Leitsatz (amtlich)
Für ausländische Gläubiger im Grundbuch eines im ehemaligen Ost-Berlin gelegenen Grundstücks eingetragene Grundpfandrechte sind nicht mit der Überführung von Grundeigentum in Volkseigentum erloschen. Diese Rechte werden von der SchuldenhaftungsVO nicht erfaßt.
Normenkette
BGB § 894; BlnSchuldenhaftungsVO § 1 Abs. 2 (VO des Magistrats von Groß-Berlin über die Schuldenhaftung der Erwerber eingezogener Vermögenswerte vom 13. Juni 1949)
Verfahrensgang
KG Berlin (Aktenzeichen 24 U 1798/97) |
LG Berlin (Aktenzeichen 13 O 277/96) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 31. August 1998 aufgehoben und das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 7. Januar 1997 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, wegen 23.208,56 sfr die Zwangsvollstreckung in das im Grundbuch von P. (Amtsgericht B.), Band …, Blatt … eingetragene Grundstück zu dulden.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand einer Grundschuld, die zugunsten der Klägerin, einer schweizerischen Genossenschaft, im Grundbuch eines im ehemaligen Ost-Berlin gelegenen Grundstücks eingetragen ist.
Die streitgegenständliche am 31. Dezember 1935 fällige Briefgrundschuld über 290.107,50 sfr nebst 4% Jahreszinsen wurde aufgrund des Deutsch-Schweizerischen Zusatzabkommens vom 25. März 1923 (RGBl. II S. 286 ff.) zum Goldhypothekenabkommen vom 6. Dezember 1920 (RGBl. II S. 2023 ff.) im November 1923 im Grundbuch von S. (Amtsgericht B.) eingetragen. Eigentümerin des belasteten Grundstücks wurde im Jahre 1932 die E. AG in Basel. Das Grundstück wurde aufgrund § 1 Abs. 1 der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum vom 10. Mai 1949 i.V.m. Liste C Nr. 61 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 112) enteignet und in Volkseigentum überführt. Im Januar 1953 wurde es als Eigentum des Volkes in das neu angelegte Grundbuch von Berlin-P. umgeschrieben; die Grundschuld wurde hierher übertragen. Später war das Grundstück im Liegenschaftsblatt von Berlin-P. verzeichnet. Im Jahre 1994 wurde es dem beklagten Land durch Feststellungsbescheid der Oberfinanzdirektion B. zugeordnet, der Beklagte im Grundbuch von P. (Amtsgericht Berlin-M.) als Eigentümer eingetragen und die Grundschuld in das neue Grundbuchblatt mitübernommen.
Die Klägerin, die seit dem Jahre 1923 im Besitz des Grundschuldbriefs ist, begehrt die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück wegen rückständiger Grundschuldzinsen für die Jahre 1992 und 1993. Der Beklagte beansprucht widerklagend Erteilung der Löschungsbewilligung und Herausgabe des Grundschuldbriefs. Er ist der Ansicht, die Grundschuld sei gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin über die Schuldenhaftung der Erwerber eingezogener Vermögenswerte vom 13. Juni 1949 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 156; im folgenden: SchuldenhaftungsVO) mit der Enteignung des Grundstücks erloschen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht, dessen Urteil in VIZ 1999, 105 und ZOV 1999, 47 veröffentlicht ist, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre auf Duldung der Zwangsvollstreckung und Abweisung der Widerklage gerichteten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Verurteilung des Beklagten entsprechend dem Klageantrag und zur Abweisung der Widerklage.