Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliederwerbung durch Vereinigungen von Lohnsteuerzahlern trotz grundsätzlichem Werbeverbot
Leitsatz (amtlich)
Vereinigungen von Lohnsteuerzahlern, die zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen zugelassen sind, dürfen trotz des grundsätzlich für sie geltenden Werbeverbots im Rahmen des sachlich Gebotenen auf ihre Existenz, ihre Zwecke und Ziele, sowie die Art der von ihnen angebotenen Dienste zur Mitgliederwerbung hinweisen. Jedoch ist ihnen untersagt, eine öffentliche Erfolgswerbung beispielweise durch Hinweis auf die Zahl von ihnen durchgeführten Einspruchsverfahren und/oder die Höhe der von ihnen erzielten Erstattungsbeträge zu betreiben.
Normenkette
UWG § 1; AO § 107a Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b; GG Art. 5, 9
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 23.01.1968) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Januar 1968 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist – in D – Steuerbevollmächtigter. Er steht Interessenten auch in Lohnsteuersachen zur Verfügung. Die Beklagte – Sitz D – ist ein eingetragener Verein, der nach § 107 a Abs. 3 Ziff. 4 b der Abgabenordnung in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 29. April 1964 zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen – jedoch nur für seine Mitglieder – zugelassen ist. Die Beklagte ist auch an Mitgliedern interessiert, die als Lohnsteuerpflichtige zur Einkommensteuer veranlagt werden (§ 46 EKStG). Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen vertrat jedoch die Ansicht, die Beklagte sei nicht befugt, in solchen Veranlagungsfällen Hilfe zu leisten. Darüber kam es vor dem Finanzgericht zu einem Streitverfahren zwischen der Beklagten und dem Finanzminister. Die Frage ist inzwischen durch Art. 2 Ziffer 6 des 2. AOStrafÄndG vom 12. August 1968 (BGBL I, 953) entschieden worden.
Anfang 1966 – vor und nach dem 24. Februar 1966 – veranstaltete die Beklagte verschiedene Pressekonferenzen, auf denen ihr Vorsitzender und/oder ihr Prozeßbevollmächtigter im Einverständnis mit dem Vorsitzenden zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit dem Streitverfahren Stellung nahm. Am 16. Januar 1966 hatte die Beklagte eine Mitgliederversammlung in Dortmund abgehalten, auf der auch der Vorsitzende gesprochen hatte. Über diese Versammlung, über die Pressekonferenzen und über sonstige Erklärungen der Beklagten an die Presse erschienen in verschiedenen Zeitungen Artikel. So berichtete die Dattelner Morgenpost in ihrer Ausgabe vom 7. Januar 1966 unter der Überschrift „Interessengemeinschaft der Lohnsteuerzahler”, daß die Beklagte auch in Datteln eine Bezirksstelle unterhalte, bei der sich jeder bei der Ausfüllung der Anträge für Lohnsteuerrückzahlung beraten und helfen lassen könne. In einem weiteren ausführlichen Artikel vom gleichen Tage wurde nochmals über die Aufgaben der Beklagten und die durch ihre Bezirksstelle in Datteln auch der dortigen Bevölkerung gebotene Möglichkeit berichtet, sich bei der Stellung der Lohnsteuer-Jahresausgleichsanträge beraten zu lassen. Sodann heißt es dort:
Im letzten Jahr wurden durch die Arbeit der Interessengemeinschaften mehr als 10000000,– DM zuviel gezahlter Lohnsteuer von den Finanzbehörden wieder zurückgezahlt. Das entspricht einem Durchschnitt von 503.– DM je Antrag. Das ist außergewöhnlich hoch; denn der normale Durchschnitt bei den Finanzämtern liegt bei 260.– DM.
Die Interessengemeinschaft kontrolliert durch ihr eigenes Berechnungssystem die Erstattungen der Finanzämter. Das ist oft notwendig; denn allein in Dortmund wurden 549 Einsprüche gegen die Entscheidungen der Finanzämter eingelegt. Die Nachzahlungen in Höhe von 50000.– DM kamen den Mitgliedern der Interessengemeinschaft zugute.
Die „Ruhr-Nachrichten” berichteten in ihrer Ausgabe vom 17. Januar 1966 über Ausführungen des Vorsitzenden der Beklagten in der Mitgliederversammlung vom 16. Januar 1966 in Dortmund. Dort heißt es u. a.:
Der Interessengemeinschaft gehören in Dortmund inzwischen rund 8000 Lohnsteuerzahler an. Im letzten Jahr hat sie allein 549 Einsprüche gegen Entscheidungen der Finanzämter eingelegt und dabei für ihre Mitglieder Nachzahlungen in einer Gesamthöhe von etwa 50000.– DM erstritten.
