Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang einer Pflicht zum Schadensersatz bei einer vor Eintritt des Versicherungsfalls begangenen Obliegenheit bei fehlendem Versicherungsschutz
Leitsatz (amtlich)
Der Rückgriffsanspruch eines Sozialversicherungsträgers gegen einen Kraftfahrzeughalter oder Kraftfahrer, dessen Haftpflichtversicherer wegen einer Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalls im vollen Umfang leistungsfrei ist, ist auf einen Betrag von 5.000 DM beschränkt.
Normenkette
BGB § 823; StVG § 7; RVO § 1542; VVG § 158c Abs. 4, § 158f; PflVG § 3 Nr. 9 S. 2; AKB § 2 Abs. 2c; PflVG § 3 Nr. 6; GG Art. 3 Abs. 1; VVG § 6 Abs. 1-2; RVO § 640 Abs. 2, § 637 Abs. 1; GG Art. 14
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 23. März 1979 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin fordert vom Beklagten gemäß § 1542 RVO Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, bei dem ein bei ihr versicherter Rentenempfänger getötet worden ist.
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am Abend des 2. September 1974 begaben sich der damals 19-Jährige Beklagte und der etwa gleichaltrige Banklehrling Ulrich O., den der Beklagte tags zuvor bei einem gemeinsamen Ausbildungslehrgang in Bad M. am S. kennengelernt hatte, nach einem Gaststättenbesuch zum PKW des Beklagten, um den Heimweg zu ihrer Unterkunft anzutreten. Auf Bitten O., der ihm zuvor mehrfach von seiner angeblich umfangreichen Fahrpraxis erzählt hatte, überließ der Beklagte diesem das Steuer seines Fahrzeugs. Auf der Heimfahrt geriet O., der keine Fahrerlaubnis besaß und den Beklagten hierüber nicht aufgeklärt hatte, auf den Gehweg, wo er den bei der Klägerin versicherten 69-jährigen Rentner Karl G. überfuhr und tödlich verletzte.
Unter Berufung auf § 2 Abs. 2c AKB hat der Kfz-Haftpflichtversicherer des Beklagten diesem den Versicherungsschutz verweigert und es unter Hinweis auf § 158 c Abs. 4 VVG auch abgelehnt, irgendwelche Zahlungen an die Klägerin zu leisten.
Die Klägerin hat der Ehefrau des Getöteten Witwenrente und Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner zu gewähren.
Mit der vorliegenden Klage verlangt sie Erstattung ihrer bisherigen Aufwendungen in Höhe von 23.148,59 DM sowie ihrer künftigen Aufwendungen in Höhe von monatlich 751,32 DM.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 5.000 DM verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen (VersR 79, 715). Hiergegen hat die Klägerin mit Zustimmung des Beklagten Revision eingelegt. Sie verfolgt mit ihr ihren Klageanspruch, soweit ihm nicht vom Landgericht stattgegeben worden ist, weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Das Landgericht geht mit Recht davon aus, daß der Beklagte sowohl nach § 823 BGB als auch nach § 7 StVG für den Tod des Rentners Karl G. schadensersatzpflichtig ist und daß dieser Anspruch insoweit gemäß § 1542 RVO auf die Klägerin übergegangen ist, als diese Leistungen an die Hinterbliebenen zu erbringen hat. Es will jedoch in den Fällen, in denen der haftpflichtige Kraftfahrzeughalter oder Kraftfahrzeugführer wegen einer vor Eintritt des Versicherungsfalls begangenen Obliegenheitsverletzung keinen Versicherungsschutz hat, den Rückgriffsanspruch auf 5.000 DM begrenzen. Seine Ansicht begründet es im wesentlichen wie folgt:
