Leitsatz (amtlich)
›Erwirbt ein Landwirt männliche und weibliche Tiere (hier: Schweine) dergestalt, daß sich der "Veräußerer" verpflichtet, alle zuchtfähigen Eber der nachfolgenden Generation zu einem vereinbarten Stückpreis abzunehmen, und behält sich dieser zur Sicherstellung des Zuchterfolgs umfassende Bestimmungs- und Kontrollrechte vor, [so] handelt es sich um einen Werkvertrag.‹
Tatbestand
Der Kläger, ein Landwirt, schloß mit der Beklagten, die sich u.a. mit der Produktion und Vermarktung von Zuchtschweinen befaßt, am 19. Juni 1985 einen Vertrag, gemäß de er von der Beklagten zum Zwecke der Gewinnung zuchtfähiger Jungeber ca. 120 Zuchtsauen und vier Zuchteber erwarb. Die Beklagte verpflichtete sich in dem Vertrag, alle zuchtfähigen Eber zum Stückpreis von 800,- DM bzw. - bei mehr als drei zuchtfähigen Ebern je Sau und Jahr - 700,- DM abzunehmen. Da bei den Jungtieren Abnormitäten im Nasen- und Kieferbereich festgestellt wurden und die bakteriologische Untersuchung der Tiere ergab, daß diese teilweise von Rhinitis atrophicans ("Schnüffelkrankheit"; im weiteren: R.a.) befallen waren, nahm die Beklagte lediglich sieben Jungeber ab. Unter dem 15. Oktober 1986 teilte sie dem Kläger mit, daß sie von ihm wegen der aufgetretenen Schnüffelkrankheit keine weiteren Eber mehr abnehmen werde.
Der Kläger hat daraufhin gegen die Beklagte Klage auf Schadensersatz erhoben. Entsprechend der vertraglichen Kündigungsfrist von einem Jahr und unter Zugrundelegung eines Zuchtergebnisses von 2, 25 Ebern je Sau und Jahr hat er für 270 Zuchteber jeweils 800,- DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer abzüglich 15 % ersparter Aufwendungen, insgesamt also 209.304,- DM, zuzüglich Zinsen beansprucht.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage bis auf einen Betrag von 19.725,- DM abgewiesen.
Mit der Revision hat der Kläger seinen Klageanspruch zunächst in vollem Umfang weiterverfolgt. Nachdem der Senat die Revision mit Beschluß vom 19. September 1989 nur hinsichtlich eines Betrages von 159.115,- DM angenommen hat, beantragt der Kläger, die Beklagte zur Zahlung dieses weiteren Betrages zu verurteilen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision sowie - im Wege der unselbständigen Anschlußrevision - die Abweisung der Klage auch im übrigen. Der Kläger beantragt, die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers und die Anschlußrevision der Beklagten führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers dem Grunde nach aus §§ 324 Abs. 1, 645 Abs. 2 BGB abgeleitet. Die Vorschriften seien anwendbar, weil der geschlossene Vertrag keinen Kaufvertrag mit Kaufoption bezüglich der Jungeber darstelle. Der Vertragszweck sei vielmehr auf die Zucht der Jungeber, d.h. auf eine erfolgsgerichtete Tätigkeit eines Werkunternehmers gerichtet. Dementsprechend seien auch die ersichtlich auf Kaufverträge zugeschnittenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unanwendbar. Ein Verschulden an der Unmöglichkeit der Vertragsdurchführung treffe die Beklagte deshalb, weil sie einwandfreie, also nicht infizierte Tiere habe liefern müssen. Es sei ihre Sache gewesen, wie sie das sicherstelle; den ihr insoweit analog § 282 BGB obliegenden Entlastungsbeweis habe sie nicht geführt.
