einrichtungen für die Regelung des Verkehrs so anbringen lassen, daß sie ihrem Zweck gerecht werden, den Verkehr zu erleichtern und Gefahren zu verhüten. Sie dürfen durch diese Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen keine neuen Gefahrensituationen schaffen. Verkehrszeichen sind deshalb so anzubringen und zu gestalten, daß sie eine möglichst gefahrlose Abwicklung des Verkehrs ermöglichen und für einen Verkehrsteilnehmer mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit durch einen raschen oder beiläufigen Blick deutlich erkennbar sind; Verkehrszeichen dürfen insbesondere weder undeutlich noch irreführend sein. Das ist ständige Rechtsprechung (BGH Urt. v. 17. April 1961 - III ZR 30/60 = NJW 1961, 1572; Urt. v. 12. Juli 1962 - III ZR 139/61 = Warn 1962, 182; Urt. v. 18. Oktober 1962 - III ZR 66/61 = Warn 1962, 217; Urt. v. 28. Februar 1963 - III ZR 207/61 = VersR 1963, 652; Urt. v. 4. November 1963 - III ZR 127/62 = VersR 1964, 288).
Nach §§ 3 und 13 der Straßenverkehrsordnung sowie den dazu erlassenen Verwaltungsanweisungen und der Anlage zur Straßenverkehrsordnung unterliegt es dem pflichtmäßigen Ermessen der Verkehrsbehörden, ob sie vorfahrtregelnde Zeichen anbringen wollen und über weiche Straße sie die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße legen. Jedes Ermessen gewährt dabei den Amtsträgern einen Spielraum derart, daß auch bei pflichtmäßiger Ausübung des Ermessens verschiedene Lösungen möglich und denkbar sind. Deshalb ist es unerheblich, wenn die Kläger vortragen, die Kennzeichnung hätte auch anders erfolgen können. Eine Amtspflichtverletzung liegt bei der Ausübung eines Ermessens erst dann vor, wenn der Amtsträger gar keine Erwägungen angestellt hat oder seine Entscheidung so fehlsam ist, daß sie mit den an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen schlechterdings unvereinbar ist. Das liegt nicht vor.
Die hier getroffene Regelung war nach dem unstreitigen Sachverhalt sachgemäß. Die Kläger durften insbesondere nicht darauf vertrauen, daß der Hohenzollernstraße an jeder Kreuzung die Vorfahrt gewährt wurde, weil das an mehreren Kreuzungen vorher geschehen war. Denn grundsätzlich hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt; Abweichungen bedürfen einer ausdrücklichen Regelung von Fall zu Fall, insbesondere muß innerhalb geschlossener Ortschaften an jeder Kreuzung oder Einmündung bei einer Abweichung die bevorrechtigte Straße gekennzeichnet werden (§ 13 StVO). Kein Verkehrsteilnehmer darf innerhalb einer geschlossenen Ortschaft darauf vertrauen, daß er an einer folgenden Einmündung oder Kreuzung wiederum vorfahrtberechtigt ist, wenn er mehrfach hintereinander die Vorfahrt hatte. Wenn die Verkehrsbehörde also kein weiteres Schild angebracht hätte, hätte trotzdem der von rechts kommende Mopedfahrer Vorfahrt gehabt. Hier hatte die Behörde mindestens vier weitere zusätzliche Maßnahmen ergriffen, die auf jeden Fall ausreichten, um einem Fahrer mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit durch einen raschen Blick Gewißheit von der Vorfahrtlage zu verschaffen: An der linken Seite am Mittelstreifen stand der auffallende Vorwegweiser, gleich danach befand sich an der rechten Seite ein allgemeines Achtungsschild, auf dem Mittelstreifen hinter der Kreuzung zeigte der Doppelwegweiser das Abbiegen der Bundesstraße an und schließlich ließ die verschiedenartige Beleuchtung gerade bei der Fahrt im Dunkeln die Änderung der Bundesstraße erkennen. Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Wirkung die Nagelreihe hatte.
Unerheblich ist es, daß die Behörde später das Schild über die abknickende Vorfahrt angebracht hat, weil diese Zeichen erst später durch Verordnung vom 29. Dezember 1960 eingeführt worden sind (BGBl 1961 I 8). Ohne Bedeutung ist es, daß in der Folgezeit weitere Verbesserungen erfolgt sind. Denn inzwischen hat sich der Kraftwagenverkehr erheblich verstärkt, und die Verkehrsbehörden verwerten ständig bessere Erfahrungen. Es stand im Ermessen der Behörde, ob sie trotz ordnungsmäßiger Kennzeichnung noch weitere Verbesserungen anbringen wollte.
Das Amtsgericht hatte im Strafverfahren die Beschilderung und die örtlichen Verhältnisse auch nur als "nicht sehr günstig" bezeichnet, die hätten unbeachtet bleiben können, wenn die Aufmerksamkeit nicht voll angespannt sei. Ein Kraftfahrer muß aber im Dunkeln stets mit voll angespannter Aufmerksamkeit fahren, insbesondere wenn er wie der Kläger B. geringe Fahrpraxis hat. - Das Landgericht hatte nach einer Beweisaufnahme die Verkehrsregelung als unzulänglich bezeichnet. So hatte aber auch ausgeführt, daß ein sorgfältiger Kraftfahrer die Vorfahrtlage erkannt hätte; es hatte von der Beklagten nur verlangt, daß sie rechts ein zweites Achtungsschild und einen weiteren Vorwegweiser rechts hätte aufstellen sollen, obwohl die Behörde den Vorwegweiser wegen der Rechtskurve der Straße zur besseren Sichtbarmachung absichtlich auf die linke Seite gestellt hatte. Fehler oder Ermessenverletzungen der Beklagten ergaben sich auch daraus nicht, denn zu weit geht es, alle Verkehrsschilder doppelt aufzustellen.
Danach war die Beschilderung weder undeutlich noch irreführend, sondern überschritt im Gegenteil das notwendige Maß nicht unerheblich. Eine Pflichtverletzung liegt demnach schon nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht vor, so daß es bereits aus diesem Grunde bei der Klagabweisung verbleiben muß. Einer Erörterung der weiteren Probleme bedarf es nicht.
Die Revision ist daher mit der Kostenfolge der §§ 97, 100 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018617 |
DB 1966, 1089-1090 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1966, 1456 |
NJW 1966, 1456-1458 (Volltext mit amtl. LS) |
DVBl 1966, 804 (Kurzinformation) |
MDR 1966, 744 (Volltext mit amtl. LS) |