Leitsatz (amtlich)
Wer als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der Firma einer Kommanditgesellschaft im Rechtsverkehr aufgetreten ist und gegen diese ein Zahlungsurteil hat ergehen lassen, muß im Falle seiner persönlichen Inanspruchnahme dieses Urteil gegen sich gelten lassen, wie wenn die Kommanditgesellschaft tatsächlich bestanden hätte.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Erfüllung eines Vertrages in Anspruch, den sie im Januar 1971 mit der „J. & Co KG, Patentverwertung” geschlossen hat. Unter dieser Firma hatten die Beklagten ein Jahr zuvor eine Kommanditgesellschaft mit dem Beklagten zu 1) als persönlich haftendem Gesellschafter und dem Beklagten zu 2) als Kommanditisten (mit einer Einlage von 20.000 DM) gründen wollen. Damals hatte der Beklagte zu 1) eine elektronische Blinkschaltung zum Patent angemeldet, die das Bremsen von Kraftfahrzeugen für andere Verkehrsteilnehmer verdeutlichen sollte. Die Beklagten verhandelten unter der Firma J. KG mit der Klägerin über die serienmäßige Herstellung dieser Vorwarngeräte. Die Klägerin machte der „J. KG” ein Angebot über 5.000 Stück zu einem Gesamtpreis von 110.722,50 DM, das diese mit einem von beiden Beklagten unterzeichneten Schreiben vom 14. Januar 1971 annahm. Bis April 1971 lieferte die Klägerin 2.410 Vorwarngeräte, die auch bezahlt wurden. Die „J. KG” weigerte sich jedoch, weitere Geräte abzunehmen, weil sich die Klägerin vertragswidrig verhalten habe, und kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 23. Juni 1971.
Die Klägerin besteht auf Erfüllung des Vertrages. Sie hat zunächst gegen die „J. & Co KG, vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter, Herrn J. J.” den Beklagten zu 1) dieses Rechtsstreits, Klage auf Zahlung von 53.315,14 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Lieferung von 2.406 Vorwarngeräten erhoben. Das Landgericht hat durch Urteil vom 10. April 1973 dieser Klage stattgegeben und eine von der „J. KG” erhobene Widerklage auf Rücknahme von 2.000 Vorwarngeräten Zug um Zug gegen Zahlung von 43.000 DM nebst Zinsen abgewiesen. Die dagegen von der „J. & Co KG, vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter”, eingelegten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg. Im Vollstreckungsverfahren stellte die Klägerin fest, daß die – im Januar 1970 angemeldete – J. KG nicht in das Handelsregister eingetragen worden war, das Registergericht vielmehr im September 1972 die Eintragung abgelehnt hatte, weil die Gesellschaft kein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreibe. Die Klägerin verlangt deshalb nunmehr Zahlung von den Beklagten persönlich. Diese meinen, sie seien wegen vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin zu Recht von dem Vertrag zurückgetreten.
Das Landgericht hat die Beklagten im wesentlichen antragsgemäß verurteilt und die Klage nur wegen eines Teils der Zinsen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte zu 1) ist in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen. Der Beklagte zu 2) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gegenüber dem Beklagten zu 1) in vollem Umfang und gegenüber dem Beklagten zu 2) teilweise begründet.
Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Beklagten berechtigt gewesen seien, wegen des vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin von dem Vertrag Abstand zu nehmen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg: Angesichts der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozeß hätte das Berufungsgericht den Klaganspruch nicht erneut einer sachlichen Prüfung unterziehen dürfen.
Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, zwischen den Beklagten habe keine Kommanditgesellschaft, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden. Zwar haben die Beklagten entgegen der mehrdeutigen Bezeichnung des Geschäftsgegenstandes „Patentverwertung” ein Grundhandelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs 2 HGB betrieben, weil sich die Gesellschaft tatsächlich nur mit der Herstellung und Weiterveräußerung der Vorwarngeräte befaßt hat. Da das Unternehmen aber keinen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte, konnten die Beklagten nach § 4 Abs 2 HGB keine Kommanditgesellschaft gründen.
Trotzdem haften sie der Klägerin so, als seien sie Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft geworden. Denn sie sind ihr gegenüber ausschließlich unter der Firma der „J. KG” aufgetreten und haben damit in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer handelsrechtlichen Personengesellschaft gesetzt. An diesem Rechtsschein müssen sie sich festhalten lassen, soweit die Klägerin hierauf vertraut hat. Das gilt auch hinsichtlich der Führung des Vorprozesses: Die Klägerin hat im Vertrauen darauf, ihr Vertragspartner sei eine Kommanditgesellschaft, gegen die „J. KG” geklagt. Die Beklagten haben in diesem Prozeß zwar dem Klaganspruch widersprochen, sich aber sonst im gesamten Rechtsstreit so verhalten, als sei die „J. KG” die richtige Beklagte. Sie können sich deshalb, nachdem ein ungünstiges Sachurteil gegen die Kommanditgesellschaft ergangen ist, nachträglich nicht darauf berufen, sie seien lediglich Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und das gegen die „J. KG” ergangene Urteil gehe sie daher nichts an. Sie müssen dieses Urteil vielmehr so gegen sich gelten lassen, als ob es sich bei der „J. KG” um eine Kommanditgesellschaft handele und sie die Gesellschafter dieser Gesellschaft seien. Infolgedessen ist in dem jetzt durchgeführten Nachfolgeprozeß, in dem sie selbst in Anspruch genommen werden, ihre Haftung nach den für die Kommanditgesellschaft geltenden Regeln zu bestimmen, soweit diese für die Klägerin günstiger sind.
