Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht eines Erblassers zur freien Verfügung über sein Vermögen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden bei erfolgter Festlegung auf eine bestimmte Verfügung von Todes wegen durch Erbvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Auch ein Interesse des Erblassers, das nicht erst nach Abschluß des Erbvertrages entstanden ist, sondern bereits vorher vorhanden war, kann so beschaffen sein, daß es eine den Vertragserben benachteiligende Schenkung - bei Berücksichtigung nachträglich eingetretener Veränderungen rechtfertigt.
  2. Wer aufgrund Erbvertrages des Erblassers mit einem Dritten zum Vertragserben eingesetzt ist, kann den ihm gemäß § 2287 BGB zukommenden Schutz aufgeben. Ob dafür eine formlose Einwilligung in die benachteiligende Schenkung genügt, bleibt offen. Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Vertragserben bedarf jedenfalls der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht.
 

Normenkette

BGB a.F. § 2347 Abs. 1; BGB § 2352 S. 3, §§ 2286-2287, 2289 Abs. 1, § 2237

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. Juni 1980 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

Die Eltern der Klägerin, die Eheleute Fritz K. und Odilia geb. S. einerseits und eine verwitwete und kinderlose Schwester des Vaters der Klägerin, Frau Elisabeth H. geb. K. (Erblasserin) andererseits schlossen am 15. Mai 1962 einen notariellen Verpflegungs- und Erbvertrag. Aufgrund dessen ist die Klägerin befreite Vorerbin der am 13. Dezember 1978 verstorbenen Erblasserin. Im Jahre 1964 überwies diese 60.000,00 DM auf ein Bankkonto der Beklagten, der Tochter des Bruders Adam der Erblasserin und zwar in Teilbeträgen von 40.000 und 20.000,00 DM. Die Klägerin macht geltend, die Erblasserin habe der Beklagten dieses Geld in Benachteiligungsabsicht geschenkt, und verlangt Rückzahlung nebst Zinsen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage für begründet gehalten.

Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte

die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

1.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Erblasserin die am 11. Juni 1964 und am 9. Oktober 1964 überwiesenen Beträge von 40.000,00 DM und 20.000,00 DM aus ihrem Vermögen weggeschenkt habe. Es läßt aber offen, ob diese Gelder auf dem Konto der Beklagten nur ein Durchgangsposten waren, ursprünglich an deren Vater weitergeleitet werden sollten und weitergeleitet worden sind und von der Erblasserin zunächst an diesen und dann (ganz oder zum Teil) vom Vater an die Beklagte zugewendet worden sind. Dennoch sei es der Erblasserin und der Beklagten unbenommen gewesen, nachträglich zu vereinbaren, daß die empfangenen Beträge der Beklagten von der Erblasserin geschenkt worden sein sollen. Das sei am 30. Januar 1967 geschehen.

Eine derartige Beurteilung ist rechtlich möglich, zumal es eine Kausalvereinbarung über die Zuwendung zwischen den Beteiligten nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten bis dahin nicht gegeben hatte. Auch die Revision hat insoweit nichts zu erinnern.

2.

Nicht näher eingegangen ist das Berufungsgericht darauf, daß es sich nach der Vereinbarung vom 30. Januar 1967 nur um eine bedingte Schenkung handelt. Die Beklagte (richtiger: deren Erben) sollte nämlich im Hinblick auf die Hergabe der Mittel für den Hausbau der Beklagten durch die Erblasserin unter Umständen 40% des Verkehrswertes des Hausgrundstücks zurückzahlen. Geschenkt sein sollten diese Mittel nur, falls die Beklagte unverheiratet versterben oder falls sie dann nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks sein sollte. Da die Beklagte inzwischen geheiratet hat, kann die Rückzahlungspflicht nicht mehr eintreten, so daß die Schenkung mit dem Berufungsgericht als unbedingte behandelt werden kann. Auch insoweit erhebt die Revision keine Beanstandungen,

3.

