Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorstellungen der Vertragsparteien als Geschäftsgrundlage. ehebezogene Zuwendung. Schenkung. Wegfall der Geschäftsgrundlage
Leitsatz (redaktionell)
1. Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zu Tage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut.
2. Auch wenn eine Zuwendung zwischen Ehegatten im konkreten Fall nicht als ehebezogene Zuwendung sondern als Schenkung zu werten ist, sind auf sie dennoch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar.
Normenkette
BGB § 313 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen 8 U 2745/08) |
LG München I (Entscheidung vom 29.02.2008; Aktenzeichen 34 O 23520/06) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG München vom 17.12.2009 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das OLG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten im vorliegenden Verfahren wie im vor dem Senat geführten Parallelverfahren (XII ZR 47/09) um die Rückabwicklung von Vermögenszuwendungen, die der Kläger (im Folgenden: Ehemann) während der Ehe an die Beklagte (im Folgenden: Ehefrau) erbrachte.
Rz. 2
Die Parteien heirateten im Mai 1990. In einem vor der Eheschließung abgeschlossenen Ehevertrag hatten sie Gütertrennung vereinbart und den Versorgungsausgleich sowie nacheheliche Unterhaltsansprüche weitgehend ausgeschlossen. Die bei der Eheschließung vermögenslose Ehefrau gab ihre Berufstätigkeit als technische Assistentin auf und widmete sich der Haushaltsführung. Der Ehemann, der alkoholkrank und aufgrund eines Verkehrsunfalls schwerbehindert ist, ging ebenfalls keiner Erwerbstätigkeit nach. Die Parteien lebten vom Vermögen des Ehemanns, welches dieser im Wert von rund 10.000.000 DM geerbt hatte. Im Dezember 1991 gebar die Ehefrau einen Sohn.
Rz. 3
Die Parteien trennten sich im September 2003. Die Ehe wurde auf den im Mai 2004 zugestellten Scheidungsantrag im Juni 2006 rechtskräftig geschieden. Der Ehemann hat seine Vaterschaft zu dem Sohn angefochten. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde festgestellt, dass er nicht der Vater des Kindes ist.
Rz. 4
Der Ehemann begehrt im Wege der Rückforderung einer von ihm an die Ehefrau erbrachten Zuwendung die Zahlung von 115.000 EUR. Im Juli 2000 kauften die Parteien zum Preis von 700.000 DM vom späteren Rechtsanwalt der Ehefrau einen Hälfteanteil an einem Hausgrundstück. Jede Partei sollte zu 1/4 Miteigentümer werden. Der Kaufpreis wurde allein vom Ehemann gezahlt. Zu einer Eintragung der Parteien im Grundbuch kam es nicht. Der Ehemann erhielt entsprechend einer privatschriftlichen Vereinbarung vom März 2004 einen (hälftigen) Kaufpreisanteil von 175.000 EUR zurück. Eine notarielle Nachtragsvereinbarung, welche der Rechtsanwalt im November 2004 als Verkäufer und vollmachtloser Vertreter beider Parteien abgeschlossen hatte und in der eine Zahlung der weiteren Kaufpreishälfte an die Ehefrau in monatlichen Raten von 2.500 EUR vorgesehen war, wurde vom Ehemann nicht genehmigt. Dennoch erhielt die Ehefrau nach Abzug von Anwaltshonoraren 115.000 EUR vom Verkäufer ausgezahlt, die der Ehemann mit der Klage von ihr herausverlangt.
Rz. 5
Der Ehemann beruft sich darauf, dass er die Zuwendung ausschließlich in der Erwartung gemacht habe, die eheliche Lebensgemeinschaft werde Bestand haben, und dass nach der Trennung die Geschäftsgrundlage entfallen sei. Die Geschäftsgrundlage sei auch darin zu sehen, dass er mit Wissen der Ehefrau während der gesamten Ehezeit davon ausgegangen sei, der Sohn der Ehefrau sei auch sein leiblicher Sohn.
Rz. 6
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Ehefrau auf die Berufung des Ehemanns antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Ehefrau, die weiterhin die Klageabweisung erstrebt.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision der Ehefrau hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 8
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Rückforderung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage begründet.
Rz. 9
Es könne dahinstehen, ob die Zuwendung eine unbenannte Zuwendung oder eine Schenkung darstelle. Es könne auch offen bleiben, ob die Ehefrau sich an ihrer ursprünglichen Behauptung festhalten lassen müsse, der Ehemann habe ihr schon im Trennungsstadium umfassend Vermögen übertragen, um sie und das gemeinsame Kind abzusichern oder um einen aufgrund seiner Alkoholerkrankung befürchteten Vermögensverfall abzuwenden. Denn die Vaterschaft zu dem vermeintlich gemeinsamen Sohn sei Geschäftsgrundlage für die Zuwendung geworden. Dabei sei zwar davon auszugehen, dass es sich nicht um den erstrangigen Beweggrund gehandelt habe. Es reiche aber aus, dass der Umstand mitursächlich gewesen sei in dem Sinne, dass er den Ehemann bei der Vornahme der Zuwendung bestärkt habe und dass dieser, wenn er die wahren Umstände gekannt hätte, zwar nicht sicher, aber vielleicht von der Zuwendung abgesehen hätte.