Nach § 1542 RVO i.V. mit § 158 c Abs. 4 VVG hafte der Versicherungsnehmer, der nach begangener Obliegenheitsverletzung einen Sozialversicherten verletzt oder tötet, für alle (nach § 1542 RVO übergegangenen) Ansprüche des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen unmittelbar und uneingeschränkt, obwohl derselbe Versicherungsnehmer bei Verletzung eines nicht sozialversichten Unfallopfers lediglich dem sich aus §§ 158 f VVG, 3 Nr. 9 Satz 2 PflVG ergebenden und nach der geschäftsplanmäßigen Erklärung der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer vom März 1973 (Veröffentlichungen des Aufsichtsamts 1973, 103) auf 5.000 DM limitierten Rückgriffsanspruch seines Fahrzeughaftpflichtversicherers ausgesetzt wäre. Diese unterschiedliche Haftungssituation, die in dem einen Fall zur völligen Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Versicherungsnehmers führen könne, während sie ihn im anderen nur mit einer begrenzten Zahlungsverpflichtung belaste, sei rein zufallsbedingt; denn ob das Verkehrsopfer sozialversichert sei oder nicht, liege gänzlich außerhalb des Einfluß- oder Verantwortungsbereichs des Schädigers. Eine solche gesetzliche Regelung, die trotz gleichen Ausgangstatbestandes und gleichen Schadensumfangs zu derart unterschiedlichen Haftpflichtbelastungen führen könne, müsse als willkürlich erscheinen und könne von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden.
Die aufgezeigte Ungleichheit sei allerdings nicht - wie in dem Fall, der der zu § 158 i VVG ergangenen Entscheidung BGHZ 67, 138 zugrunde lag - das Ergebnis einer (ursprünglichen) gesetzgeberischen Fehlleistung. Sie sei vielmehr erst eingetreten, als die Haftpflichtversicherer durch die geschäftsplanmäßige Erklärung von 1973 auf den Regreß über 5.000 DM hinaus verzichtet hätten. Diese Entwicklung habe der Gesetzgeber nicht voraussehen können. Die genannte Änderung des Rückgriffsrechts der Haftpflichtversicherer sei gleichbedeutend mit einer Änderung des Wirkungsbereichs auch der §§ 158 c Abs. 4 VVG (3 Nr. 6 PflVG), 1542 RVO, die der Gesetzgeber nicht gewollt habe. Die eingetretene Ungleichheit müsse die Rechtsprechung durch eine Begrenzung des Rückgriffs der Sozialversicherer auf 5.000 DM - in Anlehnung an den Regreßverzicht der Haftpflichtversicherer - beseitigen.
II.
Der Senat schließt sich der Ansicht des Landgerichts an.
1.
Es erscheint in der Tat durch keine sachlich vertretbaren Gesichtspunkte mehr gerechtfertigt und damit willkürlich, daß ein Versicherungsnehmer bei gleichem Ausgangstatbestand - hier: Verletzung der Führerscheinklausel des § 2 Abs. 2 c AKB - und gleichem Schadensumfang letztlich in völlig unterschiedlichem Maße den angerichteten Schaden soll tragen müssen, Je nach dem, ob der Verletzte sozialversichert war oder nicht: In letzterem Falle infolge des geschäftsplanmäßigen Regreßverzichts der Haftpflichtversicherer bis zum Höchstbetrag von 5.000 DM, im anderen Falle dagegen in unbegrenzter Höhe und nicht selten in einer Größenanordnung, daß seine wirtschaftliche Existenz gefährdet oder gar vernichtet wird. Diese willkürliche Ungleichbehandlung im wesentlichen gleichgelagerter Sachverhalte kann nicht hingenommen werden. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, dieses Ergebnis, das auf ein Zusammenspiel des § 1542 RVO, des § 158 c Abs. 4 VVG i.V. mit § 3 Nr. 6 PflVG und der geschäftsplanmäßigen Erklärung der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer von 1973 beruht, durch eine Rechtsanwendung zu vermeiden, die dem Gebot der Gleichbehandlung im wesentlichen gleichgelagerter Sachverhalte entspricht, wie es auch in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegt ist.
2.