Das Berufungsgericht geht weiter davon aus, daß die Beklagte die 60.000,00 DM zumindest teilweise tatsächlich erhalten hat. Es läßt aber offen, ob der Vater der Beklagten einen nicht näher bezeichneten Teil davon behalten hat. Insoweit will es den Vater als in Beeinträchtigungsabsicht beschenkt ansehen und die Beklagte als seine Alleinerbin gemäß § 1967 BGB haften lassen. Die Entscheidung des Berufungsgericht erweist sich indessen schon aus anderen Gründen als zutreffend: Die Klägerin hat stets vorgetragen, die Beklagte habe die 60.000,00 DM vollständig erhalten. Die Beklagte hat das bestritten und hat vorgetragen nur einen Teil davon von ihrem Vater bekommen zu haben, ohne zu sagen wieviel. Das war nicht ausreichend. Daher war und ist davon auszugehen, daß die Beklagte 60.000,00 DM empfangen hat.

4.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Erblasserin mit der Schenkung seiner sittlichen Pflicht entsprochen hat. Selbst wenn eine solche Pflicht bestanden habe, stehe sie dem Klageanspruch nicht entgegen, weil sie dann schon vor dem Erbvertrag vom 15. Mai 1962 bestanden habe und der Beklagten daher nicht zugute kommen könne. Damit will das Berufungsgericht möglicherweise sagen, ein lebzeitiges Eigeninteresse im Sinn der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 2287 BGB könne immer nur dann anerkannt werden, wenn es nicht schon bei Abschluß des Erbvertrages vorgelegen habe, sondern erst nach diesem Zeitpunkt hervorgetreten sei. Eine solche Einschränkung ginge über die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinaus; sie müßte rechtlichen Bedenken begegnen.

Nach § 2286 BGB kann und darf der Erblasser, der sich durch Erbvertrag auf eine bestimmte Verfügung von Todes wegen festgelegt hat, über sein Vermögen trotz der eingegangenen Bindung durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen. Mißbraucht der Erblasser dieses ihm verbliebene Verfügungsrecht, dann genießt der Vertragserbe den Schutz des § 2287 BGB. Die Grenze zwischen den Fallgestaltungen, bei denen dem Vertragserben bei ihn benachteiligenden Schenkungen dieser Schutz zukommt, und denjenigen Fällen, in denen der Vertragserbe schutzlos bleibt, wird seit der grundlegenden Entscheidung in BGHZ 59, 343 ff mit Hilfe der Frage nach dem "lebzeitigen Eigeninteresse" des Erblassers gezogen. Hierfür kommt es darauf an, ob die Gründe, die den Erblasser zu der Verfügung bestimmt haben, ihrer Art nach so sind, daß der Vertragserbe sie anerkennen und daß er die Beeinträchtigung daher hinnehmen muß (BGHZ 77, 264, 266 f). Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter im Einzelfall zu prüfen. Dabei muß er die Bindung des Erblassers an den Erbvertrag einerseits und seine Gründe für die Benachteiligung des Vertragserben andererseits unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände zueinander in Beziehung setzen und deren Gewicht miteinander vergleichen.

Erscheint nach dieser Abwägung die Schenkung als billigenswert und gerechtfertigt (vgl. BGHZ 66, 8, 16; 77, 264, 266 f), dann greift § 2237 BGB nicht ein.

Für die Anerkennung eines lebzeitigen Eigeninteresses genügt es zwar nicht, daß nach dem Erbvertrag beim Erblasser ein Sinneswandel eingetreten ist, wenn im übrigen die Umstände, wie sie im Zeitpunkt dieser Verfügung vorlagen, unverändert fortbestehen (BGHZ 77, 264, 268 f). Die Auffassung des Berufungsgerichts liefe jedoch darauf hinaus, der gebotenen Abwägung zu enge Grenzen zu setzen und die dem Erblasser verbliebene Verfügungsfreiheit von vorneherein zu sehr einzuschränken. Auch ein Interesse des Erblassers, das nicht erst nach Abschluß des Erbvertrages entstanden ist, sondern bereits vorher vorhanden war, kann durchaus auch einmal so beschaffen sein, daß es eine benachteiligende Schenkung - bei Berücksichtigung nachträglich eingetretener Veränderungen - rechtfertigt. Insbesondere das Bedürfnis alleinstehender Erblasser, im Alter versorgt und ggfs. auch gepflegt zu werden, wie es in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits mehrfach sichtbar geworden ist, wird erfahrungsgemäß für den einzelnen mit den Jahren immer dringender und gewichtiger. Ein solches Bedürfnis im Rahmen von § 2287 BGB von vorneherein außer acht zu lassen, nur weil es bereits bei Eingehung des Erbvertrages vorhanden gewesen ist, geht nicht an, und zwar selbst dann nicht, wenn der Erblasser es schon damals voll erkannt haben sollte.