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein Duldungsanspruch gemäß §§ 1192 Abs. 2, 1146, 1147 BGB zu, weil die streitbefangene Grundschuld nach der SchuldenhaftungsVO erloschen sei; aus diesem Grunde könne der Beklagte seinerseits Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) sowie Herausgabe des Grundschuldbriefs (§ 812 BGB) verlangen. Gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 SchuldenhaftungsVO sei „die Verbindlichkeit, die der hier streitbefangenen Grundschuld zugrunde lag”, vom neuen Rechtsträger des enteigneten und in Volkseigentum überführten Grundstücks nicht übernommen worden, „weil sie bereits vor dem 8. Mai 1945 entstanden war”. Nach § 1 Abs. 2 SchuldenhaftungsVO sei daher das Grundpfandrecht selbst ebenfalls untergegangen. Die SchuldenhaftungsVO sei nicht, soweit sie Rechtspositionen ausländischer Gläubiger betroffen habe, nichtig gewesen. Die Rechtsetzungsbefugnis des Magistrats von Groß-Berlin unterliege keinem Zweifel. Der von der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) verfolgte Schutz ausländischen Vermögens könne nicht zur vollständigen oder teilweisen Nichtigkeit von Rechtsnormen führen, die nach der Gründung der DDR dort zuständige Stellen wirksam erlassen hätten. Anderes könne nur gelten, wenn die SMAD solche Vorschriften aufgehoben oder eingeschränkt habe, was hier jedoch nicht der Fall sei. Eine einschränkende Auslegung der SchuldenhaftungsVO in bezug auf Grundpfandrechte ausländischer Gläubiger finde im Wortlaut der Vorschriften keine Stütze. Es treffe auch nicht zu, daß jedenfalls die Grundschulden schweizerischer Gläubiger fortbestanden hätten, weil sie von den Behörden der DDR konkret geschützt und in ihrem Bestand bewahrt worden seien. Zwar seien die auf den Abkommen von 1920 und 1923 beruhenden sogenannten „Frankengrundschulden” Gegenstand der in den Jahren 1973 bis 1988 zwischen der DDR und der Schweiz geführten Verhandlungen zur Regelung offener Vermögensfragen gewesen. Daraus ergebe sich jedoch nicht, daß die DDR sie als noch bestehende Grundpfandrechte angesehen habe. Im übrigen sei es „unmittelbar einsichtig”, daß ein Regime, das Privateigentum in Volkseigentum überführe, dieses nicht durch Bestehenlassen von Grundpfandrechten der Gefahr wirtschaftlicher Aushöhlung aussetze.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zugunsten der Klägerin wird gesetzlich vermutet (§ 891 Abs. 1 BGB), daß ihr die Grundschuld zusteht. Denn das Grundpfandrecht ist für sie im Grundbuch eingetragen, sie ist zudem im Besitz des Grundschuldbriefs (vgl. BayObLG Rpfleger 1992, 56). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt.
Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts, die Grundschuld sei nach § 1 Abs. 2 SchuldenhaftungsVO erloschen, verletzt revisibles Recht.
1. Nach § 1 Abs. 1 dieser Verordnung hafteten die Rechtsträger der in Volkseigentum übergegangenen Vermögenswerte für von den früheren Eigentümern oder Verwaltern eingegangene Verbindlichkeiten nur im Rahmen von § 2 der Verordnung oder gesetzlicher Sonderbestimmungen; soweit danach Verbindlichkeiten nicht übernommen wurden, ordnete § 1 Abs. 2 das Erlöschen der dafür an diesen Vermögenswerten bestehenden Sicherheiten, insbesondere von Grundpfandrechten, an. Gemäß § 2 wurden vor dem 8. Mai 1945 entstandene Verbindlichkeiten überhaupt nicht (Abs. 1 Satz 1), nach diesem Zeitpunkt entstandene nur unter bestimmten Voraussetzungen (Abs. 2) übernommen.
Von der SchuldenhaftungsVO wurden aber Rechte ausländischer Gläubiger – wie der Klägerin – nicht erfaßt. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Verordnung, die nicht zwischen inländischen und ausländischen Rechtsinhabern differenziert. Einer ausdrücklichen Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Inländer bedurfte es indessen nicht, da schon aus anderen Gründen feststand, daß die Regelungen sich nicht auf Ausländer bezogen (vgl. BVerwGE 104, 84, 86). Das Berufungsgericht hat die Vorgaben des revisiblen Besatzungsrechts nicht hinreichend berücksichtigt sowie den inhaltlichen Zusammenhang der SchuldenhaftungsVO mit anderen vom Magistrat von Groß-Berlin erlassenen Vorschriften außer acht gelassen.
