Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. November 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung geltend, die sie bei der Beklagten genommen hat. Am 29. August 1995 hat sich ihr Ehemann durch eine Gasexplosion getötet, bei der das Einfamilienhaus der Klägerin zerstört wurde. Ihr Ehemann bewohnte das Haus allein. Sie lebte seit dem 6. Januar 1995 von ihrem Ehemann getrennt. Am 2. Februar 1995 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Ehemann der Klägerin und deren neuen Lebensgefährten. Dabei drohte der Ehemann, er werde sich und die Klägerin mit dem Haus in die Luft sprengen. Er hat danach zwei Selbsttötungsversuche unternommen, indem er mit dem Pkw gegen einen Telefonmast fuhr und ein anderes Mal Tabletten einnahm.
Die Klägerin verlangt Zahlung von 395.000 DM sowie 11.850 DM Aufräumkosten und 9.480 DM Mietausfall jeweils nebst Zinsen. Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil die Klägerin eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß in der Drohung des Ehemannes der Klägerin, das Haus in die Luft zu sprengen, eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung gelegen habe. Zur notwendigen Kenntnis des Anzeigepflichtigen führt das Berufungsgericht aus: Daß die Klägerin zuverlässige Kenntnis von der auch ernst zu nehmenden Drohung ihres Ehemannes erlangt habe, ergebe sich aus ihrer polizeilichen Vernehmung vom 30. August 1995, deren wesentlicher Inhalt aus dem Tatbestand ersichtlich sei. Im Tatbestand des Berufungsurteils heißt es, die Klägerin habe angegeben:
„Im Januar oder Februar dieses Jahres unternahm mein Ehemann bereits schon einen Suizidversuch. Soweit ich mich derzeit noch daran erinnern kann, nahm mich mein Mann in den Abendstunden an die Hand und wollte mich mit ins Haus nehmen. Mein Ehemann wollte uns gemeinsam mittels zweier Propangasflaschen und des Gasherdes in die Luft sprengen. Er stellte mich vor die Alternative, daß ich mich entweder von meinem Lebensgefährten trenne und zu ihm zurückkomme oder er jagt uns in die Luft.”
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts tragen seine Feststellung nicht, es habe eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung vorgelegen und die Klägerin habe Kenntnis von ihr gehabt.
2. Richtig ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach § 27 Abs. 2 VVG hat der Versicherungsnehmer eine von seinem Willen unabhängig eingetretene Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, sobald er von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt.
a) Die Annahme, es habe eine Gefahrerhöhung vorgelegen, setzt einen Gefährdungsvorgang voraus, der einen neuen Zustand erhöhter Gefahr schafft, wobei dieser mindestens von der Dauer sein muß, daß er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (BGHZ 7, 311, 317; vgl. auch Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 23 Rdn. 11 m.w.N. zur Rspr.). Hierzu stellt das Berufungsgericht nur fest, die Drohung des Ehemannes der Klägerin, das versicherte Gebäude in die Luft zu sprengen, beinhalte eine Gefahrerhöhung. Das reicht aber nicht aus. Es ist nicht selbstverständlich, daß die Drohung des Ehemanns einen neuen Zustand erhöhter Gefahr für das Gebäude geschaffen hat. Die Drohung richtete sich primär gegen die Ehefrau. Ob es dem Ehemann in diesem Zusammenhang auch darauf ankam, das Gebäude zu zerstören, ist nicht sicher. Aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Aussage der Klägerin vor der Polizei vom 30. August 1995 ergibt sich, daß der Ehemann später, im März oder April mit seinem Pkw und im August 1995 mit Tabletten Selbsttötungsversuche unternommen hatte, die Sprengung des Gebäudes als Mittel der Selbsttötung also keine Rolle spielte. Zumindest ergeben sich daraus auch Zweifel, ob eine etwa erhöhte Gefahr für das Gebäude von so langer Dauer war, daß sie einen neuen Gefahrverlauf bildete. Der Anlaß des Streits, auf den sich die Aussage der Klägerin vor der Polizei bezieht, deutet eher auf eine nur kurze Dauer. Die tätliche Auseinandersetzung fand zwischen dem Ehemann der Klägerin und deren neuem Lebensgefährten statt. Es kam zu Körperverletzungen. Eine aus diesem Anlaß geäußerte Drohung, sich und die Klägerin mit dem Haus in die Luft zu sprengen, dürfte, jedenfalls soweit sich daraus eine Gefahr für das Haus ergeben sollte, im allgemeinen nur von vorübergehender Natur sein.
b) Auch für die von § 27 Abs. 2 VVG geforderte Kenntnis des Versicherungsnehmers fehlt es an hinreichenden Feststellungen. Dabei ist positive Kenntnis erforderlich; Kennenmüssen reicht nicht aus (vgl. Prölss aaO § 23 Rdn. 43 m.w.N.). Steht schon der objektive Tatbestand einer länger andauernden Gefahrerhöhung für das Gebäude nicht fest – wie oben ausgeführt wurde –, fehlt es auch an hinreichenden äußeren Tatsachen, die den Schluß auf die innere Tatsache der Kenntnis zulassen. Vor allem ist nicht festgestellt, ob die Klägerin aus ihrer Sicht die Drohung ihres Ehemannes nicht als nur einmalig aufgefaßt hat. Dann aber hatte sie keine Kenntnis von einer etwaigen länger andauernden Gefahrerhöhung. Denn eine solche brauchte sie nicht anzunehmen, nachdem sie dem Verlangen ihres Ehemannes, sich von ihrem Lebensgefährten zu trennen, nicht nachgab, und ihr Ehemann unmittelbar danach nichts mehr unternahm.
Kenntnis von einer Erhöhung der Gefahr für das versicherte Risiko hatte die Klägerin auch dann nicht, wenn sie die Drohung ihres Ehemannes, sie beide mit dem Haus in die Luft zu sprengen, nicht ernst genommen hatte, wie sie vorgetragen hat. Gegenteiliges hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Seine Formulierung im Berufungsurteil von der „ernst zu nehmenden Drohung” deutet vielmehr darauf hin, daß das Berufungsgericht sich damit begnügte, die Klägerin habe die Drohung ihres Ehemannes ernst nehmen müssen. Dies reicht zur Feststellung einer positiven Kenntnis der Klägerin von einer Gefahrerhöhung aber nicht aus. Entscheidend ist, ob die Klägerin die Drohung auch tatsächlich ernst genommen hat. Eine positive Kenntnis hatte die Klägerin auch nur, wenn sie wußte, daß die Drohung ihres Ehemannes den Charakter einer Gefahrerhöhung für das versicherte Risiko hatte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1968 - IV ZR 523/68 - NJW 1969, 464 unter II 1 b = VersR 1969, 177). Das ist auch deshalb zweifelhaft, weil im Verständnis der Klägerin von den Äußerungen ihres Ehemannes die ehelichen Auseinandersetzungen im Vordergrund standen. Ob die Klägerin unter diesen Umständen auch eine Erhöhung der Gefahr für das Haus erkannte, hätte der Feststellung bedurft.
Unterschriften
Schmitz, Römer, Dr. Schlichting, Seiffert, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.01.1999 durch Bartelmus Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538812 |
NJW-RR 1999, 900 |
NZM 1999, 430 |
NVersZ 1999, 276 |
VersR 1999, 484 |