Etwas grundsätzlich anderes kann auch nicht angenommen werden, wenn das lebzeitige Eigeninteresse, um dessen Anerkennung es geht, - wie hier - in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung des Erblassers liegen soll. Daß die Erfüllung einer solchen Pflicht unter Umständen als lebzeitiges Eigeninteresse in dem dargelegten Sinn anerkannt werden könnte, hat der Bundesgerichtshof z.B. in BGHZ 66, 8, 16 ausgesprochen. Auch hier kann nicht darauf verzichtet werden, im Einzelfall abzuwägen, ob die Gründe des Erblassers die benachteiligende Schenkung trotz der erbvertraglichen Bindung zu rechtfertigen vermögen. Richtig ist allerdings, daß es (das Gewicht und) die rechtfertigende Kraft sittlicher Gründe im allgemeinen erheblich mindern wird, wenn der Erblasser sich über sie bei Abschluß des Erbvertrages selbst hinwegsetzt. So ist es im vorliegenden Fall.

Die Beklagte leitet die angebliche sittliche Pflicht der Erblasserin zu der Schenkung an sie daraus ab, daß der Anteil, den die Erblasserin aus dem Vermögen ihrer Eltern erhalten habe, (anders als der entsprechende Anteil des Vaters der Beklagten) nach 1948 eine außerordentliche Wertsteigerung erfahren habe. Dabei handelt es sich um ehemals bäuerlichen Grundbesitz aus dem Umland von K., den die Mutter der Erblasserin im Jahre 1937 für 29.800 RM auf drei ihrer acht Kinder (u.a. auf die Erblasserin) zu je einem Drittel übertragen hatte. Aus dem Verkauf dieses Grundbesitzes sind der Erblasserin erhebliche Beträge zugeflossen, und zwar nach Abschluß des Erbvertrages noch 83.000,00 DM und 133.000,00 DM.

Diese Umstände verpflichteten die Erblasserin gegenüber der Beklagten rechtlich zu nichts. Ob eine sittliche Pflicht bestand, mag auf sich beruhen. Jedenfalls war das Gewicht der sittlichen Gründe, die die Erblasserin zu der benachteiligenden Schenkung bestimmt haben sollen, - auch im Hinblick auf ihre Übergehung durch die Erblasserin bei Abschluß des Erbvertrages - nicht groß genug, um die Beeinträchtigung der Vertragserbin zu rechtfertigen. Vielmehr geht die rechtliche Bindung der Erblasserin an den Erbvertrag den sittlichen Gründen für die benachteiligende Schenkung in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall vor. Das gilt auch bei voller Würdigung der Tatsache, daß der Erblasserin nachträglich noch erhebliche Barmittel aus der Veräußerung elterlichen Grundbesitzes zugeflossen sind. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß der Grundbesitz bei Abschluß des Erbvertrages vom 15. Mai 1962, in dem die Erblasserin die Klägerin vorbehaltlos zur Vorerbin eingesetzt hatte, schon denselben Wert hatte wie zur Zeit der Zuwendungen an die Beklagte im Jahre 1964. Im Ergebnis stellt sich die Schenkung der Erblasserin daher als Mißbrauch der ihr verbliebenen Verfügungsbefugnis dar.

5.

Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß die Mutter der Klägerin sich mit der benachteiligenden Schenkung einverstanden erklärt habe. Das besage aber noch nicht, daß die Mutter die mit der Schenkung verbundene Benachteiligung der Klägerin erkannt und für diese gebilligt habe.