a) Die Grundschuld war als Auslandsvermögen durch die sowjetische Besatzungsmacht der Enteignung entzogen. Das ergibt sich aus folgendem:
Die Vermögenswerte natürlicher und juristischer ausländischer Personen in Deutschland unterlagen nach dem Ende des 2. Weltkriegs besatzungsrechtlichen Sonderregelungen (vgl. Mann/Behn VIZ 1992, 224 ff.; Mitschke/Werling NJ 1992, 100 ff.; Schnabel/Tatzkow VIZ 1997, 12, 15 ff.; Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 24. Januar 1996 zur restitutionsrechtlichen Behandlung ausländischer Vermögenswerte unter sowjetischer Besatzungshoheit VIZ 1996, 201, 202). Das bereits mit der Proklamation Nr. 2 der Oberbefehlshaber der Besatzungsstreitkräfte vom 20. September 1945 (ABL. des Kontrollrats Nr. 1 vom 29. Oktober 1945, S. 8 ff.) in Abschnitt III Nr. 9 in Verbindung mit Abschnitt VI Nr. 19 b) von allen vier Besatzungsmächten ausgesprochene Schutzversprechen sowie das hieraus abzuleitende generelle Enteignungsverbot für unmittelbares Ausländervermögen (BVerwGE 96, 183, 186 f.; 101, 150, 153 f.; BGH, Urteil vom 16. Oktober 1998 - V ZR 65/97, ZOV 1999, 35, 36) wurde auch von der sowjetischen Besatzungsmacht in ihren späteren Verlautbarungen aufrecht erhalten:
Durch Ziff. 2 des SMAD-Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 (VOBl. Provinz Sachsen 1945, Nr. 4, 5, 6, S. 10 f.; Fieberg/Reichenbach, Enteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR 2. Aufl. Dok. 2.4.4) wurde die Übernahme des auf dem von der Roten Armee besetzten Gebiet befindlichen „herrenlosen” Vermögens in zeitweilige Verwaltung der sowjetischen Militäradministration angeordnet. Mit Befehl Nr. 104 vom 4. April 1946 (ZVOBl. S. 66; Fieberg/Reichenbach aaO Dok. 2.4.6a) wurde hierzu klargestellt, daß unter den Begriff des „herrenlosen” Gutes auch das ausländische Vermögen fiel. Ferner wurde mit SMAD-Befehl Nr. 154/181 vom 21. Mai 1946 (ABl. der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern 1946, Nr. 4 S. 76; Fieberg/Reichenbach aaO Dok. 2.4.7) angeordnet, daß die Güter ausländischer physischer und juristischer Personen nicht in die deutsche Verwaltung übergehen, sondern unter der Bewachung der sowjetischen Militärverwaltung verbleiben sollten. Schließlich standen nach den sogenannten Dratwinschen Instruktionen vom 17. November 1947 (Fieberg/Reichenbach aaO Dok. 2.4.6a.1) „sämtliche Vermögenswerte, Aktiva, Rechte, Vermögensdokumente und Interessen, die sich in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands befinden und Ausländern gehören”, unter dem Schutz und der Kontrolle der sowjetischen Besatzungsbehörden; sie durften insbesondere „weder verkauft noch enteignet werden”.
Zwar betrafen die SMAD-Befehle sowie die Dratwinschen Instruktionen unmittelbar nicht den Ostteil Berlins, weil dieser – bis zur politischen und administrativen Spaltung der Stadt im Jahre 1948 selbst nach Auffassung der Sowjets (vgl. Frantzen VIZ 1993, 9, 10) – kein Teil der sowjetischen Besatzungszone war. Indes fand der Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 nach den Anordnungen der Alliierten Kommandantur Berlin BK/O (47) 50 vom 21. Februar 1947 (VOBl. für Groß-Berlin 1947 Nr. 5 S. 68) und BK/O (47) 172 vom 28. Juli 1947 (VOBl. für Groß-Berlin 1947 Nr. 22 S. 225; Fieberg/Reichenbach aaO Dok. 2.3.1 und 2.3.2) auch im Ostsektor Berlins Anwendung. Ob darüber hinaus sämtliche vom Obersten Befehlshaber der Sowjetischen Besatzungszone erlassene Befehle, insbesondere auch die Dratwinschen Instruktionen, im Ostteil Berlins ebenfalls galten (in diesem Sinne Mitschke/Werling ZOV 1993, 12, 14), kann offenbleiben. Denn mit Rücksicht auf die grundlegende Kontrollratsproklamation Nr. 2 und den alliierten Sonderstatus der Stadt besteht kein Anlaß anzunehmen, die sowjetische Besatzungsmacht habe den Enteignungszugriff auf Vermögenswerte ausländischer Personen dort in größerem Maße eröffnen wollen als in der sowjetischen Besatzungszone. Dies gilt besonders, da Enteignungen hier, später als in der sowjetischen Besatzungszone, überhaupt erst mit dem vom Magistrat für Groß-Berlin am 8. Februar 1949 im Verordnungswege in Kraft gesetzten Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten (VOBl. für Groß-Berlin I S. 34; Fieberg/Reichenbach aaO Dok. 2.5.1 und 2.5.2) sowie der Magistratsverordnung zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum vom 10. Mai 1949 erfolgten (vgl. hierzu BVerwG ZOV 1997, 125, 126 f.; OVG Berlin, VIZ 1992, 405, 406; 407, 408) und – nach der im Beschluß Nr. 162 vom 28. April 1949 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 111; Fieberg/Reichenbach aaO Dok. 2.5.3) zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Magistrats – zum Abschluß gebracht wurden.