….
Die Interessengemeinschaft hofft, ohne das Verbot jeglicher Werbung zu verletzen, bis Ende 1966 in Dortmund ihre Mitgliederzahl auf etwa 52000 steigern zu können. Sie hält den Hinweis darauf, daß sie schon über 10000000.– DM zuviel gezahlter Lohnsteuer erstritt, für ihr zugkräftigstes Werbeargument.”
Über die Pressekonferenz am 23. Februar 1966 berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 24. Februar 1966 unter der Überschrift „Lohnsteuerzahler verklagen den Finanzminister”. Dort heißt es u. a.:
Willi B, Bundesvorsitzender der Interessengemeinschaft: „Durch diese Regelung wären 8000 bis 10000 unserer Mitglieder gezwungen, sich an Steuerberater zu wenden. Statt jetzt 24.– DM Jahresbeitrag müßten sie für die Beratung an die 240.– DM zahlen.”
Über die Pressekonferenz am 25. Februar 1966 berichteten die Ruhr-Nachrichten in ihrer Ausgabe vom 26. Februar 1966 u. a.:
Schließlich machen die Lohnsteuerzahler, wie es Ministerpräsident Dr. M bereits mitgeteilt worden ist, das Land für alle Nachteile ihrer Mitglieder regresspflichtig. Solche Nachteile können empfindlich sein: Statt des Beitrags von 24.– DM, den die Interessengemeinschaft erhebt, hatte ein Mitglied erst letzte Woche bei der Beratung durch einen Steuerbevollmächtigten nicht weniger als 270.– DM zu bezahlen.
In der gleichen Ausgabe berichteten die Ruhr-Nachrichten unter der Rubrik „Im Gespräch” über eine nach der Darstellung des Vorsitzenden der Beklagten vom Finanzamt D-Außenstadt erst nach drei Jahren erledigte Einspruchssache eines Mitglieds der Beklagten, dort heißt es dann weiter: Br berichtet, daß für das letzte Jahr allein 720 solcher Einsprüche bei D Finanzämtern notwendig waren.
Der Kläger sieht diese von der Beklagten an die Presse gegebenen Mitteilungen als Werbung an, die nach § 107 a Abs. 3 Ziff. 4 b AO gesetzlich verboten und dazu auch noch unlauter im Sinne der §§ 1 und 3 des UWG sei.
Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Klageantrag verurteilt, es bei Vermeidung von Strafen zu unterlassen,
- vor Pressevertretern zu behaupten, ein Lohnsteuerzahler müsse an einen Angehörigen der Steuerberatenden Berufe für die gleiche Beratung, wie sie die Beklagte gewähre, statt 24.– DM an die 240.– DM zahlen;
- vor Pressevertretern zu behaupten, ein Mitglied der Beklagten habe für die Beratung durch einen Steuerbevollmächtigten 270.– DM bezahlen müssen, wohingegen die Beklagte für eine solche Beratung nur den Jahresbeitrag von 24.– DM erhebe,
- vor Pressevertretern Angaben über ihre angeblich erzielten Erfolge und die Anzahl der angeblich geführten Einspruchsverfahren zu machen.
Mit der Berufung wollte die Beklagte zunächst die Abweisung der Klage in vollem Umfang erreichen. In der Verhandlung vor dem Berufungsgericht gab sie jedoch zu Ziff. 1 und 2 des angefochtenen Urteils eine Unterwerfungserklärung ab, worauf die Parteien den Rechtsstreit zu Ziff. 1 und 2 als in der Hauptsache erledigt erklärten und Kostenentscheidung beantragten.
Im übrigen hat die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil (zu Ziff. 3) abzuändern und insoweit die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen sie festzusetzenden Geldstrafe zu unterlassen, Werbung zu treiben, insbesondere …
3. vor Pressevertretern Angaben über ihre angeblich erzielten Erfolge und die Anzahl der angeblich durchgeführten Einspruchsverfahren zu machen,
- insbesondere zu behaupten, die Beklagte hole im Durchschnitt für ihre Mitglieder 503,– DM Lohnsteuererstattung pro Antrag heraus, während die sonstige Erstattung nur 260,– DM betrage;
- insbesondere zu behaupten, die Beklagte kontrolliere durch ihr eigenes Berechnungssystem die Erstattungen der Finanzämter, was oft notwendig sei, und in diesem Zusammenhang Zahlen über Einspruchsverfahren und Erstattungsbeträge zu nennen.