2. a) Die Anschlußrevision macht demgegenüber geltend, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag keine Verpflichtung der Beklagten enthalten habe, wonach die dem Kläger zu liefernden "Großelterntiere" von Bakterien aller Art, wie insbesondere dem Bakterium Pasteurella multocida als dem Erreger der Schnüffelkrankheit, hätten frei sein müssen. Es sei auch keineswegs selbstverständlich, daß die Beklagte nach dem Sinn des Vertrages eine entsprechende Verpflichtung habe treffen sollen. Hätte die Beklagte die Schweine im Rahmen eines reinen Kaufvertrages ausschließlich zu Zuchtzwecken geliefert, sich also nicht zur. Abnahme der als zuchtfähig selektierten Eber verpflichtet, so hätte das Risiko der Erkrankung der Tiere gemäß §§ 481, 482 BGB den Kläger getroffen. Im Streitfall könne ungeachtet dessen, daß sich die Beklagte in Art. 12 des zumindest auch kaufvertragliche Elemente aufweisenden Vertrages zur Abnahme der Eber verpflichtet habe, nichts anderes gelten.
b) Diese Rüge hat auch dann keinen Erfolg, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, daß die von dieser beim Abschluß des Vertrages vom 19. Juni 1985 verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen über den Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg hinaus Anwendung finden und damit die Nachprüfung der vom Berufungsgericht vorgenommenen Vertragsauslegung im Revisionsverfahren nicht darauf beschränkt ist, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind. Gegen die Anwendbarkeit der kaufrechtlichen Vorschriften sprechen insbesondere die in den Art. 14, 16 und 17 Abs. 4 des Vertrages enthaltenen Regelungen: Der Kläger hatte die Tiere gegen Feuer und Seuchen zu versichern und auf Anforderung der Beklagten entsprechende Nachweise vorzulegen; im Versicherungsfall sollte ihm jedoch lediglich ein Anspruch auf den gezahlten "Produktionswert" der Tiere zustehen, während darüber hinausgehende Beträge der Beklagten zufließen sollten. Des weiteren waren dem Kläger der Verkauf, die Verpfändung, die Sicherungsübereignung, die Unterbringung in einem anderen Betrieb sowie die Überlassung der Tiere an Dritte untersagt. Außerdem sollten die Großelterntiere zwölf Monate vor Vertragsende durch die Beklagte abgeholt werden. Zudem waren dem Kläger gemäß den Art. 4 ff. des Vertrages bezüglich der Haltung, Unterbringung, Pflege und Vermehrung der Tiere weitreichende Pflichten auferlegt, denen umfassende Bestimmungs- und Kontrollrechte der Beklagten entsprachen.
Aus alledem folgt, daß der Kläger die von der Beklagten gelieferten Tiere nicht - wie es dem Bild eines Kaufvertrages entsprochen hätte - auf Dauer zur eigenständigen und eigenverantwortlichen Nutzung erhalten hatte. Vielmehr bestanden weitgehende Parallelen zum Viehmastvertrag wie auch zum Deckvertrag, bei denen es sich anerkanntermaßen um Werkverträge handelt (BGH MDR 1972, 232, 233 [Viehmastvertrag]; MünchKomm/Soergel 2. Aufl. § 631 Rdn. 2).
Daß der Kläger - anders, als dies bei einem Viehmastvertrag der Fall gewesen wäre - die Großelterntiere zunächst zu erwerben hatte und nachfolgend die zur Zucht geeigneten Jungtiere an die Beklagte "veräußern" sollte, ist allein die Folge dessen, daß beim Tieraufzuchtvertrag (Viehmastvertrag) die Tiere dieselben bleiben, während beim Tierzuchtvertrag die jeweils zu überlassenden Tiere verschiedenen Generationen angehören. Da es jedoch in beiden Fällen um die Erreichung eines jedenfalls im Grundsatz gleichartigen wirtschaftlichen Erfolges geht und zudem auch gleichartige Risiken im Raum stehen, rechtfertigt es dieser Unterschied nicht, die Gefahrtragung in dem einen Fall grundlegend anders als in dem anderen zu beurteilen.
