Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Leitsatz (amtlich)
a) Die Erwartung des Tatgerichts, der Angeklagte werde Rauschgift portionsweise nur an erwachsene und schon betäubungsmittelabhängige Abnehmer veräußern, steht der Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht entgegen.
b) Das Absehen von der Anordnung von Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erfordert ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit. Die hinreichend konkrete Aussicht eines Therapieerfolgs reicht hierfür nicht ohne weiteres aus.
Normenkette
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3, §§ 64, 72 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen II KLs 91 Js 7109/99) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 11. Januar 2000 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen wurde.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Der Angeklagte hat innerhalb von knapp zwei Wochen im Juli 1999 in der Schweiz dreimal je 50 g Heroin erworben. Zweimal führte er das Rauschgift in die Bundesrepublik ein. Hier erhielten je vier Abnehmer, die im Voraus bezahlt hatten, jeweils 5 g, von den jeweils verbliebenen 30 g verkaufte der Angeklagte die Hälfte gewinnbringend in kleinen Portionen an namentlich bekannte Abnehmer, den Rest konsumierte er selbst. Im dritten Fall vernichtete er das Rauschgift, mit dem er wieder in gleicher Weise vorgehen wollte, noch in der Schweiz, da er bemerkt hatte, daß er polizeilich observiert wurde.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen verurteilte die Strafkammer den 46 Jahre alten, rauschgiftabhängigen Angeklagten, der wegen einschlägiger Vorverurteilungen zwischen 1973 und Ende 1998 über 17 Jahre Strafe verbüßt hat, wegen drei Fällen des (gewerbsmäßigen) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (Einzelstrafen: zweimal zwei Jahre, einmal ein Jahr und drei Monate) und ordnete gemäß § 64 StGB seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.
Von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) hat die Strafkammer abgesehen. Dabei geht sie zutreffend davon aus, daß sowohl die formalen Voraussetzungen des insoweit vorrangigen § 66 Abs. 1 StGB als auch die von § 66 Abs. 2 und 3 vorliegen. Gleichwohl komme Sicherungsverwahrung schon deshalb nicht in Betracht, weil die vom Angeklagten zu erwartenden künftigen Straftaten nicht erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB seien. Darüber hinaus stehe auch § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB im Hinblick auf die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einer Anordnung von Sicherungsverwahrung im Wege.
Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt ist, hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Die Annahme fehlender Erheblichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB begründet die Strafkammer wie folgt:
Bei der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte gebe es keine unmittelbar Geschädigten, geschütztes Rechtsgut sei die Volksgesundheit. Soweit künftige Verkäufe des Angeklagten zu erwarten seien, sei damit zu rechnen, daß sich der Angeklagte, ebenso wie bisher, an Abnehmer wenden werde, die „erwachsen und betäubungsmittelabhängig” seien. Ob eine Einfuhr von Betäubungsmitteln in ungewöhnlich großen Mengen oder eine wiederholte Abgabe an Kinder oder Jugendliche eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, könne offen bleiben, da damit beim Angeklagten nicht zu rechnen sei.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Zwar hat der Tatrichter bei der Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender künftiger Straftaten einen nur begrenzter revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegenden Beurteilungsspielraum (vgl. BGH JZ 1980, 532; BGH wistra 1988, 22, 23), hier geht die Strafkammer jedoch in mehrfacher Hinsicht von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz aus:
(1) Schon die Annahme, daß geschütztes Rechtsgut bei die Abgabe von Betäubungsmitteln betreffenden Delikten nicht auch die Gesundheit der Empfänger sei, trifft nicht zu. Mag auch der Schutz der Volksgesundheit vorrangig sein, so sollen die einschlägigen Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes jedenfalls auch Leben und Gesundheit individuell Betroffener schützen (vgl. BVerfGE 90, 145, 174; BGHSt 37, 179, 182; Weber BtMG § 1 Rdn. 3, 4).