Die Ungleichbehandlung ist nicht durch eine Anwendung der geschäftsplanmäßigen Erklärung der Haftpflichtversicherer von 1973 auszuräumen. Aus dieser Erklärung ergibt sich keine Verpflichtung der Versicherer zur Deckung der 5.000 DM übersteigenden Ansprüche der Sozialversicherungsträger. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit ein Versicherungsnehmer überhaupt aus geschäftsplanmäßigen Erklärungen des Versicherers im Zivilprozeß Rechte herleiten kann (zur Rechtsnatur der geschäftsplanmäßigen Erklärung und ihrer zivilrechtlichen Wirkung vgl. André, Die geschäftsplanmäßige Erklärung 1969; Cuntze, Die geschäftsplanmäßige Erklärung in der Versicherungsaufsicht Hamburger Dissertation 1965; Lorenz/Liburnau Versicherungsrundschau 1952, 33; Dreger, Die Bedeutung des Geschäftsplans in der Versicherungsaufsicht 1956; Arnold, Veröffentlichungen des Aufsichtsamts 1956, 215; Bruck/Möller VVG 8. Aufl. Einl. Anm. 29 ee; Prölss/Schmidt-Sasse VAG 8. Aufl § 5 Anm. 4; Goldberg/Müller VAG § 5 Rdn. 22). Auf jeden Fall wäre es nicht gerechtfertigt, die Erklärung dahin zu verstehen, daß hinsichtlich des 5.000 DM übersteigenden Schadens Versicherungsschutz gewährt würde. Für den Haftpflichtversicherer macht es einen wesentlichen Unterschied aus, ob er lediglich auf Rückgriffsansprüche verzichtet oder seine Leistungsfreiheit auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Die gesetzliche Regelung, nach der der Haftpflichtversicherer auch bei notleidenden Versicherungsverhältnissen vorläufig eintrittspflichtig ist (§ 158 c VVG, § 3 Abs. 4 PflVG), beruhte auf der Erkenntnis, daß Kraftfahrzeughalter und Kraftfahrzeugführer namentlich bei schweren Unfallfolgen finanziell meist nicht in der Lage sind, die Ansprüche der Haftpflichtgläubiger voll zu befriedigen. Aus diesem Grunde konnten auch schon vor der geschäftsplanmäßigen Erklärung von 1973 die Haftpflichtversicherer vielfach den ihnen nach § 158 f VVG zustehenden Rückgriffsanspruch nicht oder nicht in vollem Umfang durchsetzen; wenn sie auf diese teilweise uneinbringlichen Forderungen verzichteten, war dies für sie kein allzu schwerer wirtschaftlicher Verlust. Dagegen hätte die Übernahme von Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern eine spürbare finanzielle Belastung gebracht; die Haftpflichtversicherer haben sich daher, wie das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen in der vom Landgericht eingeholten Auskunft mitteilt, einer solchen Regelung mit Entschiedenheit widersetzt. Würde man den Regreßverzicht in eine Beschränkung der Leistungsfreiheit umdeuten, so würde man der geschäftsplanmäßigen Erklärung einen Sinn geben, den sie nach dem Willen ihrer Verfasser ersichtlich nicht haben sollte.
3.
Die oben dargelegte Ungleichbehandlung wäre freilich auch dann ausgeräumt, wenn man die für Obliegenheitsverletzungen im oder nach dem Versicherungsfall getroffene Regelung des § 7 V Abs. 1, 2 AKB, die die Leistungsfreiheit des Versicherers (nicht nur seinen Rückgriff) auf 1.000 oder 5.000 DM beschränkt, auf die Obliegenheitsverletzungen vor Eintritt des Versicherungsfalls anwenden würde, sei es im Wege einer erweiterenden Auslegung oder einer entsprechenden Anwendung. Dann müßte der Haftpflichtversicherer im einen wie im anderen Fall die Ansprüche der Sozialversicherungsträger abdecken.