Diese Ausführungen beanstandet die Revision mit Recht. Infolge der Unterstellung durch das Berufungsgericht muß der Senat davon ausgehen, daß die Mutter der Klägerin sich mit den Zuwendungen in Höhe von insgesamt 60.000,00 DM und mit dem später zustande gekommenen bedingten Schenkungsvertrag einverstanden erklärt hat. Bei einer solchen Sachlage anzunehmen, die Mutter habe die mit der Schenkung verbundene Benachteiligung der Klägerin nicht erkannt und nicht zugleich auch dieser zugestimmt, ist mit der allgemeinen Lebenserfahrung nur schwer vereinbar und hätte Jedenfalls näherer Begründung bedurft. Dennoch muß der Revision der Erfolg im Ergebnis versagt bleiben (§563 ZPO). Denn die Zustimmung der Mutter ist auch mit dem von der Beklagten behaupteten umfassenderen Inhalt nicht geeignet, den Klageanspruch zu Fall zu bringen.

Der Schutz, der der Klägerin als Vertragserbin gemäß § 2287 BGB zukommt, findet seine Grenze zunächst an den Bindungen, die die Erblasserin durch den Erbvertrag eingegangen ist. Dieser Schutzbereich ist durch die unterstellte Zustimmung der Mutter der Klägerin nicht eingeschränkt worden.

Die Erblasserin war durch den Erbvertrag mit den Eltern der Klägerin auf die dort vereinbarte (vertragsmäßig verfügte) Erbfolge festgelegt; spätere Verfügungen von Todes wegen wären, soweit sie Rechte der vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen, gemäß § 2289 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen. Wollte die Erblasserin sich von dieser Bindung nachträglich wieder lösen und ihre Testierfreiheit - ganz oder teilweise - wieder erlangen, dann eröffnete das Gesetz dafür zwei Wege: Gemäß § 2290 BGB konnten zum einen die an dem Erbvertrag beteiligten Personen diesen vollständig oder auch nur einzelne darin enthaltene Verfügungen durch förmlichen Aufhebungsvertrag wieder außer Kraft setzen. Zum anderen konnte aber auch die Klägerin gemäß § 2352 BGB durch förmlichen Erbverzichtsvertrag mit der Erblasserin der Zuwendung entsagen.

Weder von der einen noch von der anderen Möglichkeit haben die Beteiligten hier Gebrauch gemacht. Ob darüber hinaus auch die formlose Einwilligung des vertragsmäßig Bedachten zu einer seiner Rechte beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen geeignet ist, den Erblasser von seiner Bindung zu befreien und spätere beeinträchtigende Verfügungen von Todes wegen trotz § 2289 Abs. 1 BGB wirksam werden zu lassen, ist umstritten. Während das Reichsgericht (RGZ 134, 325, 327) und im Ergebnis in dem seinerzeit entschiedenen Fall auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 28. April 1958 - III ZR 98/56 = LM BGB § 2271 Nr. 7) eine formlose Zustimmung des Bedachten dafür haben ausreichen lassen, hat der frühere IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die Frage ausdrücklich offen gelassen (Urteil vom 7. Dezember 1977 - IV ZR 20/76 = LM BGB § 1829 Nr. 5 unter I. 2 a) m.w.N.). Sollte die formlose Zustimmung insoweit nicht genügen, wie im Schrifttum angenommen wird (vgl. z.B. von Lübtow, Erbrecht S. 422; Kipp/Coing, Erbrecht 13. Bearbeitung § 38 III, 6 Fn. 17 m.w.N.; Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag § 2289 BGB Rdn. 25), dann bliebe damit trotzdem noch offen, ob der Bedachte sich mit und infolge seiner - wenn auch formlosen - Zustimmung zu der ihn benachteiligenden Schenkung nicht schon objektiv außerhalb des Schutzes stellt, der ihm gemäß § 2287 BGB an sich zukommt (anderer Meinung OGHZ 2, 160, 169; vgl. aber z.B. RG DJ 1938, 1368, 1369; BGH Urteil vom 28. März 1973 - IV ZR 84/72 = WM 1973, 680, 682; Kregel in BGB RGRK, 12. Aufl. § 2287 BGB Rdn. 4 a.E.; Johannsen DNotZ 1977, Sonderheft S. 88 Fn. 70). Indessen bedarf es im vorliegenden Fall keiner Vertiefung dieser Fragen. Denn auch eine solche, lediglich auf § 2287 BGB bezogene Einschränkung des Schutzes des Vertragserben kommt hier nicht in Betracht, weil es an einer entsprechenden Genehmigung des Vormundschaftsgerichts fehlt.

