Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 15.04.2009) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 15. April 2009 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit davon abgesehen worden ist, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung anzuordnen.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, unter Einbeziehung von Strafen aus drei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und die in Spanien erlittene Auslieferungshaft auf die erkannte Freiheitsstrafe angerechnet. Ferner hat es den Angeklagten entsprechend seinem Anerkenntnis zur Zahlung von Schadensersatz an zwei Adhäsionskläger verurteilt. Von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen mit der Begründung abgesehen, dass zureichende Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte den Hang habe, erhebliche Straftaten „im Sinne von § 66 Abs. 3 StGB” zu begehen und deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei, nicht bestünden. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf zwei Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision, die sie auf die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung beschränkt hat. Das Rechtsmittel ist begründet.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 2
1. Die Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Die Beschränkung auf die Anordnung oder Ablehnung der Sicherungsverwahrung ist möglich, sofern zwischen ihr und der gleichzeitig verhängten Freiheitsstrafe kein untrennbarer Zusammenhang besteht (vgl. BGHSt 7, 101, 102 f.; 50, 188, 197; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6). So verhält es sich hier. Es kann ausgeschlossen werden, dass die erkannten maßvollen Einzelstrafen milder ausgefallen wären oder das Landgericht auf eine (noch) niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte, wenn es die Sicherungsverwahrung angeordnet hätte.
Rz. 3
2. Die Revision hat mit der Rüge zu § 246 a Satz 1 StPO Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die erhobene weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge nicht bedarf.
Rz. 4
a) Nach § 246 a Satz 1 StPO ist das Gericht verpflichtet, in der Hauptverhandlung einen Sachverständigen über den Zustand des Angeklagten zu vernehmen, wenn in Betracht kommt, dass dessen Unterbringung nach § 66 StGB angeordnet oder vorbehalten werden wird. Dabei genügt nach allgemeiner Auffassung bereits die Möglichkeit einer solchen Maßregelanordnung (BGH NStZ 1994, 95, 96; Fischer in KK 6. Aufl. § 246 a Rn. 2; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 246 a Rn. 1). Diese Möglichkeit bestand hier. Das folgt bereits aus der Tatsache, dass sich das Landgericht – die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung implizit bejahend – in den Urteilsgründen mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob der Angeklagte infolge eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Gerade darüber darf nach dem Sinn des § 246 a Satz 1 StPO nicht ohne die zwingend vorgeschriebene Anhörung eines Sachverständigen entschieden werden (BGH aaO).
Rz. 5
b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler beruht (§ 337 StPO). Die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB sowie des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB (zum Verhältnis der beiden Vorschriften vgl. Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 66 Rn. 94; Jehle in SSW-StGB § 66 Rn. 43) liegen hier vor. Zwar erscheinen die Ausführungen, mit denen das Landgericht einen Hang des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint hat, für sich gesehen durchaus tragfähig. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sachverständiger auf Grund seiner besonderen Kenntnisse und Erfahrungen zu anderen Schlüssen gekommen wäre, mit denen sich die Strafkammer hätte auseinandersetzen müssen und auf Grund derer sie möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Unterschriften
Tepperwien, Solin-Stojanović, Ernemann, Franke, Mutzbauer
Fundstellen
Haufe-Index 2562465 |
wistra 2010, 68 |
NStZ-RR 2012, 195 |