Die beiden Gruppen der Obliegenheitsverletzungen unterscheiden sich - von dem Zeitpunkt ihrer Begehung einmal abgesehen - nach ihrer Eigenart und in ihrem versicherungsrechtlichen "Unrechtsgehalt" nicht durchweg grundlegend in solcher Weise voneinander, daß die daran geknüpfte Sanktion unter allen Umständen bei Obliegenheitsverletzungen vor dem Versicherungsfall schwerer sein müßte als für Obliegenheitsverletzungen im und nach dem Versicherungsfall. So kann etwa eine bewußte Verletzung der Aufklärungspflicht durch Flucht des Versicherungsnehmers nach einem folgenreichen Verkehrsunfall unter dem Gesichtspunkt der Schuld wesentlich schwerer wiegen als die gutgläubige, wenn auch fahrlässige Überlassung des versicherten Fahrzeugs an einen Dritten, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt (§ 2 Abs. 2 c AKB). Es kann auch nicht allgemein gesagt werden, daß eine Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall stets die Tendenz einer Risikosteigerung oder -verwirklichung habe und die Verletzung nachträglicher Obliegenheiten das versicherte Risiko schlechthin nicht mehr beeinflussen könne. Unter den vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheiten finden sich nicht nur solche, die eine Verminderung der versicherten Gefahr und eine Abwendung des Versicherungsfalls bezwecken (vgl. § 6 Abs. 1, 2 VVG). Andererseits kann zwar der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten nach dem Versicherungsfall dessen Eintritt nicht mehr ungeschehen machen; das versicherte Risiko hat sich als solches bereits verwirklicht. Er kann aber durch seine nachfolgende Obliegenheitsverletzung den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung - unter Umständen sogar erheblich beeinflussen.
Gleichwohl bestehen gegen eine auch nur entsprechende Anwendung des § 7 V Abs. 1, 2 AKB auf Obliegenheitsverletzungen vor Eintritt des Versicherungsfalls Bedenken, selbst wenn man die unten zu 4. noch zu erörternden grundsätzlichen Einwände gegen eine solche Lösung zunächst noch beiseite läßt.
Mögen sich, wie ausgeführt, die Obliegenheitsverletzungen vor und diejenigen im und nach dem Versicherungsfall auch nicht durchweg grundlegend so voneinander unterscheiden, daß die ersteren unter allen Umständen mit einer härteren Sanktion geahndet werden müßten, so sind doch andererseits deutliche und typische Unterschiede nicht zu übersehen. Bei den hier in Rede stehenden Obliegenheiten, die vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, handelt es sich vorwiegend um solche, die das vom Versicherer vertraglich übernommene Risiko vermindern und damit dem Eintritt des Versicherungsfalls entgegenwirken sollen (vgl. § 6 Abs. 2 VVG; praktisch bedeutsam insbesondere die Verwendungs- und die Führerscheinklausel, § 2 Abs. 2 a, c AKB). Ihre Verletzung hat die Tendenz der Risikoverwirklichung. Die daran geknüpfte Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers hat nicht nur Abschreckungs- ("Straf-") Charakter, sondern jedenfalls auch die Funktion eines Nachteilsausgleichs. Das zeigt sich daran, daß dem Versicherungsnehmer hier in jedem Fall der Beweis offensteht, daß die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Versicherungsleistung gehabt habe (§ 6 Abs. 2 VVG). Dagegen ist der Kausalitätsgegenbeweis bei Verletzung einer nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit nur im Falle der Fahrlässigkeit, nicht aber bei Vorsatz zugelassen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VVG). Andererseits kann der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten nach dem Versicherungsfall den Eintritt des Versicherungsfalls selbst, die Verwirklichung des versicherten Risikos als solchen nicht mehr verhindern, mag es auch auf die Höhe der vom Versicherer zu leistenden Entschädigung noch einen erheblichen Einfluß haben. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den vor und nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheiten besteht auch darin, daß der Versicherer mit dem Versicherungsfall in die Rolle eines Gegners des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Erfüllung des Deckungsanspruchs geraten kann und der Versicherungsnehmer dem Versicherer in Erfüllung der Aufklärungsobliegenheit Informationen verschaffen muß, die auch gegen ihn verwendet werden können. Die Sanktion der Obliegenheitsverletzung trägt hier mehr die Züge generalpräventiver Abschreckung als im Falle der Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall. Bei vorsätzlicher Verletzung von Obliegenheiten, die in und nach dem Versicherungsfall zu erfüllen sind, gibt es keinen Kausalitätsgegenbeweis dahin, daß die Verletzung Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Versicherungsleistung gehabt habe (§ 6 Abs. 3 Satz 1, 2 VVG; ausschließlich solche Fälle - folgenloser - vorsätzlicher Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalls waren Anlaß und Gegenstand derjenigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, nach der eine Leistungsfreiheit des Versicherers dann nicht anerkannt wird, wenn die Verletzung nicht einmal generell geeignet war, die berechtigten Interessen des Versicherers in ernster Weise zu gefährden, und den Versicherungsnehmer kein schweres Verschulden trifft (vgl. BGHZ 53, 160; ständige Rechtspr.). Das Gesetz selbst hat in § 6 VVG die Rechtsfolgen für Obliegenheitsverletzungen vor und nach dem Versicherungsfall auch noch über die bereits aufgezeigten Unterschiede hinaus je verschieden geregelt, ungeachtet dessen, daß gewisse Ähnlichkeiten zwischen den beiden Gruppen bestehen.
Aus den vorstehenden Gründen bestehen auch Bedenken, die gegenüber § 7 V Abs. 1, 2 AKB härtere Sanktion der vollen Leistungsfreiheit des Versicherers, wie sie § 2 Abs. 2 AKB für die Obliegenheitsverletzungen vor Eintritt des Versicherungsfalls androht, im Wege richterlicher Inhaltskontrolle auf das abgestufte Maß des § 7 V Abs. 2 AKB zurückzuführen.
4.
Die hier erörterte Lösung zu Lasten des Haftpflichtversicherers wäre aber vor allem mit der Bewertung der einander widerstreitenden Interessen des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers und des Sozialversicherungsträgers, so wie sie in § 158 c Abs. 4 VVG in Verbindung mit § 3 Nr. 6 PflVG zum Ausdruck kommt, nicht zu vereinbaren.
Die Einführung der Pflichtversicherung wurde durch die Erkenntnis veranlaßt, daß die eigenen finanziellen Mittel der Kraftfahrzeughalter und Kraftfahrzeugfahrer häufig nicht ausreichen, um die Haftpflichtansprüche der Vekehrsopfer zu befriedigen. Der Wille des Gesetzgebers ging dahin, daß die Unfallgeschädigten auch dann nicht auf eine Vollstreckung in das Vermögen des Haftpflichtigen angewiesen sein sollten, wenn das Haftpflichtversicherungsverhältnis aus irgendeinem Grunde notleidend war; aus diesem Grunde wurde in § 158 c VVG (und später in § 3 Nr. 4 PflVG) eine vorläufige Eintrittspflicht des leistungsfreien Haftpflichtversicherers eingeführt; damit wurde das Risiko der mangelnden Leistungsfähigkeit des Haftpflichtschuldners vom Verkehrsopfer auf den Haftpflichtversicherer verlagert. Das ergibt sich aus § 158 c Abs. 4 VVG. Danach haftet der Haftpflichtversicherer nicht, wenn und soweit der Geschädigte in der Lage ist, Ersatz seines Schadens (von einem anderen Schadensversicherer oder) von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Im Falle des notleidenden Haftpflichtversicherungsverhältnisses kann demgemäß der Sozialversicherungsträger nicht aufgrund des § 1542 RVO im Wege der Pfändung des Deckungsanspruchs des Schädigers gegen dessen Versicherer vorgehen, weil ein solcher