Die Vorschriften der §§ 481, 482 BGB sind dementsprechend nicht direkt anwendbar.
Auch eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften scheidet vorliegend aus. Ihr steht einmal entgegen, daß die §§ 481, 482 BGB eine Sonderregelung für den Verkauf der dort aufgeführten Tierarten beinhalten. Zu berücksichtigen ist außerdem die Entstehungsgeschichte der Vorschriften, bei der es eine Rolle gespielt hat, daß eine Risikoerleichterung für die landwirtschaftliche Bevölkerung gewollt war und die Fähigkeit der Tierärzte zur Feststellung von Krankheitsursachen und zur Stellung von Prognosen gering eingeschätzt wurde (MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 2. Aufl. §§ 481, 482 Rdn. 2). Der erste Gesichtspunkt kommt im Streitfall überhaupt nicht, der zweite nur eingeschränkt in Betracht. Die Parteien hatten mit dem Vertrag vom 19. Juni 1985 nicht etwa ein durch den alsbaldigen Leistungsaustausch gekennzeichnetes Umsatzgeschäft getätigt, wie es in den Vorschriften über die Tiermängelgewährleistung vorausgesetzt wird, sondern waren eine auf längere Zeit angelegte Zusammenarbeit eingegangen. Wie bereits ausgeführt wurde, waren der Beklagten in dem Vertrag vom 19. Juni 1985 umfassende Bestimmungs- und Kontrollrechte eingeräumt. Auch im Hinblick darauf bestand - anders als beim Viehkauf im Sinne der §§ 481 ff. BGB (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich II 138-139) - nicht das Bedürfnis nach einer vor allem den Gesichtspunkten der Verkehrs- und Beweissicherheit Rechnung tragenden Gewährleistungsregelung.
3. a) Die Anschlußrevision macht ferner geltend, daß auch mit infizierten "Großelterntieren" gesunde Nachzucht gewonnen werden könne. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sei es zum Ausbruch der Erkrankung nur wegen der vom Kläger zu vertretenden Belüftungsfehler gekommen. Nicht die Infektion der Eber mit Bakterien, sondern der Ausbruch der Schnüffelkrankheit habe dazu geführt, daß die Beklagte die Abnahme weiterer Eber verweigert habe und habe verweigern dürfen.
b) Die Anschlußrevision läßt unberücksichtigt, daß die Erkrankung nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen infolge des Zusammenwirkens zweier Ursachen, nämlich zum einen infolge der von der Beklagten zu vertretenden Infizierung der Tiere und zum anderen wegen vom Kläger zu vertretender Belüftungsfehler ausgebrochen war. Wenn aber ein Schaden verschiedene Ursachen hat, die teilweise von dem Geschädigten und teilweise von dem, der auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, zu vertreten sind, findet gemäß § 254 BGB grundsätzlich eine Schadensteilung statt. Da im Streitfall zudem auch keine der Sonderregelungen, wonach ein Mitverschulden des Geschädigten den Schadensersatzanspruch entfallen läßt (vgl. Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 254 Rdn. 17), in Betracht kommt, liegt der geltend gemachte Rechtsfehler nicht vor.
4. a) Die Anschlußrevision meint, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von einer unbeschränkten Verpflichtung oder Garantie der Beklagten ausgegangen. Bei Anwendung der werkvertraglichen Regelungen habe für den Kläger gemäß § 645 BGB eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der von der Beklagten gelieferten "Großelterntiere" bestanden. Diese Verpflichtung habe sich im übrigen auch aus Art. 3 des Vertrages ergeben.
b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß den Klägern insoweit ein - von Amts wegen zu berücksichtigendes (MünchKomm-BGB/Grunsky, 2. Aufl. § 254 Rdn. 89 m. Nachweisen in Fn. 248) - Mitverschulden traf. Es hatte hierzu im Hinblick auf die Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen, daß die Infizierung der Tiere bei der Lieferung nicht erkennbar gewesen war, auch keinen Anlaß. Eine Untersuchungspflicht des Klägers etwa auf bakterielle Befunde kam schon deshalb nicht in Betracht, weil Art. 3 des Vertrages lediglich eine Anzeigepflicht, nicht hingegen eine Untersuchungspflicht des insoweit nicht sachkundigen Klägers festlegte.