(2) Im übrigen stünde aber auch die Annahme, geschützt sei allein die Volksgesundheit, unter keinem rechtlichen Aspekt der Anordnung von Sicherungsverwahrung entgegen. Mit dem Hinweis auf dieses Rechtsgut ist gemeint, daß durch die Strafbarkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln Schäden vorgebeugt werden soll, die sich für die Allgemeinheit aus dem Drogenkonsum und den daraus herrührenden physischen und psychischen Schäden einzelner ergeben (vgl. BGHSt aaO m.w.N.). Allerdings können bei Abgabe von Betäubungsmitteln vielfach weder in jedem einzelnen Fall der Empfänger noch die Auswirkungen, die gerade eine bestimmte Abgabe auf ihn hatte, festgestellt werden. Daß gerade durch diese konkreten (zu erwartenden) Taten schwere Folgen im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB eintreten, ist jedoch nicht erforderlich. Die „namentlich-Klausel” dieser Bestimmung schließt die Anordnung von Sicherungsverwahrung in derartigen Fällen nicht aus. Auch die allgemeine und abstrakte Gefährlichkeit von Delikten kann Grundlage der Anordnung von Sicherungsverwahrung sein (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 143, 103).
b) Daß Delikte der vorliegenden Art, die sowohl Leben und Gesundheit einzelner als auch die Volksgesundheit beeinträchtigen, in aller Regel als erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen sind, bedarf keiner näheren Begründung. Ob unter ganz besonderen Umständen Ausnahmen hiervon vorstellbar sind, mag offen bleiben, da jedenfalls hier Anhaltspunkte für eine derartige Ausnahme nicht ersichtlich sind:
(1) Schon die Vielzahl und die rasche Abfolge der auf planmäßige Wiederholung angelegten Taten spricht ebenso wie die hohe Rückfallgeschwindigkeit gegen eine solche Ausnahme (vgl. Hanack aaO Rdn. 108 m.w.N.).
(2) Ohne Belang ist demgegenüber, daß nach der Einschätzung der Strafkammer der Angeklagte voraussichtlich nur an erwachsene Abnehmer verkaufen wird. Damit soll offenbar auf den Aspekt der Selbstgefährdung abgestellt sein. Bei der Beurteilung der Abgabe von Rauschgift als gefährlich ist dieser Gesichtspunkt jedoch denknotwendig eingeschlossen. Er kann daher – unbeschadet von Besonderheiten, die sich hinsichtlich einer gleichzeitigen Bejahung von Körperverletzungs- oder Tötungsdelikten ergeben können – weder zur Normeinschränkung herangezogen werden (vgl. hierzu BGHSt aaO; Senatsurteil vom 11. April 2000 -1 StR 638/99-, zur Veröffentlichung bestimmt, jew. m.w.N.), noch kann er zu einer Einschränkung des Erheblichkeitsbegriffs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB führen.
(3) Der von der Strafkammer zusätzlich herangezogene Gesichtspunkt, daß die potentiellen Abnehmer nicht nur erwachsen, sondern ohnehin schon rauschgiftabhängig sind, vermag daran ebenfalls nichts zu ändern. Abgesehen davon, daß sich der physische und psychische Zustand von Rauschgiftabhängigen durch fortschreitenden Konsum erfahrungsgemäß immer weiter verschlechtert, hat die Öffentlichkeit die gerade durch diesen Personenkreis verursachten erheblichen sozialen Folgen der Rauschgiftabhängigkeit wie etwa Beschaffungskriminalität zu tragen (vgl. BGHSt 38, 339, 344).
(4) Auch aus dem von der Strafkammer angesprochenen Gesichtspunkt, daß nicht mit der Abgabe von ungewöhnlich großen Mengen von Rauschgift durch den Angeklagten zu rechnen sei, können sich keine für ihn günstigen Folgen ergeben. Einen Rechtssatz, wonach nur die Abgabe derartiger Mengen als erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen sei, gibt es nicht. Es gelten hier keine anderen Grundsätze als bei der Beurteilung der Frage, ob wirtschaftliche Schäden im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erheblich sind. Auch insoweit sind außergewöhnlich hohe Schäden nicht erforderlich (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 1). Ob es Mengen geben kann, die zwar einerseits als „nicht geringe” Mengen im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes anzusehen sind, andererseits aber doch so gering sind, daß schon allein deshalb ihre Abgabe nicht als erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu bewerten ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die vom Angeklagten erworbenen und vorgefaßter Absicht gemäß überwiegend weitergegebenen oder jedenfalls zur Abgabe bestimmten Mengen sind auch unter Berücksichtigung des zum Eigenverbrauch verwendeten oder bestimmten Anteils erheblich zu groß, als daß eine derartige Ausnahme erwogen werden könnte. Anhaltspunkte für die Annahme, der Angeklagte werde künftig nur noch mit wesentlich geringeren Mengen Handel treiben als bisher, sind nicht ersichtlich.