Anspruch - auch in Ansehung des Geschädigten - nicht besteht. §3 Nr. 6 PflVG erklärt den § 158 c Abs. 4 VVG für sinngemäß anwendbar. Folglich erwirbt der Sozialversicherungsträger bei Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers auch keinen Direktanspruch des Geschädigten gegen diesen nach § 3 Nr. 1, 4 PflVG i.V. mit § 1542 RVO. Der Gesetzgeber hat also dem Sozialversicherungsträger von vornherein gewisse Ausfälle zumuten zu können geglaubt, und zwar nicht nur solche, die ihren Grund darin haben, daß dem Schuldner schlechthin die zur Erfüllung des Haftpflichtanspruchs erforderlichen Mittel fehlen, sondern auch solche, die lediglich auf den zugunsten des Schuldners erlassenen sozialen Schutzvorschriften (Unpfändbarkeit gewisser Gegenstände, Pfändungsfreigrenzen, Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO) beruhen. Würde man den Haftpflichtversicherer für verpflichtet halten, auch im Falle der Leistungsfreiheit grundsätzlich alle 5.000 DM übersteigenden Ansprüche der Sozialversicherungsträger zu befriedigen, so würde die vom Gesetzgeber gewollte Lastenverteilung zwischen Sozialversicherungsträger und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer zum Nachteil des letzteren geändert. Das erhebliche Ausfallrisiko, das bisher die Sozialversicherungsträger zu tragen hatten, würde auf die Haftpflichtversicherer verlagert; diesen würden damit Lasten aufgebürdet werden, die ihnen der Gesetzgeber nicht zumuten zu können geglaubt hat. (Im Ergebnis ebenso Hüffer VersR 1980, 785; Prölss-Martin VVG 22. Aufl. § 7 AKB Anm. 6; Theda DAR 1980, 292 und VersR 1981, 412.)
5.
Der Senat kann auch der in der mündlichen Verhandlung unterbreiteten Anregung der Beklagten nicht folgen, das Problem dadurch zu lösen, daß man den Rückgriffsanspruch des Sozialversicherers aus § 1542 RVO - soweit er nicht von einem Haftpflichtversicherer zu erfüllen ist - nach Maßgabe des § 640 Abs. 2 RVO beschränkt. Gegen eine analoge Anwendung dieser Gesetzesvorschrift auf den gänzlich andersartigen Anspruch aus § 1542 RVO bestehen durchgreifende Bedenken. Es handelt sich bei ihr um eine Sonderregelung für die Unfallversicherung; sie findet ihre Rechtfertigung darin, daß sich der Rückgriffsanspruch nach § 640 Abs. 1 RVO gegen Personen richtet, die entweder als Unternehmer die Kosten der Unfallversicherung aufbringen oder - in den Fällen des § 637 Abs. 1 RVO - in den gleichen Betrieb wie der Verunglückte eingegliedert und daher auch bei demselben Unfallversicherungsträger versichert sind. Auf die Schadensersatzansprüche, die nach § 1542 RVO auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind und sich zum überwiegenden Teil gegen außenstehende Dritte richten, trifft dies nicht zu. Auch würde durch eine entsprechende Anwendung des § 640 Abs. 2 RVO die ungleiche Behandlung von ihrem Wesen nach gleichartigen Haftpflichtfällen nicht beseitigt; denn während bei Unfällen mit nicht Sozialversicherten der Rückgriff des Haftpflichtversicherers auf den festen Betrag von 5.000 DM begrenzt bleibt, würde es bei Sozialversicherten dem - nur beschränkt gerichtlich nachprüfbaren - Ermessen des Sozialversicherungsträgers überlassen bleiben, in welchem Umfang der Haftpflichtige zur Schadensersatzleistung herangezogen wird; der zu zahlende Betrag kann dabei sowohl auf einen unter 5.000 DM liegenden als auch auf einen darüber hinausgehenden Betrag festgesetzt werden. Auch vom rechtspolitischen Standpunkt aus wäre es nicht erwünscht, die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes ohne einen festen Maßstab allein der Beurteilung des Einzelfalls durch die Versicherungsträger und die Gerichte zu überlassen; dies würde die Schadensabwicklung komplizieren und Anlaß zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten geben.
6.