5. a) Die Anschlußrevision rügt ferner, das Berufungsgericht habe verkannt, daß es der Beklagten nach den gutachtlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gar nicht möglich gewesen sei, dem Kläger "Großelterntiere" zur Verfügung zu stellen, bei denen eine Infektion mit dem in Rede stehenden Bakterium ausgeschlossen gewesen sei. Nach neueren Erkenntnissen seien selbst nach jahrelanger gesundheitsdienstlicher Überwachung in 20 % der anerkannten R.a.- freien Betriebe bei gezielter bakteriologischer Kontrolle rhinopathogene Pasteurellen gefunden worden.
b) Die Rüge geht ins Leere. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß die Beklagte, da sie die Tiere nicht aus nur einem Betrieb genommen habe, gerade deshalb verpflichtet gewesen sei, die Tiere vor ihrer Auslieferung an den Kläger sämtlich auch bakteriologisch untersuchen zu lassen.
6. Insoweit macht die Anschlußrevision geltend, daß entsprechende Untersuchungen im Jahre 1985 nicht üblich gewesen seien..
Es kommt indes nicht darauf an, ob die Beklagte insoweit die im Verkehr übliche Sorgfalt beachtet hat; gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB ist allein maßgebend, ob sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe - fahrlässig gehandelt, weil sie entsprechende bakteriologische Tests unterlassen habe, ist aber auch im übrigen nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen ist, daß die Beklagte den beim Kläger vorhandenen Zuchtschweinebestand nicht mit Tieren aus einem einzigen Betrieb, sondern aus mindestens sechs Betrieben in Deutschland, Belgien und Holland ergänzt hat. Nach der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen hat die Beklagte damit gegen einen wichtigen Hygienegrundsatz verstoßen und, da ihr zudem der Gesundheitszustand ihrer Zulieferbetriebe in Deutschland und Belgien nicht aus eigener Erkenntnis bekannt war, ein unnötiges Infektionsrisiko in Kauf genommen. Dementsprechend ist die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend, daß die Beklagte unter diesen Umständen entsprechende bakteriologische Untersuchungen hätte vornehmen müssen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn man von dem Sachvortrag der Beklagten ausgeht, wonach es aus züchterischen Gründen nicht möglich gewesen war, sämtliche Tiere aus einem einzigen Betrieb zu nehmen. Gerade deshalb hätte nämlich aller Anlaß bestanden, höchste Sorgfalt walten und deshalb entsprechende Untersuchungen vornehmen zu lassen.
7. a) Die Anschlußrevision macht desweiteren geltend, daß selbst bei gezielten bakteriologischen Untersuchungen immer einmal ein infiziertes Tier unerkannt geliefert werden könne, wobei das bereits ausreiche, um den gesamten Bestand zu infizieren. Das Berufungsgericht habe deshalb das diesbezügliche Beweisangebot der Beklagten nicht übergehen dürfen.
b) Diese Rüge ist ebenfalls nicht begründet. Auch wenn man die Berufung des Schädigers darauf, daß der Schaden auch dann entstanden wäre, wenn er sich rechtmäßig verhalten hätte, für beachtlich hält, trägt der Schädiger jedenfalls die Beweislast dafür, daß der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre (BGHZ 29, 176, 187; 61, 118, 123). Diesen ihr obliegenden (Entlastungs-)Beweis aber vermag die Beklagte, die lediglich geltend macht, daß auch bei gezielten bakteriologischen Untersuchungen immer einmal ein infiziertes Tier unerkannt geliefert werden könne, nicht zu führen.