b) Soweit § 1 Abs. 1 SchuldenhaftungsVO auf die „in Volkseigentum übergegangenen oder sonst auf Grund gesetzlicher Bestimmungen eingezogenen Vermögenswerte” abstellte, lag darin eine Bezugnahme auf die Verordnungen vom 8. Februar und 10. Mai 1949. Diese betrafen indes beide nicht das Vermögen von Ausländern. Für das „Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten” folgt das bereits aus seinem durch den Titel umschriebenen Anwendungsbereich; es beruhte zudem auf dem SMAD-Befehl Nr. 124 (vgl. KG VIZ 1999, 290, 292). Die Art und Weise, wie die Liste C zur Konzernverordnung vom 10. Mai 1949, in der unter Nr. 61 die E. AG aufgeführt war, zustande gekommen ist, rechtfertigt außerdem die Annahme, daß insoweit das Schutzversprechen der sowjetischen Besatzungsmacht zu einem konkreten Enteignungsverbot erstarkt war (vgl. dazu näher BVerwGE 101, 282, 284 f.).
c) Angesichts der bei Erlaß der SchuldenhaftungsVO fortbestehenden sowjetischen Besatzungshoheit und ihrer beherrschenden Stellung im Ostteil Berlins liegt die Annahme fern, die Verordnung könnte ohne Kenntnis und Billigung der Besatzungsmacht ergangen sein, zumal sie der Umsetzung unter sowjetischem Einfluß ergangener Enteignungsvorschriften diente. Dann aber ist nicht davon auszugehen, die kommunalen Stellen des Ostsektors hätten eine Verletzung des von der Sowjetmacht abgegebenen Schutzversprechens für Ausländervermögen beabsichtigt. Vielmehr kann die SchuldenhaftungsVO nur so verstanden werden, daß die Rechte ausländischer Gläubiger hierdurch ebensowenig betroffen sein sollten wie durch die Verordnungen vom 8. Februar bzw. 10. Mai 1949. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, das alliierte Schutzversprechen sei wegen der Zuständigkeit staatlicher Stellen der DDR unbeachtlich, hat es verkannt, daß die SchuldenhaftungsVO vom 13. Juni 1949 vor Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 erlassen worden ist.
d) Für das dargestellte Normverständnis spricht auch der inhaltliche Zusammenhang mit der Verordnung über die gerichtliche Eintragung enteigneter Unternehmen und Grundstücke (Registerverordnung) vom 12. April 1950 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 76) sowie der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin vom 18. Dezember 1951 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 565).
§ 1 Satz 1 Registerverordnung nahm neben dem Gesetz vom 8. Februar 1949 und der Verordnung vom 10. Mai 1949 ausdrücklich auch auf die SchuldenhaftungsVO Bezug. Insoweit heißt es zwar, durch die vorbezeichneten Bestimmungen seien Rechtsänderungen „herbeigeführt worden”, die Eintragungen in Handelsregister und Grundbuch erforderlich machten. Gemäß Satz 3 waren jedoch Ausländern zustehende Rechte „hierbei” – d.h. bei der Umsetzung der SchuldenhaftungsVO – zu wahren. Das kann nur so verstanden werden, daß die Wirkungen dieser Verordnung in bezug auf Ausländer erst gar nicht eintreten sollten.
Nach § 1 Abs. 1 und 2 der Magistratsverordnung vom 18. Dezember 1951 wurde Vermögen, das am 8. Mai 1945 Ausländern ganz oder teilweise gehörte oder – unmittelbar oder mittelbar – unter ihrem Einfluß stand, nach näherer Maßgabe der §§ 2 ff. in „Verwaltung und Schutz” genommen. Gemäß § 1 der Ersten Durchführungsbestimmung vom 23. Oktober 1952 (VOBl. I S. 519) erstreckte sich die Verwaltung auf das Vermögen ausländischer Staaten sowie ausländischer natürlicher und juristischer Personen, das sich am 8. Mai 1945 im Gebiet von Groß-Berlin befand. Hierin kommt die Vorstellung zum Ausdruck, daß dieses Vermögen in der Zwischenzeit als solches erhalten geblieben war (vgl. Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG § 1 Rdn. 209; Mitschke/Werling NJ 1992, 100, 102; Heinze NJW 1952, 166, 167).