Eine sachgerechte Lösung läßt sich nur durch eine Begrenzung des Rückgriffsanspruchs des Sozialversicherungsträgers auf 5.000 DM erreichen. Durch diese Lösung des Interessenkonflikts wird den Sozialversicherungsträgern keine unerträgliche oder ungerechte Belastung auferlegt.
a)
Bedenken können allerdings gegen die Auffassung des Landgerichts bestehen, die Klägerin nehme, indem sie auf ihren Regreß teilweise verzichte, eine allgemeine staatliche Sozialaufgabe wahr, deren Beachtung als wichtiger öffentlicher Belang im Grunde genommen jedem öffentlichen Funktionsträger, demnach auch den Sozialversicherungsträgern als Körperschaften öffentlichen Rechts obliege; der Maßstab, den der Staat - in seiner Rolle als Aufsichtsorgan - an das Regreßverhalten der (privatwirtschaftlichen) Pflichtversicherer anlege, müsse auch der von eben diesem Staat zur Erfüllung Sozialstaatlicher Aufgaben eingesetzte Träger der gesetzlichen Sozialversicherer gegen sich gelten lassen. Die sozialen Aufgaben, die von den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung zu erfüllen sind, sind gesetzlich festgelegt; sie können von der Rechtsprechung - schon aus finanzwirtschaftlichen Erwägungen - nicht willkürlich erweitert werden.
b)
Dennoch erweist sich die Auffassung des Landgerichts im Ergebnis als zutreffend.
Dem § 1542 RVO liegt folgender Gedanke zugrunde:
Würden Schadensersatzansprüche eines Sozialversicherten nicht auf die Sozialversicherungsträger übergehen, so würde dies, wenn man die Leistungen des Sozialversicherungsträgers bei der Schadensberechnung unberücksichtigt lassen würde, zu einer Doppelentschädigung des Verletzten, anderenfalls aber dazu führen, daß der Verletzte aus der Existenz der Zwangsversicherung einen ungerechtfertigten Vorteil zieht. Ein solches unbilliges Ergebnis sollte ausgeschlossen werden (BGHZ 9, 179, 186; 67, 138, 150; BVerfGE 21, 362 unter B Ziff. II 5 b). Das Bestreben des Gesetzgebers ging also dahin, eine ungleiche Behandlung von Schadensfällen mit Sozialversicherten und solchen mit nicht sozialversicherungspflichtigen Personen zu vermeiden. Sein Wille würde ins Gegenteil verkehrt werden, wenn § 1542 RVO im Zusammenspiel mit privatversicherungsrechtlichen Regelungen dazu führen würde, daß der Schädiger bei der Verletzung oder Tötung von sozialversicherten Personen in höherem Maße zu persönlichen Schadensersatzleistungen herangezogen würde als bei Unfällen mit Nichtsozialversicherten. Eine sinnvolle, am Gesetzeszweck orientierte Auslegung muß also dazu führen, daß der Rückgriffsanspruch des Sozialversicherers nach § 1542 RVO in gleicher Weise beschränkt wird wie der Rückgriff des privaten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers gegen den Versicherungsnehmer.