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages (Ziff. 3) hat die Beklagte ausgeführt, ihre tatsächlichen Angaben seien richtig und ihr Vorgehen zulässig. Es liege im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Vereinsfreiheit, auch soweit eine Werbung vorliege. Das Oberlandesgericht hat die Berufung in der vorstehend wiedergegebenen Fassung kostenpflichtig zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht führt aus, der Artikel in der Dattelner Morgenpost ergebe – im Zusammenhang gelesen – die beabsichtigte Werbung offenkundig. Dabei sei der Hinweis auf die Unterschiede bei der Lohnsteuererstattung, je nachdem, ob die Beklagte tätig werde oder nicht, besonders werbewirksam. Das gleiche gelte für den Hinweis auf die „Kontrolle” der Finanzämter durch die Beklagte und die im Zusammenhang damit erwähnte Anzahl der von der Beklagten durchgeführten Einsprüche und die dadurch für die Mitglieder erzielten Nachzahlungen. Wenn der Beklagten daran liege, Lohnsteuerpflichtige über ihren Tätigkeitsbereich aufzuklären, könne sie das ohne Werbung erreichen. Dagegen sei ihr Werbung nach § 107 a Abs. 3 Ziff. 4 b der Abgabenordnung verboten und ein Verstoß gegen dieses Verbot sei sittenwidrig. Gegen Art. 5 GG verstoße das Verbot der Werbung nicht.
II. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe sind unbegründet. Zutreffend hält das Berufungsgericht die beanstandete Werbung für einen Gesetzesverstoß.
1. § 107 a Abs. 3 Ziff. 4 b in der Fassung des Art. I des Änderungsgesetzes vom 29. April 1964 (BGBl I 297) erlaubt die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen mit einigen hier nicht interessierenden Einschränkungen solchen Personenvereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgabe ausschließlich die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen „unter Verzicht auf Werbung hierfür” ist. Das Änderungsgesetz erläutert nicht näher, was unter verbotener Werbung im Sinne dieser Vorschrift verstanden werden soll und auch die spätere Ergänzung der Vorschrift durch Art. 2 Ziff. 6 des 2. AOStrafÄndG vom 12. August 1968 (BGBl I 953) enthält dazu keine Anhaltspunkte. In dem das Änderungsgesetz betreffenden schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Bundestages (Bundestags-Drucksache IV/1929) heißt es, solche Personenvereinigungen müßten ebenso wie die steuerberatenden Berufe auf Werbung verzichten. Dem könnte entnommen werden, Inhalt und Umfang des die Beklagte betreffenden Werbeverbotes sei streng nach den standesrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen, die für die Steuerberatenden Berufe gelten, zumal Vereinigungen wie die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit Angehörigen dieser Berufe auf dem Gebiet der Lohnsteuerberatung im Wettbewerb stehen. Denn grundsätzlich geht es im Hinblick auf die anzustrebende Chancengleichheit im Wettbewerb nicht an, den Vereinen eine Reklame zu erlauben, gegen die sich ihre Mitbewerber nicht durch Gegenreklame wehren können (vgl. RGZ 145, 396, 400).
Gerade der Gesichtspunkt möglichst weitgehender Gleichstellung beim Angebot der in Betracht kommenden Leistungen verbietet es jedoch, Vereinigungen wie die Beklagte schematisch denselben Werbeverboten wie die steuerberatenden Berufe zu unterwerfen. Diesen ist grundsätzlich nur erlaubt, durch Anbringung eines Schildes den Sitz ihrer Praxis zu bezeichnen und die Eröffnung oder Verlegung ihrer Praxis in sachlicher Form zu veröffentlichen. Wollte man im Rahmen des allgemeinen Werbeverbotes des § 107 a Abs. 3 Ziff. 4 b auch den Vereinen nur diese Maßnahmen erlauben, um sich bekannt zu machen, so stünde das im Widerspruch zu den Zielen, die der Gesetzgeber mit der Zulassung der Vereine verfolgt hat. In dem erwähnten Bericht des Finanzausschusses wird dazu hervorgehoben, die Vereine sollten gerade jenen Bevölkerungskreisen helfen, die im allgemeinen nicht den Weg zum Steuerberater fänden, aber der Hilfe in ihren Steuersachen bedürften. Jene Kreise können die Vereine aber nicht erreichen, wenn diese in jeder Beziehung den strengen Regeln unterworfen werden, denen die Steuerberater unterliegen, denn es ist zwar allgemein bekannt, daß es Steuerberater und Steuerbevollmächtigte gibt, und wer steuerlichen Rat braucht weiß, daß er sich an diese wenden kann. Dagegen ist es nicht allgemein bekannt, daß es für die Hilfe in Lohnsteuersachen Vereine wie die Beklagte gibt und welche Hilfen sie anbieten. Das mit der Zulassung der Vereine verfolgte Ziel erfordert deshalb, den Vereinen, unbeschadet des Werbeverbotes, solche Maßnahmen zu gestatten, durch die sie ihre Existenz und die Art ihrer Dienste den in Betracht kommenden Bevölkerungskreisen bekanntmachen können. Dabei werden sie sich jedoch dem Sinne des Verbots entsprechend auf sachliche Mitteilungen über ihren Tätigkeitskreis beschränken, sich im Rahmen des Notwendigen halten und Rücksicht auf die wettbewerblichen Interessen der einem strengeren Werbeverbot unterliegenden Steuerberatenden Berufe nehmen müssen. In ähnlicher Weise hat der Bundesgerichtshof bereits im Zahnprothetiker-Fall (GRUR 1959, 35, 37) das für die Heilberufe standesrechtlich geltende Werbeverbot nur in abgeschwächter Form auf den dem Standesrecht an sich nicht unterworfenen Zahnprothetiker angewandt.