2. Der SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 (ZVOBl. Nr. 15 S. 140) steht einem einschränkenden Verständnis der SchuldenhaftungsVO nicht entgegen. Denn dieser Befehl – unabhängig davon, ob er im Ostsektor Berlins überhaupt galt (verneinend: BVerwG DtZ 1996, 358, 359; VIZ 1998, 630, 631; vgl. auch BVerfG NJW 1997, 449, 450; bejahend wohl Tatzkow VIZ 1997, 27) – und die zu seiner Ausführung ergangenen weiteren Bestimmungen bezogen sich auf bereits durchgeführte oder beschlossene Enteignungen von Wirtschaftsunternehmen oder sonstiger Vermögen. Im Ostteil Berlins ergingen die Enteignungsvorschriften erst etwa ein Jahr später.
III.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Ein Erlöschen der Grundschuld kann insbesondere nicht aus dem Gesichtspunkt der faktischen Enteignung hergeleitet werden.
Der Bundesgerichtshof hat wiederholt ausgeführt, daß die Behandlung des ausländischen Vermögens nach der Übertragung der Verwaltung an die DDR zunehmend dadurch gekennzeichnet war, die Vermögenswerte soweit wie möglich entsprechend den volkswirtschaftlichen Interessen der DDR zu benutzen und eine Einflußnahme der Berechtigten zu unterbinden (BGHZ 134, 67, 74; BGH, Urteil vom 15. Mai 1998 - V ZR 146/97, VIZ 1998, 572, 573; Urteil vom 16. Oktober 1998 - V ZR 65/97, ZOV 1999, 35, 36 f.). Die staatliche Zwangs- oder Treuhandverwaltung als solche begründete indes „nur” einen faktischen bzw. wirtschaftlichen, jedoch keinen formellen Entzug des Vermögens. Mit dem Einigungsvertrag ist insoweit die grundlegende Entscheidung getroffen worden, die staatliche Verwaltung selbst nicht als Enteignungstatbestand zu behandeln. Dem lag die Erwägung zugrunde, im Zuge der Wiedervereinigung nicht die von der DDR vorgenommene diskriminierende Entziehung von Vermögenswerten in wirtschaftlicher Hinsicht durch eine Enteignung im Rechtssinne zu sanktionieren und damit einen Schritt zu vollziehen, vor dem sich selbst die DDR gescheut hatte (vgl. Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG Einf. Rdn. 43 f.). Auch die „kalten” Enteignungen im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG werden dementsprechend nur dann der förmlichen Enteignung gleichgestellt, wenn der Vermögenswert in Volkseigentum übergegangen war (vgl. BVerwG ZIP 1997, 1939, 1940). Diese Wertung muß vor dem Hintergrund der Gleichstellung staatlich verwalteten ausländischen Vermögens mit anderen Fallgruppen der staatlichen Verwaltung durch § 1 Abs. 4 VermG auch bei der rechtlichen Behandlung der Vermögenswerte ausländischer Gläubiger beachtet werden. Die staatliche Verwaltung kann daher, sofern sie nicht im Ergebnis zu einem Erlöschen des Vermögenswertes bzw. zu dessen Übergang in staatliches Eigentum führte, auch in diesen Fällen nicht als Enteignungstatbestand angesehen werden.
IV.
Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
1. Der Duldungsklage (§§ 1192, 1147 BGB) war stattzugeben.
Der Klägerin als Grundschuldgläubigerin gebühren nach §§ 1192, 1146 BGB Verzugszinsen aus dem Grundstück. Die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs (§§ 284 ff. BGB) des Beklagten liegen vor.
Das Eigentum an dem belasteten Grundstück ist gemäß Art. 22 Abs. 4 Satz 1 und 3 des Einigungsvertrages mit Wirksamwerden des Beitritts der ehemaligen DDR am 3. Oktober 1990 auf das beklagte Land übergegangen. Das Grundschuldkapital war am 31. Dezember 1935 fällig. Da Leistung nicht erfolgte, ist Schuldnerverzug ohne Mahnung eingetreten (§ 284 Abs. 2 BGB). Die Zinshöhe und der von der Klägerin für die Jahre 1992 und 1993 errechnete Gesamtbetrag von 23.208,56 sfr sind unstreitig.
2. Die Widerklage war abzuweisen, weil die Grundschuld zu Recht noch im Grundbuch eingetragen ist.
Unterschriften
Nobbe, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder, Dr. Joeres
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.10.1999 durch Bartholomäus, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539485 |
BGHZ |
BGHZ, 55 |
NJW 2000, 424 |
EWiR 2000, 225 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 70 |
WuB 2000, 371 |
ZAP-Ost 2000, 167 |
NJ 2000, 259 |
ZBB 2000, 55 |
OVS 2000, 80 |