2. Trotz der nach alledem unzutreffenden Beurteilung der Erheblichkeit der zu erwartenden Taten wäre die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung im Ergebnis gleichwohl nicht zu beanstanden, wenn (aus der Sicht der Strafkammer: auch) wegen der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Hinblick auf § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB für die Anordnung von Sicherungsverwahrung kein Raum wäre. Dies war jedoch zu verneinen.
a) Unbeschadet der an sich zulässigen Beschränkung der Revision auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hatte der Senat unter den gegebenen Umständen zunächst zu prüfen, ob die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für sich genommen rechtlicher Überprüfung standhält. Dies ist der Fall:
Sachverständig beraten hat die Strafkammer neben den sonstigen Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch die erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht dieser Maßregel (vgl. BVerfGE 91, 1) ohne durchgreifenden Rechtsfehler bejaht. Allerdings hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang auch festgestellt, daß der Angeklagte im November 1992 – ob er sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befand, etwa wegen einer „letztlich” insgesamt vollstreckten Verurteilung vom 3. April 1991 (wegen einschlägiger Delikte und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz) zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe, ergeben die Urteilsgründe nicht – „einen Therapieversuch … nach wenigen Tagen abgebrochen” hat. Eine „weitere Therapiemöglichkeit” – Näheres ist hierzu nicht mitgeteilt – „nahm er gar nicht erst wahr”. Die Strafkammer hält dies im Hinblick auf die sich daraus ergebende fehlende Therapieerfahrung des Angeklagten für „günstige Faktoren”, ohne sich ausdrücklich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dieses Verhalten des Angeklagten nicht auch gegen die von ihr festgestellte Therapiebereitschaft des Angeklagten spricht. Therapiebereitschaft ist jedoch keine unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (BGH NStZ-RR 1997, 34, 35). Ihr Fehlen ist aber offensichtlich auch kein günstiger Faktor, sondern kann im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ein gegen die Erfolgsaussichten sprechendes Indiz sein (vgl. BGH NStZ 1996, 274; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 64 Rdn. 1 m.w.N.). Mit den genannten, allerdings mißverständlichen Erwägungen wollte die Strafkammer jedoch nur zum Ausdruck bringen, daß bisher längerfristige Therapieversuche noch nicht gescheitert sind, was gegen die Erfolgsaussichten spräche. Zugleich ergibt jedenfalls eine Gesamtschau der eingehenden Erwägungen der Strafkammer mit hinlänglicher Klarheit, daß die genannten Umstände nach der maßgeblichen Überzeugung der Strafkammer die von ihr festgestellte Therapiebereitschaft des Angeklagten letztlich nicht in Frage stellen können.
Gegen eine Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt könnten demgegenüber nach Auffassung der Strafkammer das schon fortgeschrittene Alter des Angeklagten und seine langjährige Drogenabhängigkeit sprechen. Insgesamt kommt die Strafkammer aber zu dem Ergebnis, „die prognostisch negativen Umstände (seien) nicht von so hohem Gewicht, daß sie das Scheitern einer Therapie von vornherein wahrscheinlich machen würden”.