8. a) Die Anschlußrevision meint schließlich, die in Art. 14 des Vertrages enthaltene Verpflichtung des Klägers, die Tiere auf seine Kosten gegen das hier eingetretene Risiko zu versichern und eventuell sogar einen Teil der Versicherungsleistung an die Beklagte abzuführen, weise aus, daß sich beide Vertragspartner bewußt gewesen seien, daß es zum Ausbruch von Seuchen mit entsprechenden finanziellen Nachteilen für beide Parteien habe kommen können, wobei die Beklagte dieses Risiko nicht übernommen habe. Daraus könne nur geschlossen werden, daß die dem Kläger zustehenden Versicherungsleistungen das hier eingetretene Risiko abdecken sollten.
b) Die Anschlußrevision mißt der in Art. 14 des Vertrages enthaltenen Regelung damit eine Reichweite. zu, die ihr zumindest angesichts dessen, daß es sich bei den Bestimmungen des Vertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten handelt, nicht zukommt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob in der betreffenden Vertragsbestimmung ein entsprechender weitreichender Haftungsausschluß mitenthalten war; die insoweit bestehenden Zweifel gingen zu Lasten der Beklagten (§ 5 AGBG). Wollte man die dortige Regelung gleichwohl als eindeutigen und umfassenden Haftungsausschluß ansehen, handelte es sich jedenfalls um eine überraschende Vertragsbestimmung, die als solche nicht Vertragsbestandteil geworden wäre (§ 3 AGBG).
II. 1. a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Kläger den eingetretenen Schaden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mitverursacht habe und ihn deshalb nur zur Hälfte ersetzt verlangen könne. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die zu beanstandenden Belüftungsverhältnisse im Betrieb des Klägers möglicherweise ursächlich für das Auftreten der Krankheitsfälle gewesen seien.
b) Das Berufungsgericht hat dabei nicht berücksichtigt, daß die Anwendung des § 254 BGB den Nachweis erfordert, daß das Mitverschulden des Geschädigten für den Schadenseintritt ursächlich gewesen ist (BGHZ 91, 243, 260; BGH NJW-RR 1986, 1083). Dementsprechend ist auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kein Raum für eine Minderung des in Rede stehenden Anspruchs gemäß § 254 BGB..
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, daß das Berufungsgericht im weiteren festgestellt hat, es sei, da andere Möglichkeiten für eine Vorschädigung der Schleimhäute bei den Tieren nicht ersichtlich, jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen seien, davon auszugehen, daß die Lüftungsfehler die zum Ausbruch der R.a. erforderliche pathogenetische Grundlage bildeten. Diese Ausführungen im angefochtenen Urteil belegen indessen, daß das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast in bezug auf § 254 Abs. 1 BGB, die vorbehaltlich einer Erleichterung nach den Grundsätzen über den Anscheinsbeweis in vollem Umfang beim Schuldner liegt (§ 286 ZPO; vgl. Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht Bd. 1 § 254 BGB Rdn.31 m.N.), nicht zutreffend beurteilt hat.
2. a) Das Berufungsgericht hat den Schaden des Klägers in Anlehnung an den Vortrag der Beklagten im Berufungsrechtszug, wonach dem Kläger nach Abzug aller Kosten ein Gewinn von "allenfalls" 150,- DM je Tier verblieb, auf ebendiesen Betrag veranschlagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe im ersten Rechtszug für seinen außerordentlich hoch bewerteten Schaden keine nachvollziehbaren Kalkulationsunterlagen vorgelegt und insbesondere den sehr hohen Gewinn pro Tier nicht hinreichend dargelegt; bei der Beklagten habe deshalb trotz ihrer Branchenkenntnis das einfache Bestreiten der Schadenshöhe ausgereicht, um zunächst einmal die Darlegungslast des Klägers für eine substantiierte Berechnung auszulösen. Da der Kläger keine Kalkulation vorgelegt habe, komme auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht..