2. Im Streitfall hat die Beklagte den aufgezeigten Gesichtspunkten nicht ausreichend Rechnung getragen. Es geht über die notwendige und sachliche Aufklärung über ihre Existenz und die Art ihrer Dienstleistung hinaus, wenn die Beklagte über die Presse verbreiten will, daß sie für ihre Mitglieder 503,– DM Lohnsteuererstattung statt sonst 260,– DM heraushole und wenn sie ihr „Kontrollsystem” anpreist und Zahlen über Einspruchsverfahren und Erstattungsbeträge nennt. Denn damit macht sie nicht nur mit ihrer Existenz und der Art ihrer Dienste bekannt, sondern hebt ihre Erfolge heraus. Eine derartige Erfolgsreklame beseitigt aber die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen, da sie den Angehörigen der Steuerberatenden Berufe schlechthin verboten ist. Sie ist auch vom Gesetzeszweck her nicht notwendig. Auch nicht unter dem von der Revision in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Gesichtspunkt, die Beklagte müsse Gelegenheit haben, gegenüber den bereits durch ihre Berufsbezeichnung als fachkundig gekennzeichneten Steuerberatern ihre eigene fachliche Befähigung darzustellen. Einmal wird bei derartigen Vereinen bereits aus ihrer Zulassung auf einschlägige Fachkenntnisse geschlossen werden, zum anderen ist es nach dem Gesetzeszweck nicht Aufgabe der Vereine, die Steuerberater im Wettbewerb zu verdrängen, sondern sie dort zu ersetzen, wo ihr Dienstleistungsangebot nicht angenommen wird. Sie bedürfen deshalb keiner über die dargelegte Aufklärung der Interessenten hinausgehende Wettbewerbserleichterung gegenüber den Steuerberatern.
Zu Unrecht meint die Revision, diese Auslegung des Werbeverbots sei unvereinbar mit den Art. 9 und 5 GG. Das Recht der Vereine auf Bestehen (BVerfG 13, 174, 175) wird entgegen dem Vortrag der Revision nicht beeinträchtigt, wenn diese sich nicht in der hier beanstandeten Weise an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Die Beklagte besteht nach den Feststellungen seit 1960 mit nach ihrer Angabe sehr erheblichen Mitgliederzahlen. Sie hat sich selbst darauf berufen, daß sie, auch ohne das Verbot der Werbung zu verletzen, ihren Mitgliederbestand allein in D im Jahre 1960 auf 52000 steigern wolle. Danach kann keine Rede davon sein, daß sie der beanstandeten Art der Erfolgswerbung bedürfe, um ihre Existenz zu erhalten.
Auch die Meinungs- und Pressefreiheit werden durch das so verstandene Werbeverbot des § 107 a Abs. 3 Ziff. 4 b AO nicht verletzt. Es handelt sich um eine Schranke im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, die den Kernbereich der Vorschriften nicht berührt, da die Äußerungsfreiheit nicht schlechthin, sondern nur als Mittel des wirtschaftlichen Wettbewerbs eingeschränkt wird. Soweit ersichtlich, ist auch das insbesondere die Heilberufe sowie die Rechtsanwälte und die steuerberatenden Berufe betreffende Werbeverbot bisher von keiner Seite unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten infrage gestellt worden.
3. Mitteilungen über Erfolge sind der Beklagten allerdings nicht schlechthin, sondern lediglich dann verboten, wenn sie zu Werbezwecken gemacht werden. Das ist zwar meist bei derartigen Pressemitteilungen anzunehmen, kann jedoch in besonderen Fällen anders liegen. Eine besondere Veranlassung für ihre Presseerklärungen, die den Werbecharakter in den Hintergrund treten lassen könnte, hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber im Streitfall nicht dargetan.
