Leitsatz (amtlich)
Frage der Zulässigkeit einer Vollstreckungsstandschaft
Normenkette
ZPO §§ 727, 767
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe |
LG Karlsruhe |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 1983 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der II. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 31. Dezember 1981 hinsichtlich des Klageantrages zu 1. (Vollstreckungsgegenklage) zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts Karlsruhe abgeändert:
Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Jürgen R… vom 23. Oktober 1980 – 4 UR 1284/80 – durch den Beklagten wird für unzulässig erklärt.
Die weitergehende Vollstreckungsgegenklage wird abgewiesen.
Die Kosten der ersten und der zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Durch vollstreckbare notarielle Urkunde vom 23. Oktober 1980 bestellte der Kläger dem Beklagten eine Briefgrundschuld über 100.000 DM an seinem Hausgrundstück in Karlsruhe. Der Grundschuldbestellung liegt ein am 21. Oktober 1980 zwischen den Parteien und Willi R…, dem Sohn des Klägers, geschlossener Vertrag zugrunde. Danach sollte der Beklagte die Grundschuld nur dann verwerten dürfen, „wenn Herr R…” (= der Sohn des Klägers) „seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Raiffeisenbank nicht nachkommt” und diese den Beklagten als Bürgen, in Anspruch nehmen sollte.
Am 8. Januar 1981 trat der Beklagte die Grundschuld sicherungshalber an die Sparkasse P…ab. Dieser teilten die von dem Beklagten beauftragten Rechtsanwälte am 4. Mai 1981 mit, daß der Beklagte die Zwangsversteigerung des Grundstücks des Klägers aus der notariellen Urkunde vom 23. Oktober 1980 betreiben wolle. In dem Schreiben heißt es u.a. wie folgt:
„Herr P… hat uns mitgeteilt, daß Ihnen die Sicherung abgetreten ist zur Absicherung eigener Bürgschaftsabsprachen von Herrn P…zu Ihren Gunsten.
Er hat weiter erklärt, daß Sie bereit sind, den Titel zur Verfügung zu stellen, um die Zwangsversteigerung durchzuführen. Wir dürfen Sie höflich darum bitten, uns die vollstreckbare Urkunde zur Verfügung zu stellen.
Jedwedes realisierte Geld würden wir Ihrer Weisung entsprechend zahlen…”
Die Sparkasse P…erklärte sich durch Schreiben vom 6. Mai 1981 mit diesem Vorschlag einverstanden und gab dem Beklagten den Grundschuldbrief zurück. Auf Antrag des Beklagten ist am 21. Juli 1981 die Zwangsversteigerung des klägerischen Grundstücks angeordnet worden.
Der Kläger hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde vom 23. Oktober 1980 für unzulässig zu erklären und den Beklagten zur Einwilligung in die Löschung der Grundschuld zu verurteilen. Er hält die Vollstreckungsgegenklage schon deshalb für begründet, weil der Beklagte nicht mehr Grundschuldgläubiger sei; im übrigen beruft sich der Kläger vor allem darauf, daß er die Bestellung der Grundschuld und die Sicherungsabrede vom 21. Oktober 1980 wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Er vertritt weiter den Standpunkt, daß die Grundschuldbestellung auch wegen der fehlenden Zustimmung seiner Ehefrau unwirksam sei: Das Hausgrundstück sei, was dem Beklagten auch bekannt gewesen sei, im wesentlichen sein gesamtes Vermögen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger nur noch die Vollstreckungsgegenklage weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im wesentlichen Erfolg.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die prozessualen Voraussetzungen der sich auf §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 797, 767 ZPO stützenden Vollstreckungsgegenklage für gegeben erachtet. Der Titel, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben wird, lautet auf den Beklagten; ihm ist auch die Vollstreckungsklausel erteilt worden. Er ist daher ohne Rücksicht auf seine materielle Berechtigung der betreibende Gläubiger im Sinne der Zivilprozeßordnung und des Zwangsversteigerungsgesetzes und somit der richtige Beklagte (vgl. BGH Urteil vom 7. Januar 1963, VII ZR 214/61, WM 1963, 526; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 767 Rdnr. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 42. Aufl. § 767 Anm. 3 B). Die Möglichkeit von Rechtsbehelfen gegen die Klauselerteilung (§ 732 ZPO) steht der Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage nicht entgegen.
2. Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, daß eine Rückabtretung der Grundschuld an den Beklagten nicht stattgefunden hat.
Bei dieser Sachlage hätte es aber der Vollstreckungsgegenklage den Erfolg nicht versagen dürfen. Infolge der Abtretung der Grundschuld an die Sparkasse P… hat der Beklagte die Befugnis, die Grundschuld im Wege der Zwangsvollstreckung zu verwerten, verloren. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich die jetzige Grundschuldgläubigerin mit der Wahrnehmung der Rechte aus der notariellen Urkunde durch den Beklagten ausdrücklich einverstanden erklärt hat:
Die gerichtliche Geltendmachung fremder obligatorischer Ansprüche im eigenen Namen aufgrund Ermächtigung durch den wirklichen Gläubiger (sog. gewillkürte Prozeßstandschaft) wird von der Rechtsprechung zwar dann als zulässig angesehen, wenn der Standschafter ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung des fremden Rechtes hat (vgl. z.B. RGZ 166, 218, 238; BGHZ 4, 153, 164; 82, 283, 288). Hat er im eigenen Namen ein Urteil erlangt, so kann er als Titelgläubiger den zuerkannten fremden Anspruch auch im eigenen Namen vollstrecken. Er erhält demgemäß auch die zur Zwangsvollstreckung erforderliche Vollstreckungsklausel.