b) Das Berufungsgericht hat dabei nicht berücksichtigt, daß die Beweislast für die Ersparnis von Aufwendungen als Voraussetzung der Anrechnungspflicht gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 BGB beim Gläubiger liegt (RG SeuffA 61 Nr. 79; RG Gruchot 51, 945, 947; 53, 916, 917; RG JW 1909, 455). Dem entsprechend hätte das Berufungsgericht, anstatt unter Hinweis auf die tatsächlich nicht gegebene Darlegungslast des Klägers zu dessen Nachteil von dem von der Beklagten als allenfalls berechtigt anerkannten Schadensbetrag von 150,- DM je Zuchteber auszugehen, den von der Beklagten angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen, daß der Kläger durch die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses den erforderlichen Aufwand von 650,- DM je Tier in voller Höhe eingespart habe. Gegen diese Möglichkeit spricht allerdings der Gesichtspunkt, daß der Kläger einen Teil seiner Aufwendungen (z.B. Futter, Aufstallung der Tiere) schon getätigt hatte und deshalb eine Ersparnis insoweit von vornherein ausscheidet.
III. 1. a) Das Berufungsgericht hat den von der Beklagten dafür, daß der Kläger die ihm gelieferten 106 Zuchtsauen Ende des Jahres 1986 geschlachtet hatte, aufrechnungsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit der Begründung abgelehnt, das Schlachten der Tiere sei angesichts der ausgebrochenen Infektion sachdienlich und auch nicht gemäß Art. 16 des Vertrages verboten gewesen. Die Beklagte habe zudem nicht vorgetragen, daß die Zuchtsauen einen Wert besessen hätten, der über den gemäß Art. 17 Abs.. 3 Satz 2 des Vertrages ohnehin dem Kläger zustehenden Schlachterlös hinausging. Die allgemeine Behauptung eines Wertes von 1.000,- DM pro Stück reiche angesichts der aufgetretenen Infektion, die zu einer Wertminderung geführt habe, nicht aus.
b) Die Anschlußrevision macht demgegenüber geltend, daß Art. 16 des Vertrages sogar den Verkauf, die Verpfändung bzw. die Sicherungsübereignung von Zuchttieren und selektierten Aufzuchttieren ohne Genehmigung der Beklagten verboten habe. Da die Parteien zudem ausdrücklich vereinbart hätten, daß die Tiere bis zum Abschluß der Verhandlungen auf gar keinen Fall zu schlachten seien, habe das vom Kläger ohne Unterrichtung der Beklagten vorgenommene Schlachten der Tiere weder als sachdienlich noch durch den geschlossenen Vertrag als nicht verboten angesehen werden können.
c) Die Rüge greift im Ergebnis nicht durch. Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, daß ihr infolge des Schlachtens der Tiere ein Schaden entstanden ist. Der Schlachterlös als solcher stand, wie sich zumindest aus dem Zusammenhang der Art. 8 Satz 3, 10 Satz 3, 11 Satz 3, 15 Abs. 3 und 17 Abs. 4 Satz 3 des Vertrages ergibt, in jedem Fall dem Kläger zu. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung den darüber hinausgehenden Zuchtwert ohne jede weitere Begründung mit 1.000,- DM pro Tier beziffert hat, steht dies in offenem Widerspruch zu ihren weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung. Die Beklagte hat dort nämlich u.a. ausdrücklich hervorgehoben, daß es im Falle der Beendigung eines Vertragsverhältnisses aus hygienischen Gründen unmöglich sei, die Tiere noch anderweitig einzusetzen, weshalb sie in jedem Fall geschlachtet wurden..