Diese Bewertung, die die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigt, liegt insgesamt im Rahmen des – weiten – tatrichterlichen Beurteilungsspielraums bei Prognoseentscheidungen (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 9 m.w.N.) und ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
b) Auf der Grundlage des von ihr in diesem Sinne prognostizierten Erfolgs der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält die Strafkammer die zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (auch) gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB für unzulässig, da sowohl die bisherigen als auch die zu erwartenden Straftaten des Angeklagten ausschließlich mit seiner Rauschgiftsucht zusammenhängen. Würde er durch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von seiner Rauschgiftsucht befreit, sei mit weiteren Straftaten nicht mehr zu rechnen. Dieser Ansatz ist an sich rechtlich zutreffend (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 291), legt jedoch keinen zutreffenden Prognosemaßstab an. Liegen die Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung an sich vor, so ist ein hohes Maß an Gewißheit erforderlich, um hiervon im Hinblick auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gleichwohl abzusehen. Dies ergibt sich schon aus einer Zusammenschau der einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen:
Einerseits könnte die unterbliebene Anordnung der Sicherungsverwahrung im Vollstreckungsverfahren auch im Falle der Erfolglosigkeit der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht nachgeholt werden, da § 67a Abs. 2 StGB für diesen Fall weder nach seinem Wortlaut noch analog anwendbar ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 90;Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 67a Rdn. 3). Andererseits könnte, wie die Revisionsführerin zutreffend dargelegt hat, gemäß § 72 Abs. 3 Satz 2 StGB i.V.m. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 StGB nach einem Erfolg der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Vollzug der angeordneten Sicherungsverwahrung abgesehen werden.
An die erforderliche Sicherheit einer Prognose gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB, die ein Absehen von einer an sich gebotenen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigt, können daher keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an die Sicherheit einer Prognose, wonach im Hinblick auf künftige Entwicklungen vom Wegfall einer zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch bestehenden Gefährlichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgegangen werden kann (vgl. hierzu BGH Urteil vom 7. April 1999 – 2 StR 440/98-, insoweit in BGH NStZ 1999, 423 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1985, 261; w. N. b. Lackner/Kühl aaO § 66 Rdn. 15). Allein daraus, daß die Unterbringung in der Entziehungsanstalt entgegen dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 StGB nicht nur nicht von vornherein aussichtslos sein darf, sondern, wie es hier der Fall ist, hinreichend konkrete Erfolgsaussichten haben muß (vgl. BVerfGE aaO), ergibt sich dieses Maß an Sicherheit jedenfalls nicht zwingend. Allerdings reichen allein die jeder Prognoseentscheidung – zumal über den Erfolg einer Therapie eines langjährig Drogenabhängigen – immanenten Möglichkeiten einer anderen als der erwarteten Entwicklung nicht aus, das erforderliche Maß an Sicherheit zu verneinen. Hier hat die Strafkammer jedoch konkrete Umstände von Gewicht festgestellt, die gegen den Erfolg einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sprechen können. Der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stehen sie (nur) deshalb nicht im Wege, weil sie das Scheitern einer Therapie gleichwohl nicht „von vornherein wahrscheinlich” machen. Dieses erkennbar verminderte Maß an Sicherheit steht zwar – wie dargelegt – nicht einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, wohl aber einer Prognose gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen.
Bei dieser Sachlage verbleibt es bei dem Grundsatz, daß Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (vgl. BGH GA 1965, 342; BGH Beschluß vom 28. Oktober 1999 – 4 StR 464/99; Hanack aaO § 72 Rdn. 18).
Da die Strafkammer demgegenüber davon ausgegangen ist, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stehe hier der Anordnung von Sicherungsverwahrung zwingend im Wege, bedarf die Sache insoweit neuer tatrichterlicher Würdigung.
3. Bei einer Urteilsaufhebung wegen einer nicht rechtsfehlerfrei unterbliebenen Anordnung von Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben sein, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß im Falle der Anordnung von Sicherungsverwahrung eine geringere Strafe verhängt worden wäre (vgl. BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1 m.w.N.). Hier hat die Strafkammer die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 StGB ausdrücklich bejaht, nachdem sie die beiden gewichtigeren Straftaten jeweils mit der insoweit erforderlichen Mindeststrafe von zwei Jahren geahndet hat. Unter diesen Umständen ist die Möglichkeit einer Auswirkung der unterbliebenen Anordnung von Sicherungsverwahrung auf den Strafausspruch insgesamt zu verneinen.
Unterschriften
Granderath, Nack, Wahl, Kolz, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 540038 |
NJW 2000, 3015 |
NStZ 2000, 587 |
NStZ 2001, 322 |
Nachschlagewerk BGH |
StV 2000, 615 |
Polizei 2000, 330 |