Insbesondere ist § 129 Abs 1 HGB anzuwenden. Danach können die Beklagten Einwendungen gegen den Klageanspruch nicht mehr erheben, die die J. KG – hätte sie als solche bestanden – infolge der Rechtskraft des gegen sie ergangenen Urteils nicht mehr geltend machen könnte. Sie können sich mithin nicht erneut darauf berufen, die Ansprüche der Klägerin seien unbegründet, weil das Vertragsverhältnis, auf das sie gestützt seien, aufgelöst sei. Das Berufungsgericht hätte diese im Vorprozeß zu Gunsten der Klägerin entschiedene Frage nicht noch einmal prüfen und anders beurteilen dürfen. Einwendungen, die nur „in ihrer Person begründet sind” und die sie weiter hätten geltend machen können, haben die Beklagten nicht vorgebracht.
Für den Umfang der danach ohne weiteres begründeten Haftung der Beklagten gilt folgendes: Der Beklagte zu 1, der als persönlich haftender Gesellschafter der J. KG aufgetreten ist, haftet schon nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft unbeschränkt; die Rechtsscheinhaftung hat insoweit keine weitere Bedeutung. Er ist daher im ersten Rechtszuge zu Recht verurteilt worden. Das muß – auf die Revision der Klägerin – zur Zurückweisung der gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Berufung dieses Beklagten führen, und zwar, da er in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, im Wege des Versäumnisurteils.
Der Beklagte zu 2, der nach dem Gesellschaftsvertrag Kommanditist werden und eine Einlage in Höhe von 20.000 DM leisten sollte, haftet der Klägerin nach Rechtsscheingrundsätzen mit seinem Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und ist persönlich zur Zahlung nur verpflichtet, soweit er seine Einlage noch nicht erbracht hat. Auch als Gesellschafter der tatsächlich bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts haftet er der Klägerin nur in diesem Umfang. Da die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Freiheit haben, ihr Gesellschaftsverhältnis entsprechend den Haftungsverhältnissen und Vertretungsverhältnissen in einer Kommanditgesellschaft zu gestalten, ist, nachdem die Gründung der geplanten Kommanditgesellschaft gescheitert ist, der Gesellschaftsvertrag dahin auszulegen, daß der Beklagte zu 2 in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die einem Kommanditisten entsprechende Rechtsstellung einnehmen sollte. Der Sachverhalt enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß nicht auch die Klägerin davon ausgegangen ist, dieser Beklagte hafte, obwohl er das Auftragsschreiben mitunterzeichnet hat, nur beschränkt. Denn sie hat gar nicht behauptet, angenommen zu haben, die „J. KG” habe außer dem Beklagten zu 1 einen weiteren persönlich haftenden Gesellschafter; sie hat vielmehr in der Klageschrift des Vorprozesses selbst lediglich den Beklagten zu 1 als persönlich haftenden Gesellschafter aufgeführt. Sie ist somit davon ausgegangen, daß der Beklagte zu 2 nur eine auf seine Einlage beschränkte Verpflichtung eingehen wollte. Nur in diesem Sinne konnte sie auch nach dem von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt die Erklärungen der Beklagten bei Vertragsschluß verstehen, so daß der Vertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen ist. Die in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob § 176 HGB aus Rechtsscheingründen auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ein minderkaufmännisches Grundhandelsgewerbe betreibt, anwendbar ist, stellt sich deshalb nicht.
Da unter den Parteien streitig ist, ob der Beklagte zu 2 seine Einlage in Höhe von 20.000 DM geleistet hat oder wegen einer nicht geleisteten Einlage noch eine persönliche Haftung in Betracht kommt, ist der Rechtsstreit insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die hierzu erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Dagegen ist die Revision unbegründet, soweit die Klägerin von dem Beklagten zu 2 mehr als 20.000 DM nebst Zinsen fordert.
Soweit der Beklagte zu 2 bereits jetzt rechtskräftig verurteilt worden ist, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu dulden, und soweit die Klage gegen ihn abgewiesen worden ist, ist die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits gegenüber beiden Beklagten dem Berufungsgericht vorbehalten. Der Anteil des Beklagten zu 1 an den übrigen bisher entstandenen Kosten hängt, soweit sie ihm nicht bereits auferlegt worden sind, vom Erfolg der Zahlungsklage gegen den Beklagten zu 2 ab.
Fundstellen
Haufe-Index 649053 |
NJW 1980, 784 |