Es darf zwar nicht übersehen werden, daß § 1542 RVO in gewissem Umfang auch eine finanzielle Entlastung der Sozialversicherungsträger und damit der öffentlichen Hand bezweckte (BVerfG aaO). Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Begrenzung des Regreßanspruchs nicht in wesentlichem Umfang gefährdet. Die aus § 1542 RVO herrührenden Ansprüche sind bei gestörtem Haftpflichtversicherungsverhältnis nur dann zu realisieren, wenn der Schadensersatzpflichtige über ausreichende finanzielle Mittel verfügt; je höher der Anspruch ist, um so geringer ist die Aussicht, daß der Sozialversicherungsträger volle Befriedigung erlangen wird. Die 5.000 DM übersteigenden Regreßansprüche waren daher für die Sozialversicherungsträger bisher von bedingtem Wert. Gerade in dieser Hinsicht hat sich aber die Lage der Versicherungsträger durch die neuere Entwicklung auf dem Gebiet der privaten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung - teilweise Beseitigung des Alles-oder-Nichts-Prinzips - wesentlich verbessert. Nach der Neufassung von § 7 Abs. V AKB - die nach ihrer Motivation und ihrer Entstehungsgeschichte mit dem geschäftsplanmäßigen Regreßverzicht in Zusammenhang steht - deckt der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer bei nachträglicher Obliegenheitsverletzung die 5.000 DM (teilweise sogar die 1.000 DM) übersteigenden Haftpflichtverbindlichkeiten gegenüber Sozialversicherungsträgern; diesen ist also dadurch ein erhebliches Ausfallrisiko abgenommen worden und zwar auch in den Fällen, in denen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Leistungspflicht des Versicherers nicht bestanden hatte. Im übrigen hat bereits das Landgericht darauf hingewiesen, daß die Regreßeinnahmen bei der Aufbringung der Mittel für die Sozialversicherung nur eine unbedeutende Rolle spielen; seinen Ausführungen, nach denen die gesamten Regreßeinnahmen nur 0,7 bis 3 % der Ausgabenhöhe erreichen, hat die Revision nicht widersprochen.
c)
Die Klägerin kann dem nicht entgegenhalten, daß es privaten Unternehmen (den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherern) nicht gestattet sein könne, durch die Aufstellung von allgemeinen Geschäftsbedingungen die gesetzlichen Ansprüche der Sozialversicherungsträger zu beschneiden. Richtig ist, daß die AKB formell nur Allgemeine Geschäftsbedingungen sind; auch die zur Ergänzung der AKB dienenden geschäftsplanmäßigen Erklärungen sind Erklärungen von privater Seite und haben keinen höheren Rang als die AKB selbst. Tatsächlich geht aber die Bedeutung der AKB weit über die von gewöhnlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinaus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 PflVG müssen die Versicherungsverträge für Fahrzeuge mit regelmäßigem Standort in der Bundesrepublik den AKB entsprechen. Die Kraftfahrzeughalter sind also verpflichtet, den Abschluß eines Versicherungsvertrages nach Maßgabe der AKB zu beantragen; die Versicherer sind, soweit nicht die in § 5 Abs. 4 des Gesetzes genannten Ablehnungsgründe vorliegen, gehalten, diese Anträge anzunehmen. Die Versicherungsparteien haben also nicht die Möglichkeit, ihre Rechtsbeziehungen abweichend von den AKB zu regeln. Aus diesem Grund sieht auch das Gesetz eine Mitwirkung staatlicher Stellen bei der Aufstellung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung vor. Die AKB unterscheiden sich demnach wesentlich von anderen Versicherungsbedingungen und nähern sich dem Charakter von Rechtsvorschriften.
d)
Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht verletzt die ziffernmäßige Beschränkung des Rückgriffsrechts des Sozialversicherungsträgers nicht Art. 14 GG. Die Klägerin erfüllt nicht nur dadurch, daß sie der Witwe des tödlich verunglückten Rentners Karl G. eine Rente zahlt, sondern auch durch die Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs nach § 1542 RVO eine ihr vom Gesetzgeber übertragene öffentliche Aufgabe. Soweit aber Juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben wahrnehmen, genießen sie keinen Grundrechtsschutz. Insbesondere haben Sozialversicherungsträger keinen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch darauf, daß ihnen Mehraufwendungen, die durch das Verschulden eines Dritten veranlaßt worden sind, von diesen ersetzt werden (BVerfGE 21, 362). Soweit daher den Versicherungsträgern im Wege zulässiger Gesetzesauslegung - wozu auch die teleologische Reduktion gehört - für bestimmte Fälle ein Rückgriffsanspruch versagt oder beschränkt wird, liegt keine Verletzung von Art. 14 GG vor.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Rassow
Fundstellen
Haufe-Index 1456532 |
BGHZ, 332 |
NJW 1981, 1843 |