Die Information der Presse über das Streitverfahren gegen das Land Nordrhein-Westfalen vor dem Finanzgericht erforderte keine Mitteilungen über Leistungen und Erfolge der Beklagten oder gar einen vergleichenden Hinweis auf angeblich weit höhere Gebühren von Steuerberatern. In der Mitgliederversammlung vom 16. Januar 1966 war es der Beklagten zwar unbenommen, den Mitgliedern ihre Erfolge vorzuweisen. Wegen des Werbeverbotes mußte die Beklagte aber im Rahmen des Zumutbaren Vorsorge treffen, daß dieser Teil ihres Rechenschaftsberichts nicht in einer Form in die Presse gelangte, die dort als Werbung mit Erfolgen wirkte. Dem hat sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht genügt, wenn in den Ruhr-Nachrichten die Meldung erscheinen konnte, sie halte den Hinweis darauf, daß sie schon über 10 Millionen zuviel gezahlter Lohnsteuer erstritten habe, für ihr zugkräftigstes Werbeargument. Keinerlei Veranlassung hat die Beklagte auch für die Informationen an die Dattelner Morgenpost dargetan, die dort am 7. Januar 1966 in einer Form erschienen sind, die ohne wesentliche Änderung auch im Anzeigenteil als Anpreisung so hätten erscheinen können.
III. Zutreffend sieht das Berufungsgericht in dem Verstoß gegen das Werbeverbot des § 107 a Abs. 3 Ziff. 4 b AO auch einen Verstoß gegen § 1 UWG. Zwar ist nicht jede im Wettbewerb vorkommende Gesetzesverletzung zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG (vgl. BGH GRUR 1963, 578, 583 – Sammelbesteller). Das hier umstrittene Werbeverbot dient jedoch dem Zweck, die Wettbewerbsbedingungen aller Beteiligten einander anzugleichen. In einem solchen Falle ist der Verstoß schon deshalb als unlauter in Sinne des § 1 UWG zu behandeln, weil der Zuwiderhandelnde sich dadurch einen Vorsprung verschafft, daß er die Bindung der gesetzestreuen Mitbewerber als Grundlage für den eigenen durch Rechtsbruch erzielten Vorsprung benutzt. Dementsprechend ist auch in dem ähnlich liegenden Zahnprothetiker-Fall (aaO) in der Verletzung der Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG gesehen worden.
IV. Die Revision macht schließlich geltend, das Berufungsgericht habe dem Kläger mehr zugesprochen, als er beantragt habe. Das trifft nicht zu. Das Urteil weicht zwar vom letzten Antrag des Klägers insofern ab, als dieser beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Werbung zu treiben, insbesondere … 3. vor Pressevertretern a) … b) …, während das Berufungsurteil die Formulierung „Werbung zu treiben” nicht übernommen hat. Darin ist jedoch eine Einschränkung, nicht eine Erweiterung zu sehen, denn in dem Oberbegriff „Werbung zu treiben” lag entgegen der Ansicht der Revision keine Beschränkung der Ziff. 3 dahin, daß die unter a) und b) beschriebenen Äußerungen nur insoweit verboten werden sollten, als sie Werbecharakter trügen. Die Formulierung „Werbung zu treiben” ist dort vielmehr dahin zu verstehen, daß der Beklagten jegliche Werbung, durch welche Äußerungen auch immer, untersagt werden soll. Die in Ziff. 3 a und b formulierten Äußerungen sich dabei nur als konkrete Fälle solcher Werbung aufgeführt worden. Das ergibt sich deutlich aus dem vorangestellten Wort „insbesondere”. Danach entspricht die Verurteilung zu Ziff. (3) a und b des Urteilstenors dem Klageantrag, der eine Einschränkung durch die Worte „Werbung zu treiben” nicht erfahren sollte. Eine andere Frage ist es, ob die Verurteilung zu Ziff. 3 a und b dahin auszulegen ist, daß die Äußerungen auch dann verboten sind, wenn sie nach den Umständen keinen Werbecharakter haben. Insoweit ist oben zum materiell-rechtlichen Umfang des Unterlassungsanspruchs bereits ausgeführt worden, daß er sich auf den Werbegebrauch beschränkt. Etwas anderes ist aber dem Urteilsspruch nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ebenfalls nicht zu entnehmen.
Die Revision war danach mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen, wobei sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, daß das Berufungsgericht der Beklagten auch mit Recht die Kosten des für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt hat.
Fundstellen