Leitsatz (amtlich)
Küchen-Center
Zur Frage, ob der Verwendung des Bestandteils „Center” in einer Firmenbezeichnung zu entnehmen ist, das Unternehmen beanspruche damit eine über den Durchschnitt seiner Mitbewerber deutlich herausragende Vorzugsstellung.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber beim Verkauf und Einbau von Küchenmöbeln in Singen/Hohentwiel.
Die Firma der Beklagten „Küchencenter westlicher Bodensee-Hegau GmbH & Co. KG” ist im Jahr 1974 nach Anhörung der Industrie- und Handelskammer im Handelsregister eingetragen worden. Die Beklagte wirbt seit etwa dem Jahr 1970 mit der Bezeichnung „Küchencenter”.
Die Klägerin sieht in dem Gebrauch der Bezeichnung „Center” für den Geschäftsbetrieb der Beklagten eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise. Sie hat hierzu vorgetragen, allein in Singen und den benachbarten Gemeinden gebe es mehrere Mitbewerber, die sowohl hinsichtlich der Zahl der ausgestellten Musterküchen als auch hinsichtlich des Warenangebots, des Betriebsumfangs und der Größe der Geschäftsräume wesentlich bedeutender seien als die Beklagte.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, zu untersagen, sich im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zur Kennzeichnung ihres auf den Vertrieb von Küchenmöbeln gerichteten Geschäftsbetriebes der Bezeichnung „Center” zu bedienen.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und zur Begründung vorgetragen, die Bezeichnung sei nicht quantitativ zu verstehen, sondern besage nur, daß sie sich auf das Anbieten, Planen und Errichten von Kücheneinrichtungen spezialisiert habe. Entscheidend seien nicht der Umsatz oder die Kapitalausstattung, sondern die Größe des Unternehmens und der Geschäftsräume sowie die Breite des Warenangebots. Da sie neben dem Hauptgeschäft in Singen noch zwei Filialbetriebe unterhalte und durchschnittlich acht Angestellte, darunter vier Küchenspezialisten, und sieben Arbeiter beschäftige, dabei ständig 44 Musterküchen komplett und nicht nur einzelne Möbelstücke ausstelle, erfülle sie die Anforderungen, die die in Frage stehenden Verkehrskreise von der Bezeichnung „Center” erwarteten.
Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens der Industrie- und Handelskammer darüber, ob in Singen und in der näheren Umgebung liegende Geschäftsbetriebe eine wesentlich größere Küchenausstellung als die Beklagte unterhielten und ob diese nach Betriebsumfang und Warenangebot größer als die Beklagte seien, der Klage stattgegeben. Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben (OLG Karlsruhe, abgedruckt in WRP 1985, 60). Das Berufungsgericht hat dabei den von der Klägerin im zweiten Rechtszug gestellten Hilfsantrag, der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, sich im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken der Firma „Küchencenter westlicher Bodensee-Hegau” zu bedienen, nicht beschieden.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Antrag weiter, die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat das vom Landgericht ausgesprochene Verbot, die Bezeichnung „Center” zu gebrauchen, bestätigt, weil die Beklagte damit über die Bedeutung und den Umfang ihres Geschäftsbetriebs eine unrichtige Angabe mache. Die Begriffe „Zentrale”, „Zentrum” oder „Center” bedeuteten vom Wortsinn her in der überkommenen Verkehrsauffassung dasselbe. Sie würden gewöhnlich als ein Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung eines Unternehmens verstanden. Der Verkehr erwarte ein kapitalkräftiges Großunternehmen, das nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung über den Durchschnitt von Unternehmen des gleichen Geschäftszweigs seines Raums deutlich herausrage. Es sei zwar – wie bei anderen der englischen Sprache entliehenen Modeworten – für den Begriff „Center” eine Verflachung festzustellen. Gleichwohl sei nicht auszuschließen, daß noch ein nicht zu vernachlässigender Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung verstehe. Dieser Eindruck entstehe insbesondere auch deshalb, weil die Beklagte sich der Bezeichnung „Center” im Zusammenhang mit der Gebietsangabe „Westlicher Bodensee-Hegau” bediene. Die mit dem Begriff „Center” in seiner ursprünglichen Bedeutung verbundenen Erwartungen des Verkehrs erfülle aber das Unternehmen der Beklagten nicht. Zwar sei die Beklagte besser mit Eigenkapital als die Klägerin ausgestattet und verfüge über mehr zur Beratung für den Verkauf von Küchen geeignetes Personal. Ob die Beklagte einen höheren Umsatz als Mitbewerber erziele, sei für die Beurteilung einer möglichen Irreführung ohne Belang, weil die Beklagte mit der angegriffenen Bezeichnung nicht auf die Höhe des Umsatzes verweise. Sowohl das Warenangebot als auch die Verkaufs- und Ausstellungsflächen seien aber bei Mitbewerbern der Beklagten größer, so daß das Gesamtbild nicht die Bezeichnung „Center” rechtfertige.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Ohne Erfolg richtet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte erreiche mit ihrem Unternehmen nach Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung nicht die – durch die Bezeichnung „Center” beanspruchte – über den Durchschnitt ihrer Mitbewerber deutlich herausragende Vorzugsstellung. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, daß die Beklagte weder nach der Anzahl der ausgestellten Küchen noch nach der Größe der Verkaufs- und Ausstellungsflächen konkurrierende Unternehmen im Bodenseeraum deutlich überrage. Die günstigere Eigenkapitalausstattung und mögliche höhere Umsätze hat es ohne Rechtsfehler nicht als entscheidende Merkmale angesehen, weil diese dem angesprochenen Publikum in der Regel unbekannt bleiben.
2. Doch unterliegen die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, daß die Beklagte durch den Gebrauch der Bezeichnung „Center” in ihrer Firmenbezeichnung „Küchencenter westlicher Bodensee-Hegau GmbH & Co. KG” eine nach Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung über den Durchschnitt ihrer Mitbewerber deutlich herausragende Vorzugsstellung beanspruche, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Das Berufungsgericht hat zunächst die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Center” festgestellt. Die angesprochenen Verkehrskreise verbinden danach mit ihm, ebenso wie mit dem Gebrauch des Wortes „Zentrale” (vgl. dazu BGH, Urt. v. 3.12.1976 – I ZR 151/75, GRUR 1977, 503, 504 = WRP 1977, 180 – Datenzentrale) die Vorstellungen von einem kapitalkräftigen Großbetrieb, der innerhalb eines Bezirks die Handelsbeziehungen einer bestimmten Branche zusammenfaßt und über den Durchschnitt von Unternehmen des gleichen Umfangs herausragt (vgl. dazu auch OLG Stuttgart WRP 1986, 242, 243 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat sich alsdann mit dem Bedeutungswandel, den das Wort „Center” erfahren habe, auseinandergesetzt. Es hat hierzu festgestellt, daß die Bezeichnung aus der englischen Sprache gekommen ist und in der deutschen Sprache ein übliches Modewort geworden ist, das in verschiedenen Zusammensetzungen und Branchen gebraucht wird, wie etwa „Garten-Center”, „Möbel-Center”, „Teppich-Center”. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, daß der Begriff auch in Zusammensetzungen wie „Fitness-Center”, „Service-Center” für Tankstellen der Mineralölwirtschaft oder „Buch-Center” als Einkaufsstätten von Buchgemeinschaften erscheint. Beanstandungsfrei hat es hieraus gefolgert, daß in diesen Zusammensetzungen dem Begriff „Center” kein Hinweis auf ein kapital- oder umsatzstarkes Unternehmen gesehen wird, das seine Mitbewerber überragt.