Rz. 10
Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände sei ein Festhalten des Ehemanns an den durch die Zuwendung eingetretenen Vermögensverhältnissen unzumutbar. Maßgeblich seien die Dauer der Ehe und die Dauer des Irrtums des Ehemanns über seine Vaterschaft sowie die besonderen Vermögensverhältnisse der Parteien. Weil der Ehemann während der Ehe keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, handele es sich nicht um gemeinsam erarbeitetes Vermögen. Das Vermögen sei von dritter Seite gekommen, und das Gesetz sehe grundsätzlich keine Beteiligung des Ehepartners am durch Schenkung, Erbschaft oder Lotteriegewinn erworbenen Vermögen vor. Auf die Frage der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages komme es nicht an, weil ein Wegfall der Geschäftsgrundlage auch im Fall der Sittenwidrigkeit eingetreten sei. Die Ehefrau schulde daher Wertersatz für den Grundstücksanteil, denn sie habe jedenfalls durch die Rückabwicklung des Verkaufs ihr bereits dinglich gesichertes Anwartschaftsrecht veräußert.
II.
Rz. 11
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 12
Die Zuwendung des Ehemanns bestand darin, dass er durch seine Kaufpreiszahlung die Ehefrau von deren Kaufpreisverpflichtung befreite und zugleich ein Ausgleich im Innenverhältnis der Ehegatten als Gesamtschuldner zumindest konkludent ausgeschlossen war. Der in der Befreiung von der Kaufpreisverpflichtung liegende Vermögenswert setzt sich in dem erworbenen Anwartschaftsrecht sowie in dem nach Aufhebung des Kaufvertrages erworbenen Rückgewähranspruch fort.
Rz. 13
Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob es sich bei der Zuwendung um eine ehebezogene Zuwendung gehandelt habe. Die von ihm angenommene Geschäftsgrundlage hat es auch in der leiblichen Vaterschaft des Ehemanns zu dem Sohn der Ehefrau gesehen. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Rz. 14
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Geschäftsgrundlage die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGH, Urt. v. 10.9.2009 - VII ZR 152/08, NZBau 2009, 771, 774; BGH, Urt. v. 21.7.2010 - XII ZR 180/09, FamRZ 2010, 1626 Rz. 14; v. 17.2.1993 - XII ZR 232/91, FamRZ 1993, 1047, 1048 jeweils m.w.N.).
Rz. 15
Auch wenn eine Zuwendung zwischen Ehegatten im konkreten Fall nicht als ehebezogene Zuwendung, sondern als Schenkung zu werten ist, sind auf sie dennoch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar (vgl. BGH BGHZ 184, 190 = FamRZ 2010, 958 Rz. 25 ff.; BGH, Urt. v. 8.11.2002 - V ZR 398/01, FamRZ 2003, 223; v. 19.1.1999 - X ZR 60/97, FamRZ 1999, 705, 707). Daher ist es auch unter weiteren Gesichtspunkten als der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft möglich, dass bestimmte Vorstellungen der Parteien von der Verwendung des zugewendeten Vermögensgegenstandes zur Geschäftsgrundlage erhoben werden. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass diese in den Geschäftswillen der Parteien aufgenommen werden und nicht bloß einseitige Erwartungen einer Partei darstellen (vgl. Palandt/Grüneberg BGB, 71. Aufl., § 313 Rz. 9 m.w.N.).
Rz. 16
2. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts kann die leibliche Abstammung des Sohnes hier nicht als Geschäftsgrundlage der Zuwendung angesehen werden. Denn insoweit mangelt es an einem auf den Sohn bezogenen beiderseitigen Geschäftswillen der Parteien. Es handelte sich auch nicht um eine einseitige Vorstellung des Ehemanns, die die Ehefrau als anderer Vertragsteil nach Treu und Glauben in ihren Geschäftswillen aufgenommen hat. Vielmehr kann insb. im Fall der Täuschung durch den Vertragspartner (hier: durch Unterlassen) grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieser den vorgetäuschten Sachverhalt in seinen Geschäftswillen aufnimmt. Im Gegensatz zu dem Fall, dass das Kind - unmittelbar oder mittelbar - ebenfalls von der Zuwendung profitieren soll (vgl. dazu BGH - im Parallelverfahren - v. 27.6.2012 - XII ZR 47/09 - zur Veröffentlichung bestimmt), lässt sich dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt des nach gemeinsamer Vorstellung der Parteien bestehenden Verwendungszwecks der Zuwendung annehmen.
Rz. 17
Wegen der widerrechtlichen Einflussnahme auf die Willensbildung verbleibt insoweit nur die Möglichkeit einer Täuschungsanfechtung nach § 123 BGB, wobei es diesbezüglich bereits an Feststellungen zu einer Anfechtungserklärung des Ehemanns fehlt.
III.
Rz. 18
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Ehebezogenheit der Zuwendung hat das Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassen. Weil es insb. zu dieser Frage weiterer Feststellungen bedarf, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass sich aus der ursprünglichen Behauptung der Ehefrau, durch die Zuwendung hätten sie und das gemeinsame Kind nachhaltig wirtschaftlich abgesichert werden sollen, nicht ohne Weiteres ergibt, dass die leibliche Abstammung des Kindes vom Ehemann über das - auch beiderseitige - Motiv hinausgehend zur Geschäftsgrundlage erhoben werden sollte.
Fundstellen
FamRZ 2012, 1623 |
ZEV 2013, 336 |
FamRB 2012, 299 |