Hiermit nicht zu vergleichen ist der Fall, daß ein Titelgläubiger einen Dritten ermächtigt, den titulierten Anspruch im eigenen Namen zu, vollstrecken (isolierte Vollstreckungsstandschaft). Da der Titel nicht auf den Dritten lautet, wäre zur Zwangsvollstreckung die Titelumschreibung auf den Dritten nach § 727 ZPO erforderlich, die aber den Nachweis der Rechtsnachfolge voraussetzt. Die bloße Vollstreckungsermächtigung ohne Übertragung des titulierten Anspruchs ist aber keine Rechtsnachfolge im Sinne des § 727 ZPO, denn sie beseitigt nicht die Sachlegitimation des Gläubigers. Eine Klauselerteilung für den Ermächtigten käme folglich nicht in Betracht. Dies gilt in gleichem Maße sowohl für den durch Urteil als auch für den durch eine vollstreckbare Urkunde ausgewiesenen Titelgläubiger (vgl. §§ 794, 795, 797 ZPO).
Auch wenn der Titelgläubiger den titulierten Anspruch vor oder nach der Klauselerteilung auf einen Dritten übertragen hat und dennoch selbst die Vollstreckung betreiben will, läßt das Zwangsvollstreckungsverfahren keine vom Schuldner hinzunehmende Vollstreckungsstandschaft des alten für den neuen Gläubiger zu. Zwar wird dem im Titel als Gläubiger Ausgewiesenem die Vollstreckungsklausel erteilt (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 727 Rdnr. 44), so daß er die Zwangsvollstreckung beginnen kann. Der Schuldner kann aber den Rechtsübergang auf den neuen Gläubiger, erfolgreich mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen; § 265 ZPO ist nämlich auf die Übertragung eines titulierten Anspruchs nicht anwendbar (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O. § 727 Rdnr. 46; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 42. Aufl. § 767 Anm. 2 B Abs. 4).
Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn der neue Gläubiger, des Anspruchs aus einer vollstreckbaren Urkunde, dessen Gläubigerstellung aus dem Titel selbst nicht ersichtlich ist, den in der Urkunde als Gläubiger aufgeführten Zedenten – ohne Rückübertragung des titulierten Anspruchs – die Zwangsvollstreckung im eigenen Namen betreiben läßt. Zwar erhält in einem solchen Fall der Altgläubiger die Vollstreckungsklausel, der Schuldner kann sich aber gegen die Vollstreckung durch den ehemaligen Gläubiger mit der Vollstreckungsgegenklage wehren. Der Umstand, daß der wirkliche Gläubiger des titulierten Anspruchs aus dem Titel nicht hervorgeht, ist keine Rechtfertigung für die Zwangsvollstreckung durch den Nichtgläubiger. Der im Titel ausgewiesene Gläubiger kann – wie oben bereits dargelegt worden ist – mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 727 ZPO einen Dritten nicht zur Durchführung der Zwangsvollstreckung im eigenen Namen ermächtigen. Er müßte vielmehr den titulierten Anspruch auf den Dritten übertragen.
Der Anerkennung einer Vollstreckungsstandschaft steht jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art (der Gläubiger des titulierten Anspruchs geht aus dem Titel nicht hervor, sein Rechtsvorgänger ist im Titel als Gläubiger aufgeführt) nicht nur die der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende Formstrenge des Vollstreckungsrechts entgegen. Für sie besteht auch kein sachliches Bedürfnis. Will der Grundschuldgläubiger das Grundpfandrecht nicht selbst verwerten, sondern dies seinem Rechtsvorgänger überlassen, so kann er eine treuhänderische Rückabtretung vornehmen.
Da somit der Beklagte sachlich nicht befugt ist, die für ihn fremde Grundschuld im eigenen Namen im Wege der Zwangsvollstreckung zu verwerten, muß die Vollstreckungsgegenklage Erfolg haben. Über sonstige Einwendungen des Klägers gegen den titulierten Anspruch kann allerdings gegenüber dem Beklagten nicht entschieden werden. Infolgedessen ist nur die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde durch den Beklagten für unzulässig zu erklären (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O. § 767 Rdnr. 22 i.V.m. Rdnr. 44 und dort Fußnote 169). Der weitergehende Antrag des Klägers ist mithin zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 2 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 609570 |
BGHZ, 347 |
NJW 1985, 809 |
ZIP 1985, 247 |
DNotZ 1985, 472 |
JA 2000, 841 |
JZ 1985, 341 |