Nach diesen Feststellungen sind aus dem Urteil keine Gründe dafür ersichtlich, die den Schluß des Berufungsgerichts gerechtfertigt hätten, bei dem Gebrauch des Wortes „Center” im Bereich des spezialisierten Vertriebs von Küchen erwarte der Verkehr noch eine Aussage entsprechend dem ursprünglichen Inhalt des Wortes, der dahin gegangen sei, das Unternehmen nehme eine Vorrangstellung gegenüber gleichartigen Unternehmen ein. Weil das Berufungsgericht den Bedeutungswandel zudem als einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang gesehen hat, hätte es, um das ausgesprochene Verbot zu rechtfertigen, im einzelnen darlegen müssen, daß dieser Bedeutungswandel in dem Bereich des Angebots von Küchen noch nicht Platz gegriffen habe. Das Berufungsgericht ist jedoch selbst davon ausgegangen, daß jedenfalls ein Teil der angesprochenen Verbraucher das Wort „Center” beim Vertrieb von Küchen nicht mehr in dem ursprünglichen Sinn versteht. Diese Erwägungen hätten ihm zusätzlich Anlaß sein müssen, im einzelnen darzulegen, weshalb dann ein eingeleiteter Bedeutungswandel sich noch nicht im Bewußtsein der Allgemeinheit für diese Branche durchgesetzt habe.
b) Das Berufungsgericht durfte sich zur Begründung seiner Auffassung, im Streitfall verstünden nicht zu vernachlässigende Teile der angesprochenen Verbraucher das Wort „Center” noch in seinem ursprünglichen Sinn, nicht darauf stützen, die Beklagte habe dieses Wort in Verbindung mit dem Zusatz „Westlicher Bodensee-Hegau” benutzt.
Der Antrag, den die Klägerin bisher in erster Linie gestellt hat und den das Berufungsgericht auch allein beschieden hat, wendet sich nämlich nicht gegen diese konkrete Benutzungsform als insgesamt irreführend, sondern gegen die Benutzung des für sich allein bereits irreführenden Wortes „Center” beim Vertrieb von Küchenmöbeln.
III. 1. Danach war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, im einzelnen festzustellen, welche Bedeutung der Gebrauch des Wortes „Center” im Bereich des spezialisierten Vertriebs von Küchen hat. Falls der Gebrauch des Wortes „Küchencenter” nicht als Beanspruchung einer tatsächlich nicht gegebenen Vorrangstellung anzusehen ist, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob – wie es bislang offengelassen hat – die Gesamtbezeichnung „Küchencenter westlicher Bodensee-Hegau” durch ihren geographischen Bezug nach Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise den Charakter einer Alleinstellungsbehauptung erhält.
2. Sollte das Berufungsgericht wiederum zu einer Verurteilung der Beklagten gelangen, wird es auch noch beachten müssen, daß der Klägerin im Hinblick auf den bereits lange Zeit dauernden Gebrauch der Geschäftsbezeichnung durch die Beklagte ein Unterlassungsbegehren selbst dann versagt sein könnte, wenn eine gewisse Irreführungsgefahr bestehen sollte. Zwar scheidet im allgemeinen in den Fällen des § 3 UWG eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs aus, weil das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung bewahrt zu werden, grundsätzlich als vorrangig vor den Individualinteressen des Werbenden anzusehen ist. Allerdings kann in besonderen Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen eine nur geringfügige Irreführungsgefahr hinzunehmen sein, wenn die Belange der Allgemeinheit nicht in erheblichem Maße und ernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden (vgl. dazu im einzelnen BGH, Urt. v. 19.10.1976 – I ZR 23/75, GRUR 1977, 159, 161 – Ostfriesische Teegesellschaft – und Urt. v. 29.9.1982 – I ZR 25/80, GRUR 1983, 32, 33 = WRP 1983, 203 – Stangenglas I). Das könnte dann in Frage kommen, wenn, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, das Wort „Center” einem Bedeutungswandel unterliegt und laufend von seiner ursprünglichen Bedeutung her verflacht wird. Anders könnte das möglicherweise sein, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß die Beklagte durch das Wort „Küchencenter” in Verbindung mit dem geographischen Hinweis „westlicher Bodensee-Hegau” eine deutliche Vorrangstellung für diesen geographischen Bereich zum Ausdruck bringe, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.
Fundstellen
Haufe-Index 646127 |
NJW 1987, 63 |
GRUR 1986, 903 |