2. a) Das Berufungsgericht hat den von der Beklagten wegen der ausgebliebenen Lieferung von - rechnerisch gesehen - 231,7 Zuchtebern aufrechnungsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit der Begründung abgelehnt, daß der Kläger nach dem Vertrag nicht die Lieferung einer bestimmten Anzahl von Tieren geschuldet habe; allein die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die zuchtfähigen Eber abzunehmen.
b) Die Anschlußrevision hält dem zu Recht entgegen, daß der Kläger keineswegs bestritten hat, daß er zur Lieferung der genannten Zahl von Jungebern verpflichtet gewesen sei. Außerdem setzt die vom Berufungsgericht bejahte Anwendbarkeit der §§ 645, 324 BGB voraus, daß der Kläger verpflichtet war, entsprechende Leistungen zu erbringen. Auch zeigen die Regelungen der Art. 1, 5, 6, 7, 8, 9, 10 ff. und 16 des Vertrages, daß der Kläger zuchtfähige Eber zu gewinnen und diese der Beklagten zu den vereinbarten Bedingungen zur Verfügung zu stellen hatte.
IV. Nach allem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist deshalb aufzuheben. Da die Entscheidung des Rechtsstreits von weitergehenden Feststellungen abhängt, die im Revisionsverfahren nicht getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dieses wird aufgrund der noch zu treffenden tatsächlichen Feststellungen zu prüfen haben, ob neben einer Haftung der Beklagten gemäß §§ 324 Abs. 1, 645 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 282 BGB analog eine Haftung des Klägers gemäß §§ 325, 282 BGB in Betracht kommt. Gegebenenfalls wird es zu entscheiden haben, ob dann, wenn sowohl die Voraussetzungen des § 324 BGB als auch diejenigen des § 325 BGB erfüllt sind, entsprechend den "tatsächlichen Beiträgen" von Kläger und Beklagter für den Ausbruch der Schnüffelkrankheit (R.a.) die genannten Vorschriften kumulativ oder alternativ anzuwenden sind (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 49. Aufl. Vorbem. 3 vor § 323 mit Nachweisen). Soweit danach die Anwendung des § 254 BGB in Betracht kommt, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, daß die Beweislast für das Mitverschulden und dessen Ursächlichkeit beim jeweils Anspruchverpflichteten liegt. Dementsprechend käme eine Minderung des Klageanspruchs gemäß der genannten Vorschrift nur dann in Betracht, wenn feststünde, daß die zu beanstandenden Belüftungsverhältnisse, die das Berufungsgericht festgestellt hat, die einzige ernsthaft in Betracht zu ziehende Mitursache für den Ausbruch der R.a. darstellen. Davon kann nach den bisher getroffenen Feststellungen noch keine Rede sein. Ebenso liegt die Beweislast für die Voraussetzungen der Anrechnungspflicht gemäß § 324 Abs. 1 BGB grundsätzlich beim Anspruchsgegner.
Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob die von der Tierseuchenkasse an den Kläger erbrachten "Versicherungsleistungen" (richtig: Entschädigungsleistungen) in Höhe von 22.400,- DM dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch gemäß § 324 Abs. 1 BGB kongruent sind und ob der Kläger infolge des Anspruchsübergangs gemäß § 72a Abs. 1 des Tierseuchengesetzes vom 28. März 1980 (BGBl I 386; TierSG) möglicherweise nicht mehr aktivlegitimiert ist. Letzteres wäre der Fall, wenn und soweit der Kläger für die Tiere, wegen deren Nichtabnahme er die Beklagte mit der Klage in Anspruch nimmt, entsprechende Entschädigungsleistungen erhalten hat. Insoweit wird das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen wird, gegebenenfalls auch das Quotenvorrecht des Klägers gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 TierSG zu berücksichtigen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 2993047 |
NJW 1991, 166 |
LM § 631 BGB Nr. 70 |
BGHR BGB § 631 Tierzuchtvertrag 1 |
DRsp I(138)598b |
NJW-RR 1991, 504 |
WM 1990, 2050 |
MDR 1991, 245 |
RdL 1990, 316 |
VersR 1990, 1132 |