Die Klägerin hat die von der Beklagten behauptete Zustimmung zu der beanstandeten Schenkung der Erblasserin nicht selbst erteilt und konnte diese auch nicht selbst erteilen, weil sie damals noch minderjährig war; für sie hat vielmehr ihre Mutter als ihre gesetzliche Vertreterin gehandelt. Diese konnte deren Schutz bei benachteiligenden Schenkungen der Erblasserin durch § 2287 BGB nicht ohne die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts im vornhinein aufgeben.

Gemäß §§ 2347 Abs. 1 a.F., 2352 Satz 3 BGB war zu dem Erbverzicht eines minderjährigen Vertragserben, der unter elterlicher Gewalt stand, grundsätzlich die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Das galt auch für einen teilweisen Erbverzicht. Ein solcher liegt vor, wenn der Bedachte sich - wie hier - mit der nachträglichen Anordnung bestimmter Beschwerungen oder Beschränkungen einverstanden erklärt, etwa mit einem Vermächtnis zu seinen Lasten (BGH LM BGB § 1829 Nr. 5 unter II 2 a).

Diese Grundsätze greifen auch im vorliegenden Fall ein. Zwar ist hier kein förmlicher Erbverzicht vereinbart. Darauf kommt es aber nicht an. Denn auch die formlose Zustimmung zu einer an sich unter § 2287 BGB fallenden Schenkung ist, wenn ihr rechtliche Wirkung zum Nachteil des Vertragserben zukommen sollte, nichts anderes als die Preisgabe eines Teiles seiner berechtigten Erberwartung und steht damit einem partiellen Erbverzicht materiell gleich. Der gesetzgeberische Zweck, der mit der Einschaltung des Vormundschaftsgerichts gemäß § 2347 Abs. 1 BGB verfolgt wird, nämlich ungehörige Beeinflussung der Beteiligten im Interesse des minderjährigen Kindes hintanzuhalten (Protokolle zum Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches V 600) und unangebrachte (z.B. familiäre) Rücksichten des gesetzlichen Vertreters auf Kosten des Minderjährigen zu vermeiden, muß auch hier zum Tragen kommen.

Zu Unrecht macht die Revision unter Berufung auf Staudinger/Dittmann (BGB 10./11. Aufl. § 2287 Rdn. 9) und Soergel/Siebert/Wolff (BGB 10. Aufl. Rdn. 6) geltend, das Einverständnis des Vertragserben spreche gegen Benachteiligungsabsicht, schließe allgemein oder doch regelmäßig eine solche Absicht sogar aus. Diese Auffassung, die z.B. auch in OGHZ 2, 160, 169 zugrundeliegt, hatte ihre Berechtigung, solange für die Beeinträchtigungsabsicht im Sinn von § 2287 BGB auf die verschiedenen Beweggründe des Erblassers und deren unterschiedliche Motivationskraft abgestellt wurde. Nach vielfältiger Kritik im Schrifttum ist dieses einengende Verständnis der Beeinträchtigungsabsicht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung inzwischen aber aufgegeben worden (BGHZ 59, 343, 349 f); nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist Benachteiligungsabsicht im Sinn von § 2287 BGB mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden und daher in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (BGHZ 59, 343, 350; 66, 8, 15). Abgegrenzt wird der Anwendungsbereich der Vorschrift daher heute in erster Linie danach, ob der Erblasser das ihm verbliebende Recht zu lebzeitigen Verfügungen mißbraucht hat, was nicht der Fall ist, wenn er ein sogenanntes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Folgerichtig kann daher die Benachteiligungsabsicht auch nicht mehr mit der Begründung verneint werden, der Vertragserbe habe der Beeinträchtigung seiner Rechte zugestimmt. Auch kann es nicht darauf ankommen, welche subjektive Vorstellung der Erblasser - z.B. nach einer unwirksamen Zustimmung des Bedachten - vom Umfang seiner erbvertraglichen Bindung hatte.

Anderenfalls würde die seit BGHZ 59, 343 gerade erst gewonnene lebensnahe, am berechtigten und erforderlichen Schutz des Vertragserben orientierte Auslegung und Anwendung der Vorschrift erneut gefährdet.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dehner

Dr. Schmidt-Kessel

Rassow

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456520

BGHZ, 44

NJW 1982, 1100

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